Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0038
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Gute Hoffnung am Kap
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Dirk Ruppik
Die Regenbogennation durchläuft eine krisenreiche Zeit mit politischen Skandalen, fallenden Rohstoffpreisen und Energiekrisen. Dennoch sehen viele einen Silberstreif am Horizont: Ein milliardenschwerer Ausbau der Infrastruktur hat begonnen.
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Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 36 LOGISTIK Südafrika Gute Hoffnung am Kap Südafrika investiert Milliarden in die Logistik-Infrastruktur Infrastrukturausbau, Frachttransport, Schienengüterverkehr, Containerterminal, Transportnetzwerke Die Regenbogennation durchläuft eine krisenreiche Zeit mit politischen Skandalen, fallenden Rohstoffpreisen und Energiekrisen. Dennoch sehen viele einen Silberstreif am Horizont: Ein milliardenschwerer Ausbau der Infrastruktur hat begonnen. Dirk Ruppik D ie Republik an der Südspitze Afrikas befindet sich in einer schwierigen Phase. Skandale und Vorwürfe der persönlichen Bereicherung und Korruption gegen den Präsidenten Jacob Zuma sowie die Einflussnahme reicher Familien wie der Gupta-Familie auf die Politik erschüttern das Land mit fast 56 Millionen Einwohnern in seinen Grundfesten. Entscheidungen in staatlichen Ministerien und Unternehmen werden laut eines Untersuchungsberichts gezielt beeinflusst, um privaten Geschäftsinteressen zu dienen. Die ohnehin schwache Wirtschaftskonjunktur und das Investitionsklima werden durch die Vorfälle zusätzlich negativ beeinflusst. Wichtige Gesetzesvorhaben stecken bereits seit Jahren fest. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts fiel gemäß Weltbank in 2016 auf 0,6 %. Für 2017 (1,1 %) und 2018 (rund 2 %) wird eine leichte Erholung prognostiziert. Der Infrastrukturausbau wurde seit Jahren vernachlässigt, was zu einer weiteren Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums führt. Trotzdem rangiert die Republik beim Logistics Performance Index der Weltbank noch auf Platz 20 von weltweit 160 Ländern. Er unterteilt sich in die sechs Kategorien Zoll, Infrastruktur, internationaler Versand, Logistikleistung, Nachvollziehbarkeit und Pünktlichkeit. Die Punktzahlen der einzelnen Kategorien werden mittels eines gewichteten Durchschnitts zu einer Gesamtzahl aggregiert, die eine Rangliste der untersuchten Staaten ergibt. Neben dem Fachkräftemangel bei gleichzeitig extrem hoher Arbeitslosigkeit von 26,6 %, häufigen Streiks, dem Missmanagement in Staatsunternehmen, der Energiekrise, der hohen Inflation und politischen Unsicherheit, wird der Staat am Kap der Guten Hoffnung durch externe Faktoren wie fallende Rohstoffpreise gebeutelt. Zudem kam es 2015/ 16 aufgrund des Wetterphänomens El Niño zu einer extremen Dürre mit schweren Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Südafrika besitzt insbesondere für die deutsche (BMW, Mercedes-Benz, VW) und europäische Automobilindustrie einen hohen Stellenwert. Deutschland ist laut Germany Trade & Invest nach China das wichtigste Lieferland. Südafrika wiederum verfügt über eines der größten Goldvorkommen der Welt, fördert und verkauft Diamanten, Kohle, Platin, Eisen, Mangan, Kupfer, Erdöl, Uran und Blei. Die Republik ist das viertwichtigste Land für die Eisenerzversorgung Chinas. Weiterhin besitzt das aufgrund seiner gemischten Bevölkerung als Regenbogennation bekannte Land große Erdölvorkommen. Ausbau der Infrastruktur mit milliardenschweren Programm Die Studie „Logistics Barometer 2016“ der Universität Stellenbosch ermittelt für 2014 ein Frachtaufkommen von 848 Mio. t (+ 8,4 % gegenüber 2013). Für 2015 werden 865 Mio. t genannt, für 2016 jedoch aufgrund geringerer Exporte im Bergbaubereich ein nur 856 Mio. t. Mehr als 80 % der allgemeinen Fracht wird per LKW transportiert, auf der Schiene rollen vor allem Rohstoffe für den Export. Die Logistikkosten lagen in 2014 bei 11,2 % des BIP (Deutschland 8,6 %). Laut Vorhersage wird sich das Frachtvolumen in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppeln. Daher muss die Infrastruktur dringend ausgebaut werden. Die staatliche Transnet, die Eisenbahnen, Häfen und Pipelines betreibt, hat in 2012 ihre „Market Demand Strategy“ (2015 - 2022) veröffentlicht, mit der sie versucht, „identifizierte Wachstumspotenziale innerhalb der nächsten Jahre zu nutzen“. Dann allerdings müssen alle Engstellen beseitigt sein, die die Entwicklung Südafrikas bremsen könnten. Karl Socikwa, Geschäftsführer Transnet Port Terminals, glaubt, dass das Land nach der Krisenzeit schon bald zur wachsender Nachfrage zurückkehren wird. Demnach ist geplant, die existierende Schienen-, Hafen- und Pipeline-Infrastruk- Kapstadt. Foto: Damien du Toit/ Wikimedia Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 37 Südafrika LOGISTIK tur mit einem 337 Mrd. ZAR (Südafrikanische Rand; rund 23 Mrd. EUR) schweren Investmentprogramm zu erweitern, um die Kapazität zu erhöhen und die Marktnachfrage zu befriedigen. Der Transport von Fracht soll zunehmend von der Straße auf die Schiene verlagert werden, um Kosten und Emissionen zu reduzieren. Für den Ausbau des Schienengüterverkehrs sind daher 211 Mrd. ZAR (rund 14,6 Mrd. EUR) vorgesehen. Weitere 7,2 Mrd. EUR fließen in die Erweiterung der Seehäfen und rund eine Milliarde in die Entwicklung des Pipeline- Netzwerkes. Insgesamt soll die Produktivität und Effizienz des gesamten Transportnetzwerkes verbessert werden, damit das Land weiterhin der führende Logistikhub in Subsahara-Afrika bleibt und seinem Konkurrenten Nigeria die Stirn bietet. Revitalisierung der Eisenbahn für den Frachttransport Die Republik besitzt das vierzehnlängste Eisenbahnnetzwerk der Welt. Historisch hat es sich im Zuge der Entwicklung des Bergbaus und anderen Schwerindustrien sowie der Land- und Forstwirtschaft entwickelt. Es ist mit Eisenbahnetzwerken in Namibia, Botswana, Mozambik, Zimbabwe und Swasiland verbunden. Allerdings wurde in den letzten 30 Jahren kaum in die Erhaltung oder gar Erweiterung investiert. Durch die Market Demand Strategy soll auch das Eisenbahnnetzwerk insbesondere in Hinblick auf den Frachttransport von Eisenerz und Kohle revitalisiert werden. Ein großer Anteil des Lokomotiven-Neubauprogramms (1064 Einheiten) ging an die chinesischen Hersteller China North und South Rail, der Rest an Bombardier (240) und General Electric. Im August 2016 eröffnete Bombardier eine neue Produktionsstraße für Antriebssysteme. Gemäß Transnet sollen alle Lokomotiven bis auf die ersten 70 auch zur Unterstützung des heimischen Arbeitsmarktes in den eigenen Werken in Koedoespoort, Pretoria und Durban gebaut werden. Am Ende des Programms in 2022 soll der Frachtumschlag per Schiene ansteigen, von 226,6 Mio. t (2014/ 15) auf 362 Mio. t. In diesem Zuge wird auch der Durban-Gauteng- Eisenbahnkorridor ausgebaut, an den der Hafen Durban angeschlossen ist. Hafen Durban in der Warteschleife Rund 96 % der Exporte werden über den Seeweg versendet. Die aus- und eingehende Fracht stammt meist aus Afrika, Asien, Europa und dem Doppelkontinent Amerika. Das Land besitzt acht Handelshäfen: Richards Bay, Durban, East London, Ngqura, Port Elizabeth, Mossel Bay, Cape Town und Saldanha. In den Haupthäfen wird die Kapazitätsnachfrage gemäß Transnet von 255 Mio. t in 2015 auf 314 Mio. t in 2022 pro Jahr anwachsen - im Jahr 2046 sogar auf 543 Mio. t. Alle Häfen zusammen handelten laut dem amerikanischen Journal of Commerce in 2015 rund fünf Millionen 20 Fuß- Standardcontainer (TEU). Für 2022 werden 6,4 Mio. TEU, für 2046 sogar 13,9 Mio. TEU prognostiziert. Richard’s Bay besitzt den größten Kohleterminal der Welt und Mossel ist das bedeutenste Ölterminal Südafrikas. Der tiefste Hafen des afrikanischen Kontinents ist der Containerhafen Ngqura. Durban war bis vor kurzem der größte Containerhafen in der südlichen Hemisphäre, wurde aber vom indonesischen Jakarta überholt. Drei von fünf Containern werden über den Hafen Durban verschifft. Folglich ist das größte Ausbauprojekt im Lande die Erweiterung des alten Containerhafens auf Salisbury Island. Laut der südafrikanischen Engineering News werden in Phase 1 (Pier 1) 2,4 Mio. TEU Kapazität (momentan 700 000 TEU) hinzugefügt. Die Arbeiten sollen von 2018 bis 2023 dauern. In einem Folgeprojekt wird Pier 2 um 500 000 TEU Kapazität erweitert, dann wird die Gesamtkapazität des Durban Containerhafens 5,3 Mio. TEU betragen. Den Neubau des sogenannten „Dig Out- Port“ 20 km südlich des bisherigen Hafens (teilweise auf 800 Hektar Gelände des alten Flughafens) hat die Regierung aufgrund der wirtschaftlichen Lage auf Eis gelegt. Für das Projekt waren in der bisherigen Planung Investitionen von rund 74 Mrd. ZAR (etwa 5-Mrd. EUR) vorgesehen, die Fertigstellung bis 2050 sollte 9,5 Mio. TEU jährliches Umschlagvolumen auf 16 Liegeplätzen bringen. Das Layout umfasst auch ein Automobil-Terminal mit einer Handlingskapazität von 300 000 Fahrzeugen pro Jahr. Zudem soll der Hafen ein Glied im Durban- Gauteng-Frachtkorridor werden. Die Provinz Gauteng ist das wirtschaftliche Herz Südafrikas. Im Zuge der zunehmenden Automobilproduktion (2015: 0,764 Mio., 2022: 1,1 Mio., 2046: 2,7 Mio.) werden neben Durban auch die Häfen Elizabeth und East London erweitert. Wobei Durban 71 % aller Fahrzeuge, Port Elizabeth 19 % und East London 10 % handelt. ■ Neue Class 44-Lokomotiven für den Schienengüterverkehr. Foto: Wikimedia/ André Kritzinger Containerhafen von Durban Foto: Transnet Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de
