eJournals Internationales Verkehrswesen 69/2

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0043
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2017
692

Beitrag des Schienengüterverkehrs zur Energiewende

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2017
Anika Lobig
Gernot Liedtke
Wolfram Knörr
Die Verlagerung von Güterverkehren von der Straße auf die Schiene kann einen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs im Verkehr leisten. Eine Studie im Auftrag des BMVI hat das Ziel, die Verlagerungspotenziale auf den Schienengüterverkehr und die Wirkungen auf den Endenergieverbrauch und die CO2-Emissionen abzuschätzen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine wirksame Reduktion nicht alleine durch infrastrukturelle und technologische Maßnahmen erreicht werden kann, sondern durch eine Umgestaltung des Schienengüterverkehrssystems hin zu innovativen Dienstleistungskonzepten unterstützt werden muss.
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Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 48 Beitrag des Schienengüterverkehrs zur Energiewende Ergebnisse einer Studie zu Verlagerungspotenzialen auf den Schienengüterverkehr in Deutschland Schienengüterverkehr, Verlagerung, Energieverbrauch, CO 2 -Emissionen, Infrastruktur, Multimodalität Die Verlagerung von Güterverkehren von der Straße auf die Schiene kann einen Beitrag zur Senkung des Energieverbrauchs im Verkehr leisten. Eine Studie im Auftrag des BMVI hat das Ziel, die Verlagerungspotenziale auf den Schienengüterverkehr und die Wirkungen auf den Endenergieverbrauch und die CO 2 -Emissionen abzuschätzen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine wirksame Reduktion nicht alleine durch infrastrukturelle und technologische Maßnahmen erreicht werden kann, sondern durch eine Umgestaltung des Schienengüterverkehrssystems hin zu innovativen Dienstleistungskonzepten unterstützt werden muss. Anika Lobig, Gernot Liedtke, Wolfram Knörr D er Anteil des Schienengüterverkehrs (SGV) an der Gesamtgüterverkehrsleistung in Deutschland stagniert seit Beginn der 1990er Jahre bei etwa 18 %. Die bisherigen Anstrengungen zur Steigerung sind ohne Erfolg geblieben. Die Verlagerung von Gütern von der Straße auf die energieeffizientere Bahn könnte jedoch einen wichtigen Beitrag zu dem Ziel der Bundesregierung leisten, den Endenergieverbrauch und die CO 2 -Emissionen des Verkehrssektors zu senken. Vor diesem Hintergrund beauftragte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eine Studie im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie, um mögliche Verlagerungspotenziale und damit verbundene Einsparungen beim zukünftigen Endenergiebedarf und bei CO 2 -Emissionen abzuschätzen. Foto: Pixabay LOGISTIK Wissenschaft Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 49 Wissenschaft LOGISTIK Methodisches Vorgehen im Überblick Die Quantifizierung von Verlagerungspotenzialen und Umweltwirkungen erfordert in einem ersten Schritt die Entwicklung konsistenter Maßnahmenpakete. Hierbei werden technologische und organisatorische Maßnahmen zur Verbesserung des SGV recherchiert und anschließend mithilfe der Function-Analysis-System-Technique (FAST) [1, 2] zu Maßnahmenpaketen zusammengestellt. Die anschließende Bildung von Szenarien beinhaltet die Entwicklung dreier Szenarien, die sich hinsichtlich der Intensität des staatlichen Eingreifens unterscheiden. In diesem Schritt werden ebenfalls die entwickelten Maßnahmenpakete den Szenarien zugeordnet. Daran schließt sich die Wirkungsanalyse an, welche sowohl die verkehrlichen Auswirkungen der Szenarien mithilfe eines makroskopischen Verkehrsmittelwahlmodells als auch die ökologischen Umweltwirkungen mithilfe des Emissionsmodells TREMOD [3] ermittelt. Schließlich werden Handlungsfelder entwickelt, die auf die Weiterentwicklung der politischen- Rahmenbedingungen für den SGV abzielen, um so das ermittelte Verlagerungspotenzial realisieren zu können. Entwicklung konsistenter Maßnahmenpakete Auf der Grundlage einer Recherche von möglichen technologischen, betrieblichen, ökologischen, infrastrukturellen, fiskalischen und regulativen Einzelmaßnahmen zur Verbesserung des SGV werden konsistente Maßnahmenpakete zusammengestellt (siehe Tabelle 1). Hierbei werden die folgenden beiden Aspekte berücksichtigt. Erstens ist es erforderlich, dass die Maßnahmenpakete hinsichtlich einer Bewertung der zu erwartenden Wirkungen quantifizierbar sind. Um Veränderungen bei der Verkehrsmittelwahl zu bewirken, müssen die Maßnahmenpakete die wesentlichen Parameter des Verkehrsmittelwahlverhaltens beeinflussen. Diese Parameter sind die Transportkosten, die Transportzeit und die Zuverlässigkeit. Zweitens können zwischen den recherchierten Einzelmaßnahmen Zusammenhänge bestehen. Diese können sich gegenseitig überflüssig machen. Zum Beispiel führt die zeitliche Entmischung von schnellen und langsamen Zügen auf einzelnen Streckenabschnitten dazu, dass der Bau von Überholgleisen obsolet wird. Ferner sind bestimmte Maßnahmen nur in Kombination sinnvoll. So setzt die Erhöhung der Zuglänge den entsprechenden Ausbau von Überholgleisen voraus. Die Wirkungen von Einzelmaßnahmen können sich bei gleichzeitiger Umsetzung auch verstärken. Beispielsweise ist für eine deutliche Verbesserung der Dienstleistungszuverlässigkeit im SGV eine Erhöhung der Pünktlichkeit von Prozessen in Terminals in Kombination mit einer verbesserten Fahrplanflexibilität und stabilen Betriebsabläufen auf der Strecke sinnvoll. Die Bündelung von Einzelmaßnahmen zu Maßnahmenpaketen erfolgt mithilfe der FAST-Methode. Diese ermöglicht unter Berücksichtigung von Maßnahmeninterdependenzen eine zielgerichtete Entwicklung von Maßnahmenpaketen in Hinblick auf die drei genannten Parameter. Bildung von Szenarien Die Politik beeinflusst durch das Setzen von Rahmenbedingungen, durch Infrastrukturinvestitionen oder die Förderung von technologischen Innovationen die Entwicklung des Modal Split. Abgestuft nach der Intensität des staatlichen Engagements werden drei Szenarien gebildet, in denen die entwickelten Maßnahmenpakete in Politikprogrammen kombiniert werden. Im Szenario „Infrastruktur“ nimmt der Staat ausschließlich seine klassischen hoheitlichen Aufgaben be- Maßnahmenpaket Beschreibung Senkung betrieblicher Transport- Kosten 1 Bruttozuggewicht auf über 2000 t erhöhen • Zuglänge beträgt maximal 740 m, maximale Achslast bei 22,5 t pro Achse • Einsatz automatischer Kupplung und Anpassung der Rahmenkonstruktion des Güterwagens erforderlich 2 Zuglänge auf 740 m erhöhen • Zuggewicht beträgt max. 2000 t • Infrastrukturelle Anpassungen in Bahnhöfen und auf der freien Strecke • Einsatz einer verbesserten Bremsteuerung, z. B. einer elektropneumatischen Bremssteuerung 3 Betriebsbedingte Halte vermeiden • Zeitliche Entmischung schneller und langsamer Züge • Erhöhung der Anzahl Überholgleise • Frühzeitige Information über das Signalbild an den Lokführer, um Zuggeschwindigkeit so anzupassen, dass Abbremsen und Halten vermieden werden. 4 Energieeffizienz erhöhen • Einsatz leichterer Werkstoffe • Fahrwiderstand verringern • Aerodynamik verbessern • Steigerung des Anteils der Energierückspeisung beim Bremsen • Zusätzliche Elektrifizierung von Strecken Transportzeit reduzieren 5 Güterumschlag beschleunigen • Umschlag für kranbare Ladeeinheiten des Kombinierten Verkehrs teilautomatisieren • Neuartige (ggf. automatisierte) Umschlagprozesse für nicht-kranbare Ladeeinheiten in Pilotprojekten testen und fördern 6 Be- und Entladungsvorgänge beschleunigen • Automatische Datenerfassung, -verarbeitung und -übermittlung zwischen Versender/ Empfänger, Terminals, Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) • Austausch zugbezogener Daten zwischen Infrastrukturbetreiber und am Transport beteiligten EVU 7 Zugbildung beschleunigen • Autonome/ teilautomatisierte Rangierprozesse und automatisches Kuppeln von Wagen, Bremsleitungen und ggf. Datenübertragungskupplungen • Bremsprobe, nur allein durch Triebfahrzeugführer • Automatische Fahrzeugzustandsüberwachung • Energiespeicher für einen eigenen Antrieb und Kommunikation direkt im Güterwagen Zuverlässigkeit erhöhen 8 Verspätungen reduzieren • Reservezeiten bei Lok- und Personalübergang einplanen • Ausreichende Kapazitäten für Wagenmeister und Rangierer zur Zugbildung/ -auflösung vorhalten Tabelle 1: Entwicklung von Maßnahmenpaketen Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 50 LOGISTIK Wissenschaft züglich der Schieneninfrastruktur wahr und schafft eine zuverlässige Schieneninfrastruktur, ein leistungsfähiges Zugsicherungssystem und ein Terminalnetz für den Kombinierten Verkehr (KV), welches den abzusehenden Nachfragesteigerungen gerecht wird. Die privaten Akteure hingegen setzen diejenigen technischen Maßnahmen um, die sich für sie betriebswirtschaftlich rentieren. Zu diesem Zweck erfolgt eine Abschätzung der Rentabilität der Maßnahmenpakete. Es zeigt sich, dass die technologischen Maßnahmenpakete einen Nutzen für die privaten Akteure generieren, sofern diese von allen Akteuren gleichzeitig eingeführt werden. Für einzelne Akteure alleine zahlt sich die Maßnahme jedoch aufgrund hinderlicher Netzwerkeffekte häufig nicht aus. Ein Beispiel dafür stellt das Maßnahmenpaket ‚Bruttozuggewicht erhöhen‘ dar, welches die Ausstattung der Güterwagen mit einer automatischen Kupplung vorsieht. Die Wagen sind dann inkompatibel mit dem übrigen Wagenpark, sodass eine Umrüstung unwahrscheinlich erscheint. Im Ergebnis dieser Analyse werden im Szenario „Infrastruktur“ nur die Maßnahmenpakete ‚Zuglänge auf 740 m erhöhen‘, ‚Energieeffizienz erhöhen‘ und ‚Betriebsbedingte Halte vermeiden‘ berücksichtigt (siehe Tabelle 2). Das Szenario „Technologieupgrade“ beinhaltet das Szenario „Infrastruktur“ und ergänzt dieses um ein Technologieförderprogramm. Hier bezuschusst der Staat durch eine Förderung die Mehrkosten für die entwickelten Maßnahmenpakete auf Seiten der privaten Akteure mit dem Ziel, Investitionsrisiken der Akteure zu minimieren bzw. die Refinanzierung von erst langfristig wirksamen Innovationen zu ermöglichen. Dies trägt zur Überwindung von hemmenden Effekten bei und ermöglicht eine Umsetzung aller Maßnahmenpakete. Das Szenario „Multimodalität“ basiert im Gegensatz zu den anderen beiden Szenarien auf der Vision des EU- Weißbuchs der Europäischen Union [4]. Dieses beschreibt ein multimodales Güterverkehrssystem, welches ab Transportentfernungen von 300 km zunehmend auf Transportangeboten des SGV oder der Binnenschifffahrt basiert. Für den SGV werden neue Zugangsmöglichkeiten geschaffen. Da der bisherige KV aufgrund seiner Technologie und Organisationsform nur für einige spezielle Transportnachfragesegmente wie dem Hafenhinterlandverkehr oder dem kontinentalen KV über lange Strecken geeignet ist, müssen darüber hinaus gehende multimodale Knoten aufgebaut werden. Diese lassen einen massenleistungsfähigen Umschlag von Sendungen unterhalb einer Komplettladung (Containerladung) und eine Vermischung der Produktionssysteme des Einzelwagenverkehrs und des KV auf der Schiene zu. Sie stellen darüber hinaus eine Schnittstelle für logistische Zusatzdienstleistungen dar, wie dies in Österreich und Deutschland bereits in Beispielen praktiziert wird. In diesem Szenario wird angenommen, dass der Staat ein Programm für die Entwicklung und Demonstration multimodaler Technologien aufsetzt und ein dichtes Netz aus multimodalen Terminals entsteht. Die privaten Akteure setzen alle vorherigen Maßnahmenpakete um und nutzen die multimodalen Terminals für ihre Dienstleistungen. Wirkungsanalyse Für die Analyse der Wirkungen der beschriebenen Szenarien kommt ein auf Basis der Verkehrsverflechtungsprognose 2030 des Bundes [5] kalibriertes makroskopisches Verkehrsmittelwahlmodell zum Einsatz. Dieses entspricht im Basisjahr 2010 und dem Referenzfall 2030 der Verkehrsleistung der Verkehrsverflechtungsprognose des Bundes (siehe Tabelle 3). Die Werte werden als Vergleichsgrößen für die eigenen Berechnungen herangezogen. Der Einfluss der Maßnahmenpakete auf die modellseitigen Parameter wurde in Form von Zu- und Abschlägen auf die Transport- und Umschlagkosten beziehungsweise -zeiten geschätzt. Dies ermöglicht die Berücksichtigung von gegenläufigen Einflüssen: So erhöhen sich für das Maßnahmenpaket ‚Energieeffizienz erhöhen‘ die Fahrzeugvorhaltekosten (aufgrund modernerer Fahrzeugtechnik), aber gleichzeitig sinken die Energiekosten aufgrund eines geringeren Energieverbrauchs. Anschlie- Nr. Maßnahmenpaket Szenario „Infrastruktur“ Szenario „Technologieupgrade“ Szenario „Multimodalität“ 1 Bruttozuggewicht auf über 2000 t erhöhen - X X 2 Zuglänge auf 740-m erhöhen X X X 3 Betriebsbedingte Halte vermeiden X X X 4 Energieeffizienz erhöhen X X X 5 Güterumschlag beschleunigen - X X 6 Be- und Entladevorgänge beschleunigen - X X 7 Zugbildung beschleunigen - X X 8 Verspätungen reduzieren - X X 9 Annahme: Etablierung multimodaler Dienstleistungen - - X Tabelle 2: Zuordnung der Maßnahmenpakete zu den Szenarien 2010 2030 Verkehrsleistung [Mrd. Tkm] 607,2 837,6 Gesamtendenergieverbrauch [PJ] 559 596 CO 2 -Emissionen [Mio. t] 48,0 48,7 Tabelle 3: Ausgangswerte für die Analyse Modal Split der Verkehrsleistung Ist 2010 Prognose 2030 Szenario „Infrastruktur“ Szenario „Technologieupgrade“ Szenario „Multimodalität“ Straße 72 % 73 % 71 % 66 % 56 % Schiene 18 % 18 % 20 % 27 % 35 % Binnenwasser 10 % 9 % 9 % 8 % 8 % Tabelle 4: Ergebnisse der Szenarien im Vergleich und in Bezug zur Verkehrsverflechtungsprognose 2030 [5] Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 51 Wissenschaft LOGISTIK ßend erfolgt die Analyse der Verlagerungswirkungen (siehe Tabelle 4). Im Szenario „Infrastruktur“ erhöht die Verbesserung der Schieneninfrastruktur den Modalanteil des SGV geringfügig von 18 % im Prognosejahr 2030 auf 20 %. Die Infrastrukturmaßnahmen allein wirken nur in einem geringen Umfang, da die privatwirtschaftlichen Unternehmen aufgrund von weiteren Hemmnissen die Möglichkeiten einer verbesserten Infrastruktur nicht voll ausschöpfen können. Im Szenario „Technologieupgrade“ gelingt es, durch ein paralleles Technologieupgrade die Chancen einer verbesserten Infrastruktur adäquat auszunutzen, sodass erhebliche Zusatzwirkungen auf den Modal-Split erreicht werden: Der Anteil des SGV steigt auf insgesamt 27 % an. Im Szenario „Multimodalität“ gilt per Setzung die Annahme, dass 50 % der Straßengüterverkehre über 300-km auf die Verkehrsträger Schiene und Binnenwasserstraßen aufgeteilt werden. Dies erhöht den Anteil multimodaler Transporte und der Bahnanteil steigt auf 35 %. Die Verlagerungspotenziale bilden die Grundlage für die Abschätzung der Umweltwirkungen. Aufgrund der Annahme, dass alle Verkehrsträger bis zum Jahr 2030 energetisch effizienter werden, kann bereits im Referenzfall 2030 trotz der Verkehrsleistungszunahme um 38 % gegenüber 2010 der Anstieg des Endenergie- Verbrauchs auf + 6,6 % begrenzt werden. Weiter wird angenommen, dass sowohl der Anteil der elektrischen Traktion beim SGV als auch der Anteil der CO 2 -freien Energieträger an der Stromerzeugung bis 2030 weiter zunehmen werden. Dies hat zur Folge, dass die CO 2 - Emissionen des Güterverkehrs im Referenzfall bis 2030 „nur“ um + 1,5 % gegenüber 2010 ansteigen. Die politisch geforderte, deutliche Reduktion der CO 2 -Emissionen wird jedoch nicht erreicht. Die in den Szenarien abgeleiteten Potenziale zur Verlagerung von Transporten auf den SGV führen zu einer Reduktion des Endenergiebedarfs und der CO 2 -Emissionen (Bild 1). Im Szenario „Infrastruktur“ ist dieser Effekt mit einer Minderung von 1,1 Mio. t CO 2 gegenüber dem Referenzfall 2030 angesichts der Gesamtmenge von 48,7 Mio. t noch gering. Mehr als die dreifache Reduktion wird im Szenario „Technologieupgrade“ erreicht. Erst das Szenario „Multimodalität“, bei dem sich die Verkehrsleistung im SGV nahezu verdoppelt, erreicht mit - 8,6 Mio. t eine deutliche Reduktion der CO 2 -Emissionen und damit eine Minderung gegenüber 2010 um über 16 %. Handlungsfelder Die Ableitung von Handlungsempfehlungen baut auf den vorhergehenden Analysen und der Identifikation möglicher Hemmnisse auf. Dies wird ergänzt durch die Erkenntnisse aus drei Fachworkshops zu den Themen Infrastruktur, Multimodale Terminals und Innovationen im Rollmaterial und durch die Ergebnisse von Experteninterviews zu vertiefenden Fragestellungen. Es werden die folgenden vier Handlungsfelder identifiziert (siehe Bild 2). Handlungsfeld Infrastruktur: Eine leistungsfähige und flexible Infrastruktur bildet die Grundlage für zuverlässige Transportketten auf der Schiene. Darüber hinaus ist die Erleichterung des Zugangs von bisher als straßenaffin eingestuften Transportgütern auf die Schiene entscheidend. Hierbei spielen der Erhalt von Gleisanschlüssen und die Ausweitung der bestehenden KV-Förderung auf Umschlagstechnologien, die nicht der engen KV- Definition der aktuellen Förderrichtlinie [6] entsprechen und Erweiterungen darstellen, eine Rolle. Handlungsfeld Organisatorische Innovationen: Die bestehenden Förderrichtlinien sehen einen finanziell aufwändigen Nachweis der Machbarkeit neuer Technologien vor, der von Investoren schwer zu erbringen ist. Es empfiehlt sich, entsprechende Markt- und Machbarkeitsstudien zu fördern. Zur Erleichterung der Markteinführung dieser Technologien bieten sich Demonstrationsprojekte an, die durch einen Innovationswettbewerb ausgewählt und durch Kooperationen zwischen Bild 1: Prognostizierte Veränderung der CO 2 -Emissionen im Güterverkehr im Jahr 2030 in den Szenarien Bild 2: Handlungsfelder zur Gestaltung eines wirtschaftlich attraktiven Schienengüterverkehrs Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 52 LOGISTIK Wissenschaft Inventoren, Forschung und Logistik durchgeführt werden. Ein Vorbild hierfür könnte das österreichische Programm „Mobilität der Zukunft“ [7] sein. Handlungsfeld Rollmaterial: Der Nutzen von Innovationen muss bei den Akteuren des SGV ankommen. Die bestehenden Preis- und weiteren Anreizsysteme sind daher dahingehend zu prüfen und gegebenenfalls zu modifizieren, sodass das Anreizsignal bei den über die Transportdurchführung verantwortlichen Entscheidern ankommt. Die Möglichkeit einer Beihilfe zur Erstattung der Mehrkosten für innovative und wirtschaftlich sinnvolle Technologien, zum Beispiel nach Schweizer Vorbild [8], ist zu prüfen. Handlungsfeld Rahmenbedingungen: Die Akteure im SGV investieren nur dann, wenn sie sich dadurch zukunftsfähig ausrichten. Dies erfordert einen übergeordneten Entwicklungsrahmen für ein zukunftsfähiges Güterverkehrssystem, welches ein Zusammenspiel aller Verkehrsträger darstellt. Nachgelagerte verkehrsträgerspezifische Roadmaps zur Umsetzung und Förderungen im SGV sind mit diesem Entwicklungsrahmen abgestimmt und technologieoffen gestaltet. So wurden beispielsweise im Energiesektor Handlungspfade (Roadmaps) zur Erreichung von Klimaschutzzielen und der Energiewende auf nationaler Ebene definiert [9]. Gut gemeinte Regulierungen zum Schutz neuer Unternehmen im SGV sind auf ihre Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Innovationshemmnisse hin zu untersuchen. Zusammenfassung Die Auswertungen der Modellergebnisse zeigen, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende durch eine Verlagerung im Güterverkehr dann am erfolgreichsten sein wird, wenn es gelingt, den Modal-Split des SGV in dem Maße anzuheben, wie dies das Szenario „Multimodalität“ annimmt. Dazu sind zwei Faktoren von zentraler Bedeutung: Erstens müssen die privaten Akteure in die Lage versetzt werden, in volkswirtschaftlich sinnvolle neue Technologien unter der Maßgabe einer Nutzenerwartung zu investieren und diese in verbesserten Angeboten einzusetzen. Zweitens müssen neue Angebotsformen der Multimodalität entwickelt und am Markt etabliert werden, um Sendungen, die nicht der engen KV-Definition entsprechen, für den Schienengüterverkehr zu gewinnen, so dass die Bahn vom Wachstum des Transportmarktes mit Stückgütern sowie Konsum- und Industriegütern profitieren kann. Dazu dürfen Versender nicht merken, dass ihr Transportgut in einem multimodalen System transportiert wird. Massenleistungsfähige Umschlaganlagen für Güter aller Art gehören genauso zu einem visionären Güterverkehrssystem wie ein Hochgeschwindigkeitsgüterzug wie der NGT Cargo (siehe Beitrag in dieser Ausgabe). ■ LITERATUR [1] Borza, J.: FAST Diagrams: The Foundation for Creating Effective Function Models, 2011 [2] Wixson, J.: Function Analysis and Decomposition using Function Analysis Systems Technique, 2003 [3] Knörr. W., Heidt, C. et al: Aktualisierung „Daten- und Rechenmodell: Energieverbrauch und Schadstoffemissionen des motorisierten Verkehrs in Deutschland 1960-2035“ (TRE- MOD) für die Emissionsberichterstattung 2016 (Berichtsperiode 1990-2014). Im Auftrag des Umweltbundesamtes. [4] Europäische Kommission (Hrsg.): Weißbuch - Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem, Brüssel, 2011 [5] Schubert, M. und andere: Verkehrsverflechtungsprognose 2030, im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, Schlussbericht 2014 [6] Eisenbahnbundesamt (Hrsg.): Richtlinie zur Förderung von Umschlagsanlagen des Kombinierten Verkehrs nicht bundeseigener Unternehmen, Stand: 04.01.2017 [7] Bundesverkehrsministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (Hrsg.): Mobilität der Zukunft, Wien, 2012 [8] Der Schweizerische Bundesrat: Verordnung über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen (GüTV), Stand 01.01.2017 [9] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Roadmap Energiepolitik 2020. Neues Denken - Neue Energie, 2009 Gernot Liedtke, Prof. Dr. Abteilungsleiter Wirtschaftsverkehr, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrsforschung, Berlin gernot.liedtke@dlr.de Anika Lobig, Dipl.-Ing. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrsforschung, Berlin anika.lobig@dlr.de Wolfram Knörr, Dipl. Wirtsch.-Ing. Themenleiter, ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH wolfram.knoerr@ifeu.de Redaktionsleitung: Eberhard Buhl Tel.: +49 89 889518.71 | eberhard.buhl@trialog.de Mediaservice: Hellfried Zippan Tel.: +49 89 889518.74 | hellfried.zippan@trialog.de Ihr direkter Draht zu uns ...