eJournals Internationales Verkehrswesen 69/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0052
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2017
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Smart Data verkürzen Fahrzeiten

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Felix Köbler
Lange Staus, verstopfte Zubringer und Mangel an Parkplätzen: Die Verkehrslage in deutschen Städten raubt vielen Autofahrern den letzten Nerv – und sie ist zugleich teuer. Denn sie kostet gerade kleine und mittelständische Unternehmen wie Handwerksbetriebe oder Dienstleister, die jeden Tag auf den Straßen unterwegs sind, Zeit, Kraftstoff und Geld. Wie eine Smart Data-basierte Service- und Datenplattform helfen soll, den Verkehr zu steuern, zeigt das Projekt „ExCELL“.
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Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 89 Routenplanung TECHNOLOGIE Smart Data verkürzen Fahrzeiten Lange Staus, verstopfte Zubringer und Mangel an Parkplätzen: Die Verkehrslage in deutschen Städten raubt vielen Autofahrern den letzten Nerv - und sie ist zugleich teuer. Denn sie kostet gerade kleine und mittelständische Unternehmen wie Handwerksbetriebe oder Dienstleister, die jeden Tag auf den Straßen unterwegs sind, Zeit, Kraftstoff und Geld. Wie eine Smart Data-basierte Service- und Datenplattform helfen soll, den Verkehr zu steuern, zeigt das Projekt „ExCELL“. Felix Köbler D as Verkehrsaufkommen auf den deutschen und europäischen Straßen steigt stetig. Gleichzeitig müssen Transportunternehmen und Dienstleister so schnell wie möglich zu den Kunden gelangen, um Kosten zu optimieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Denn gerade im Dienstleistungssektor wollen Kunden nicht lange auf Handwerker oder Lieferdienste warten und möglichst frei die jeweiligen Termine bestimmen. Das Projekts „ExCELL - Echtzeitanalyse und Crowdsourcing für eine selbstorganisierte City-Logistik“, das im Rahmen des Technologieprogramms „Smart Data - Innovationen aus Daten“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird, nimmt sich dieser Problematik an. Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Erprobung einer Service- und Datenplattform, die verschiedene Mobilitätsdienstleistungen bereitstellt und verknüpft. Diese Services sollen Unternehmern und v. a. Entwicklern über die Plattform zur Verfügung gestellt werden, um so neuartige und innovative Anwendungen und Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Die im bisherigen Projektverlauf entwickelten Services erlauben die Sammlung sowie eine auf Algorithmen basierende Verarbeitung und Veredelung geographischer und verkehrstechnischer Daten in Echtzeit und deren logische Verknüpfung. Dazu zählt etwa ein Tracking Service, der den aktuellen Standort eines Mobilgerätes oder Fahrzeugs speichert, sowie ein Traffic Event Service, der eine Liste mit aktuellen Verkehrsereignissen bereitstellt. Als erste Datenquelle, um beispielweise die Verkehrslage zu ermitteln, dienen im Pilotraum das „Verkehrs-, Analyse-, Management- und Optimierungs-System“ (VAMOS) der Stadt Dresden sowie Floating Car Data (FCD). VAMOS ist mit Verkehrsdetektoren des städtischen Straßennetzes verbunden, erfasst eine Vielzahl von Daten zum Verkehrsgeschehen und wertet diese für die Verkehrssteuerungsleitsysteme der Stadt Dresden aus. Ein weiterer Pfeiler des ExCELL-Projektes zur Datensammlung und -analyse von verkehrstechnisch und mobilitätsrelevanten Daten stellt das Crowdsourcing dar. Dies erfolgt mithilfe des Tracking Services - etwa in einer Anwendung auf einem mobilen Endgerät - automatisch Bewegungs- und Positionsdaten eines Nutzers gesammelt. Zum anderen stellt die Service-Plattform einen Crowdsourcing Service bereit, der es Nutzern erlaubt, verkehrsrelevante Daten wie beispielsweise eine Verkehrsstörung oder einen Unfall aktiv zu übermitteln. Diese Kontextdaten können genutzt werden, um Analysen und Vorhersagen zu erweiteren und zu verbessern. Zusätzlich zur Meldung, dass ein Stau entsteht, können so Ursachen und Umstände einer Verkehrssituation besser eingeordnet werden. Informationen, die mitunter entscheidend sein können: So macht es einen großen Unterschied, ob eine Straße für einen absehbaren Zeitraum wegen einer Demonstration gesperrt wird, oder ob ein schwerer Verkehrsunfall der Grund ist. Initialer Anwendungsfall: Handwerksbetriebe Der initiale Anwendungsfall fokussiert auf Handwerksbetriebe. Viele Handwerker müssen im Arbeitsalltag sehr mobil sein und machen einen bedeutenden Anteil am innerstädtischen Verkehr aus. So müssen Handwerker im Kundendienst mehrere Fahrten zu meist unterschiedlichen Orten innerhalb eines Tages durchführen, etwa für Materialbesorgungen. Zum anderen stellen Handwerksbetriebe idealtypische Vertreter kleiner und mittelständischer Unternehmen dar. Im Rahmen des Projekts sollen ausgewählte Handwerksbetriebe in Dresden die Anwendung in geplanten Feldtests einsetzen, um ihre Kundentermine und die damit verbundenen An-, Zwischen- und Abfahrten sowie Wegketten auf Basis der aktuellen Verkehrslage zu optimieren. Die Anwendung gleicht dafür kontinuierlich die aktuelle Position mit der zu bewältigenden Strecke ab und warnt Handwerker vor möglichen Verzögerungen in ihrem Terminplan durch erhöhtes Verkehrsaufkommen. Gleichzeitig werden die Verzögerungen teilautomatisiert an die Kunden weiter kommuniziert. Auf diese Weise können Transparenz und Planbarkeit und damit auch die Zufriedenheit für die Kunden gesteigert werden. Nach Evaluierung der initialen Anwendung in den geplanten Feldtests in Dresden soll zum einen eine Ausweitung der Ex- CELL Service- und Datenplattform auf andere Städte und Regionen evaluiert, zum anderen ein weiterer Anwendungsfall realisiert werden. In einem weiteren Schritt soll die Öffnung der Plattform für Drittanbieter - etwa Start-ups aus dem Logistik- und Mobilitätsumfeld - evaluiert werden. Nicht nur im Bereich Logistik und Mobilität gilt jedoch: Die größten Herausforderungen einer sinnvollen Anwendung von Smart Data liegen häufig noch auf Seiten der Anwender. Denn die Digitalisierung hat insbesondere im Mittelstand noch nicht überall Einzug gehalten. Diese Hindernisse gilt es, zu berücksichtigen und ernst zu nehmen, und technische Lösungen innerhalb der geltenden Rechts- und Sicherheitsgrundlage insbesondere hinsichtlich Datenschutz zu erarbeiten. ■ Felix Köbler, Dr. ExCELL-Projekt, Digital Strategy & Experience Consultant, Feld M GmbH, München felix.koebler@feld-m.de