eJournals Internationales Verkehrswesen 69/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0053
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2017
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„Ihre Route wird neu berechnet“

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2017
Johannes Glossner
Dieter Wallmann
Staus und unvorhergesehene Hindernisse kommen die Logistik teuer zu stehen: Sie kosten Zeit und zusätzlichen Sprit. Eine Lösung besteht darin, die aktuelle Verkehrslage in Echtzeit auszuwerten und Informationen miteinander auszutauschen. Zu diesem Zweck bedarf es eines flächendeckenden Breitbandnetzes und Diensten, die aus großen Datenmengen blitzschnell die passende Route ableiten.
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Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 90 TECHNOLOGIE Verkehrsdaten „Ihre Route wird neu berechnet“ Wie Big Data den Warenverkehr optimiert Telekommunikation, Breitband, Geodaten, Verkehrsfunk, Navigationssystem, Routenplanung Staus und unvorhergesehene Hindernisse kommen die Logistik teuer zu stehen: Sie kosten Zeit und zusätzlichen Sprit. Eine Lösung besteht darin, die aktuelle Verkehrslage in Echtzeit auszuwerten und Informationen miteinander auszutauschen. Zu diesem Zweck bedarf es eines flächendeckenden Breitbandnetzes und Diensten, die aus großen Datenmengen blitzschnell die passende Route ableiten. Johannes Glossner, Dieter Wallmann L KW bleibt an Brücke hängen“ - dieses kostspielige Missgeschick ist immer wieder eine Schlagzeile wert. Speditionen verlieren aber auch dann Geld, wenn ihr Fahrer rechtzeitig bremst und eine alternative Strecke wählt. Denn Umwege kosten Zeit und Kraftstoff. Ursachen für derlei unbeabsichtigte Kilometer gibt es viele. Dazu gehört die kürzlich eingerichtete Einbahnstraße in der Innenstadt ebenso wie die Baustelle, die eine Straße unpassierbar macht. Das zentrale Ärgernis für Logistikunternehmen bleiben allerdings Staus. Der ADAC meldete in seiner Staubilanz 2016 einen Anstieg der gemeldeten Gesamtstaulänge um 20 % gegenüber 2015 - nun immerhin mit 1,3 Mio. km Gesamtlänge. 1 Schon 2009 errechnete die Industrie- und Handelskammer Nürnberg, dass ein LKW in Deutschland durchschnittlich 114 Stunden jährlich im Stau steht. Das entspricht beinahe drei Arbeitswochen. 2 Angesichts von Handels- und Produktionsabläufen, die zunehmend von On- Demand-Angeboten und Just-in-Time-Prozessen geprägt sind, kommt es auf intelligente Lösungen für die beschriebenen Probleme an. Und das bedeutet nicht ausschließlich immer mehr Straßen und Autobahnen. Vielmehr muss die Logistik beispielsweise in die Lage versetzt werden, bei der Routenplanung unverzüglich auf Staus und Hindernisse zu reagieren. Dazu bedarf es zweierlei: einer funktionierenden Technologie zur Echtzeitübertragung von Verkehrsdaten und eines Partners, der aus diesen Daten valide Empfehlungen ableitet. Breitbandnetz heute und morgen Zur vorherrschenden Übertragungsart für Verkehrsdaten entwickelt sich in Deutschland das mobile Internet, anders als beispielsweise in den USA. Dort sind Flatrates deutlich teurer, weshalb sich Radiostandards als Mittel der Wahl durchgesetzt haben. Was die Verfügbarkeit des mobilen Internets anbelangt, macht Deutschland Fortschritte. Die Bundesregierung hat im Jahr 2016 beschlossen, die Investitionen in den Ausbau des Breitbandnetzes um 1,3 Mrd. EUR auf insgesamt 4,0 Mrd. EUR zu erhöhen. 3 Das Geld dient ausdrücklich dazu, mobiles Internet auch in Regionen zu tragen, in denen sich dies betriebswirtschaftlich für Telekommunikationsunternehmen nicht rechnet. Für die Logistikbranche ist zudem bedeutsam, mittelfristig im gesamten europäischen Wirtschaftsraum zu einer flächendeckenden Versorgung mit mobilem Internet zu gelangen. Schließlich überqueren LKW mit einer Fracht häufig gleich mehrere Grenzen. Nicht zuletzt gilt es, künftige Anwendungen mitzudenken. LKW, die hochautomatisiert oder gar autonom fahren, verlangen weitaus größere Ressourcen als die Dienste, die ihnen jetzt schon zur Verfügung stehen. Big Data professionell handhaben Was mit dem derzeit verfügbaren mobilen Internet bereits möglich ist, zeigt beispielsweise Geodatendienst-Anbieter Here. Das Unternehmen erstellt präzise Karten und kombiniert sie mit historischen und aktuellen Straßenverkehrsdaten. Auf dieser Grundlage werden optimale Routen berechnet und Verkehrsteilnehmer bis ins Detail darüber informiert, was vor ihnen liegt. Dieser komplexe Prozess dauert in der Regel weniger als 60 Sekunden - vom Zeitpunkt der Aufzeichnung aktueller Daten auf der Straße bis zur validen Verkehrsinformation. Die Verkehrsdienste von Here speisen sich aus einer Vielzahl von Quellen. Dazu gehören unter anderem die Daten vernetzter Fahrzeuge, Positionsdaten mobiler Endgeräte und künftig auch die Flottendaten von Audi, BMW und Daimler. Die vollständig anonymisiert gewonnenen Datenmengen aggregiert, verarbeitet und analysiert Here mittels skalierbarer Cloud-Computing Methoden. Für die Übertragung der Verkehrsinformationen kann das Unternehmen je nach Einsatzzweck verschiedene Kanäle anbieten. Während RDS TMC nach wie vor sehr beliebt ist, aber nur eine begrenzte Übertragungsbandbreite bietet, kann per DAB Traffic und vor allem mit Connected Traffic die aktuelle Verkehrssituation umfangreich und feingranular abgebildet werden. Letzteres erlaubt durch eine bi-direktionale Datenverbindung, auch die Informationen des Fahrzeugs entsprechend auszuwerten und die Verkehrsdaten individuell für z.B. die aktuelle Route aufzubereiten. Die Dienste von Here sind über diese Übertragungswege für 92 bis 98 % der Fläche und der Fernstraßen Deutschlands verfügbar und decken auch Seitenstraßen z. B. in Städten ab. Sollte ein Fahrzeug die Verbindung mit dem Internet einmal verlieren, erhält der Fahrer automatisch Basis-Informationen per Rundfunksignal. Steht wieder Internet zur Verfügung, wechselt der Dienst zurück, ohne dass der Fahrer den Wechsel bemerkt. Als Übertragungsstandard nutzt Here das Datenprotokoll TPEG. Kunden können aber auch Lösungen auf eigene Systeme aufsetzen lassen. Große Logistikunternehmen nutzen diese Möglichkeit bereits. Internationales Verkehrswesen (69) 2 | 2017 91 Verkehrsdaten TECHNOLOGIE Flotten managen und spontan reagieren Die Here Clouddienste verwenden Kartendaten und Verkehrsinformationen, um Programmierschnittstellen (API) unter anderem für die Routenplanung und Navigation zur Verfügung zu stellen. Anbieter von IT- Lösungen, die auf Logistik spezialisiert sind, nutzen diese APIs zur Entwicklung eigener Programme. Mit deren Hilfe können Warentransporte per LKW und Lieferwagen dann geplant und gesteuert werden. Für die Disponenten ergeben sich zwei wesentliche Vorteile: Erkenntnisse über zurückliegende Ereignisse im Straßenverkehr und über das Straßenbild - sogenannte historische Daten - helfen dabei, Transporte zu planen, Fahrzeiten zu kalkulieren und Ankunftszeiten mit den Empfängern zu vereinbaren. Aktuelle Verkehrsinformationen wiederum unterstützen dabei, die Route optimal anzupassen, potentielle Verspätungen zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Über die Here Mobile SDK für Android und IOS in Verbindung mit der Fleet Connectivity Extension lässt sich zudem Fahrernavigation in die Back-End-Systeme integrieren. Der Disponent kann also Fahrziele direkt ans Navigationssystem des LKW senden. Der Fahrer bestätigt auf gleiche Weise die Auftragsannahme und sendet eine kalkulierte Ankunftszeit zurück. Wenn sich während der Fahrt die Verkehrslage auf der berechneten Route ändert, wird im Navigationssystem eine Neuberechnung ausgelöst. Die eventuell abweichende Ankunftszeit erhält der Disponent ebenfalls automatisch. So verfügt er immer über die aktuellen Informationen zur Ankunftszeit einer Lieferung - niemand muss mehr zum Telefon greifen, um Verspätungen anzukündigen. Für den Fahrer erübrigt sich überdies das Eintippen neuer Ziele während der Fahrt. Er muss lediglich die Angaben des Navigationssystems mit einem Klick bestätigen (Bild 1). Lösung des Travelling-Salesman- Problems Während LKW für gewöhnlich stracks von A nach B fahren, steuern Kurierfahrzeuge täglich eine Vielzahl von Adressen an. Here ermöglicht es, vor der Routenplanung zunächst die optimale Reihenfolge der Ziele festzulegen und so die insgesamt kürzeste Fahrdauer zu ermitteln (Bild 2). Auch bei dieser Anwendung sind Verkehrsinformationen nützlich: Liegen beispielsweise einige Adressen innerhalb der Stadt und einige im Umland, wählt der Algorithmus die Ziele so, dass das Kurierfahrzeug den Berufsverkehr vermeidet. Fazit Mit den Here Diensten kann der Warenverkehr optimal geleitet werden. Davon profitieren nicht nur Logistikunternehmen und ihre Auftraggeber. Auch für Umwelt, Städte und Gemeinden ergeben sich aus optimierten Routen im Warenverkehr handfeste Vorteile: Wenn LKW und Transporter Umwege vermeiden, emittieren sie weniger Kohlendioxid und weniger Schadstoffe. Das trägt zum Klimaschutz bei, sorgt in Ballungszentren für bessere Luft und erspart der einen oder anderen Brücke die Bekanntschaft mit dem Führerhaus eines LKW. ■ 1 www.adac.de → Suchwort „ADAC Staubilanz“ 2 www.ihk-nuernberg.de → Suchwort „Straßenverkehrskonferenz 2009 der IHKs der EMN“ 3 www.bmvi.de → Suchwort „Breitbandausbau“ Bild 1: Die Here Fleet Connectivity Extension sorgt für einen unkomplizierten Austausch zwischen Disponenten und ihren Fahrern: Updates zu Aufträgen und Routen kommen via Smartphone. Bild 2: Optimale Routen im Warenverkehr senken die Kosten der Logistikbranche. Zugleich dienen sie dem Umwelt- und Klimaschutz. Johannes Glossner Senior Product Manager Automotive, Here Deutschland, Berlin johannes.glossner@here.com Dieter Wallmann Senior Product Manager Platform for Business, Here Deutschland, Berlin dieter.wallmann@here.com