eJournals Internationales Verkehrswesen 69/3

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0057
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2017
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EU-Straßenpaket und Masterplan Schienengüterverkehr: mehr als Deklarationen?

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Gerd Aberle
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Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (69) 3 | 2017 9 EU-Straßenpaket und Masterplan Schienengüterverkehr: mehr als Deklarationen? I n der EU herrscht bei den Abgabensystemen für die Nutzung der Straßeninfrastruktur ein umfänglicher Wildwuchs. Der soll nach den Vorstellungen der EU-Kommission ab 2023 ein Ende haben, so zumindest verlautbart es das sog. Straßenpaket, das unter dem allerdings nichtssagenden Titel „Europa in Bewegung“ im Mai dieses Jahres präsentiert wurde. Ab 2023 sollen nur noch fahrleistungsabhängige Nutzungsentgelte zulässig sein. Dieses sinnvolle Vorhaben wird für den Straßengüterkehr auch umsetzbar sein. Wesentlich schwieriger, da politisch heikler, wird es sich für den PKW gestalten, anvisiert ist 2027. Denn umwelt- und ökonomische Rationalität dürften sich hier wesentlich größeren Widerständen gegenübersehen. Enttäuschend ist, dass letztlich jedoch die Mitgliedsstaaten entscheiden, ob überhaupt Benutzungsabgaben eingeführt und in welchem Umfang Umweltkosten einbezogen werden. Damit bleibt der unerwünschten Vielfalt nationaler Abgabenregelungen weiterhin die Tür geöffnet. Völlig unbefriedigend sind bei genauerem Hinsehen auch die Kommissionsvorschläge für eine Beseitigung der immer krasser werdenden Probleme, die aus den sehr unterschiedlichen Sozialstandards für LKW-Fahrer resultieren. Die Durchsetzbarkeit der Vorschläge, sei es politisch oder/ und organisatorisch-administrativ, erscheint mehr deklaratorisch als realisierungsfähig. Hier wurde das Kompromissagieren der Kommission wieder besonders deutlich, gehen doch die Interessen der Mitgliedsstaaten und ihrer einflussreichen Lobbygruppen bei diesen Sachfragen weit auseinander. Auf mehr zustimmende Kommentare ist der 42-seitige deutsche „Masterplan Schienengüterverkehr“ gestoßen. Fast scheint eine Begeisterung erkennbar zu sein, als stünde der Durchbruch zur viele Jahre lang ersehnten Renaissance dieses Verkehrsträgers, dem in dem letzten Jahrzehnt wenig politisch wirksame Unterstützung zuteil wurde, vor der Tür. Allerdings musste der zusätzliche Belastungen tragen, denen der Wettbewerber LKW nicht unterliegt, etwa bei den Energiesteuern und den erneuerbaren Energiemaßnahmen sowie den Umweltzertifikaten. Ziel des Strategiepapiers Masterplan ist (wieder einmal) die Erhöhung des Marktanteils des Schienengüterverkehrs auf deutlich über 20 % mit Hilfe von zehn Maßnahmenkategorien. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass wirklich Neues kaum erkennbar ist, wird einmal von der Ankündigung einer Halbierung der Trassenpreise im Jahre 2018 abgesehen. Vorgesehen sind hierfür 347 Mio. EUR, die aus nicht abgerufenen Haushaltsmitteln finanziert werden. Die anderen Vorschläge des Plans dürften in einer Masterarbeit als Prüfungsleistung wenig Punkte bringen. Viele der Handlungsaufforderungen werden seit Jahren diskutiert, sind teilweise - wie die Entwicklung innovativer Güterwagen - bereits in der Realisierungsphase, wie etwa bei der SBB Cargo. Der Umbau wichtiger Strecken und Knoten für die Nutzung von 740 m-Zügen soll vorangetrieben werden, ebenso Automatisierung und Digitalisierung wie auch der notwendige infrastrukturelle Kapazitätsausbau. Die Zugänglichkeit zum Schienenverkehr soll generell für Nutzer erleichtert und die Sozialstandards zwischen den konkurrierenden Verkehrsträgern harmonisiert werden. Das kommt alles sehr bekannt vor und die Erfahrung zeigt, dass kurz- und mittelfristige Umsetzungen vor allem Wunschdenken sind. So richtig diese und andere Forderungen sind: die einzig konkrete und zumindest für 2018 weitgehend gesicherte Maßnahme ist die Trassenpreishalbierung. Fraglich ist allerdings, ob die von einigen Kommentatoren hieraus erwartete Umsatzsteigerung um 20 bis 30 % realistisch ist. Angesichts der Qualitätsprobleme bei wesentlichen Teilen des Schienengüterverkehrs, beurteilt aus der Sicht der aktuellen und vor allem der zu gewinnenden Kunden, scheinen solche Preiselastizitäten und damit Zuwächse vor allem auf Hoffnungen zu basieren. Dass inzwischen für den SPNV auch schon Wünsche einer Trassenpreissenkung zur Kompensation erwarteter Fehlbeträge zwischen den vereinbarten Steigerungen der Regionalisierungsmittel (1,8 % p. a.) und den zukünftig erwarteten höheren Anhebungen der Trassenpreise laut wurden, verdeutlicht die Sensitivität dieses Themas. Zuständig für dies alles sind Parlament und Bundesregierung nach der Bundestagswahl. Und dann werden viele Karten neu gemischt. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche