eJournals Internationales Verkehrswesen 69/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0064
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Ägypten - Transitkorridor zwischen Ost und West

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Dirk Ruppik
Große Pläne: Ägypten plant einen umfassenden Ausbau des Transportsystems. Milliarden US-Dollar werden insbesondere durch chinesische Investoren in Häfen, Schienen- und Straßenverbindungen fließen.
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Internationales Verkehrswesen (69) 3 | 2017 28 Ägypten - Transitkorridor zwischen Ost und West Große Pläne: Ägypten plant einen umfassenden Ausbau des Transportsystems. Milliarden US-Dollar werden insbesondere durch chinesische Investoren in Häfen, Schienen- und Straßenverbindungen fließen. Dirk Ruppik B edingt durch die unsichere politische und wirtschaftliche Lage hat die Arabische Republik Ägypten ihre Ausgaben für Infrastruktur in den letzten Jahren stark eingeschränkt. Allerdings hat der im Juni 2014 gewählte Präsident Abdel Fattah El Sisi im Jahr 2015 die Vollendung wichtiger Infrastrukturprojekte zur Priorität erklärt. Neben wichtigen Energieversorgungsprojekten wurde der Bau des neuen Suezkanals mit einer Verdopplung der Kapazität in Auftrag gegeben. Aber die Republik tut sehr viel mehr, als nur Probleme zu beseitigen. Sie will zu einem wichtigen Transitkorridor für See- und Lufttransport zwischen Europa, Asien, Afrika und den Nahen Osten werden. Suez: Warten auf den Erfolg Ein Jahr nach der frenetisch gefeierten Eröffnung des Neuen Suezkanals sieht die Realität anders aus als gewünscht. Die am 6. August 2015 eröffnete, rund 7,6 Mrd. EUR teure Kanalerweiterung hatte die mögliche Transitkapazität von 49 auf 97 Transite täglich erhöht, da nun Schiffe über fast die ganze Kanallänge in zwei Richtungen gleichzeitig verkehren können (Bild 1). Es wurde geschätzt, dass sich die Wartezeiten für den Transit von elf auf drei Stunden verringern. Die Einnahmen sollten sich gemäß des Vorsitzenden der Suez Canal Authority (SCA) Admiral Mohab Mamish von 5,1 Mrd. EUR 2014 auf 12,5 Mrd. EUR im Jahr 2023 mehr als verdoppeln. Laut der unabhängigen ägyptischen Zeitung Mada Masr „haben sich viele Versprechungen als übertrieben erwiesen. Die Erträge sind mit dem globalen Handel gefallen.“ 1 Die Zeitung weiter: „Moody’s Investors Service setzte zuvor für die Erfüllung dieser Prognose ein Wachstum des globalen Handels von zehn Prozent voraus. Gemäß der World Trade Organization vom September 2016 lag die Prognose für das globale Handelswachstum aber nur bei 1,7 Prozent. Das 25-Jahres-Mittel erreichte nie mehr als fünf Prozent.“ Die Daten der SCA zeigen, dass die Erträge durch Gebühren in 2015 Bild 1: Der „Neue Suez Kanal“ (rot) erlaubt fast durchgängig Gegenverkehr. Quelle: Port Said Hafenverwaltung LOGISTIK Ägypten Straßenbrücke über den Sueskanal bei El Qantara Bild: Aashay Baindur/ Wikimedia Internationales Verkehrswesen (69) 3 | 2017 29 Ägypten LOGISTIK um rund 270 Mrd. EUR gegenüber 2014 gefallen sind. Und bei Transit und Tonnage zeigt die offizielle Statistik auch von 2015 auf 2016 einen deutlichen Rückgang (Bild 2). Umfassende Transformation des Hafensystems Die Regierung Ägyptens plant weiterhin den Ausbau der Häfen von 120 Mio. t auf 370 Mio. t Umschlagvolumen in 2030. Dabei wird u. a. die Red Sea Port Authority neue Liegeplätze und Einrichtungen in neun Häfen schaffen. Der größte Hafen Alexandria handelt 60 % des Außenhandels des Landes. Das Suez Canal Container Terminal (SCCT) in East Port Said (World Shipping Council 2015: 3,6 Mio. TEU, +5,9 %, weltweit Platz 41) und Damietta sind die größten Containerhäfen im Lande. Alexandria, El-Dekhila, Damietta, West Port Said, East Port Said, Abadiya, Sokhna und Safaga sind Tiefseehäfen mit Liegeplätzen von mindestens 12 m Wassertiefe. Die Hafenverwaltung von Alexandria wird gemäß eigener Aussage den größten Hafen in Ägypten und dem Nahen Osten bauen. Bis 2027 sollen eine Logistikindustriezone und ein Gewerbegebiet im Wert von 120 Mrd. EGP (Ägyptische Pfund; 6,1 Mrd. EUR) entstehen. Laut Port Master Plan steht zudem eine umfassende Transformation von East Port Said bevor, die die Entwicklung einer Industrie- und Verwaltungszone sowie einer Wohnanlage für 1,5 Mio. Menschen und Tourismusbereiche umfasst. Das Vorhaben ist Ägyptens größtes aktuelles Investmentprojekt. Der Ausbau ist in mehreren Phasen für 497 Mio. USD (460- Mio. EUR) bis 2030 geplant. Dabai wird die Kapazität von Port Said zunächst von 4 Mio. TEU (in 2015) auf 7 Mio. TEU angehoben. Bis 2019 ist geplant, die Kapazität auf 11-Mio. t zu erweitern. Innerhalb von nur drei Monaten wurde im Februar 2016 die Ausbaggerung des East Port Said-Seitenkanals für 34 Mio. EUR fertiggestellt, der die Zu- und Abfahrt von Schiffen gewährleisten wird, ohne die Convoys im Suezkanal zu behindern. China hilft - auch bei der Sanierung von Straßen Der Einfluss Chinas im Land nimmt weiter zu. Geplant ist eine Sonderwirtschaftszone (SEZONE) am Golf von Suez nahe des Hafens Sokhna mit einem Zugang zu den wichtigen Märkten in Europa, dem Nahen Osten und in Afrika. Die chinesische TEDA Holding wird zunächst 400 Mio. USD (372 Mio. USD) investieren. Sokhna am Südende des Suezkanals entwickelt sich rasant zu einem neuen Industriehub für Ägypten und den Handel mit Asien und dem Nahen Osten. In Ägypten werden 94 % der gesamten Fracht auf der Straße transportiert. Laut Masterplan wird die Erneuerung des Straßensystems 8 Mrd. USD (7,4 Mrd. EUR) über die nächsten fünf bis zehn Jahre benötigen. Dabei wird die chinesische Regierung gemäß Oxford Business Group im Rahmen der bereits besprochenen Projektvereinbarungen die Sanierung von 24 000 km Straßen übernehmen. Das Transportministerium will Straßen zwischen Safaga-El Quseir-Marsa Alam am Roten Meer (Kosten 79 Mio. EUR), von Ras Sudr nach Sharm Al-Sheikh auf dem Sinai (66 Mio. EUR) und von Alexandria nach Abu Simbel im Landessüden (595 Mio. EUR) bauen. Weiterhin ist geplant, sieben Logistikdörfer und Häfen für Trockenschüttgut zu bauen, um die Straßen zu entlasten. Bei der Finanzierung soll die Privatwirtschaft eine große Rolle spielen. Ein weiteres Logistikzentrum wird in Madinat as- Sadis min Uktubar nahe Kairo entstehen und einen Zugang zu den Häfen Alexandria und Dekhela am Mittelmeer erhalten. In Ägypten gibt es laut Transportministerium keinen Logistikanbieter mit einer durchgehenden Distributions-Infrastruktur. Generell mangelt es an Dienstleistungen im Bereich Straßentransport. Schiene: Per Katapult in die Zukunft Laut Transportministerium konzentrieren sich 57 % des Schienennetzes, 6700 km lang mit 820 Bahnhöfen, im Nildelta und entlang des Nilflusstals. Nur 63 km des Schienennetzes sind elektrifiziert, 28,4 % der Schienenwege zweispurig ausgelegt. Bisher werden nur rund 5 % der gesamten Fracht via Schiene transportiert. Zur Sanierung des Schienennetzwerks in Ägypten hat die China Railway Construction Company als Teil eines Konsortiums im Januar 2016 ein Rahmenabkommen im Wert von 1,1 Mrd. USD abgeschlossen. Die Regierung des Landes hat im März 2015 eine Absichtserklärung über ein Hochgeschwindigkeitszugprojekt von Alexandria via Kairo und Luxor nach Assuan unterzeichnet. Es soll in drei Phasen umgesetzt werden. In der ersten Phase ist geplant, die Verbindung zwischen Kairo und Alexandria zu bauen, die zweite Phase (acht Jahre Bauzeit, Baukosten 6 Mrd. USD) würde zwischen Kairo und Luxor verlaufen. 2 Die Arabisch-Deutsche Handels- und Industriekammer rechnet für das gesamte Projekt rund 13 Mrd. USD. 3 Die Züge werden mit 350 km/ h verkehren und damit die Strecke von Alexandria bis Assuan in 3 bis 4 h zurücklegen. Es ist geplant, den Schienenweg zwischen Luxor und Assuan innerhalb von fünf Jahren zu bauen. Eine weitere vorgeschlagene Strecke für Fracht und Passagiere liegt zwischen der 10. Ramdan City und Kairo mit 652 Mio. EUR geschätzten Baukosten. Auch Luxor, größte oberägyptische Stadt und antike Tempelstätte, und die Tourismus-Hochburg Hurghada sowie später der Hafen Safaga am Roten Meer sollen per Schiene verbunden werden. Neben chinesischen Investoren und der russischen Staatsbahn RZD ist unter anderem auch Siemens in diesem Bereich aktiv. ■ 1 Pesha Magid: 1 year on: Where does ‘New Suez Canal’ stand? In: Mada Masr online, 06.08.2016. https: / / www.madamasr.com/ en/ 2016/ 08/ 06/ feature/ economy/ 1-year-on-where-does-new-suez-canal-stand/ (abgerufen: 14.07.2017) 2 Siehe auch: Mohamed Abdelnaby, Mahmoud A. M. Ali, Jürgen Siegmann (2016): Economical assessment of the High Speed Railway. Proposed Cairo - Luxor HSR line as case study. In: Internationales Verkehrswesen (68), Heft 4, S. 34-39 3 Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry: Ägypten baut Schienennetz aus. https: / / ghorfa.de/ de/ aegypten-schieneninfrastruktur-15-mrd (abgerufen 14.07.2017) Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de 0 5,000 10,000 15,000 20,000 25,000 0 200,000 400,000 600,000 800,000 1,000,000 1,200,000 1975* 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Vessels Net Ton (1000) Year No. & Net Ton Evolution (1975 - 2016) No. (Vessels) Net Ton (1000) Bild 2: Die Zahl der Transits (blau) sank von 17 483 Schiffen in 2015 auf 16 833 im Jahr 2016, die Tonnage (rot) von 998 auf 974 Mio. t netto. Quelle: SCA