Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2017-0098
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Ausgezeichnete Hindernisse
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Michael Sauter
Die Datenbank Lido/SurfaceData liefert weltweite Hindernisdaten an Softwareentwickler und Avionikhersteller, und sie gewann den Deutschen Mobilitätspreis 2017. Die Lösung kennt mehr als eine Million Hindernisse auf der ganzen Welt. Davon profitieren Airlines, Flughafenbetreiber, Drohnenproduzenten und Avionikhersteller.
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Internationales Verkehrswesen (69) 4 | 2017 54 TECHNOLOGIE Luftverkehr Ausgezeichnete Hindernisse Aviation, IT, Big Data, Navigation Solutions, Obstacles Die Datenbank Lido/ SurfaceData liefert weltweite Hindernisdaten an Softwareentwickler und Avionikhersteller, und sie gewann den Deutschen Mobilitätspreis 2017. Die Lösung kennt mehr als eine Million Hindernisse auf der ganzen Welt. Davon profitieren Airlines, Flughafenbetreiber, Drohnenproduzenten und Avionikhersteller. Michael Sauter D as Suzhou Zhongnan Center in China wächst seit 2014 in die Höhe. Die ersten Bewohner sollen sechs Jahre nach Baubeginn, also 2020, in den Wolkenkratzer einziehen. Wenn alles nach Plan läuft, ist das Center dann mit 729 m das höchste Gebäude in China - und ein neues Hindernis im Luftraum. Die Datenbank Lido/ SurfaceData von Lufthansa Systems erfasst solche von Menschen erschaffenen Hindernisse und stellt Informationen darüber der Branche zur Verfügung. Für die Lösung wurde Lufthansa Systems mit dem Deutschen Mobilitätspreis 2017 ausgezeichnet. „Um unsere mobile Gesellschaft in Fluss zu halten, ist es wichtig, dass Verkehr und Logistik sicher und verlässlich funktionieren. Die Digitalisierung bietet dafür große Chancen“, sagt Dorothee Bär. Die CSU-Politikerin war Jury-Vorsitzende und bis zur Bundestagswahl 2017 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Mit dem Deutschen Mobilitätspreis machen die Veranstalter intelligente Mobilitätslösungen und digitale Innovationen wie Lido/ SurfaceData öffentlich sichtbar. Blick nach vorn Piloten müssen sich auf ihre Flugzeugsysteme verlassen können, nicht nur bei schlechter Sicht. Radarsysteme erkennen schon länger große Hindernisse wie Berge, die sich direkt unterhalb des Flugzeuges befinden. Lido/ SurfaceData „sieht“ noch mehr. Die Datenbank kennt auch Hindernisse, die sich weit vor dem Flieger befinden oder hinter Bergen liegen. In der Datenbank befinden sich unter anderem Informationen über Wolkenkratzer, hohe Antennen, Kräne, Brücken, Türme, Windräder und Stromleitungen. Insgesamt enthält Lido/ SurfaceData Informationen zu mehr als einer Million Hindernisse auf der ganzen Welt. Avioniksysteme können auf die Datenbank zugreifen und so Piloten rechtzeitig optisch und akustisch vor möglichen Kollisionen mit einem Hindernis warnen. Zudem können Airlines die Daten aus Lido/ SurfaceData für- Flughafenanalysen nutzen. Auch ein Einsatz im Bereich Helikoptersoftware ist möglich. Schon lange wurden Hindernisdaten bei Lufthansa Systems für die Produktion von Flugnavigationskarten verwendet. Auf den Papierkarten waren größere Hindernisse eingezeichnet. Diese Informationen standen den Piloten zur Verfügung. Daneben benötigten die Piloten die Hindernisdaten, um anhand des Geländemodells ihre Mindestflughöhen zu berechnen. Im Jahr 2002 begann die Digitalisierung der Daten. Seitdem pflegt Lufthansa Systems eine interne Datenbank mit Hindernissen für die Luftfahrt. Diese war aber nur auf Anforderungen der eigenen Produkte zugeschnitten. Im Laufe der Zeit stellten die Verantwortlichen fest, dass die Daten auch unabhängig von den eigenen Produkten einen sehr großen Wert haben und die Sicherheit in der Luftfahrt erhöhen können. Daraufhin hat Lufthansa Systems die Datenbank so angepasst, dass sie auch den Ansprüchen der Avionikhersteller genügt. Nun können sie die Hindernisse unter anderem auch als 3D- Modelle visualisieren. Offiziell zertifiziert Digitale Geländemodelle und Datenbanken für Luftfahrthindernisse werden zukünftig immer wichtiger, insbesondere im Hinblick auf autonome unbemannte Fluggeräte. Die Hindernisdaten auf Basis der Datenbank von Lufthansa Systems werden nach RTCA DO-200 aufgearbeitet und erfüllen die RT- CA-Industriestandards DO-276 und DO-291. Intensive Qualitätskontrollen in jeder Phase des Prozesses garantieren ein Produkt höchster Qualität. Zudem zertifizierte die European Aviation Safety Agency (EASA) die Daten von Lido/ SurfaceData nach dem Letter of Acceptance (LoA) Type 1 und wird diese künftig regelmäßig auditieren. Bei den Hindernissen in Lido/ SurfaceData handelt es sich sowohl um feststehende als auch um mobile Objekte, die eine Gefahr für die Sicherheit im Flugverkehr darstellen könnten. Die standardisierte Datenkollektion dieser Hindernisse basiert auf Quellen der Luftfahrtbehörden wie der Aeronautical Information Publications (AIP). Es ist komplizierter als man denkt, die Informationen aus unterschiedlichen Quellen in eine Datenbank zu bringen, denn Qualität und Art der Hindernisdatenpublikationen der ein- Lido/ SurfaceData enthält Informationen zu mehr als einer Million Hindernisse auf der ganzen Welt. Bild: Lufthansa Systems Internationales Verkehrswesen (69) 4 | 2017 55 Luftverkehr TECHNOLOGIE zelnen Luftfahrtbehörden variieren weltweit sehr stark. Es war eine große Herausforderung, einen globalen einheitlichen Standard zu finden, zumal viele Luftfahrtbehörden sich momentan in einer Übergangsphase von papierbasierten hin zu digitalen Publikationen befinden. Eine Datenbank, viele Nutzer Lido/ SurfaceData ist mit Absicht sehr generisch gehalten. Dadurch können viele unterschiedliche Anwendungen die Daten nutzen. Von der Lösung profitieren zum Beispiel Airlines, Drohnenproduzenten, Avionikhersteller, Procedure Designer, Softwareentwickler und Flughafenbetreiber. Sie alle können dank Lido/ SurfaceData ihre Routen optimieren sowie die Sicherheit und die Effizienz des Flugbetriebs erhöhen. Lido/ SurfaceData wird heute hauptsächlich zur Berechnung der minimalen sicheren Flughöhe in Enhanced Ground Proximity Warning Systemen (EGPWS) beziehungsweise Terrain Awareness and Warning Systemen (TAWS) verwendet. Daneben werden signifikante Hindernisse auch auf den Flugnavigationskarten dargestellt und erleichtern so die Orientierung. Auch Airlines oder Flughafenbetreiber können die Daten für Analysen oder zum Design von Flugverfahren verwenden. All das führt dazu, dass Lido/ SurfaceData die Sicherheit im Luftverkehr verbessert. Vor kurzem wurden erfolgreich erste Testflüge mit einem Synthetic Vision System (SVS) durchgeführt, welches auf Lido/ SurfaceData basiert. Es wird erwartet, dass dieses System zu Beginn des nächsten Jahres operativ in der kommerziellen Luftfahrt zum Einsatz kommt. Stets auf dem aktuellen Stand Unsere Welt verändert sich ständig. Alte Hindernisse verschwinden, neue entstehen. Umso wichtiger ist es, dass die Datenbank stets auf dem aktuellen Stand ist. Zehn Mitarbeiter pflegen Lido/ SurfaceData deshalb regelmäßig mit neuen Daten. Vier weitere Mitarbeiter sind an der Weiterentwicklung der Software beteiligt. Quellen für neue Hindernisse sind momentan vor allem Aeronautical Information Publications von Luftfahrtbehörden rund um den Globus. Die Behörden veröffentlichen diese in der Regel alle 28 Tage. Analog dazu pflegen die Mitarbeiter die Änderungen in die Hindernisdatenbank Lido/ SurfaceData ein. Die Informationen für die Datenbank basieren auf drei verschiedenen Quellen: klassische Textinformationen auf Papier oder in einem PDF, grafische Informationen (zum Beispiel Navigationskarten) und im Idealfall eine digitale maschinenlesbare Quelle. Der Output ist ein volldigitales Produkt basierend auf einer Datenbank, die in diverse Formate exportiert werden kann. Blick in die Zukunft Nicht nur die Inhalte der Datenbank werden ständig aktualisiert, sondern auch die Datenbank selbst wird weiterentwickelt. In naher Zukunft soll Lido/ SurfaceData neben Hindernisdaten um Geländedaten und weitere topografische Daten wie Gewässer und Stadtumrisse erweitert werden. Neben den offiziellen staatlichen Publikationen der Luftfahrthindernisse werden alternative Datenquellen wie Crowd-Sourced Data geprüft, um die Datenbank auszubauen. In Zukunft sollen außerdem aktiv erfasste Daten und vorprozessierte Informationen kombiniert werden können. Dann könnte man Hindernisse aus Lido/ SurfaceData zum Beispiel mit einer Onboard-Infrarotkamera in einer Augmented-Reality-Anwendung kombinieren. Auch die Zahl der Drohnen nimmt ständig weiter zu. Rund 600 000 dieser unbemannten Luftfahrzeugsysteme werden laut der Deutschen Flugsicherung (DFS) voraussichtlich in diesem Jahr allein in Deutschland verkauft. Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl der Drohnen laut DFS auf deutlich mehr als eine Million steigen. Dies stellt die Luftfahrt vor neue Herausforderungen, da unbemannte den gleichen Luftraum nutzen wie bemannte Luftfahrzeuge. In Zukunft profitieren auch unbemannte Flieger von Lido/ SurfaceData. Es ist geplant, die Hindernisdatenbank noch stärker an diese Bedürfnisse anzupassen. Navigationsinformationen über-Flughäfen Lufthansa Systems hat nicht nur Hindernisdaten im Angebot. Mit Lido/ SkyData stellt das Unternehmen auch Navigationsinformationen aus ARINC 424 wie Flughäfen, Heliports, Start- und Landebahnen, Wegpunkte, Navaids, Lufträume und -straßen sowie Flugverfahren zur Verfügung. Die Daten werden ebenfalls alle 28 Tage aktualisiert und sind sowohl einmalig als auch im Abonnement erhältlich. Die European Aviation Safety Agency (EASA) zertifizierte die Standards der Datenproduktion für Lido/ SkyData mit dem (LoA) Type 1. Lido/ SkyData enthält alle ARINC-424-Daten in einem offenen Format, sodass sie für verschiedenste Anwendungen genutzt werden können - darunter zum Beispiel Software-Lösungen für Flugsimulatoren zur Erstellung der Simulationsumgebung oder Navigationslösungen für Drohnen. Zudem können die Daten herstellerunabhängig für alle Flugplanungssysteme genutzt werden. Das offene Format sorgt für die Kompatibilität der Daten, sie werden individuell dem IT-System und den Anwendungen des Kunden angepasst. ■ Michael Sauter Leiter Produktentwicklung Lido/ SurfaceData bei Lufthansa Systems, Raunheim michael.sauter@lhsystems.com Skyline Kuala Lumpur Foto: Shutterstock.com/ BlackCat Imaging Foto: istockphoto.de/ hxdyl
