eJournals Internationales Verkehrswesen 70/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0031
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2018
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Kritik der Reform der Bundesfernstraßenverwaltung

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2018
Andreas Kossak
Die Bundesfernstraßenverwaltung soll umfassend reformiert, Verwaltungs- und Finanzstrukturen neu geordnet werden. Großer Wurf oder Schritt in die falsche Richtung? Ein Kommentar von Dr.-Ing. Andreas Kossak, Planungsbüro Kossak Forschung & Beratung, Hamburg
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POLITIK Standpunkt Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 18 Kritik der Reform der Bundesfernstraßenverwaltung Die Bundesfernstraßenverwaltung soll umfassend reformiert, Verwaltungs- und Finanzstrukturen neu-geordnet werden. Großer Wurf oder Schritt in-die falsche Richtung? Ein Kommentar von Dr.-Ing. Andreas Kossak, Planungsbüro Kossak Forschung & Beratung, Hamburg B undesverkehrsminister Andreas Scheuer hat am 19. April dieses Jahres im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz der Länder in Nürnberg Einzelheiten der „Größten Reform in der Geschichte der Autobahnen“ mitgeteilt - tatsächlich geht es um die Bundesfernstraßen. Im Kern soll die bisher gültige Auftragsverwaltung durch die Länder zugunsten einer Zentralisierung beim Bund abgelöst werden. Dafür sollen eine „Infrastrukturgesellschaft Autobahnen“ (IGA) und ein „Fernstraßenbundesamt“ (FBA) etabliert werden. Damit soll das lt. früheren Pressemeldungen „jahrelange Gerangel um Kompetenzen und Geld“ beendet werden. Der ursprüngliche Vorschlag dazu wird der vom Bundeswirtschaftsminister eingesetzten „Fratzscher-Kommission“ aus dem Jahre 2015 zugeschrieben. Derart umfangreiche Neuordnungen von Verwaltungs- und Finanzstrukturen mit zahlreichen Beteiligten, Betroffenen und Interessenlagen verlaufen in aller Regel nicht reibungslos und auch nur selten in allen wesentlichen Komponenten sachgerecht - zumal, wenn ideologische Positionen eine Rolle spielen. Das hat sich auch in diesem Fall bereits im Vorfeld manifestiert; es war ebenso für die Umsetzung zu erwarten und ist dem Vernehmen nach bereits evident. Die nunmehr verfolgte Konzeption gilt ohnehin als Kompromiss. Ein maßgebliches Manko ist darüber hinaus im zentralen Thema der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur begründet. Dazu hatte die Bundesregierung bereits vor fast 20 Jahren eine hochrangige Expertenkommission eingesetzt, die seither nach ihrem Vorsitzenden benannte „Pällmann-Kommission“. Diese Kommission hatte im Kern eine schrittweise vollständige Umstellung der Finanzierung der Bundesfernstraßen von der traditionellen Steuerfinanzierung auf direkte, belastungsabhängige Nutzerfinanzierung empfohlen. Die Gesamtheit ihrer Empfehlungen - einschließlich des organisatorischen Rahmens - wurde damals von Politikern aller Lager und Repräsentanten aller relevanten Lobby-Organisationen uneingeschränkt begrüßt, ihre schnelle vollständige Umsetzung wurde gefordert. Die Empfehlungen zur Finanzierung standen in vollem Einklang mit der Politik der EU- Kommission, wie sie im Jahr 1995 im „Grünbuch: Faire und effiziente Preise im Verkehr“ niedergelegt worden war. Deutschland galt danach nicht nur europaweit, sondern sogar weltweit als Vorreiter und als viel beneidetes Vorbild auf dem betreffenden Gebiet. Das währte allerdings nur kurze Zeit. In Reaktion auf die seit dem Herbst 2004 getroffenen politischen Entscheidungen in drastischem Widerspruch zu den Empfehlungen der Kommission schlug die Zustimmung in massive Ablehnung um. Die begonnene Umstellung auf Nutzerfinanzierung wurde nur zögernd und partiell fortgeführt. Es folgte die unsägliche Geschichte der von der CSU im Bundestagswahlkampf 2013 geforderten „Ausländer-Maut“. Deren Einführung wurde in der nachfolgenden Legislaturperiode vom neuen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrinth unter der Bezeichnung „Infrastrukturabgabe“ vehement weiter verfolgt und schließlich verabschiedet. Das „Projekt“ ist in fast jeder relevanten Hinsicht fragwürdig. Seine Umsetzung wird bzw. würde die von der Sache her gebotene, europakonforme Lösung für absehbare Zeit blockieren. Ein wesentlicher struktureller Schwachpunkt der nun geplanten Reform ist die festgelegte Rechtsform der Infrastrukturgesellschaft. Die Pällmann-Kommission hatte die Rechtsform der Aktiengesellschaft (AG) empfohlen, „weil sie in anderen Infrastrukturbereichen erprobt und bewährt ist, den späteren Zutritt für Private ermöglicht und die erforderliche Transparenz der Geschäftstätigkeit gewährleistet“. Gewählt wurde stattdessen die Rechtsform der GmbH, weil sie „die Möglichkeit der engen Steuerung … durch den Bund bietet“. Es wird dringend geraten, die eingeleitete Reform noch einmal systematisch auf Strukturmängel hin zu überprüfen, sie von ideologischem Ballast und den von Interessen geleiteten Schwachstellen zu befreien sowie sie insbesondere mit einem schlüssigen und EUkompatiblen Konzept für eine umfassende Umstellung auf Nutzerfinanzierung zu verknüpfen. ■ Foto: privat