Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0038
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XXL-Containerschiffe - eine kritische Reflexion
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Ulrich Malchow
Der „Economies of Scale“-Effekt bewirkt, dass immer größere Schiffe von früher undenkbarer Kapazität in Fahrt kommen. Bestellt sind Schiffe mit einer Kapazität von 22 000 TEU. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Der Größeneffekt ist für den Betreiber mittlerweile nur noch minimal und verpufft ohnehin sehr schnell. Der Einsatz immer größerer Schiffe erfordert hafenseitig erhebliche Investitionen in Infra- und Suprastruktur, die die Häfen aus Angst vor Ladungsverlust auch leisten. Der Beitrag erklärt die Mechanismen, fragt nach dem Nutzen, macht einen Vorschlag, diese Spirale zu verlassen, und identifiziert eine mögliche Endgröße.
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Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 40 XXL-Containerschiffe - eine-kritische Reflexion Mega-Containerschiff, Economies-of-Scale, Slotkosten, Triple-E-Class, Malaccamax, Suez-Kanal Der „Economies of Scale“-Effekt bewirkt, dass immer größere Schiffe von früher undenkbarer Kapazität in Fahrt kommen. Bestellt sind Schiffe mit einer Kapazität von 22 000 TEU. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen. Der Größeneffekt ist für den Betreiber mittlerweile nur noch minimal und verpufft ohnehin sehr schnell. Der Einsatz immer größerer Schiffe erfordert hafenseitig erhebliche Investitionen in Infra- und Suprastruktur, die die Häfen aus Angst vor Ladungsverlust auch leisten. Der Beitrag erklärt die Mechanismen, fragt nach dem Nutzen, macht einen Vorschlag, diese Spirale zu verlassen, und identifiziert eine mögliche Endgröße. Ulrich Malchow E rst die weitgehende „Containerisierung“ des Stückguttransportes über See hat den zuverlässigen und kostengünstigen weltweiten Austausch von Halbfertig- und Fertigprodukten und damit die fortschreitende Arbeitsteilung der Weltwirtschaft ermöglicht. Damit hat der Container auch zur Verbesserung der Lebensverhältnisse bzw. gar zur Überwindung von Armut in vielen Gegenden der Erde beigetragen. Viele Produkte aus Schwellen- und Entwicklungsländern haben erst durch den Container einen Zugang zum Weltmarkt gefunden. China hätte ohne den Container nie die „Werkbank der Welt“ werden können. 2016 befanden sich allein sieben der zehn größten Containerhäfen in China [1]. Der Erfolg des Containers beruht auf zwei banalen Eigenschaften: seinen genormten Abmessungen verbunden mit seiner Stapelbarkeit. Die hierdurch ermöglichte Mechanisierung und die damit erfolgte Industrialisierung des Stückguttransportes über See haben einen gewaltigen Effizienzgewinn - insbesondere beim Umschlag - bewirkt. Der Container war erst Voraussetzung dafür, dass die „Economies of Scale“ im Stückguttransport über See nutzbar gemacht werden konnten (im Wesentlichen aufgrund seiner Stapelbarkeit). Ein konventionelles Stückgutschiff von 200 000 t Tragfähigkeit (entspricht der „Triple-E-Class“ von Maersk) hätte wohl zehn Zwischendecks und läge allein ein halbes Jahr im Hafen, um mit einzelnen Kisten und Kästen beladen zu werden. Früher oder später hätte der Container daher ohnehin „erfunden“ werden müssen. In jüngster Zeit hat sich die Entwicklung allerdings beschleunigt: Innerhalb kürzester Zeit wurden Schiffe größer als 15 000- TEU die Arbeitspferde im Europa- Fernost-Verkehr, wo die größten Schiffe stets zuerst eingesetzt werden (Bild 1). Derzeit liegt der „High Score“ bei 22 000 TEU (bestellt z. B. von CMA-CGM für Ablieferung 2019) [2] - vermutlich aber auch nur kurz. Das Größenwachstum war lange durch den rasant gewachsenen Containerverkehr getrieben, und auch umgekehrt haben die dank der „Economies of Scale“ reduzierten Slotkosten den Transport vieler Ladungen im Container überhaupt erst möglich ge- Foto: pixabay.de LOGISTIK Seeverkehr Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 41 Seeverkehr LOGISTIK macht. Dass über Jahrzehnte sehr hohe Wachstumsraten im weltweiten Containerverkehr zu verzeichnen waren, ist auch ein Ergebnis dieser gegenseitigen Befeuerung. Durch die schiere Größe in Verbindung mit einer reduzierten Geschwindigkeit (nicht nur im tatsächlichen Betrieb, sondern auch schon in der Auslegung der Schiffe durch kleinere Motoren und völligere Rumpfformen) hat sich z.B. der heute entscheidende spezifische Brennstoffverbrauch pro Slot gewaltig reduziert. Die ersten Ostasien-Panamax-Containerschiffe der sogenannten „3. Generation“ Anfang der 70er Jahre waren noch Doppelschrauben- Dampfturbinen-Schiffe für lediglich ca. 3000 TEU mit einer (anfänglichen) Dienstgeschwindigkeit von 27 kn (Top-Speed über 30 kn). Ihr Tagesverbrauch lag bei über 300- t Heavy Fuel Oil (HFO). Heute verbraucht die sechsmal so viel tragende „Triple-E-Class“ mit einer Kapazität von 18 270-TEU nur ca. 150 t pro Tag - allerdings bei einer Dienstgeschwindigkeit von nur noch ca. 18 kn. Obwohl sich der Preis für HFO von unter 50 USD in den frühen 70er Jahren in den Jahren 2012/ 13 in der Spitze auf 700 USD pro Tonne mehr als verzwölffacht hatte [3] (März 2017: ca. 360 USD [4]), waren die spezifischen Brennstoffkosten pro TEU damit in 40 Jahren nicht gestiegen. Allerdings sind die Container zwischen Europa und Fernost jetzt ein paar Tage länger unterwegs - was aber ohnehin kaum ins Gewicht fällt und durch die mittlerweile ausgereiften Möglichkeiten im Vor- und Nachlauf mehr als kompensiert wird. Zum reduzierten Bunkerverbrauch pro Slot haben die „Economies of Scale“-Effekte aber nur geringfügig beigetragen. Viel haben die enormen Fortschritte im Motorenbau (sowohl im Hinblick auf die Größe der Aggregate als auch ihren Gesamtwirkungsgrad) und in der Hydrodynamik der Schiffe (Formgebung und Propellerdesign) bewirkt. Den größten Anteil hat jedoch das mittlerweile drastisch abgesenkte Geschwindigkeitsniveau bereits in der Auslegung der Schiffe, da ja der Leistungsbedarf mit der 3.-Potenz der Geschwindigkeit wächst. Unabhängig von jeder Ideologisierung muss allerdings konstatiert werden, dass auch in Schifffahrt und Schiffbau bereits vor langer Zeit „Grenzen des Wachstums“ erreicht worden sind: Bei den Rohöltankern hatten z. B. lediglich zwei Einheiten die Marke von 500 000 t Tragfähigkeit für eine kurze Zeit „geknackt“. Der Schiffbau hätte noch größere Einheiten liefern können. Allein die mit der Größe verbundene Inflexibilität in Bezug auf die anlaufbaren Häfen (und auch die erforderliche Partiegröße der Ladung) hat die Schiffsgröße bei Großtankern gegenwärtig wieder auf höchstens 320 000 t Tragfähigkeit reduziert. Eine breite Anpassung der Häfen an die Schiffe hat nicht stattgefunden. Anders liegt der Fall in der Containerschifffahrt. Ein Ende der Größenentwicklung ist bislang nicht abzusehen. Im Wettbewerb der verschiedenen Hafenstandorte passen sich die jeweiligen Hafenbehörden und Terminalgesellschaften quasi im vorauseilenden Gehorsam ständig den zu erwartenden Schiffsgrößen an. Die Hafenbehörden lassen immer tiefere Fahrrinnen ausbaggern und verstärken ihre Kaimauern, damit die örtlichen Terminalgesellschaften immer höhere und weiter ausladende und damit schwerere Containerbrücken aufstellen können. Darüber hinaus werden zahlreiche Hafenbecken entsprechend den erforderlichen größeren Drehkreisen erweitert. Ein schleichender Paradigmenwechsel hat stattgefunden: Wurden die Stückgutschiffe früher auf ihre Fahrtgebiete zugeschnitten, also meist auf die anzulaufenden Häfen, so werden jetzt die Häfen zunehmend und mit viel Aufwand den wachsenden Containerschiffsgrößen angepasst. Taktgeber sind stets die großen Containerlinien. Allein die Ankündigung einer neuen Containerschiffgeneration löst bereits hektische Investitionstätigkeit in den potentiellen Anlaufhäfen aus. Dieses Vorgehen hatte bislang zumindest aus der jeweiligen Hafensicht durchaus seine Berechtigung. Seit Beginn der „Containerisierung“ sind die Schiffsgrößen kontinuierlich gestiegen und haben zunächst eine erhebliche Reduzierung der Stückkosten (pro TEU) bewirkt. Entsprechend reduzierte Seefrachtraten haben zu einem enormen Wachstum des weltweiten Containerverkehrs und damit auch des Hafenumschlages beigetragen. Viele Güter wurden erst in Verbindung mit reduzierten Seefrachtraten handelbar. Aus globaler volkswirtschaftlicher Sicht hat das Größenwachstum der Schiffe zunächst die fortschreitende Arbeitsteilung in der Welt befördert und damit vielerorts zu einer nicht unwesentlichen Wohlstandsmehrung beigetragen. Mittlerweile ist jedoch ein Größenniveau erreicht, das zumindest dazu angetan ist, die Sinnhaftigkeit in Bezug auf Nutzen und Aufwand insbesondere vor dem Hintergrund der möglichen weiteren Entwicklung einmal zu hinterfragen. Der jetzt vollzogene Sprung auf ca. 22 000- TEU ist schiff- und maschinenbaulich beherrschbar. Der weiter reduzierende Effekt auf die Slotkosten durch die „Economies of Scale“ ist allerdings nur noch minimal, da die Slotkostenkurve grundsätzlich von asymptotischer Natur ist (Bild 2). Auch die bislang beispiellose Brennstoffökonomie der XXL-Carrier beruht hauptsächlich auf dem abgesenkten Geschwindigkeitsniveau und nur zu einem sehr kleinen Teil auf der schieren Größe dieser Schiffe [5]. Da der eigentliche Seetransport nur 20 bis 30 % der Kosten der gesamten Transportkette eines Containers ausmacht, wären die Auswirkungen auf die Gesamttransportkosten der einzelnen Ladung ohnehin marginal und würden sich auf ihren Verkaufspreis allenfalls im einstelligen Cent-Bereich auswirken. Eine höhere Nachfrage aufgrund reduzierter Preise ist somit nicht mehr zu erwarten. Das zukünftige Wachstum des weltweiten Containerverkehrs wird daher nicht mehr wie in der Vergangenheit schiffsgrößeninduziert sein, sondern hängt jetzt nur noch an den globalen volkswirtschaftlichen Parametern. Die Häfen schaffen erst die Voraussetzung für das Größenwachstum der Schiffe Bild 2: Prinzipieller Kostenverlauf in Abhängigkeit von der Schiffsgröße Bild 1: Aktuelle Arbeitspferde auf der Europa-Fernost-Route: 400 m lang, 59 m breit, 19 000 TEU Kapazität Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 42 LOGISTIK Seeverkehr und dem daraus resultierenden Verdrängungswettbewerb zwischen den Linien. Der Aufwand, um die Häfen für derartige Mega- Schiffe fit zu machen, steigt allerdings exponentiell mit dem Tiefgang und der Schiffsbreite (Bild 2). Jeder weitere Meter Fahrwassertiefe und auch Fahrrinnenbreite wird aufwändiger, langwieriger, schwieriger in der Umsetzung und damit teurer. Das umfasst auch die kontinuierlich erforderlichen Unterhaltsbaggerungen. Auch das Gewicht der Containerbrücken steigt überproportional zur Schiffsgröße, da gleichzeitig Höhe und Auslage mitwachsen müssen. Das Verhältnis von zumeist öffentlichem Aufwand zu volkswirtschaftlichem Ertrag wird also mit wachsender Schiffsgröße zwangsläufig ungünstiger. Das hat seine Ursachen in erster Linie in den physikalischen Grundlagen von Schiffbau sowie Wasser- und Hafenbau (Infra- und Suprastruktur). Politische Widerstände - meistens mit Naturschutz begründet, aber oft politisch/ taktisch motiviert - erhöhen den Aufwand zusätzlich bzw. stellen die Machbarkeit womöglich gänzlich in Frage. Ob ihrer Zwangsläufigkeit kann auch hier mittlerweile von einer gewissen Gesetzmäßigkeit (der besonderen Art) gesprochen werden. Die Containerlinien streichen hierbei die mit wachsender Schiffsgröße allerdings nur noch schwach steigenden „Erträge“ in Form von Kostenvorteilen pro TEU aus den „Economies of Scale“ ein, während der mit der Schiffsgröße überproportional steigende Aufwand für Infra- und Suprastruktur von den Häfen und damit meistens von der jeweiligen öffentlichen Hand zu tragen ist. Es ist dabei höchst fraglich, ob unter Einschluss aller größenbedingten Infra- und Suprastrukturmaßnahmen an beiden Enden beispielsweise des Fahrtgebietes Europa-Fernost bei dem inzwischen erlangten Größenniveau überhaupt noch ein positiver Saldo zu verzeichnen ist. Werden also erhebliche öffentliche Mittel eingesetzt, nur um den großen Containerlinien, die sich die Investitionen in die Mega-Carrier leisten können, einen Kostenvorteil zu ermöglichen, um sich damit im Preiswettbewerb weiteren Spielraum nach unten zu verschaffen? Übernehmen also letztendlich die „öffentlichen Hände“ diverser Häfen gar einen wesentlichen Teil der Wettbewerbskosten? Könnte man in so einem Fall nicht vielleicht sogar von Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der ganz großen Linien mit den ganz großen Schiffen sprechen? Die Containerhäfen einer Region, z. B. der Hamburg-Le Havre-Range, stehen in einem intensiven Wettbewerb untereinander, da sich ihr Hinterland z. T. erheblich überschneidet. Ein wesentliches Kriterium im Hafenwettbewerb ist die Erreichbarkeit für die aktuellen Mega-Schiffe. Die Häfen sehen sich dabei einer sich zunehmend durch Übernahmen und Allianzbildung konsolidierenden Reederei-Branche ausgesetzt und werden dabei durchaus gegeneinander ausgespielt. In der Containerschifffahrt herrscht im wesentlichen Preiswettbewerb vor, d. h. der Kostenführer hat die Nase vorn. Nur so ist es zu erklären, dass sogar in den Zeiten der gegenwärtigen Überkapazitäten überhaupt noch weitere Mega-Schiffe bestellt werden. Aus Sicht der einzelnen Linie kann dies durchaus Sinn machen (s. o.). In Verbindung mit den derzeit günstigen Baupreisen und dem niedrigen Zinsniveau ergeben sich sehr günstige Kapitalkosten pro Slot. Um die niedrigen Slotkosten auch nutzen zu können, müssen die Riesenschiffe allerdings auch gefüllt werden. Angesichts der herrschenden Überkapazitäten kann die erforderliche Ladung nur durch günstige Frachtraten „gekauft“ werden. Damit sinkt das allgemeine Ratenniveau weiter, wodurch die Kostenvorteile der Linien im günstigsten Fall lediglich an die Ladungsseite durchgereicht werden - die diesen Vorteil natürlich gern mitnimmt, aber darauf nicht angewiesen ist. Eine signifikante Senkung der Transportkosten (zumal über die gesamte Transportkette, s. o.) ist damit allerdings nicht verbunden. Als Resultat wächst das Überangebot an Schiffsraum weiter und das Ratenniveau bleibt weiterhin weit davon entfernt, für die Linien eine angemessene Rendite abzuwerfen. Gleichzeitig verlieren zahlreiche immer noch relativ junge Schiffe in der Größenklasse 8000 bis 10 000 TEU massiv an Wert, weil sie im Vergleich zu den Riesen schlicht unwirtschaftlich geworden sind (Somit wurde übrigens auch viel deutsches Anlegerkapital vernichtet). Sie werden in Fahrtgebiete verlegt, in denen bislang die nächst kleinere Schiffklasse eingesetzt war, und verdrängen diese durch ihre vergleichsweise geringeren Slot-Kosten. Der Verdrängungsmechanismus setzt sich also in Richtung der kleineren Schiffe fort (Kaskaden- Effekt). Die Erfahrung hat gezeigt, dass durch den Einsatz immer größerer Schiffe die Kostenposition der Linien zwar zunächst geringfügig verbessert wird, gleichzeitig aber auch die Erlösseite unter starken Druck gerät, so dass sich die Marge nicht nachhaltig verbessert. Die Linien werden also in ihrer Gesamtheit nach der Indienststellung immer größerer Schiffe nicht besser dastehen als zuvor. Auch volkswirtschaftlich positive Effekte sind mit einem weiteren Größenwachstum der Schiffe nicht mehr verbunden. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall (s. o.). Fortwährender Impulsgeber in diesem Mechanismus, der niemandem mehr nachhaltige Vorteile verschafft, sind einzelne große Containerlinien, deren kurzzeitiger Kostenvorteil (wenn überhaupt) schnell wieder verpufft. Ordert ein Player eine größere Schiffsgeneration, fühlen sich die anderen unmittelbar genötigt nachzuziehen, um im Kostenwettbewerb nicht achteraus zu segeln. Einzelnen Häfen, die sich nicht für die großen Schiffe ertüchtigen, droht Geschäft in großem Umfang verloren zu gehen - und damit auch an Bedeutung und in dieser Folge noch mehr Geschäft (Feederverkehre). Verständlich, dass alle Häfen durch massive Ausbaumaßnahmen sehr bemüht sind, nicht in eine derartige Abwärtsspirale zu geraten. Die Häfen, aber auch die Linien selbst, sind also Getriebene einer Entwicklung, von der keiner mehr profitiert. Überspitzt formuliert, sind die einzigen Nutznießer dieses „Größen-Wahns“ einige niederländische und belgische Nassbaggerei-Unternehmen, drei koreanische (und nunmehr auch einige chinesische) Großwerften sowie ein den Weltmarkt dominierender chinesischer Containerbrückenhersteller. Bis zu welcher Grenze soll diese Entwicklung noch fortgeführt werden? Die bislang bestehenden technischen Grenzen, etwa bezüglich der Propulsionsleistung (hat sich aufgrund der Geschwindigkeitsabsenkung ohnehin relativiert) oder der Längsfestigkeit der Schiffe, scheinen grundsätzlich verschiebbar zu sein. Nautisch und operationell wäre wohl erst bei Malaccamax (maximaler Tiefgang: ca. 20 m) Schluss, was ca. 30 000 TEU entsprechen dürfte (eine Ausbaggerung der Malakka-Straße wird z.Z. als nicht realistisch angesehen). Dessen ungeachtet wollen die Berater von McKinsey perspektivisch nicht einmal unglaubliche 50 000 TEU-Schiffe ausschließen [6]. Ein Limit gänzlich anderer Natur könnte allerdings die Versicherbarkeit derartiger Schiffe einschließlich ihrer Ladung darstellen, denn die Gesamtkosten einer Havarie können sich bei Schiffen dieser Größenordnung schnell auf über 1 Mrd. USD aufsummieren (zu hohes „Klumpenrisiko“) [7]. Es ist daher kein Wunder, dass mittlerweile die Versicherer initiativ tätig werden und konkrete technische Vorschläge machen, wie etwa der Brandschutz auf den Mega-Carriern verbessert werden kann [8]. Ganz offensichtlich besteht diesbezüglich konkreter Handlungsbedarf, da die Vorschriftenlage mit dem Größenwachstum nicht Schritt gehalten hat, was sich auch in diversen Havarien in der jüngsten Vergan- Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 43 Seeverkehr LOGISTIK genheit bestätigt hat (z. B. „Maersk Honam“, 15 300- TEU, März 2018; „MSC Daniela“, 14 000 TEU, April 2017; „Hanjin Green Earth“, 13 000 TEU, Mai 2015). Eine wesentliche Erkenntnis aus diesen Unglücken ist, dass die Besatzung großer Containerschiffe ohne Löschhilfe von außen praktisch keine Chancen hat, einen Brand in der Containerladung selbst zu löschen. Das gilt insbesondere für in Brand geratene Deckscontainer - zumal in den oberen Lagen [9]. Aber auch im Falle einer Strandung bereiten Mega-Containerschiffe besonders große Probleme. Wenn der Havarist um einen Teil seiner Containerladung geleichtert werden muss, um wieder frei zu kommen, fehlt es weltweit an geeignetem Bergungsgerät. Um Container z.B. aus der 10. Lage an Deck zu bergen, bedarf es schwimmenden Gerätes mit einer Hakenhöhe von ca. 60 m [10, 11]. Bei der Strandung der „CSCL Indian Ocean“ (19 000 TEU) im Februar 2016 auf der Unterelbe haben nur sehr glückliche Umstände bewirkt, dass eine Leichterung der Ladung schlussendlich doch nicht erforderlich war und der Havarist nach sechs Tagen wieder frei kam. Anderenfalls hätte es wohl Wochen gedauert, geeignetes zweckfremdes Gerät heranzuschaffen, aufzubauen und damit einen Teil der Container zu bergen. In dieser Zeit hätte das Schiff womöglich schwere Strukturschäden davontragen können. Sollen die Schiffsgrößen also ungehindert weiterwachsen bis tatsächlich Malaccamax erreicht ist? Oder sollte nicht versucht werden, diesen Mechanismus früher zu unterbrechen, anstatt weiterhin erhebliche öffentliche (und auch private) Ressourcen ohne jeglichen volks- und mittlerweile auch betriebswirtschaftlichen Nutzen zu investieren? Muß nicht eine Entwicklung, die niemandem mehr etwas nützt, aber gewaltige (unnötige) Kosten verursacht, schon aus Vernunftgründen unterbunden werden? Wenn ja, welche Möglichkeiten gäbe es? Ein diesbezüglicher „Notanker“ ist der Suez-Kanal. Für dieses zwischen Europa und Fernost liegende Nadelöhr besteht kein explizites Tiefgangslimit. Stattdessen ist ein maximaler Unterwasserquerschnitt festgelegt. Dieser besagt, dass zum Beispiel ein 19 000 TEU-Schiff (Bild 1) mit einer Breite von 59 m (23 Containerreihen quer) einen Tiefgang von maximal 17,04 m aufweisen darf. Bei einem typischen Festigkeitstiefgang dieser Schiffsgröße von ca. 16 m ist also noch etwas Spielraum. Bei unveränderter Breite und Hinzufügen eines 40-ft-Laderaumes könnten somit rund 22 000 TEU dargestellt werden. Bei einer Verbreiterung um eine Containerreihe auf 61,5 m darf der Tiefgang laut Suez-Vorschriften jedoch nur noch 16,30 m betragen, was nicht mehr ganz ausreichen dürfte [12]. Insofern wären ca. 22 000 TEU als derzeit maximal mögliche Schiffsgröße für den Suez-Kanal anzusehen. Es ist sehr zu hoffen, dass der Kanal trotz seines kürzlich erfolgten Ausbaues, der auch eine Erweiterung des Querschnittlimits zulassen würde, dennoch dieses Limit beibehält, das somit als Deckel für das weitere Größenwachstum der Schiffe fungieren könnte. Für den Fall, dass das Suez-Limit doch kippen sollte, und vor dem Hintergrund, dass auch jetzt schon einige Mega-Carrier gar nicht mehr durch den Kanal fahren, sondern aus Kostengründen die Route um das Kap nehmen, wäre es eine Überlegung wert, der mittlerweile stark konsolidierten Branche der Containerlinien mit etwas mehr Kooperation seitens der Häfen entgegen zu treten. Immerhin sieht sich die Vielzahl der Häfen nur noch drei großen, die Hafenauswahl treffenden Reederei-Konsortien ausgesetzt (2M, Ocean Alliance, THE Alliance). In der Theorie könnten sich die betreffenden Häfen z.B. auf ein Größenlimit für Containerschiffe verständigen, um aus der Kostenfalle der schier endlosen Ertüchtigungsspirale heraus zu kommen. Vermutlich täte man den Containerlinien damit sogar einen Gefallen, indem sie ihrerseits endlich von dem „Investitionszwang“ in immer größere Schiffe befreit werden. Den Häfen der Hamburg-Le Havre-Range käme dabei eine strategische Bedeutung zu. Seit der Containerisierung des Fahrtgebietes Nordkontinent-Fernost wurden die größten Schiffe zunächst immer dort eingesetzt. Naturgemäß würde es ausreichen, lediglich ein Ende des Fahrtgebietes zu limitieren. Die Häfen der Nord-Range würden sich hierfür besonders anbieten, da sie den größten Hebel mobilisieren könnten: Ihre Anzahl ist, verglichen mit der fernöstlichen Seite, deutlich besser überschaubar, die Abstimmung wäre daher einfacher. Allerdings wird die potentielle Bereitschaft, sich innerhalb der Hamburg-Le Havre-Range auf dieser Ebene zu verständigen, unter den Häfen aufgrund des intensiven Wettbewerbes untereinander sicherlich unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Überschneidungen im Hinterland sind nun einmal sehr groß und deutlich stärker ausgeprägt als beispielsweise auf der asiatischen Seite. Hamburg hat am meisten zu verlieren (drittgrößtes Umschlagsvolumen mit dem engsten Nadelöhr als Zufahrt), während Rotterdam vermutlich kein Interesse hat, die Schiffsgrößen zu begrenzen. Aber Rotterdam müsste auch nicht unbedingt mit „im Boot“ sein: Es ist fraglich, ob die Linien Schiffe in Fahrt setzen, die am Nordkontinent nur noch einen einzigen Hafen anlaufen können. Die insofern mangelnde Fungibilität dürfte die Finanzierbarkeit dieser Schiffe stark einschränken. Allerdings würde nunmehr sicherlich auch Wilhelmshaven, vom Umschlagsvolumen noch unbedeutend und unter Kapazitätsaspekten auf absehbare Zeit eigentlich nicht erforderlich, sondern lediglich darauf ausgelegt, das - wie dargelegt - mittlerweile sinnbefreite Größenwachstum der Schiffe zu bedienen, die Stellung einer derart vernunftgetriebenen Hafen-Allianz sicherlich leider unterminieren wollen. ■ QUELLEN [1] https: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 29697/ umfrage/ umschlagvolumen-der-groessten-containerhaefen-der-welt/ (Zugriff: 20.03.18) [2 ]CMA-CGM, Press Release, Marseille, 7. November 2017 [3] Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V., Hamburg, Jahresbericht 2015/ 2016 [4] https: / / shipandbunker.com/ prices/ emea/ nwe/ nl-rtm-rotterdam (Zugriff: 23.03.18) [5] Malchow, Ulrich: Der Fluch der »Economies of Scale«, HANSA 8/ 2015, S. 30-33 [6] Saxon, Steve; Stone, Matt: Container shipping: The next 50 years, McKinsey & Company, Oct. 2017 [7] Gorgs, Claus: Auf der Kippe, Positionen - Magazin der deutschen Versicherer, 3/ 2015, S. 8-14 [8] Ross, Hendrik: Mega-Containerschiffe: Juristen fordern mehr Infos auf Frachtpapieren, Deutsche Verkehrs-Zeitung, 1. Februar 2016 [9] 54. Deutscher Verkehrsgerichtstag, Empfehlungen (Arbeitskreis VIII, Mega-Containerschiffe: Immer größer - aber auch sicher? ), Goslar, 27. - 29. Januar 2016 [10] Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung, Untersuchungsbericht 34/ 16 (Festkommen der CSCL INDIAN OCEAN auf der Elbe am 3. Februar 2016), Hamburg, 14. Oktober 2016 [11] Malchow, Ulrich: Mega-Containerschiffe: Immer größer - aber auch sicherer? , Schiff & Hafen, Mai 2016, S. 60-62 [12] Suez Canal Authority, Rules of Navigation, Edition August 2015, www.suezcanal.gov.eg (Zugriff: 23. März 2018) Ulrich Malchow, Dr.-Ing. Ehem. o. Professor, Hochschule Bremen malchow@portfeederbarge.de
