Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0048
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Web-basierte Dienste für die Mobilitätsplanung im Alltag
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Julia Christina Schilder
Juliane Stark
Web-basierte Dienste für die Wegeplanung sind weit verbreitet und werden zukünftig einen noch höheren Stellenwert einnehmen. Welche Rolle sie derzeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen spielen, wurde mittels Befragung erhoben. Internet-Verfügbarkeit, Gründe für die Nutzung, Einstellungen und Verbesserungsvorschläge wurden erfragt. Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Mehrzahl der Befragten die Dienste eine hohe Relevanz in der alltäglichen Mobilitätsplanung besitzen und Ansprüche an Informationsgenauigkeit und Benutzerfreundlichkeit sehr groß sind.
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Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 78 Web-basierte Dienste für die Mobilitätsplanung im Alltag Nutzungsverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Österreich Digitalisierung, Applikationen, Mobilitätsplanung, junge Erwachsene Web-basierte Dienste für die Wegeplanung sind weit verbreitet und werden zukünftig einen noch höheren Stellenwert einnehmen. Welche Rolle sie derzeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen spielen, wurde mittels Befragung erhoben. Internet-Verfügbarkeit, Gründe für die Nutzung, Einstellungen und Verbesserungsvorschläge wurden erfragt. Die Ergebnisse zeigen, dass bei der Mehrzahl der Befragten die Dienste eine hohe Relevanz in der alltäglichen Mobilitätsplanung besitzen und Ansprüche an Informationsgenauigkeit und Benutzerfreundlichkeit sehr groß sind. Julia Christina Schilder, Juliane Stark W esentliche Voraussetzung für die Etablierung der Mobilitätsplanung mittels web-basierter Dienste für eine breite Bevölkerungsschicht war der Zugang zum Internet. Smartphones machen dabei die Mobilitätsplanung am bequemsten - jederzeit können auch unterwegs Informationen abgerufen werden. Ab dem Jahr 2006 hatte mehr als die Hälfte der österreichischen Haushalte Internetzugang; seit 2010 wird vermehrt Internet am Handy genutzt [1]. Nach dem Mobile Communications Report waren 2014 bereits 94 % der Österreicher bis zu einem Alter von 29 Jahren Smartphone-Nutzer; die Mehrheit von ihnen hat Vertragshandys mit Datenpaket [2]. Von denjenigen, die angaben, dass sie Internet am Handy nutzen, waren 91 % unterwegs online, 60 % in öffentlichen Verkehrsmitteln. Unter 30-Jährige nutzen das Internet am Handy besonders häufig: 87 % surfen täglich [2]. Diese Daten weisen auch auf die hohe Mediennutzungskompetenz der meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen hin; Berührungsängste mit Informations- und Kommunikationstechnologien sind selten [3]. Für die Mobilitätsplanung sind mittlerweile zahlreiche regional spezifische Dienste von Verkehrsbetreibern, Mobilitätsanbietern und teilweise sogar Privatpersonen auf dem Markt. Diese sind über (mobile) Websites oder Apps verfügbar und bieten teilweise unter dem Konzept „Mobility as a Service“ (MaaS) benutzerfreundliche Services an, die weit über Routing hinausgehen. Doch welche Rolle spielen web-unterstützte Dienste bei der Gestaltung der Alltagsmobilität? Welche Faktoren beeinflussen ihre Nutzung? Was sind Wünsche für die Gestaltung der Dienste? Diese Leitfragen wurden in einer österreichischen Studie untersucht - in der Generation, deren Verhaltensweisen am meisten durch sie geprägt werden. Methode Zur Bearbeitung der Fragestellung wurde von September bis Oktober des Jahres 2016 eine Befragung durchgeführt (siehe [4]). Zielgruppe waren Nutzer und Nichtnutzer von Applikationen zur Mobilitätsplanung in der Altersgruppe von 16 bis 30 Jahren, die in Österreich, schwerpunktmäßig in der Ostregion, wohnhaft sind. Die Rekrutierung erfolgte über Fahrschulen, Schulen, Universitäten und Social Media. Foto: pixabay TECHNOLOGIE Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 79 Digitalisierung TECHNOLOGIE Aufgrund des gewählten Formats der Online-Befragung wurden hauptsächlich web-affine Menschen erreicht. Die Befragten wurden je nach Nutzungshäufigkeit der Dienste in drei Gruppen eingeteilt, die jeweils spezifische Fragebögen erhielten. Nutzer und Seltennutzer wurden nach Parametern zur Nutzung von web-basierten Diensten, insbesondere zur Nutzung beim letztgeplanten Weg befragt. Nichtnutzer wurden zu Barrieren für die Nutzung und zu möglichen Anreizen für eine (häufigere) Nutzung befragt. Ergebnisse aus dieser Gruppe werden im Rahmen dieses Beitrags nicht behandelt. Tabelle 1 gibt einen Überblick zu Merkmalen der Stichprobe. Deutlich wird, dass es sich bei den Befragten eher um ÖV-affine Personen handelt. Mittel für die Mobilitätsplanung Für die Mobilitätsplanung kommen zwar unterschiedliche Mittel zum Einsatz, webunterstützte Dienste (nachfolgend: Dienste) sind jedoch weitreichend etabliert. Fast 84 % nutzen Apps oder Ähnliches zwei bis drei Mal wöchentlich bis zu täglich (Bild 1). Ähnlich häufig werden Informationen an der Haltestelle (Fahrpläne, elektronische Anzeigetafeln) genutzt, Auskünfte durch Familie oder Bekannte deutlich seltener. Straßenkarten, Navigationssysteme, Fahrpläne und Telefonhotlines werden seltener als zweimal monatlich genutzt. Als Einflussfaktoren für die Nutzung verschiedener Mittel zur Wegeplanung wurden unter anderem Geschlecht, Alter und Wohndauer identifiziert. • Frauen nutzen Fahrpläne, Straßenkarten oder Stadtpläne in Papierversion signifikant häufiger als Männer. Alle anderen Mittel zur Mobilitätsplanung werden ähnlich häufig genutzt. Der Anteil der Männer, die web-unterstützte Dienste (fast) täglich nutzen, liegt leicht über dem der Frauen, wohingegen der Anteil der Frauen mit seltenerer Nutzung leicht über dem der Männer liegt. • Ältere Befragte (26bis 30-Jährige) nutzen Straßenkarten, Stadt- und Fahrpläne in Papierversion signifikant häufiger, als jüngere Personen (16bis 25-Jährige). In Bezug auf web-unterstützte Dienste zur Mobilitätsplanung sind Nicht- und Seltennutzer durchschnittlich etwas älter als Nutzer. • Fahrpläne bzw. Anzeigetafeln an der Haltestelle werden signifikant häufiger von Personen genutzt, die maximal seit zwei Jahren an einem Ort wohnen, als von jenen, die länger als zwei Jahre sesshaft sind. Dies trifft ebenso auf die Nutzung web-unterstützter Dienste zu. • In Städten lebende Personen nutzen Dienste häufiger, um Informationen zum gut ausgebauten ÖV zu erhalten, während eher auto-affine Landbewohner seltener darauf zurückgreifen. Personen, denen ein PKW zur Verfügung steht, nutzen die Dienste eher auf wöchentlicher Basis; Sehr-Seltennutzer gibt es nur bei PKW-affinen Personen. Web-unterstützte Mobilitätsplanung Im Rahmen der Befragung wurden Informationen zum letzten Weg abgefragt, welcher web-unterstützt geplant wurde. Fast die Hälfte der Befragten gab an, dass dieser Weg am Tag vor der Befragung oder sogar am selben Tag geplant wurde, bei 40 % innerhalb der letzten Woche. Ein Großteil der Wege lag innerhalb Wiens (68 %), circa 11 % führte von Wien ins Umland, knapp 12 % vom Umland nach Wien; die anderen Wege wurden außerhalb Wiens zurückgelegt. Bei den meisten Wegen handelte es sich um Werktagswege (75 %). Als Zielort wurde häufig der Ausbildungs- (25 %) oder Arbeitsplatz (20 %) genannt. Private Besuche und Freizeitwege folgen mit jeweils ca. 17 %. Erledigungen, Einkauf und Begleitung stellten seltenere Wegzwecke dar. Auffällig ist der hohe Anteil der Wege, die alleine zurückgelegt wurden; nur 23 % waren begleitet. Es werden vermutlich eher web-basierte Dienste genutzt, wenn man alleine unterwegs ist und keine Möglichkeit hat, auf Erfahrungen anderer zurückzugreifen. Die Bedeutung web-unterstützter Mobilitätsplanung für Alltagswege wird deutlich, wenn man den Anteil an Routine-Wegen betrachtet: Ein Großteil der Wege (70 %) wird regelmäßig zurückgelegt; nur 30 % waren unbekannt. Dienste werden auf Routine- Wegen vorrangig eingesetzt, um sich z. B. der Dauer zu vergewissern oder um Unsicherheiten bzgl. der Abfahrtszeiten oder Verkehrsmittelreihenfolge beim Umsteigen zu beseitigen. Dabei wurden bis zu drei verschiedene Dienste für die Planung des Wegs genutzt. Am häufigsten waren dies qando Wien, Scotty und Google Maps. Wenngleich die Mehrzahl der Befragten die web-basierten Dienste vor der Abfahrt nutzen (durchschnittlich 7,5 Stunden vorher), gab etwa ein Drittel an, zusätzlich während der Fahrt auf Mobilitätsinformationen zuzugreifen (Tabelle 2), um sicherzugehen, den richtigen Anschluss zu erreichen. Auch spontane Routenänderungen bei Verkehrsstörungen waren Gründe für die Nutzung unterwegs. Die Hälfte der Personen, die sich selbst als (eher) vorausdenkende, planende Person einschätzt, nutzt Merkmal N (Personen) 148 Geschlecht weiblich männlich 64 % 36 % Altersgruppe 16-20 Jahre 21-25 Jahre 26-30 Jahre 20 % 54 % 26 % Verkehrsmittelverfügbarkeit Fahrrad PKW verfügbar eigener PKW eigenes Moped/ Motorrad 80 % 56 % 15 % 7 % ÖV-Zeitkarte 87 % Führerscheinbesitz 87 % Fußläufige Entfernung ÖV-Haltestelle 4,5 min Wohnort Städte >100.000 EW Städte und Gemeinden<100.000 EW 80 % 20 % Höchste abgeschlossene Ausbildung (noch) ohne Pflichtschule, Lehre o.Ä. Abitur Universität, Fachhochschule 1 % 5 % 49 % 45 % Wohnhaft am derzeitigen Wohnsitz seit … <1 Jahr 1-2 Jahren 2-5 Jahren > 5 Jahren 16 % 24 % 26 % 34 % Tabelle 1: Kennwerte der Stichprobe Bild 1: Nutzungshäufigkeit verschiedener Mittel für die Wegeplanung Internationales Verkehrswesen (70) 2 | 2018 80 TECHNOLOGIE Digitalisierung die Dienste im Voraus; dieser Anteil liegt bei sich selbst als (eher) spontan einschätzenden Personen bei unter einem Drittel. Letztere planen Wege häufiger unterwegs. Den Vorschlägen der Dienste in Bezug auf Route und Verkehrsmittel wird zu 88 % auch gefolgt. Wenn vorgeschlagene Verkehrsmittel nicht gewählt wurden, lag dies an nicht korrekten Angaben zur Abfahrtszeit oder an individuellen Präferenzen von Verkehrsmitteln oder Linien. Von Routenempfehlungen wurde dann abgewichen, wenn subjektive Erfahrungen - wie zum Beispiel „Schleichwege“ - dem Vorschlag entgegenstanden. (Wie erwähnt, handelte es sich beim Großteil um bekannte Wege.) Auch Ratschläge zu kürzeren Routen von ortskundigen Bekannten führten dazu, dass der Empfehlung nicht gefolgt wurde. Interessant ist auch die Fragestellung, ob der Weg ohne web-unterstützte Planung mit anderen Verkehrsmitteln zurückgelegt worden wäre. Ein Großteil der Befragten hätte andere Verkehrsmittel(-Kombinationen) gewählt und 4 % hätten den Weg ohne web-unterstützte Planung gar nicht zurückgelegt (Bild 2). Bild 3 zeigt Einstellungen der Befragten hinsichtlich mobilitätsplanungsrelevanter Fragestellungen. Der Nutzen von Mobilitätsplanungsdiensten wird vor allem in der Unterstützung zur Bewältigung unbekannter Wege gesehen. Jedoch sind sie nicht unabkömmlich; die Mehrheit stimmt der Aussage, auch ohne Dienste komplexe Wege zurücklegen zu können, (eher) zu. Die webunterstützten Dienste werden als Mittel gesehen, welches eine unabhängigere, spontanere, geld- und zeitsparendere Mobilität ermöglicht, da sie den Verzicht auf ein eigenes Auto erleichtern. Die Mehrheit stimmt der Aussage zu, dass die Dienste eine umweltfreundliche und stadtverkehrsgerechte Mobilität ermöglichen, und möchte in der täglichen Wegeplanung nicht darauf verzichten. Ausblick Die Befragten sahen Verbesserungspotenzial für die Services zur Mobilitätsplanung. Nachfolgend werden die wesentlichen Aspekte zusammengefasst, wobei die Präferenzen sehr subjektiv und abhängig von dem genutzten Dienst sind. • Ein technischer Aspekt, der hervorgehoben wurde, ist ein geringer Datenverbrauch für das Laden diverser Dienste. Netzpläne und einmal gesuchte Weginformationen sollten längerfristig auch offline und in einer Schnellauswahl verfügbar sowie vom PC auf Smartphone übertragbar sein, um Informationen unterwegs offline abrufen zu können. Die geringe Sprachauswahl der Dienste wurde ebenso kritisiert wie die mangelnde Übersichtlichkeit bei Darstellung verschiedener Routenoptionen. • Als inhaltliche Erweiterung wurde gewünscht, dass die Dienste ebenfalls anzeigen sollten, welcher Ausgang in S- oder U-Bahn-Stationen am schnellsten zum Ziel führt. Echtzeitinformationen sind aus Sicht der Nutzer unabdingbar, ebenso wie die Anzeige von Verkehrsstörungen wie Staus und Baustellen. • Sehr häufig wurde der Wunsch nach Individualisierung angemerkt. Präferenzen von Verkehrsmitteln, Zwischenstationen oder Linien sollten Berücksichtigung finden, z. B. „die Möglichkeit, bei jeder einzelnen Etappe einen Vorschlag mit einem Klick wegklicken zu können, sodass […] ab dort eine Alternative vorgeschlagen wird“. Nutzer wollen auch angeben, welche Fußwegdistanzen sie akzeptieren würden, denn „oft wird vorgeschlagen, mehrmals umzusteigen, anstatt ein paar Meter zu Fuß zu gehen“. Die Einstellungen verschiedener Modi wurde ebenfalls vorgeschlagen, z. B. ein Sportmodus, welcher Rad- oder Lauf- Routen vorschlägt oder ein Sightseeing- Modus, der an schönen und historisch wichtigen Plätzen vorbeiführt. • Bei der Planung von Radrouten wurde generell Optimierung gewünscht, insbesondere eine deutliche Sichtbarkeit des Routenverlaufs, sodass während der Fahrt auf bislang unbekannten Routen im Verkehrsfluss stressfrei entschieden werden kann. Konkret wurde vorgeschlagen, komplexe Kreuzungen geson- Bild 2: Verkehrsmittelnutzung ohne web-unterstützte Planung Bild 3: Mobilitätsplanungsrelevante Einstellungen Nutzungszeitpunkt alle Selbsteinschätzung „(eher) vorausdenkend“ Selbsteinschätzung „(eher) spontan“ n=130 n=116 n=22 Vor der Abfahrt 52 % 54 % 27 % Während der Fahrt 14 % 12 % 18 % Beides 34 % 30 % 41 % Keine Angabe 0 % 4 % 14 % Tabelle 2: Nutzungszeitpunkt des Mobilitätsdienstes für den letzten Weg und Selbsteinschätzung zum Planungstyp
