Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0052
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Mal wieder: Enttäuschungen, Hoffnungen, Sorgen
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Gerd Aberle
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Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018 11 Mal wieder: Enttäuschungen, Hoffnungen, Sorgen E rfahrungsgemäß bietet die Sommerpause zumindest in der Politik nur wenig beachtenswerte Informationen. Aber es werden von der Wirtschaft die Halbjahresberichte 2018 veröffentlicht mit erfreulicherweise überwiegend positiven Entwicklungen im 1. Halbjahr. Dies trifft für die Deutsche Bahn AG nicht zu, trotz aller Pläne, Programme und Hoffnungen auf Situationsverbesserungen. Gemeint sind hier nicht die erneuten Verschlechterungen bei den Pünktlichkeitswerten im Personenverkehr, nicht die Überlastungen von Fernverkehrszügen und auch nicht die wenig erfreulichen Kostenentwicklungen beim Projekt Stuttgart 21. Angesprochen ist hier in erster Linie der Schienengüterverkehr, von dem so viel erwartet wird, politisch und unternehmerisch. Überraschend sind die relativ starken Einbrüche bei den Leistungswerten und den EBIT-Größen mit einem Minus bei den Tonnenkilometern von 6,7 % und einem weiteren Verlustanstieg des EBIT von -28 Mio. (2017) auf nunmehr -127 Mio. EUR. Die LKW-Leistungen in Deutschland sind demgegenüber um 3,5 % (Tonnenkilometer) weiter angestiegen. Trotz Schienenpakt und vielen Planungen mit großem politischen good will zeigen die Ursachen dieser Entwicklungen bei DB Cargo wieder einmal, dass einfache Rezepte und politische Ambitionen beim Schienengüterverkehr untauglich sind. Trotz mehrfachem Wechsel in den Führungspositionen des Unternehmens konnten (wieder einmal) deutliche Qualitäts- und Produktivitätseinbußen durch fehlendes Traktionspersonal, fehlende Loks, zu lang stehende Züge und Streckenüberlastungen durch Baustellen nicht verhindert werden. Gelingt es nicht, die Qualitäts- und Produktivitätsdefizite im Schienengüterverkehr zeitnah fühlbar zu verbessern, erscheint die Zukunft dieser Verkehre nebulös. Keinesfalls darf die alleinige Hoffnung auf die Hilfe des Steuerzahlers Platz greifen, zunächst durch die beschlossene Reduzierung der Trassenpreise. Denn sie allein kann die originären Probleme des Schienengüterverkehrs nicht lösen, zumal im Straßengüterverkehr trotz Fahrermangels Qualitäts- und Produktivitätsentwicklungen vorauseilen. Beachtenswert beim Halbjahresergebnis ist auch der Einbruch des EBIT bei DB Regio von 314 auf 214 Mio. EUR (-31,8 %), war doch über viele Jahre dieses Angebotssegment die wichtigste und stabile cash cow des Unternehmens. Der Marktdruck der Wettbewerber, verbunden mit eigenen Qualitätsdefiziten, wird auch hier verdeutlicht. Ebenso wie die Bahn steht der ÖPNV mit erhofften Positivwirkungen bei Umweltbelastungen und Kapazitätsentlastungen im Individualverkehr in hohem gesellschaftlichen Interesse. Allerdings führen aktuell erhebliche Überlastungen von Bahnen und Bussen in Agglomerationen zu unerfreulichen Qualitätsabsenkungen. Da zwar umfängliche Finanzmittel für den Ausbau des ÖPNV bereitgestellt worden sind, aber Planung und Umsetzung der wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen bis zu zehn und mehr Jahre erfordern, sind kurz und mittelfristig nur begrenzte Entlastungen und entsprechende Qualitätsanhebungen möglich. Ob allerdings in zehn und mehr Jahren der ÖPNV tatsächlich dem Individualverkehr Marktanteile abgewinnen kann, ist umstritten. Dies vor allem vor dem Hintergrund der weltweiten Forschungs- und Umsetzungsaktivitäten des autonomen Fahrens, letztlich mit Verzicht auf zentrale Einwirkungsmöglichkeiten durch die Fahrzeuginsassen. Wenn diese Fahrzeuge mit E-Antrieben innerstädtisch und im Umland einsetzbar sind: Ist dann der ÖPNV noch hinreichend attraktiv? Zu denken ist auch an behinderte Personen und die zunehmende Zahl älterer Menschen. Bei einer solchen Entwicklung könnte sich auch die Frage stellen, ob dann überhaupt noch ein Führerschein eine Berechtigung besitzt, ist doch die wichtigste These der Befürworter eines autonomen Fahrens der hohe Sicherheitsgewinn durch die digitalisierte Fahrzeugsteuerung ohne menschliche Steuerungsfehler. Zumindest wird der Führerschein nach derzeitigem Muster dann obsolet. Allerdings würde diese Entwicklung keine Kapazitätsentlastung für den Straßenraum bedeuten, ebenso wenig wie eine Minderung der Stäube aus Reifenabrieb. Wenn über Problembereiche des Verkehrs in einer heißen Sommerzeit gesprochen wird, darf ein Blick auf den weiteren Hoffnungsträger im Güterverkehr, die Binnenschifffahrt, nicht fehlen. Die extrem niedrigen Wasserstände aufgrund der lang anhaltenden Trockenheit erzwingen die Frage nach der Zukunft dieses Verkehrsträgers angesichts der auch in Europa wirksamen Klimaveränderungen. Für zahlreiche wichtige Industriebereiche ist die Binnenschifffahrt ein entscheidender Logistikpartner. Es geht um mehr als um Kreuzfahrt- und Ausflugsschiffe. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche
