Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0054
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Wirkungsweise der BahnCard aus Kunden- und Unternehmenssicht
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Andreas Krämer
Die Wirkungsweise der BahnCard wird seit langem über einen Sunk Cost-Effekt erklärt: Kunden investieren in die Karte. Die Kartengebühren sind „verloren“, folglich ist nur der abgesenkte Ticketpreis für die Verkehrsmittelwahl entscheidungsrelevant. Die Bahn erreicht damit das Niveau der variablen Kosten des PKW und wird wettbewerbsfähig. Empirisch lässt sich die These allerdings nicht bestätigen. Offensichtlich greifen andere Mechanismen wie Precommitment, Vereinfachungsprozesse und die Affinität zur Bahn bzw. der Wunsch, die Bahn in Zukunft stärker zu nutzen.
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Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018 16 Wirkungsweise der BahnCard aus Kunden- und Unternehmenssicht Die BahnCard als wirtschaftliches Instrumentarium für Reisende und Bahnunternehmen BahnCard, Verkehrsmittelwahl, Intermodaler Wettbewerb, Preiswahrnehmung Die Wirkungsweise der BahnCard wird seit langem über einen Sunk Cost-Effekt erklärt: Kunden investieren in die Karte. Die Kartengebühren sind „verloren“, folglich ist nur der abgesenkte Ticketpreis für die Verkehrsmittelwahl entscheidungsrelevant. Die Bahn erreicht damit das Niveau der variablen Kosten des PKW und wird wettbewerbsfähig. Empirisch lässt sich die These allerdings nicht bestätigen. Offensichtlich greifen andere Mechanismen wie Precommitment, Vereinfachungsprozesse und die Affinität zur Bahn bzw. der Wunsch, die Bahn in Zukunft stärker zu nutzen. Andreas Krämer D er Besitz der BahnCard führt zu einer veränderten Verkehrsmittelwahl zugunsten der Bahn. Sie ist vorteilhaft für den Kunden - je mehr Bahnreisen getätigt werden, desto größer ist die Ersparnis durch die BahnCard - und für die Bahnunternehmen - je mehr zusätzliche Bahnreisen getätigt werden, desto eher wird der Rabatt durch die Karte ökonomisch gerechtfertigt. Bahn im Wettbewerb mit anderen Verkehrsmitteln Noch vor etwa drei Jahren sahen die Perspektiven für den DB Fernverkehr eher düster aus [1]. Auf längeren Strecken verstärkte sich der Wettbewerb bei Airlines, nachdem Ryanair eine neue Preisoffensive ankündigte und gleichzeitig die angeschlagene Air- Berlin sich dem Preiswettbewerb nicht entziehen konnte. Auf mittleren Strecken führte die Liberalisierung des Marktes für Reisen mit dem Fernlinienbus erst zu einem starken Kapazitätswachstum, dann zu einem Preiskrieg (zu Zeiten des intensivsten Preiskampfes waren Preise pro km von weniger als 1 Cent möglich) und in 2016 zu einer Marktbereinigung mit anschließender Monopolsituation [2]. Gleichzeitig veränderten sich die Rahmenbedingungen bei PKW-Reisen auch teilweise negativ zu Lasten der Bahn (stark gesunkene Kraftstoffpreise, BlaBlaCar als neuer Konkurrent für Mitfahrgelegenheiten [3]). Konsequenz für die DB war in den Folgejahren ein relativer und absoluter Nachfrageverlust. Seit 2017 ergeben sich jedoch teilweise massive Nachfragezuwächse für das Bahnsystem. So weist die Prognose des BAG für die Bahn im Linienfernverkehr bis 2021 eine steigende Nachfrage auf 161 Mio. Fahrten aus (ein Zuwachs von 23 % ggü. 2015). Gleichzeitig wird für den Fernlinienbus eine- konstante bis rückläufige Nachfrage (23- Mio. Fahrten in 2021) erwartet [4]. Die Fahrkartenkauf im DB Reisezentrum Foto: JET Foto/ Kranert/ Deutsche Bahn AG POLITIK Intermodalität Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018 17 Intermodalität POLITIK Zahl der Reisenden im Fernverkehr ist in den ersten sechs Monaten 2018 um 3,8 % ggü. Vorjahr gewachsen, bedingt durch Angebotsveränderungen sowie eine angepasste Preispolitik und stärkere Vermarktung der BahnCard. So kommunizierte die Deutsche Bahn im Fernverkehr in 2015 erstmals Sparpreise ab 19 EUR als Aktionsangebot, ab August 2018 gehören Super Sparpreise ab 19,90 EUR zum Regelangebot. Gleichzeitig erreicht die BahnCard einen Rekordwert im Bestand von ca. 5,3 Mio. Stück. BahnCard: Starke Polarisierung in-der Bewertung Am 4. Dezember 2014 sah es kurz so aus, als wollte die Deutsche Bahn ihr wichtigstes Kundenbindungs-Instrumentarium, die BahnCard, abschaffen. Nachdem zu frühen Morgenstunden per Twitter die Meldung „BahnCard soll abgeschafft werden“ verbreitet wurde, entwickelte sich eine aufgeheizte Diskussion. Später beschreibt dies DIE ZEIT wie folgt: „Den Bahnfahrern die BahnCard wegzunehmen, so schien es, ist etwa so schlimm, wie den Autofahrern die freie Fahrt auf Autobahnen zu verbieten. Ein nationaler Statusverlust“ [5]. Das Dementi der Deutschen Bahn folgte umgehend. Dies ist nur ein Beispiel für die ambivalente Bewertung der BahnCard, die in Deutschland 1992 eingeführt wurde. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend die Wirkungsweise der BahnCard (am Beispiel vorrangig der BahnCard 50) untersucht, und zwar einerseits aus Sicht der Kunden, anderseits aus Sicht des Bahnunternehmens. Die Beeinflussung der Verkehrsmittelwahl durch den Besitz der BahnCard Entscheidung unter Unsicherheit: Wann ist der Break-even erreicht? Für den Bahnreisenden ergibt sich durch den Kauf der Rabattkarte die Möglichkeit, Planbarkeit in Bezug auf den erreichbaren Rabatt zu erhalten (50 % Rabatt auf den Flexpreis bei der BahnCard 50). Sofern der Flexpreis eine bekannte Größe darstellt, bedeutet dies für den Kunden Planungssicherheit in Bezug auf den Endpreis des Tickets, nicht jedoch zwingend auf die Gesamtausgaben für Bahnreisen [6]. Bei isolierter Entscheidung bezüglich der BahnCard 50 ist abschätzbar, dass der Breakeven der Karte bei etwa 510 EUR Umsatz im Flexpreis erreicht ist (2. Klasse). In diesem Fall sind die Ausgaben mit BahnCard 50 (255-EUR für die Karte und 255 EUR für Tickets) so hoch wie die Ausgaben für nicht rabattierte Tickets im Flexpreis (510 EUR). Bei einem angenommenen Preis pro km von 0,20 EUR (Flexpreis 2. Klasse) ist dieser Punkt bei 2550 km erreicht (oder bei Annahme einer mittleren Entfernung von 350 km einfache Strecke bei ca. 3,6 Reisen). In der Realität wird die Berechnung des Breakeven nicht nur dadurch erschwert, dass faktisch statt linearer Kilometerpreise für den DB Fernverkehr Relationspreise vorliegen, sondern auch dass durch die Einbeziehung der BahnCard 25 als Alternative zur Bahn- Card 50 der Break-even quasi nach rechts verschoben, also später erreicht wird als in der isolierten Betrachtung von Flexpreis ohne BahnCard 50 vs. Besitz der BahnCard 50 und 50 % Rabatt auf den Flexpreis, wie in Bild 1 links dargestellt [7]. Kostenwahrnehmung und Evoked-Set Durch den Besitz der BahnCard besteht für den Bahnkunden der Anreiz, Fahrten anderer Verkehrsmittel auf die Bahn zu verlagern. Dies formuliert Tacke wie folgt: „…-Der Kartenpreis gilt als „sunk costs“ - die sind weg. Sie fließen nicht mehr in die Entscheidung des Kunden ein, ob er mit der Bahn oder dem Auto fährt. ... Bei jeder dieser Entscheidungen legt er den 50-Prozent-Rabatt zugrunde.“ [8]. Der Erfolg der Bahn wird demzufolge damit erklärt, dass die Bahn- Card die Kostenstruktur des Autos nachahmt [9]. Die dann wahrgenommen Preise (50 % des Flexpreises im Falle der Bahn- Card 50) liegen auf Höhe der variablen Kosten der PKW-Nutzung oder darunter. Tatsächlich lässt sich dieses Verbraucherverhalten „aus dem Lehrbuch“ empirisch nicht belegen, im Gegenteil: Sowohl die Besitzer der BahnCard 50 beziehen nicht nur die reduzierten Ticketpreise in ihre Entscheidung und Preisbeurteilung mit ein, auch bei den PKW-Nutzern ist dies hinsichtlich der variablen Kosten der Fall [10]. Fixe und quasi-fixen Kosten werden aus Sicht der Entscheider zum Teil in die Verkehrsmittelwahl und Kostenwahrnehmung mit einbezogen. Bereits in einer früheren Untersuchung konnte festgestellt werden, dass die aus Verbrauchersicht angesetzten Kosten für die Nutzung des eigenen PKW etwa 17 bis Bild 1: Break-even-Betrachtung zur BahnCard 50 Bild 2: Entscheidung für die Bahn oder für das Auto POLITIK Intermodalität Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018 18 20-Cent pro km betragen (auch bei Besitzern der BahnCard) und damit deutlich über die reinen variablen Kosten der Nutzung hinausgehen [11]. In einer erneuten Messung wurde dies in 2018 noch einmal bestätigt. Offensichtlich greifen andere Mechanismen wie Precommitment, Vereinfachungsprozesse und die Affinität zur Bahn bzw. der Wunsch, die Bahn in Zukunft stärker zu nutzen, die rational begründbar sind oder eher nicht-rationale Faktoren wie die Überschätzung des eigenen Reisevolumens und der Wunsch, nicht den vollen Flexpreis zahlen zu müssen [12]. Die Entstehung von Mehrverkehr Der Besitz der BahnCard führt dazu, dass die Verkehrsmittelwahl vereinfacht wird. So nimmt die Anzahl der wahrgenommenen Alternativen zur Bahn deutlich ab, d. h. es folgt eine stärkere Fokussierung auf die Bahn als Verkehrsmittel. Diese Nachfrageverlagerung führt wiederum zu einem höheren Bahn-Modalanteil. Je mehr Reisen der BahnCard-Besitzer zur Bahn verlagert, desto eher wird der Break-even der Bahn- Card erreicht und überschritten. In diesem Fall steigt die effektive Rabattierung des Bahn-Flexpreises mit jeder Bahnreise. Im Endeffekt tätigt der BahnCard-Besitzer somit deutlich mehr Reisen mit der Bahn als in einer Situation ohne BahnCard-Angebot, allerdings zu einem deutlich abgesenkten Preis. Durch die Rabattierung des Flexpreises liegt der Ticketpreis im Falle der Bahn- Card 50 bei etwa 10- Cent pro km und erreicht damit ein Niveau, bei dem die Verbraucher Bahnreisen als preisgünstig empfinden. Selbst wenn die Kartengebühren anteilig einbezogen werden, erscheint die Bahnreise kostengünstiger als der PKW (vgl. Bild 2). Dabei sind andere Nutzenelemente wie die bessere Verwendung der Reisezeit und Komfortaspekte noch nicht berücksichtigt. Die so erzeugte zusätzliche Nachfrage (Mehrverkehr) kann im Falle der BahnCard 50 zwischen 30 und 35 % des Bahnreisevolumens liegen. Entsprechende Quoten wurden in der Studie MobilitätsTRENDS 2018 nicht nur für die BahnCard 50 sondern auch für die „Schwester-Produkte“ der ÖBB (Vorteilscard) und der SBB (Halbtax-Abonnement) gemessen. Die Unternehmenssicht: Loyalität der Kunden, Einnahmensicherung und Grundauslastung Die BahnCard 50 im Expertenstreit Die Wirkungsweise des Instrumentariums BahnCard entpuppt sich damit als komplexer und vielschichtiger als allgemein angenommen. Gleichzeitig zeigt sich eine starke Polarisierung in der Beurteilung. Besonders deutlich wurde dies, als im Nachgang zur vermeintlichen Abschaffung der BahnCard im Dezember 2014 in der Wochenzeitung DIE ZEIT (v. 22. 1.2015) eine Experten-Diskussion dazu ins Leben gerufen wurde. Darin wurde einerseits die BahnCard 50 als „ziemlich cleveres“ Instrumentarium (Tacke) beschrieben, welches den Kunden einen effektiven Rabatt von 30 % gewährt (wenn die Kosten der Karte in die Berechnung einbezogen werden), während der Kunde in der Verkehrsmittelwahl einen 50-prozentigen Rabatt auf den Normalpreis wahrnimmt. Die konträre Sicht folgte sogleich: „Das gegenwärtige Preissystem ist das dümmste, das es gibt“ lautete die Gegenthese (Ilgmann). Ein Argument gegen die BahnCard: Wenn das Unternehmen Zahlungsbereitschaften der Kunden ungenutzt lässt, weil überproportional hohe Rabatte an die Kunden ausgeschüttet werden, kann möglicherweise keine ausreichende Rendite erzielt werden. In diesem Kontext erscheint die BahnCard 50 besonders problematisch. Sie steht z. B. im Widerspruch zur Zielsetzung der Deutschen Bahn, Nachfrage zu „steuern“ und gleichmäßiger auf die Kapazität zu verteilen, dadurch Auslastungsspitzen zu vermeiden und gleichzeitig den Komfort für die Reisenden zu erhöhen. Hoher Grundnutzen für Heavy-User = nicht ausgeschöpfte Zahlungsbereitschaften Gerade für Vielreisendende bestehen gute Möglichkeiten, das individuelle Budget für Reisen deutlich zu reduzieren. Die nichtlineare Preisbildung (Jahresgebühr plus abgesenkter km-Preis) begünstigt Personen mit einem planbaren hohen Reisevolumen. Bei Zugrundelegung einer Bahnnutzung von ca. 12 000 km (20 Reisen mit je 300 km einfache Entfernung, km-Preis ca. 20 ct.) würden sich bei Nutzung des Flexpreises Kosten von ca. 2400 EUR p.a. ergeben. Mit Kauf der Bahn- Card 50 (Jahresgebühr 2.- Klasse: 255 EUR) sinken die Ausgaben bei sonst gleichen Umständen auf 1455 EUR, d. h. um 40 %. Dies ist für das Bahnunternehmen solange wirtschaftlich, wie mit der Nutzung der BahnCard 50 ein entsprechender Mehrverkehr verbunden ist. Reicht dieser nicht aus, kann die Wirtschaftlichkeit des Rabattinstruments für das Unternehmen leicht negativ werden. Je höher demzufolge die Rabattierung des Flexpreises ist, desto höher ist auch das wirtschaftliche Risiko für das Unternehmen. Ein weiterer Nachteil ist aus Sicht der Deutschen Bahn mit der BahnCard 50 verbunden: Den Möglichkeiten, Nachfrage durch ein dynamisches Pricing zu steuern, sind bei einem großen BahnCard 50-Bestand Grenzen gesetzt (vgl. Bild 3). Ausblick - Die BahnCard als Wettbewerbsinstrumentarium Vor diesem Hintergrund erscheint eine Kombination der BahnCard- und der Sparpreis-Rabattierung nicht nur für die Kunden, sondern auch für das Unternehmen interessant: • Die Deutsche Bahn bietet bereits seit 2002 eine BahnCard 25 an, die zwar nur den „halben“ Rabatt auf Flexpreise gewährt, allerdings die Verknüpfung der Rabattierung mit dem Sparpreis ermöglicht. Gleichzeitig wurde die BahnCard Verstärkung der Kundenloyalität / Basis für CRM und kundenbezogene Daten Erhöhung des Modalanteils durch zusätzliche Bahnreisen Steigerung des Kundendeckungsbeitrags (Lifetime-Value) Planbarer Rabatt und Sicherstellung eines attraktiven Preisniveaus Vereinfachung der Entscheidungsfindung in der Verkehrsmittelwahl (geringe Suchkosten) Individuelle Budgetentlastung für Mobilität Hohe Flexpreis-Rabattierung Systemkosten und unternehmerisches Risiko Beschränkte Möglichkeiten zur Nachfragesteuerung (volle Flexibilität zum reduzierten Preis) Ausgaben für die Rabattkarte zeitlich vorgeschaltet zur Inanspruchnahme der Rabattleistung Unsicherheit bezüglich der effektiven Rabattierung (Intransparenz zum Reisevolumen p.a.) Aus Sicht des Bahnunternehmens Aus Sicht des Bahnkunden Entscheidung unter Unsicherheit / Ökonomisch vorteilhaft, sobald der Break-even überschritten wird Positive Einnahmenwirkungen nur bei ausreichendem Mehrverkehr / Erhöhung Grundauslastung Bild 3: Bewertung des Instrumentariums BahnCard 50 aus Sicht der Bahnkunden und des Bahnunternehmens Internationales Verkehrswesen (70) 3 | 2018 19 Intermodalität POLITIK 50 abgeschafft, aber aufgrund des öffentlichen und politischen Drucks später zu einem deutlich höheren Preis Mitte 2003 wieder eingeführt. • Der abgesenkte Kartenpreis der Bahn- Card 25 führt zu einem vergleichsweise niedrigen Break-even. Damit werden Personen angesprochen, die deutlich weniger Bahnreisen unternehmen als Besitzer der BahnCard 50. Durch Vermarktungsaktionen werden diese Effekte noch verstärkt. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Jubiläums-Bahn- Card 25, die im Oktober 2017 zum Preis von 25 EUR (2. Klasse) angeboten wurde (Gültigkeit 12 Monate). Für das Alterssegment unter 27 Jahren wird mit der My BahnCard ebenfalls eine stark ermäßigte Karte (My BahnCard 25 für 39 EUR und My BahnCard 50 für 69 EUR p. a.) angeboten (vgl. Bild 1). • Das Volumen an Sparpreis-Fahrten wurde in den letzten Jahren stark erhöht, nicht zuletzt, weil die zuggebundenen Tickets immer kundenfreundlicher gestaltet wurden. Gleichzeitig steigt die Effizienz und die Effektivität des Erlösmanagements im DB Fernverkehr an [13]. • Durch die seit August 2018 eingeführten Super Sparpreise wird der von der DB eingeschlagene Weg weiter ausgebaut. Die Kombination des Preises ab 19,90- EUR pro Strecke führt bei Bahn- Card-Besitz zu einem effektiven Preis von weniger als 15 EUR und wird damit bereits auf mittleren Strecken nicht nur sehr wettbewerbsfähig gegenüber dem PKW (wahrgenommene Kosten bei 300-km ca. 50 EUR, Kraftstoffkosten von 25 bis 30 EUR), sondern auch gegenüber dem Fernlinienbus (Flixbus) und Mitfahrgelegenheiten (BlaBlaCar). • Für die BahnCard besteht ein erhebliches unausgeschöpftes Absatzpotenzial. Zu dieser Erkenntnis kommt man nicht nur, wenn die BahnCard-Durchdringung in Deutschland mit der in Österreich (VorteilsCard) und der Schweiz (Halb- Tax-Abonnement) verglichen wird. Auch die Ergebnisse der eigenen Studie MobilitätTRENDS belegen dies (Bild 4): Personen ohne BahnCard-Besitz wurden dabei gefragt, ob der Kauf einer BahnCard 25 für sie in Frage kommt. Etwa jeder zehnte Befragte in Deutschland verfügt über ein Kaufpotenzial und nennt einen Maximal-Preis für die BahnCard 25. Abschließend soll auf zwei wichtige Facetten zum Verständnis der Wirkungsweise der BahnCard hingewiesen werden. Der erste Aspekt betrifft die Rationalität der Bahn- Card-Entscheidung. Zwar wird vielfach darauf hingewiesen, dass Wahrnehmungsverzerrungen für die Verbraucherentscheidung von nicht-linearen Preismodellen verantwortlich sind [14]. Die Kunden entscheiden sich für einen Tarif, der nicht optimal für sie ist. Der Nachweis, dass sich die BahnCard- Besitzer überwiegend für die falsche Karte entscheiden [7], konnte nicht zweifelsfrei erbracht werden [15]. Die Entscheidung zugunsten der BahnCard kann auch rational begründet sein. Selbst, wenn Unsicherheit bezüglich der konkret geplanten Reisen der kommenden zwölf Monate besteht, kann die Festlegung auf das Verkehrsmittel Bahn in Verbindung mit dem Kauf einer Bahn- Card durchaus rational sein. Die zweite Facette betrifft den Zusammenhang zwischen Preis- und Kundenbeziehungsmanagement. Es kann durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein, auf eine kurzfristige Ausschöpfung der Zahlungsbereitschaften der Kunden zu verzichten (z.B. bei Vielfahrern mit BahnCard 50), wenn mittelbis langfristig durch eine stärkere Kundenhaltbarkeit und -loyalität der Customer Lifetime Value erhöht wird. ■ LITERATUR [1] Krämer, A. (2016): Zukunft Bahnpersonenverkehr: Wie wettbewerbsfähig ist das deutsche Bahnsystem unter veränderten Konkurrenzbedingungen? ZEVrail 140 (4), S. 138-145. [2] Krämer A., Wilger G., Bongaerts, R. (2017): Fernlinienbusse - eine Erfolgsgeschichte? ! Marktbedingungen - Geschäftsmodelle - Entwicklungsperspektiven, KSV Verlag, Köln. [3] Krämer, A., Bongaerts, R. (2017): Wie Digitalisierung die Wettbewerbsposition der Bahn verändert. Internationales Verkehrswesen, 69(2), Feb. 2017, S. 26-30. [4] BAG (2017): Kurzfristprognose Herbst 2017/ 18 Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und Personenverkehr des Bundesamtes für Güterverkehr, erscheinen am 19.09.2017, Download unter https: / / www.bag.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ Verkehrsprognose/ verkehrsprognose_Winter_2017_2018.pdf? __blob=publicationFile [5] Bund, K. (2015): Im Land der leeren Züge. DIE ZEIT online v. 22.1.2015. [6] Ding, L., Xin, C., & Chen, J. (2005): A risk-reward com-petitive analysis of the Bahncard problem. In International Conference on Algorithmic Applications in Management (pp. 37-45). Springer, Berlin, Heidelberg. [7] Schmale, H., Ehrmann, T., & Dilger, A. (2013): Buying without using-biases of German BahnCard buyers. Applied Economics, 45(7), S. 933-941. [8] Tacke, G. (2015): „Durch Zwei teilen kann jeder“. Interview in der TAZ, 13.3.2015. Download unter http: / / www.taz.de/ ! 5017032/ [9] Simon, H., & Butscher, S. A. (2001): Individualised pricing: boosting profitability with the higher art of power pricing. European Management Journal, 19(2), S. 109-114. [10] Krämer, A. (2017): Demystifying the „Sunk Cost Fallacy“: When Considering Fixed Costs in Decision-Making Is Reasonable, Journal of Research in Marketing, Vol. 7, Heft 1/ 2017, S. 510-517. [11] Krämer, A. (2016): Kostenwahrnehmung bei PKW-Reisen - Empirische Analyse zur Schätzung der PKW-Kosten und der wahrgenommenen Kostenkomponenten bei Autofahrern im DACH-Gebiet. Internationales Verkehrswesen, 68 (4), 2016, S. 16-19. [12] DellaVigna, S., & Malmendier, U. (2006): Paying not to go to the gym. American Economic Review, 96(3), S. 694-719. [13] Krämer, A., Hercher, J. (2016): MobilitätsTRENDS 2016 - Sparpreise: Wirkungsvolles Instrument der Bahn im Wettbewerb Bonn, Dezember 2016. Verfügbar unter https: / / www.rogator.de/ files/ content/ Unternehmen/ Studie/ exeo_MobilitätsTRENDS_Sparangebote%20 der%20Bahnen_im_D-A-CH-Gebiet.pdf [14] Lambrecht, A., & Skiera, B. (2006): Paying too much and being happy about it: Existence, causes, and consequences of tariff-choice biases. Journal of Marketing Research, 43(2), S. 212-223. [15] Krämer, A. (2015): Rabatt- und Kundenbindungskarten im Personenverkehr - Eine länderübergreifende Analyse zu den Bahn-Rabattkarten in der DACH-Region. ZEVrail, 139(9), September 2015, S.-341-347. Andreas Krämer, Prof. Dr. Vorstandsvorsitzender der exeo Strategic Consulting AG, Bonn; Professor für Pricing und Customer Value Management/ CRM an der University of Applied Sciences Europe, Fachbereich BiTS, Iserlohn andreas.kraemer@exeo-consulting.com Bild 4: Kaufpotenzial und Preisbereitschaft für die BahnCard 25
