eJournals Internationales Verkehrswesen 70/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0084
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2018
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Logistik 4.0

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2018
Thomas Wießflecker
Thomas Malländer
SAP und die Telekom kooperieren. Ziel ist es, Lieferketten durchgängig und übergreifend digitalisieren.
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Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 34 Logistik 4.0 E-Commerce, Online-Handel, Enterprise Resource Planning, Warehouse Management, Supply Chain Management SAP und die Telekom kooperieren. Ziel ist es, Lieferketten durchgängig und übergreifend digitalisieren. Thomas Wießflecker, Thomas Mailänder D as weltweite Logistikvolumen wächst. Laut Prognose von Transparency Market Research aus dem Jahr 2017 soll sich das- globale Frachtaufkommen von rund 55-Mrd.-t im Jahr 2015 auf rund 92 Mrd. t bis 2024 steigern [1]. Treiber der Entwicklung sind Exporte und der florierende Online- Handel. So kaufen aktuell allein in Deutschland mehr als 47 Millionen Menschen Dienstleistungen und Produkte im Web ein, wie das statistische Bundesamt ermittelt hat [2]. Ob Bücher, Elektrogeräte oder Arzneimittel: Immer mehr und immer kleinere Pakete reisen um die Welt. Lieferketten werden komplexer. Lieferzeit ausschlaggebend Darüber hinaus wird der Faktor Zeit mehr denn je zur Währung im E-Commerce. Eine Studie des Versandlösungsanbieters Metapack zeigt, was Online-Shopper wollen [3]: Breite Auswahl und günstige Preise sind das eine. Exakt prognostizierte Lieferzeiten das andere. Demnach hat jeder Zweite bereits eine Bestellung abgebrochen, wenn der Liefertermin nicht den Erwartungen entsprach. 3000 Verbraucher hatte Metapack in Europa dazu befragt. Mehr Fracht immer schneller liefern zu müssen, ist die zentrale Herausforderung für die Logistikwelt von heute. Lösen lässt sie sich nur durch konsequent digitalisierte Lieferketten, wie auch der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) fordert [4]. Für den Standort Deutschland befürchtet der DSLV sonst Engpässe. Am Ende könnten internationale Warenströme an uns vorbeilaufen. Supply Chain digitalisieren Wie die Branche diese Herausforderungen konkret angeht, hat der Bundesverband Logistik (BVL) aktuell untersucht [5]. Strategien und Trends der digitalen Transformation standen im Zentrum einer Befragung unter 1350 Logistikexperten: Um Kundenwünsche termintreu zu erfüllen, suchen die Transport- und Frachtunternehmen nach Lösungen, um Informationen durchgängig digital und parallel zu jeder realen Warenbewegung fließen zu lassen. Die Supply Chain soll sich über alle Teilnehmer hinweg digital abbilden lassen, was Vorteile für alle Akteure bietet. Beispiel Materialfluss in der Produktion: 61 % der Befragten monieren, dass ihnen Daten fehlen, um Engpässe und Ineffizienzen zu verhindern. Gleichzeitig wären 34 % bereit, genau diese Informationen mit ihren Partnern in der Lieferkette zu teilen, um Probleme für alle zu umgehen. Ein Ansatz, der auch intelligente Prognosen möglich macht. Nicht nur, um wie vom Verbraucher gewünscht, Lieferzeiten bereits beim letzten Klick im Online-Shop vorherzusagen. Sondern auch, um beispielsweise so genannte Peitscheneffekte (engl.: Bullwhip Effect) zu kompensieren: Werden Echtzeitdaten in mehrstufigen Lieferbezie- Foto: pixabay.de LOGISTIK Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 35 Digitalisierung LOGISTIK hungen geteilt, lassen sich derartige Nachfrageschwankungen ausgleichen, die sich sonst vom Kunden bis zum ersten Vorleistungslieferanten gefährlich aufschaukeln können. Sensorik und Analysen Aus Gründen wie diesen erwarte der BVL, dass Sensorik und digitale Analysen in die Supply Chain einziehen werden. Zum einen, um die Supply Chain übergreifend überwachen und optimal steuern zu können. Zum anderen aber auch, um die Live- Datenströme in Systemen für Enterprise Resource Planning (ERP), Warehouse Management (WM) und Supply Chain Management (SCM) zu verzahnen. Gelingt das, lassen sich digitale Prozesse auch weitgehend automatisieren: Wo logistische Warenbewegungen mit kaufmännischen Abläufen verschmelzen, lassen sich Abläufe IT-basiert beschleunigen, Kosten sparen und das Kundenerlebnis deutlich verbessern. SAP und Telekom kooperieren Eine mögliche Lösung, um Lieferketten zu digitalisieren und mit ERP, WM und SCM zu verzahnen, haben SAP und die Telekom auf der Hannover Messe 2018 vorgestellt [6]. Beide Unternehmen kooperieren im Bereich „Internet der Dinge“ (Internet of Things, IoT). Dazu kombinieren der ERP- Spezialist aus Walldorf und der Provider aus Bonn IoT-Hardware, Sensordaten, Plattformen und Software miteinander. Zudem haben beide Anbieter Schnittstellen entwickelt und zertifiziert. Über diese lassen sich Daten zwischen den IoT-Plattformen der Telekom und der SAP Cloud Plattform bzw. dem ERP-System S/ 4HANA austauschen. Anwender sind so in der Lage, reale Abläufe in Echtzeit mit SAP-Lösungen zu verketten. Zum Beispiel startet der Rechnungslauf im ERP-System automatisch, wenn Transporter vom Verladehof fahren. Da Lieferungen auch unterwegs im Blick bleiben, lassen sich Routen optimieren und der Treibstoffverbrauch senken. Auch Kühlketten sind lückenlos dokumentierbar und Ankunftszeiten vorausberechenbar. Treten unterwegs Probleme auf, erkennen Unternehmen das aus der Ferne und leiten Gegenmaßnahmen ein. Lagervorräte sind immer getrackt und digital inventarisiert. IoT-Daten von Roambee Die notwendige Basis an Echtzeit-Daten kommt vom Telekom-Partner Roambee. Das Start-up aus dem Silicon Valley hat unterschiedlich ausgelegte IoT-Geräte für die Logistik entwickelt, wie zum Beispiel die so genannten BeeFleets: Diese sind in der Lage, ihren Standort zu bestimmen, Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu messen und Erschütterungen zu erkennen. Über die Diagnoseschnittstelle OBD II lassen sie sich im Fahrzeug betreiben. Um Container und Trailer zu überwachen, verwenden Unternehmen die kleine Schwester - genannt „Bee“: Das Gerät ist kompakter als die Variante für das Führerhaus, lässt sich magnetisch an Transportbehältern befestigen oder auch einer Lieferung beilegen. Selbst für einzelne Pakete hat Roambee ein Gerät entwickelt: Die Bee- Beacons arbeiten über Bluetooth Low Energy (BLE) mit den Bees zusammen, um beispielsweise Be- und Entladevorgänge zu dokumentieren oder Transportlisten vollautomatisch zu erstellen. Echtzeitinformationen einbinden Als Datentreuhänder konsolidiert die Telekom alle IoT-Daten, gewährleistet Schutz und Sicherheit und bindet die Echtzeitinformationen in SAP-Applikationen wie SAP Vehicle Insights, SAP Global Track and Trace oder SAP Connected Goods ein. Logistikanbieter können so nicht nur die Positionen ihrer Fahrzeug- und Trailerflotten nachverfolgen, sondern auch Bewegungen und Zustände einzelner Container und Warenpakete. Treten unterwegs starke Erschütterungen auf oder schwanken Temperatur und Luftfeuchtigkeit, kann das auf mögliche Probleme hinweisen. Anwender behalten die eigene Lieferkette und die vor- und nachgelagerten Prozesse ihrer Partner damit unter Kontrolle. IoT-Daten lassen sich übergreifend austauschen und direkt in ERP-, SCM- oder WM-Systemen verwerten. Durch diese nahtlose Integration erhalten Unternehmen und Kunden eine Rundumsicht auf ihre Logistikkette, können bedarfsgerechter steuern und Wettbewerbsvorteile nutzen, indem sie schneller auf Einflüsse reagieren. Mit weiteren innovativen Technologien wie „Machine Learning“ und „Artificial Intelligence“ lassen sich z.B. zukünftige Bedarfe immer besser abschätzen und in die Logistikkette einbetten. Das unterstützt perfekt die nächste Generation der Business Suite von SAP: SAP S/ 4HANA setzt auf ein simplifiziertes, komprimiertes Datenbankmodell und hält alle Informationen im Arbeitsspeicher vor. Das sorgt für Tempo und Leistung: Lese- und Schreibprozesse, wie sie bei Festplatten üblich sind, entfallen. Durchlaufzeiten lassen sich beschleunigen und Kennzahlen in Echtzeit verarbeiten. [7] ERP-System aus der Public Cloud SAP S/ 4HANA kommt ohne die sonst üblichen Zwischentabellen, Indizes und Aggregate aus und hält die komplette ERP-Datenbank im Arbeitsspeicher vor. Egal, ob im Lager, in der Buchhaltung oder im Einkauf, alle Abteilungen arbeiten mit Live-Kennzahlen. So reagieren Firmen schneller auf Schwankungen. Gehen etwa Lieferungen ein, verbucht das ERP-System die Kosten automatisch im Finanzsystem und die Daten stehen adhoc auch in der Bilanz zu Verfügung. Zudem sind erstmals Parallel- und Pulkbuchungen performant bearbeitbar. Schon lange setzt die Logistikbranche auf Software und Technologie aus Walldorf. Der BVL hat den Softwarekonzern SAP in den Jahren 2016 und 2017 zur „besten Logistik-Marke“ gekürt. Und ein Anbieter wie die Telekom unterstützt die Logistik dabei nicht nur mit Lösungen, um Lieferketten zu digitalisieren. Der Bonner Konzern stellt SAP S/ 4HANA und die In-Memory-Datenbank SAP HANA als so genannte Dynamic Services aus der Public oder Private Cloud bereit. Ressourcen lassen sich bedarfsgerecht bestellen und auch wieder abbestellen. ■ LITERATUR [1] Transparency Market Research (2016): Logistics Market (By Transport Infrastructures [2] Statistisches Bundesamt (2016): Zahl der Woche vom 12. Juli, Pressemitteilung. [3] Metapack (2015): Delivering Consumer Choice: Report. [4] Deutscher Speditions- und Logistikverband (2018): Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Behörden hemmen Digitalisierung der Luftfrachtlogistik, Pressemitteilung. [5] Bundesverband Logistik (2017): Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain Management. Chancen der digitalen Transformation. [6] Telekom (2018): Hannover Messe: Lieferketten in Echtzeit überwachen, Pressemitteilung. [7] SAP (2016): SAP S/ 4HANA: Der Einfluss auf die Logistik, SAP News Center. Thomas Wießflecker, Dr. Portfolio Executive SAP, T-Systems International GmbH, Frankfurt am Main Thomas.Wiessflecker@t-systems.com Thomas Mailänder Sales Consultant, T-Systems International GmbH, Frankfurt am Main Thomas.Mailaender@t-systems.com