Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0085
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2018
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Bewertungsansätze zur Berechnung von Emissionen in der Logistik
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Felix Friedrich Eifert
Wolf-Christian Hildebrand
Logistikaktivitäten verursachen nach Schätzungen des World Economic Forum (WEF) etwa 2800 Megatonnen Treibhausgasemissionen. In den letzten Jahren wurden Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene diskutiert. Dazu ist es zunächst wichtig, die Treibhausgasemissionen zu erheben und zu messen. Hierfür stehen verschiedene teils ähnliche, teils divergierende Ansätze zur Verfügung – eine Vergleichbarkeit der Ansätze ist bisher nicht gegeben. Der Beitrag enthält einerseits ein Literaturreview über die derzeitig zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Bemessungsansätze. Andererseits wird eine Konzeptmatrix entwickelt, die die Inhalte der Bewertungsansätze darstellt und mithilfe von Parametern untereinander vergleichbar macht.
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Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 36 LOGISTIK Wissenschaft Bewertungsansätze zur Berechnung von Emissionen in der Logistik Entwicklung einer Konzeptmatrix zum parametergebundenen Vergleich der Bewertungsansätze Logistik, Green Logistics, Emissionen, Bewertungsansätze Logistikaktivitäten verursachen nach Schätzungen des World Economic Forum (WEF) etwa 2800 Megatonnen Treibhausgasemissionen. In den letzten Jahren wurden Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene diskutiert. Dazu ist es zunächst wichtig, die Treibhausgasemissionen zu erheben und zu messen. Hierfür stehen verschiedene teils ähnliche, teils divergierende Ansätze zur Verfügung - eine Vergleichbarkeit der Ansätze ist bisher nicht gegeben. Der Beitrag enthält einerseits ein Literaturreview über die derzeitig zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Bemessungsansätze. Andererseits wird eine Konzeptmatrix entwickelt, die die Inhalte der Bewertungsansätze darstellt und mithilfe von Parametern untereinander vergleichbar macht. Felix Friedrich Eifert, Wolf-Christian Hildebrand S eit rund zehn Jahren steht bei der EU-Kommission das Thema Nachhaltigkeit sehr weit oben auf der regulatorischen Agenda. Jüngster Baustein der Nachhaltigkeitsstrategie ist der in der ersten Jahreshälfte 2018 veröffentlichte Aktionsplan zur „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“. In dem Aktionsplan wird noch einmal sehr deutlich hervorgehoben, dass die „Umwandlung der europäischen Wirtschaft in ein umweltfreundlicheres und widerstandsfähigeres Kreislaufsystem […] nicht nur zur Reduzierung unseres ökologischen Fußabdrucks und zur Beseitigung bestehender Ungleichheiten [führt], sondern […] auch die Wettbewerbsfähigkeit steigern [lässt]“ 1 . Für die Logistik- und Transportbranche stehen verschiedene, teils ähnliche, aber auch divergierende Ansätze zur Verfügung, wie Treibhausgasemissionen erhoben und gemessen werden können - eine Vergleichbarkeit der Ansätze ist bisher nicht gegeben. Vor allem global agierende Konzerne nehmen durch ihre internationale Struktur und Größe sowie die damit verbundenen Markttransaktionen beachtlichen Einfluss auf die Gesellschaft, die Umwelt und den Menschen. 2 Infolgedessen stehen Unternehmen zunehmend vor der Aufgabe, ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen. 3 Unternehmenserfolg ist grundsätzlich auf Wirtschaftlichkeit und Wachstum ausgerichtet. Einen Einklang mit den Anforderungen der Gesellschaft, der Umwelt und den Menschen zu realisieren, ist Aufgabe des Konzepts der Nachhaltigkeit. „Der Wirtschaftsbereich Logistik zeichnet sich dadurch aus, dass Nachhaltigkeit bei fast allen logistischen Tätigkeiten Effizienz mit Ressourcenschonung verbindet“ 4 . Effiziente Logistik im Sinne einer guten Planung und verantwortungsvoller Umsetzung spart wertvolle Ressourcen und trägt damit zur Wirtschaftlichkeit der Unternehmensleistung sowie zum Umweltschutz bei. 5 Verantwortungsvolles Wirtschaften bezieht immer häufiger soziale und ökologische Anforderungen in das Kerngeschäft ein, dabei ist das Offenlegen sogenannter nicht finanzieller Informationen von fundamentaler Bedeutung. Maßgebend sind in diesem Zusammenhang Stakeholder-Dialoge sowie eine detaillierte Nachhaltigkeitsberichterstattung, um den Herausforderungen des Marktes und der Zukunft gerecht zu werden. Nachhaltigkeitsberichterstattung Nach der Definition der Global Reporting Initiative ist eine Nachhaltigkeitsberichterstattung „die Offenlegung von Informationen über die ökonomische, ökologische und soziale Leistung sowie das Führungsverhalten“ 6 . Der Berichtsprozess (Reporting) ist in zwei Stufen unterteilt: zum einen die Bestimmung bzw. Messung der Informationen, zum anderen die Offenlegung des Berichts. Mittels Kennzahlen, sog. Key Performance Indicators, lassen sich Erfolge sowie Misserfolge dokumentieren und interpretieren (Soll-Ist-Vergleich). Hierbei werden seitens der Politik Rahmenbedingungen und Anreize für unternehmerische Strategien vorgegeben. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist neben dem Geschäftsbericht ein zentraler Bestandteil des betriebli- Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 37 Wissenschaft LOGISTIK chen Informationsmanagements. Darin enthalten sind „vergangenheitsorientierte, andererseits zukunftsorientierte Informationen über Ziele, Maßnahmen und erwartete Ergebnisse zu ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlich-sozialen Herausforderungen“ 7 . Dabei finden sich im Inhalt des Nachhaltigkeitsberichts, zugehörig zum Themengebiet Ökologie, zumeist unter dem Unterpunkt „Nachhaltigkeitsziele“ oder „Verantwortung für die Umwelt“, Emissionsangaben als quantifizierbare Indikatoren einer unternehmerischen Umweltkommunikation wieder. Dadurch lässt sich eine nachhaltige Ausrichtung auf Ressourceneffizienz und Umweltschutz eines Unternehmens kontrollieren. Die Kennzahlen geben Auskunft über den tatsächlichen Stand der betrieblichen Umweltleistung und sind durch unterschiedliche Interessenlagen von Unternehmen und ihren Stakeholdern bestimmt. Im Zuge der Kennzahlenpräsentation werden einerseits Gesamtwerte, andererseits sog. spezifische Werte kommuniziert. Gesamtwerte sind aggregierte Daten, welche beispielsweise das Gesamtemissionsvolumen eines Unternehmens pro Jahr darstellen. Spezifische Werte betrachten hingegen die Werte, welche jede produzierte Einheit betreffen. Lokale Stakeholder sind an Werten über die Reduktion der Gesamtemission, beispielsweise der Luftverunreinigung, interessiert und erwarten eine entsprechende Reduktion. Nachteil der kommunizierten Gesamtemission ist es, dass es zu einem Anstieg bei gleichzeitiger Erhöhung der produzierten Menge kommt. Ungeachtet der für die Senkung der Umweltauswirkung durchgeführten Maßnahmen entsteht dadurch ein negatives Umweltimage des Unternehmens. Hingegen lässt sich mittels Darstellung der Emission pro produzierter Einheit, unabhängig von der hergestellten Menge, die Effizienz der eingeleiteten Maßnahme herausstellen. Staatliche Kontrollbehörden haben ein Interesse an Kennzahlen, welche in Verordnungen und Gesetzen prägnant definiert und seitens des Unternehmens in Messberichten innerhalb eines vorgesehenen Zeitrahmens vorgelegt werden müssen. Hauptziel eines jeden nachhaltigen Wirtschaftens ist in der Regel die Minimierung von Umweltauswirkungen. Damit Treibhausgasemissionen reduziert werden können, ist es zunächst wichtig, diese zu erheben und zu messen. Dies gelingt über die sogenannte Bilanzierung von Treibhausgasemissionen. Zur Erstellung einer solchen Treibhausgasbilanz ist eine systematische Erfassung der jeweiligen relevanten Energieverbräuche notwendig. Anhand des daraus resultierenden Vergleichswertes lässt sich der Erfolg der Reduzierungsmaßnahmen steuern. Parameter Damit die einzelnen zur Verfügung stehenden Ansätze untereinander differenziert, abstrahiert und gegenübergestellt werden können, bedarf es einheitlicher Vergleichsparameter. Auf Grundlage eines durchgeführten Literatur-Reviews, welches nach qualitativem Verständnis die entsprechenden Häufigkeiten und Auffälligkeiten der Erwähnungen innerhalb der einschlägigen Literatur abbildet, lässt sich die beschriebene Thematik mithilfe der folgenden Vergleichsparameter abbilden. Die Vergleichsparameter lassen sich vier inhaltlichen Kategorien zuordnen: Emissionsarten, Emissionsquellen, Kennzahlen, Dimension der Anwendung. Die Kategorie Emissionsarten beinhaltet unter anderem Betrachtungen von einzelnen Kyoto-Gasen, von ausschließlich CO 2 -Emissionen sowie von weiteren zusätzlichen umweltrelevanten Emissionen. Im Kyoto- Protokoll - ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen zur Reduzierung des anthropogenen Ausstoßes von Treibhausgasen - wurden die folgenden sechs wichtigsten Treibhausgase, die sog. Kyoto-Gase, reglementiert. 8 Die mengenbezogen bedeutendste Quelle von Treibhausgas-Emissionen ist Kohlendioxid (CO 2 ), das fast ausschließlich durch die Verbrennung fossiler Energieträger (ca. 85 %) wie Mineralöl und Kohle entsteht und den natürlichen Treibhauseffekt verstärkt. Aufgrund des hohen Anteils an der Gesamtheit sowie des daraus resultierenden Stellhebels innerhalb der Treibhausgasreduktion wird einer ausschließlichen Betrachtung von CO 2 - Emissionen, als ein Bestandteil der Bewertungsgansätze, eine besondere Bedeutung beigemessen. Zusätzlich zu Kohlendioxid sind weitere Treibhausgase in die Betrachtung mit aufzunehmen. Darunter fallen unter anderem Methan (CH 4 ), Distickstoffmonoxid (N 2 O), Schwefelhexafluorid (SF 6 ) und teilsowie vollfluorierte Kohlenwasserstoffe (H-FKW, FKW). Zur besseren Vergleichbarkeit sind diese, gemäß des Global Warming Potential, in sog. CO 2 -Äquivalente umzurechnen. Weiterhin ist hervorzuheben, dass eine getrennte Betrachtung der Kyoto-Gase, zum einen in die gesamten Kyoto-Gase sowie zum anderen in eine separate Aufgliederung der jeweiligen einzelnen Kyoto-Gase, notwendig ist. So wird die nötige Transparenz innerhalb der Kennzahlenpräsentation gewährleistet. Durch Ressourcenverbrauch und freigesetzte Emissionen trägt die Logistikbranche ihren Anteil an der Umweltbelastung bei. Emissionen der logistischen Aktivitäten können als Schadstoffe, Treibhausgase, Abfall und Verschandelung der Landschaft auftreten. 9 Treibhausgase sind strahlungsbeeinflussende, gasförmige Stoffe, die zum Treibhauseffekt beitragen. Dieser wird in natürlichen und anthropogenen (vom Menschen verursachten) Ursprung unterschieden. Unter Emissionen werden, von einer Quelle ausgehend, Belastungen der verschiedenen Umweltmedien (Atmosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre) verstanden. Diese Emissionsquellen können beispielsweise von Unternehmen ausgehen (sog. direkte Emission), welche in ihrem Produktionsprozess umweltbedeutsame Emission in Form von Treibhausgasen, Stickstoffoxiden, Feinstaub sowie Lärm oder Strahlen (zus. umweltrelevante Emissionen) verursacht. Eine präzise und zuverlässige Ermittlung von Emissionen bedingt weiterhin eine Betrachtung von indirekten Emissionen, freigesetzt beispielsweise durch Erzeugung und Bereitstellung von Energien. Über diese hinaus verbleiben die übrigen Emissionen, welche aus den wirtschaftlichen Prozessen eines Unternehmens im weiteren Sinnen hervorgehen, aber nicht unter deren Kontrolle stehen, zu erfassen. Berücksichtigt werden in diesem Zuge alle Umweltauswirkungen entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Dazu zählen unter anderem verursachte Emissionen bei eingekauften Waren und Dienstleistungen wie beispielsweise aus Transport und Verteilung von Produkten zu Fabriken und Kunden. Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 38 LOGISTIK Wissenschaft Die dritte Kategorie umfasst Kennzahlen, in die wirtschaftliche, ökologische sowie soziale Kennzahlen aufgenommen sind. Weiteren Zugang zur Thematik verschafft die Betrachtung der einzelnen Managementebenen eines Unternehmens, an die die Bewertungsansätze adressiert sind. Über die Dimension der Anwendung - unterteilt in normativ, strategisch sowie operativ - lässt sich eine weitere Vergleichbarkeit der Ansätze schaffen. Die zuvor angeführten divergenten Ansprüche seitens der Stakeholder an die Bewertungsansätze postulieren eine zweckorientierte Anwendung derer. So lässt sich, im Rahmen der Kennzahlenpräsentation, eine zielgerichtete Ansprache der Interessensgruppen gewährleisten. Kurzvorstellung derzeitiger Bewertungsansätze Weiterhin lässt sich die angestrebte Vergleichbarkeit durch Synthetisieren der zur Verfügung stehenden Bewertungsansätze zu ganzheitlichen Konzepten umsetzen. Anhand der Konzepte eines Themengebiets wird überprüft, welche Arbeiten welche Konzepte verfolgen. Mittels kurzer Textrezeption der jeweiligen Ansätze wird eine Zusammenfassung des derzeitigen Stands der Forschung gegeben. Nach dem Verständnis von Baumgartner beschreibt das Konzept der klassischen Öko-Effizienz, dass eine ökonomische Outputgröße zu einer ökologischen Inputgröße in Beziehung gesetzt wird. 10 Auch die UN-Organisation United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) beschreibt die Öko-Effizienz als das Verhältnis einer Umweltleistungskennzahl zu einer wirtschaftlichen Kennzahl. Beispielsweise werden die Masse der anfallenden Abfälle oder der Energiebedarf zur Herstellung eines Produkts (Umwelteinfluss) in Beziehung zu Umsätzen oder Gewinngrößen gesetzt. 11 Zu diesen Konzepten zählen unter anderem die Bewertungsansätze Advanced Sustainabillity Analysis und der Corporate Sustainability Analysis-Ansatz. Entropieansätze sind bei der umweltbezogenen Logistikplanung und der Messung von Ökoeffizienz in der Logistik von Bedeutung. 12 Auf Basis physikalischer Wirkungsprinzipien lassen sich Emissionen realitätsnah berechnen, wodurch Stellhebel für eine Effizienzsteigerung transparent gemacht werden. 13 Bei der Ermittlung und Gegenüberstellung umweltrelevanter Emissionen wie CO 2 , N2 O, Benzol, Lärm, Feinstaub sowie für den Flächenverbrauch in Logistikprozessen kann dieses Konzept eingesetzt werden. Anwendung findet es vorzugsweise im Beschaffungssowie Distributionsprozess. Es lassen sich Aussagen über die Höhe der Gesamtemission als auch über die Verteilung der Emissionsarten in logistischen Prozessketten treffen. Green Logistic Assessment sowie das Normierungsverfahren Ökologische Knappheit fallen in die Betrachtung dieses Konzepts. Das Konzept, welches angelehnt an die europäische Norm EN 16258 benannt wurde, soll nach Schiemd und Knörr mehr Genauigkeit, Transparenz und Einheitlichkeit bei der Berechnung von Energieverbräuchen und Treibhausgasemissionen in der Logistikbranche liefern. 14 Hierin verankert sind die Ansätze des Carbon Footprint, Corporate Carbon Footprint, Product Carbon Footprint, Transport Carbon Footprint sowie die Bilanzierung der Treibhausgase (THG) nach EN 16258. Ziel des Gesamtkonzepts ist es, eine Methode zur Berechnung von Energieverbräuchen und Treibhausgasemissionen von Transportdienstleistungen im Personen- und Güterverkehr bereitzustellen. 15 Umsetzung findet dies durch eine Bereitstellung generischer Umrechnungsfaktoren von Energieverbrauchsdaten in eine standardisierte Energieverbrauchseinheit Megajoule (MJ) und in Treibhausgasemissionen (CO 2 -Äquivalente). Alle Ansätze dieses Konzepts gewährleisten die geforderte differenzierte Erfassung der Treibhausgasemissionen nach direkten, indirekten sowie weiteren Emissionen. Die Ansätze der Treibhausgasminderung beinhalten Bewertungsansätze, die den ambitionierten Emissionsminderungszielen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), und der Vertragsschließung des Kyoto-Protokolls entsprechend inhaltlich gerecht werden. Dabei handelt es sich um ein rechtlich bindendes Abkommen mit quantifizierten Emissionsbegrenzungs- und Emissionsreduktionszielen für Industriestaaten. Der Emissionshandel konzentriert sich ausschließlich auf das Klimagas CO 2 . 16 Um dem Emissionsreduktionsziel gerecht werden zu können, dienen zum einen das Emissionshandelssystem (ETS) und zum anderen die Effort-Sharing-Decision (ESD). 17 Der rechtliche Rahmen des Emissionshandels ist das Treibhausgas- Emissionshandelsgesetz (TEHG) - das Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen. Nach Knörr, Heidt und Gores vom Öko-Institut sowie vom Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) - im Auftrag des Umweltbundesamtest - heißt es: „Emissionsberechnungsmodelle sind seit Anfang der 80er-Jahre die wesentliche Methode zur Ermittlung des heutigen und zukünftigen Energieverbrauchs und der Schadstoffemissionen sowie der Abschätzung der Notwendigkeit und Wirkung von Minderungsmaßnahmen.“ Dabei stellt Transport Emission Model (TREMOD) die Grundlage für die Emissions- und Klimaberichterstattung Deutschlands dar. CO 2 -TEC Transport Emission Calculator des Umweltbundesamtes ermöglicht eine Modellierung differenzierter, unternehmensspezifischer Transportketten und ihrer Bewertung hinsichtlich ihrer Emissionen. Dabei steht vornehmlich das Herunterbrechen von Gesamtemissionen eines Transportes auf eine bestimmte Anzahl von Sendungseinheiten oder auch unterschiedliche logistische Ladungsträger im Fokus. Verschiedenartigkeit der Ansätze Es ist ersichtlich geworden, dass bereits eine Vielzahl zur Verfügung stehender Bewertungsansätze in der Fachliteratur vorhanden ist - ein breites Spektrum, dass sich von einer ausschließlichen Erfassung von CO 2 (Ansätze der Treibhausgasminderung) bis hin zu einem komplexen, der europäischen Norm EN 16258 entsprechenden Ansatz erstreckt (siehe Bild 1). Die Qualität der bei den Berechnungen verwendeten Daten ist jedoch entscheidend für ein zuverlässiges Ergebnis. Die Beschaffung solcher Daten in der Praxis ist häufig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. In Konsequenz daraus wird auf unterschiedliche Berechnungsgrundlagen bei der Ermittlung von Emissionen für vergleichbare Leistungen verwiesen. Dies ist darauf zu- Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 39 Wissenschaft LOGISTIK rückzuführen, dass Unternehmen oft auf Durchschnitts- oder Default-Werte zurückgreifen, wodurch sie mit stark vereinfachten Annahmen und entsprechend unterschiedlichen Werten arbeiten. Die Messung von Treibhausgasemissionen erfolgt dabei zumeist auf Grundlage unterschiedlicher, meist unternehmensindividueller Verfahrensweisen und Annahmen. Folglich lässt sich weder eine Transparenz über die verschiedenen Vorgehensweisen noch eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleisten. Dies steht im Konflikt mit den Nachhaltigkeitsansprüchen sowie -anforderungen der beauftragenden Unternehmen an die Logistikdienstleister. Beispielsweise verlangen Verlader zunehmend von Transport- und Logistikdienstleistern, dass diese ihre Treibhausgasemissionen transparent aufzeigen und reduzieren. Bei Transport-Ausschreibungen werden Angaben über CO 2 -Emissionen mehr und mehr zum Standard, weshalb Logistikdienstleister diesbezüglich auskunftsfähig sein müssen. Überschlägige Angaben sind in diesem Zusammenhang nicht zulässig. Den dargestellten Entwicklungen zufolge steht die Logistikbranche vor der Aufgabe, „steigende Kundenerwartungen an Transparenz sowie ökologisch und sozial verträgliches Handeln zu erfüllen und dabei einen Beitrag zur Erreichung der Emissionsziele zu leisten“ 18 . Fazit Durch den vorliegenden Beitrag werden erstmalig die verschiedenartigen Bewertungsansätze, die im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung derzeit zur Verfügung stehen und genutzt werden, hinsichtlich ihrer adressierten Vergleichsparameter untereinander transparent und vergleichbar gemacht. Damit wird eine wesentliche Grundlage nicht nur für eine qualitative Bewertung, sondern auch insbesondere für eine quantitative Überführung und Umrechnung von unternehmensseitig kommunizierten Emissionen für andere Unternehmen, beispielsweise die verladende Wirtschaft, die mehrere Dienstleister einbindet, geschaffen. ■ 1 Europäische Kommission: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Brüssel, 2018. 2 Hutter, Carolyn: Nachhaltigkeitsstrategieentwicklung - Das Spannungsfeld von Unternehmen und Stakeholdern in der automobilen Unternehmenspraxis. Wiesbaden: Springer Gabler, 2012. 3 vgl. ebenda, S. 4. 4 Ebenda, S. VII. 5 Deckert, Carsten: CSR und Logistik - Spannungsfelder Green Logistics und City-Logistik. Köln: Springer Gabler, 2016. 6 Fifka, Matthias: CSR und Reporting. Nachhaltigkeits- und CSR-Berichterstattung verstehen und erfolgreich umsetzen. Berlin-Heidelberg: Springer Gabler, 2014. 7 Hentze, Joachim; Thies, Björn: Stakeholder-Management und Nachhaltigkeits-Reporting. Berlin-Heidelberg: Springer Gabler, 2014. 8 Umweltbundesamt: Kyoto-Protokoll. Dessau-Roßlau: 2013, https: / / www. umweltbundesamt.de/ themen/ klima-energie/ internationale-eu-klimapolitik/ kyoto-protokoll#textpart-1; Zugegriffen am: 28.08.2018. 9 Deckert, Carsten: CSR und Logistik - Spannungsfelder Green Logistics und City-Logistik. Köln: Springer Gabler, 2016. 10 Baumgartner, Rupert; Biedermann, Hubert; Zwainz, Markus: Öko-Effizienz- Konzepte, Anwendungen und Best Practices. München, Meringen: Rainer Hampp Verlag, 2009. 11 vgl. ebenda, S. 11. 12 vgl. ebenda, S. 21. 13 Tufinkgi Philippe; Doch, Stefan; Straube, Frank: Hintergrundbericht Green Logistics Assessment. Berlin: TU Berlin ITCL GmbH, o. J. 14 Schmied, Martin; Knörr, Wolfram: Carbon Footprint-Teilgutachten. „Monitoring für den CO 2 -Ausstoß in der Logistikkette“. Dessau-Roßlau: Umweltbundensamt, 2011. 15 Motschall, Moritz; Schmied Martin; Knörr, Wolfram: Prüfung und Begleitung der nationalen und europäischen Normierungsprozesse für eine einheitliche Emissionsberechnung bei Transportdienstleistungen. Berlin: Öko.Institut e.V., 2013. 16 Kranke, Andre; Schmied, Martin: CO 2 -Berechnung in der Logistik. Datenquellen, Formeln, Standarts. o.O.: VOGEL, 2011. 17 Gores, Sabine; Graichen, Jakob: Ansätze zur Bewertung und Darstellung der nationalen Emissionsentwicklung unter Berücksichtigung des EU-ETS. Berlin: Umweltbundesamt, 2016. 18 Wutke, Sebastian: Entwicklung eines Gestaltungsmodells zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeit bei der Ausschreibung und Vergabe logistischer Leistungen im Straßengüterverkehr. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin, 2016. Wolf-Christian Hildebrand, Prof. Dr.-Ing. Technische Hochschule Brandenburg wolf-christian.hildebrand@th-brandenburg.de Felix Friedrich Eifert, M.Sc. Akademischer Mitarbeiter, Technische Hochschule Brandenburg felix.eifert@th-brandenburg.de Emissionsarten: Kyoto-Gase ausschließlich CO 2 - Emissionen zus. umweltrelevante Emissionen Emissionsquellen: direkte Emissionen indirekte Emissionen vor-/ nachgel. Wertschöpfungsstufen Kennzahlen: wirtschaftliche Kennzahlen ökologische Kennzahlen soziale Kennzahlen Dimensionen der Anwendung: normativ strategisch operativ Öko-Effizienz: Advanced Sustainabillity Analysis Corporate Sustainability Analysis Entropieansätze: Green Logistic Assessment Normierungsverfahren-Ökologische Knappheit CEN Norm EN 16258: Carbon Footprint (CCF) Corporate Carbon Footprinting (CCF) Product Carbon Footprinting (PCF) Transport Carbon Footprinting (TCF) Bilanzierung THG nach EN 16258 Ansätze Treibhausgasminderung: Emissionshandelssystem (ETS) Effort Sharing Decision (ESD) Berechnung nach TEHG Emissionsberechnungsmodelle: CO 2 -TEC Transport Emission Calculator Transport Emission Model (TREMOD) Bewertungsansätze Kategorien- Vergleichsparameter Bild 1: Konzeptmatrix zur Darstellung der verschiedenen Bewertungsansätze mit den jeweils berücksichtigten Parametern
