eJournals Internationales Verkehrswesen 70/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2018-0086
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Mobilitätsmonitor Nr. 7 - November 2018

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Lena Damrau
Andreas Knie
Lisa Ruhrort
Christian Scherf
InnoZ und WZB erstellen ein Monitoring zum Personenverkehr in Deutschland. Im Fokus steht die Verkehrswende im Sinne einer Reduktion der privaten PKW-Nutzung und eines Nachfrageanstiegs geteilter und öffentlicher Verkehrsmittel. Der Monitor widmet sich der Mobilität in ausgewählten Großstädten und erscheint mit Unterstützung der Stiftung Mercator. Im Fokus der vorliegenden Ausgabe stehen der ÖPNV und der nichtmotorisierte Verkehr. Weitere Inhalte sind online verfügbar: innoz.de/de/monitor.
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Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 40 MOBILITÄT InnoZ Mobilitätsmonitor Mobilitätsmonitor Nr. 7 - November 2018 Verkehrswende, ÖPNV, Shared Mobility, Fahrradverkehr, Fußverkehr InnoZ und WZB erstellen ein Monitoring zum Personenverkehr in Deutschland. Im Fokus steht die Verkehrswende im Sinne einer Reduktion der privaten PKW-Nutzung und eines Nachfrageanstiegs geteilter und öffentlicher Verkehrsmittel. Der Monitor widmet sich der Mobilität in ausgewählten Großstädten und erscheint mit Unterstützung der Stiftung Mercator. Im Fokus der vorliegenden Ausgabe stehen der ÖPNV und der nichtmotorisierte Verkehr. Weitere Inhalte sind online verfügbar: innoz.de/ de/ monitor. Lena Damrau, Andreas Knie, Lisa Ruhrort, Christian Scherf Indikatoren der urbanen Verkehrswende Anzeichen und Potenziale einer Verkehrswende in Städten lassen sich anhand von verschiedenen Indikatoren untersuchen: Eine zentrale Rolle spielt die Entwicklung der Nachfrage im öffentlichen Personennahverkehr und im Fahrradverkehr sowie die Angebotsentwicklung im Bereich der Shared-Mobility-Angebote. Daten zur ÖPNV-Nachfrage und zum Fahrradverkehr werden je nach Verfügbarkeit für die einwohnerreichsten Städte in Deutschland betrachtet. Zur Shared Mobility werden die aktuellen Fahrzeugzahlen mit den Werten aus der letzten Ausgabe für Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Essen und Leipzig verglichen (siehe auch IV 2/ 2018). Somit stammen die Daten aus acht der zehn größten Städte mit unterschiedlichen Stadttypen zwischen 500- 000 und 3,6 Mio. Einwohnern (Bild 1). Entscheidend für die Potenziale des Umweltverbundes und insbesondere des ÖPNV ist dessen Erreichbarkeit im Vergleich zum MIV. Daher wird für die acht Städte auf der Basis des Smartphone-Tools modalyzer verglichen, wie weit die Fußwege sind, die Menschen auf dem Weg zum MIV einerseits und zu ihrer ÖV-Haltestelle andererseits zurücklegen. Kontakt: lisa.ruhrort@wzb.eu Die Karte zeigt die ausgewählten Städte und die dazu ausgewerteten Mobilitätsdaten, die in den folgenden Grafiken dargestellt sind (Bild 1). 1 Zum Nahverkehr in Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart wurden Daten der jeweiligen Verkehrsverbünde ausgewählt. 2 Fahrraddaten liegen für Berlin, Hamburg, München und Stuttgart vor. Bild 1: Übersicht der ausgewählten Städte und Daten in dieser Monitor- Ausgabe Quelle: eigene Darstellung, Grafik: Robin Coenen München HVV MVV Hamburg Köln Strasbourg Essen Frankfurt Leipzig Berlin Stuttgart VVS MDV Fußweglängen erfasst mit: Radzählstellen erfasst mit: ÖPNV-Fahrten Sharing-Fahrzeuge ÖPNV-Abos 2x VRS Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 41 InnoZ Mobilitätsmonitor MOBILITÄT Als internationaler Vergleich wurde zudem eine Zählstelle im französischen Strasbourg ausgewertet, das zu den Top Ten der fahrradfreundlichsten Städte weltweit zählt. Die Zahl der Sharing-Fahrzeuge und die Fußwegelängen wurden für sämtliche Städte des Samples ausgewertet. ÖPNV: Personenfahrten und Abonnements Entscheidend für eine Verkehrswende in den Städten ist die Nachfrageentwicklung im ÖPNV. Bild 2 zeigt die Personenfahrten pro Einwohner in fünf Verkehrsverbünden. Der Münchner Verkehrsverbund (MVV) liegt auf dem höchsten Niveau, wobei der Wert für 2017 leicht zurückging. Ein Einwohner im MVV-Gebiet unternahm im Jahr 2017 im Durchschnitt 244 Fahrten im Nahverkehr des örtlichen Verbundes. Der geringfügige Rückgang von 2016 zu 2017 liegt an der wachsenden Einwohnerzahl im Großraum München, die im vergangenen Jahr stärker anwuchs als die Anzahl der Personenfahrten. Ein merklicher Anstieg fand im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) statt. Im Jahr 2017 entfielen hier pro Einwohner ca. 20 ÖV-Fahrten mehr als 2012. Auch in den übrigen Städten wurden im Durchschnitt mehr ÖV-Fahrten pro Person absolviert als noch 2012. Wesentliches Anzeichen einer Verkehrswende ist auch die längerfristige ÖPNV- Nutzung. Eine mögliche Maßzahl dazu ist die Nachfrage nach Abonnements, da ein Abo die Absicht einer kontinuierlichen ÖPNV-Nutzung ausdrückt. Allerdings zeigt sich, dass aufgrund unterschiedlicher Tarifstrukturen in den Verbünden oft keine unmittelbare Vergleichbarkeit bei den Abo- Zahlen besteht. Je nach Verbund werden unterschiedliche Ticketformen im Abo angeboten. Offen ist auch die Frage, ob z. B. Semestertickets, die oft nach dem Solidarprinzip - d. h. nicht auf Basis freier Entscheidung - bezogen werden, mit eingerechnet werden sollten. Für diese Ausgabe wurde daher zunächst nur ein Verbund, nämlich der HVV, herausgegriffen. Aufgrund einer vergleichsweise transparenten Datenlage im HVV-Bericht konnten Werte bis zurück ins Jahr 2003 herangezogen werden (Bild 3). Die Balken in der Grafik zeigen die absolute Anzahl der Einwohner im Verbundraum und die absolute Anzahl der HVV-Abos 3 pro Jahr. 2002 gab es eine Ausweitung des HVV-Gebietes, was den Prozentanteil der Abonnenten an der Bevölkerung kurzzeitig zurückgehen ließ. Seither steigt er kontinuierlich an (Linie im Bild 3). Am Beispiel Hamburg zeigt sich somit ein Wachstum der ÖPNV- Stammkundschaft, die über den reinen Effekt der Bevölkerungsentwicklung hinausgeht. 4 Mehr online: innoz.de/ de/ monitor-markt Shared Mobility: Fahrzeugzahl Für die vorige Ausgabe (IV 2/ 2018) erhoben wir die Zahl der Sharing-Fahrzeuge. In Bild 4 sind die Werte vom Mai denen des Septembers 2018 pro Stadt gegenübergestellt. In den Städten Berlin, Frankfurt am Main und München ging die Fahrzeugzahl insgesamt leicht zurück, da sich die Zahl der Leihfahrräder nach dem vorangegangenen sprunghaften Wachstum wieder etwas verringert hat (oberster Balkenabschnitt). Dies steht im Zusammenhang mit der Insolvenz bzw. dem Marktrückzug mehrerer Bikesharing-Anbieter im Juli 2018. Der Wettbewerb im Bikesharing wurde durch den Einstieg internationaler Anbieter vielfältiger. Berlin war bislang der Spitzenreiter mit zuletzt acht Anbietern. Der nun erfolgte Rückgang der Leihradzahl kann als Anzeichen einer Marktbereinigung interpretiert werden. Eine Zunahme der Leihradzahl fand hingegen in Köln statt, wo es seit Sommer 2018 einen zusätzlichen Anbieter gibt. Auch in Leipzig gewann die Bikesharing-Flotte an Umfang. Der dortige Alleinanbieter hat seine Flotte vergrößert. 0 50 100 150 200 250 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Personenfahrten pro Einwohner und Jahr in Verbundräumen Hamburg (HVV) München (MVV) Köln (VRS) Stuttgart (VVS) Leipzig (MDV) © InnoZ GmbH Bild 2: Entwicklung der Personenfahrten pro Einwohner in Verkehrsverbünden ausgewählter Städte, 2012 - 2017 Quelle: VDV, Verbünde; Recherche: Christian Scherf; Grafik: Robin Coenen 0.5 = Einwohner im Verbundraum = HVV-Abos 0 1 1.5 2 HVV-Abos / Einwohner in Mio. Anteil der Abonnenten an der Bevölkerung in % 2.5 3 3.5 20 0 40 60 80 100 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 = Anteil der Abonnenten an der Bevölkerung in % 4 HVV-Abos und Einwohner in Mio. (absolute Anzahl und Wachstumsrate in Prozent) © InnoZ GmbH Bild 3: Anzahl der HVV-Abonnements und Einwohner sowie prozentualer Anteil der Abonnenten an den Einwohnern, 2003 - 2017 Quelle: HVV; Recherche: Christian Scherf; Grafik: Robin Coenen 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 16.000 18.000 Berlin Mai September Hamburg München Frankfurt a. M. Köln Stuttgart Essen Leipzig Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Sonstige Sharing-Formen (inkl. Rideselling) Carsharing (inkl. »peer-to-peer«) Bikesharing 0 Sharing-Fahrzeuge im Mai und September 2018 © InnoZ GmbH Bild 4: Anzahl Sharing-Fahrzeuge im Vergleich zwischen Mai und September 2018 Quelle: Angaben der Anbieter und Betreiber; Recherche: Christian Scherf/ Enrico Howe, Grafik: Lisa Ruhrort/ Robin Coenen Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 42 MOBILITÄT InnoZ Mobilitätsmonitor Das Scootersharing als sonstige Sharing- Form ist zwar global auf Wachstumskurs, in Deutschland ist die Flotte aber leicht geschrumpft, da ein Anbieter seinen Dienst im Rahmen einer Insolvenz einstellte. Kaum sichtbar sind die Zuwächse im öffentlichen Rideselling, die u.a. durch den Start mehrerer On-Demand-Systeme hervorgerufen wurden. Die Shuttlebus-Flotten in Berlin, Hamburg, München und Stuttgart liegen pro Stadt meistens im zweistelligen Bereich. Kontakt: christian.scherf@wzb.eu Mehr online: innoz.de/ de/ monitor-sharing Radverkehr: Radzählungen und Temperaturverläufe In mehreren deutschen Städten erfassen automatische Zählstellen seit einigen Jahren den Radverkehr. Damit ist es erstmals möglich, die Bedeutung des Radverkehrs feinkörnig und dauerhaft zu erfassen. Allerdings spiegeln die Zählstellen bisher nur die Situation an besonderen „Hotspots“ des Radverkehrs wider und sind nicht repräsentativ für ganze Städte. Für Zählstellen in Berlin sind historische Daten bis Juni 2015 öffentlich zugänglich, sodass eine Entwicklung über mehrere Jahre darstellbar ist (Bild 5). Charakteristisch sind die sehr starken Schwankungen im Jahresverlauf, die zu einem bedeutenden Anteil auf die Jahreszeiten zurückzuführen sind. Dies verdeutlicht die Kurve in Orange, welche die Temperatur als Monatsmittelwert darstellt. Jedoch ist im Vergleich der Tiefpunkte an den Jahresanfängen 2016 bis 2018 eine ansteigende Tendenz auszumachen: Anfang 2018 wurden für beide Zählstellen ca. 50 000 Radfahrten mehr gezählt als noch zwei Jahre zuvor und das bei etwa gleichniedrigen Temperaturmittelwerten. Dies kann als Hinweis gewertet werden, dass das Fahrrad für mehr Menschen zum Routineverkehrsmittel wurde, das auch bei widrigen Witterungen genutzt wird. Da dieser Trend bei zwei unterschiedlichen Zählstellen vorliegt, scheint er nicht auf lokale Besonderheiten zurückführbar, sondern deutet auf einen allgemeinen Trend hin. Die Beobachtung entspricht auch den langfristigen Fahrraddaten, die der Berliner Senat 2013 veröffentlichte. In den Innstadtbezirken kommt es demnach bereits seit mehreren Jahren zu ansteigenden Radnutzungen. 5 Auch in Hamburg, München und Stuttgart folgen Anstieg und Rückgang des Radverkehrs eng den mittleren Temperaturschwankungen: je wärmer, desto mehr Radnutzung. Die Tiefpunkte liegen in den Wintermonaten. International bekannte Fahrradstädte wie Kopenhagen zeichnen sich dadurch aus, dass das Fahrrad auch in den Wintermonaten ein wichtiges Verkehrsmittel bleibt. Ein Hinweis darauf findet sich in Strasbourg, das 2017 im Bicycle-Index zum zweiten Mal in Folge auf Platz vier der fahrradfreundlichsten Städte weltweit gewählt wurde (copenhagenizeindex.eu). Für die dortige Zählstelle in der Route de Vienne liegen Werte bis November 2013 vor (Bild 6). Auch hier ist die jahreszeitliche Schwankung der gezählten Fahrräder erkennbar, doch sie ist gegenüber den gezeigten deutschen Zählungen weniger stark. Auch im Winter fallen die Werte nicht unter 100 000 Fahrten pro Monat. Für alle Städte ist jedoch zu berücksichtigen, dass einzelne Zählstellen kein umfassendes Bild der Radnutzung in der jeweiligen Stadt wiedergeben und die Auswertung ggf. durch lokale Umstände beeinträchtigt ist, z. B. Baustellen oder Straßenschäden. Mehr online: innoz.de/ de/ monitor-nachhalt Fußverkehr: Zu- und Abwege des ÖPNV und MIV Ein zentraler Faktor der Attraktivität eines Verkehrsmittels ist seine schnelle Erreichbarkeit ohne lange Fußwege. Als Vorteil des MIV gilt, dass er oftmals gleich „vor der Tür“ ist - zumindest solange es am Quell- und Zielort ausreichend (in der Regel kostenfreie) Parkplätze gibt. ÖV-Haltestellen erfordern hingegen oftmals Fußwege. Doch Radfahrten an der Berliner Jannowitz- und Oberbaumbrücke Erfasst mit eco counter 0 5 -5 10 15 20 25 30 35 40 45 Jun ’15 Jul ’15 Aug ’15 Sep ’15 Okt ’15 Nov ’15 Dez ’15 Jan ’16 Feb ’16 Mär ’16 Apr ’16 Mai ’16 Jun ’16 Jul ’16 Aug ’16 Sep ’16 Okt ’16 Nov ’16 Dez ’16 Jan ’17 Feb ’17 Mär ’17 Apr ’17 Mai ’17 Jun ’17 Jul ’17 Aug’17 Sep ’17 Okt ’17 Nov ’17 Dez ’17 Jan ’18 Feb ’18 Mär ’18 Apr ’18 Mai ’18 Jun ’18 Jul ’18 Aug ’18 Sep ’18 = Radfahrten Berlin Jannowitzbrücke (in 10.000) = Temperatur (°C, Monatsmittelwert) = Radfahrten Berlin Oberbaumbrücke (in 10.000) = ca. + 50.000 Radfahrten Radfahrten/ Temperatur © InnoZ GmbH Bild 5: Monatliche Radfahrten und Monatsmitteltemperatur an den Berliner Zählstellen Jannowitz- und Oberbaumbrücke, Juni 2015 - Sept. 2018 Quelle: eco counter/ wetterkontor.de; Recherche: Christian Scherf; Grafik: Robin Coenen 0 5 -5 10 15 20 25 Nov ’13 Jan ’14 März ’14 Mai ’14 Juli ’14 Sep ’14 Nov ’15 Jan ’15 Mär ’15 Mai ’15 Jul ’15 Sep ’15 Nov ’15 Jan ’16 Radfahrten in der Route de Vienne in Strasbourg Erfasst mit eco counter Radfahrten/ Temperatur = Radfahrten (in 10.000) = Temperatur (°C, Monatsmittelwert) März ’16 Mai ’16 Juli ’16 Sep ’16 Nov ’16 Jan ’17 März ’17 Mai ’17 Juli ’17 Sep ’17 Nov ’17 Jan ’18 März ’18 Mai ’18 Juli ’18 Sep ’18 © InnoZ GmbH Bild 6: Monatliche Radfahrten und Monatsmitteltemperatur in Strasbourg, Nov. 2013 - Sept. 2018 Quelle: eco counter/ wetterkontor.de; Recherche: Christian Scherf; Grafik: Robin Coenen Internationales Verkehrswesen (70) 4 | 2018 43 InnoZ Mobilitätsmonitor MOBILITÄT wie groß ist der Unterschied zwischen den Zu- und Abwegen für beide Verkehrsmittel? Um diese Frage zu beantworten, wurden in Bild 7 Daten des Geotracking-Tools modalyzer ausgewertet, mit dem Probanden selbstständig via Smartphone ihre Bewegungsdaten sammeln und spenden (modalyzer.com). Der Algorithmus erkennt an der Beschleunigung und anderen Faktoren, mit welchen- Verkehrsmitteln sich die Probanden bewegen. Die untere waagerechte Achse zeigt den Median der Fußwegelängen vor bzw. nach MIV- oder ÖV-Etappen in Metern. Die obere waagerechte Achse zeigt die Dichte an ÖV-Haltestellen pro Quadratkilometer in der jeweiligen Stadt. Bei der absoluten Länge der Fußwege ist zu berücksichtigen, dass die erste und letzte Etappe bei GPS-Ortungen oft überschätzt wird, was u.a. an Verzerrungen durch Gebäude liegt. Daher sind die realen Wegelängen insgesamt etwas niedriger. Da dieser Effekt aber bei allen hier gezeigten Wegen auftritt, hat er auf den relativen Vergleich kaum Auswirkungen. Eine weitere Einschränkung betrifft das Erhebungsinstrument: Da es sich bei modalyzer um eine Smartphone-App handelt, werden mit dieser Methode bisher vor allem jüngere und technikaffine Personen erreicht. Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Die Ergebnisse stützen die Annahme, dass der MIV hinsichtlich der Länge der Zu- und Abwege im Vorteil gegenüber dem ÖPNV ist: In allen acht Städten sind die Zu- und Abwege im Schnitt zum MIV deutlich kürzer als zum ÖPNV. Am geringsten ist der Unterschied in Stuttgart. Am größten ist er hingegen in Hamburg und Berlin, wo zum bzw. vom ÖPNV etwa doppelt so weite Entfernungen zurückgelegt werden wie zum bzw. vom MIV. Bemerkenswert ist, dass sich damit kein direkter Zusammenhang zwischen der Länge der Zu- und Abwege des ÖPNV und dem Modal-Split-Anteil des ÖPNV in den Städten erkennen lässt: In Berlin hat der ÖPNV einen höheren Modal- Split-Anteil (25 %) als zum Beispiel in Essen (19,5 %). 7 Auch lässt sich kein durchgängiger Zusammenhang zwischen der relativen Länge der ÖPNV-Zu- und -Abwege und der Dichte der ÖPNV-Haltestellen erkennen. Zu erwarten ist, dass dort, wo die Haltestellendichte gering ist, der Median der Wegelänge zum/ vom ÖPNV groß ist und umgekehrt. In Hamburg und München ist dies der Fall, nicht jedoch in Frankfurt und Berlin. Dort legen die Probanden trotz hoher Haltestellendichte vergleichsweise große Distanzen zum/ vom ÖPNV zurück. Dies könnte mit der hohen Bedeutung zusammenhängen, die insbesondere in den Metropolen S- Bahn, U-Bahn und Metrobusnetz haben. Auf den Hauptnetzen werden schnelle Verbindungen mit sehr hoher Taktfrequenz angeboten. Die relativ langen Zu- und Abwege in diesen Städten könnten darauf zurückzuführen sein, dass dort viele Fahrgäste des ÖPNV längere Zu- und Abwege in Kauf nehmen, um ohne weiteres Umsteigen zu S- und U-Bahnen sowie Metrobussen zu gelangen. Eine genauere Analyse dieser Zusammenhänge müsste einerseits die ÖPNV- Qualität detaillierter betrachten und andererseits die Parkplatzsituation in den verschiedenen Städten einbeziehen. Die vorliegende Betrachtung versteht sich insofern als erste deskriptive Exploration des Themas Zu- und Abwege. Kontakt: lena.damrau@innoz.de Mehr online: innoz.de/ de/ monitor-modi Der Monitor ist Teil des Projekts „Energie- und Verkehrswende als Herausforderung für die sozialwissenschaftliche Forschung“. Projektpartner sind das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Förderer ist die Stiftung Mercator (stiftung-mercator.de). QUELLEN Online unter innoz.de/ de/ monitor-quellen 1 Die Datenquellen wurden nach den Standards wissenschaftlichen Arbeitens sorgfältig ausgewählt und ausgewertet, dennoch kann keine Gewähr für die Genauigkeit und Vergleichbarkeit übernommen werden. Dies gilt insbesondere für Daten Dritter. 2 Bei den Verbunddaten ist zu beachten, dass jeweils die gesamte Verbundregion betrachtet wird, die über die Stadtgrenze hinausreicht. Im Bild 1 sind daher auch die Verbundgrenzen eingezeichnet. 3 Die HVV-Abonnements umfassen neben dem allgemeinen Abo auch Großkunden-, Senioren-, Schüler-, Studierenden- und Azubi-Abos sowie Teilzeit-Karten. 4 Da das HVV-Gebiet über das Land Hamburg hinausreicht, sind Umzüge zwischen der Hansestadt und seinem Umland nicht berücksichtigt. 5 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (2013): Berliner Verkehr in Zahlen 2013, S. 41, online unter: https: / / www.berlin.de/ senuvk/ verkehr/ politik_planung/ zahlen_fakten/ entwicklung/ (letzter Zugriff am 23.10.2018). 6 Die Daten für Bild 7 wurden mit der Tracking-App modalyzer zwischen Sept. 2014 und Sept. 2018 per GPS aufgezeichnet. Der maximale Zeitabstand zwischen zusammengehörigen Etappen (Fußwege vom/ zum ÖV bzw. MIV) beträgt 20 Minuten. Insgesamt wurden Daten von 887 Personen gespendet. Die Auswertung beruht auf Daten aus den Projekten multimo, Mobilitätsmonitor und TrackMobility. Multimo wurde vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft und dem InnoZ durchgeführt. Auftraggeber waren: BVG, VBB, VBN, DVB, GVH, KVB, VRS, LVB, SSB, MVV, HVV, RMV, VRR und der VDV - Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. TrackMobility wird vom InnoZ im Auftrag des WZB mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator durchgeführt. 7 Infas/ DLR (2018): Mobilität in Deutschland. Kurzreport; Stadt Essen (2012): Haushaltsbefragung zur Mobilität 2011. © InnoZ GmbH Unterschied zwischen durchschnittlicher erster/ letzter Etappe im Vergleich zur Haltestellendichte Erfasst mit modalyzer = Fußwege zum/ vom ÖPNV in Metern ÖV-Haltestellen pro km2 Stuttgart München Leipzig Köln Hamburg Frankfurt a. M. Essen Berlin Wegelängen in m (Median) 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 0 100 200 400 500 300 = Fußwege zum/ vom MIV in Metern = ÖV-Haltestellen pro Quadratkilometer Bild 7: Median der Fußwegelängen zum/ vom MIV und ÖPNV im Vergleich zur Dichte der ÖV- Haltestellen Quelle: Wegeerfassung mit modalyzer 6 , Haltestellenanzahl aus OpenStreetMap, Auswertung: Lena Damrau/ Maximilian Bischof; Grafik: Robin Coenen