eJournals Internationales Verkehrswesen 71/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0008
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Schiene 4.0

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Sarah Stark
Die Digitalisierung des Schienenverkehrs kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dringend benötigte Kapazitäten zu erhöhen, gestiegene Kundenanforderungen zu erfüllen und gleichzeitig zunehmendem Kostendruck zu begegnen. Sie ist eine große Chance für die Branche. Um sie nutzen zu können, müssen alle Beteiligten koordiniert vorgehen. Das Zukunftsbündnis Schiene auf Bundesebene sollte genutzt werden, um eine Strategie für mehr Schienenverkehr zu entwickeln.
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POLITIK Schienenverkehr Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 20 Schiene 4.0 Die Vorteile der digitalen Schiene übertreffen deutlich die-Herausforderungen Schiene, Digitalisierung, ETCS, Automatisierung Die Digitalisierung des Schienenverkehrs kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dringend benötigte Kapazitäten zu erhöhen, gestiegene Kundenanforderungen zu erfüllen und gleichzeitig zunehmendem Kostendruck zu begegnen. Sie ist eine große Chance für die Branche. Um sie nutzen zu können, müssen alle Beteiligten koordiniert vorgehen. Das Zukunftsbündnis Schiene auf Bundesebene sollte genutzt werden, um eine Strategie für mehr Schienenverkehr zu entwickeln. Sarah Stark D ie politischen Ziele der Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 und deutlich steigende Marktanteile der Schiene im Güterverkehr sind ohne die digitale Schiene undenkbar. Eine erfolgreiche Transformation der Schiene setzt den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden unter neutraler Leitung des Bundes voraus. Der begonnene Austausch im Rahmen des Zukunftsbündnis Schiene unter Leitung des Beauftragten der Bundesregierung für Schienenverkehr, Enak Ferlemann, MdB, stellt eine große Chance dar. Die Erkenntnisse des Dialogs sollten in eine Strategie münden, die auf der infrastruktur- und fahrzeugseitigen Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik sowie der Stellwerke basiert und die Automatisierung der Prozesse und die Einführung automatisierter Fahrzeuggenerationen vordenkt. Mit dem Bahnsektor als Hochtechnologiebranche stärken wir nachhaltig den Wirtschaftsstandort Deutschland. Herausforderungen Der Mobilitätssektor in Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die Nachfrage nach Mobilität wächst sowohl im Güterals auch im Personenverkehr stetig an. Gleichzeitig müssen die sektorspezifischen CO 2 -Emissionen gesenkt und die Stickoxidbelastung insbesondere in den Ballungsräumen deutlich reduziert werden - und alles nach Möglichkeit ohne zusätzlichen Flächenverbrauch. Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen die Mobilität insgesamt sowie Produktionskonzepte und Betriebsabläufe intelligenter durchdacht und realisiert werden. Bund und Branche haben sich dazu bekannt, Deutschland zum Leitmarkt und damit zum Leitanbieter dieser sogenannten Mobilität 4.0 zu machen. Dabei spielt der Schienenverkehr eine Schlüsselrolle. Die weitere Verstädterung wird zu einer gesteigerten Nachfrage im Personenverkehr zuvorderst in dicht besiedelten Ballungsräumen führen. Durch zunehmende Arbeitsteilung wächst der Güterverkehr vor allem auf bereits hoch belasteten Strecken. Damit sind Kapazitätsengpässe absehbar, die allein durch einen Infrastrukturausbau nicht zu lösen sind. Die Bedürfnisse der Kunden haben sich geändert und Anforderungen an Mobilitätsdienstleistungen sind gestiegen. Echtzeitinformationen zu nahtlosen Reise- und Logistikketten rund um die Uhr werden erwartet. Neue Mobilitätsangebote erhöhen den (intermodalen) Wettbewerbsdruck. Den niedrigeren Systemkosten neuer Anbieter stehen steigende Gesamtkosten des Systems Schiene gegenüber. Die Umsetzung der Ziele des internationalen Pariser Klimaabkommens und die Ziele des nationalen Klimaschutzplans 2050 erfordern neue Mobilitätskonzepte. Durch Ersatz- und Instandhaltungsinvestitionen kann das bestehende System zwar bewahrt werden, wird den oben genannten Herausforderungen aber nicht gewachsen sein. Der Schienenverkehr steht vor einem entscheidenden Transformationsprozess, um mehr Personen und Waren pünktlicher, kostengünstiger, umweltfreundlicher, sicherer und flexibler transportieren zu können. Für eine digitalisierte Schiene ist eine strategisch ausgerichtete und flächendeckende infrastruktur- und fahrzeugseitige Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik, die Einführung neuer automatisierter Fahrzeuggenerationen und die Einführung automatisierter Prozesse, wie beispielsweise beim Kuppeln, Be- und Entladen, sowie Disponieren, nötig. Chancen der Automatisierung Für eine höhere Pünktlichkeit, zuverlässigere Anschlüsse, Taktverdichtungen in Ballungsräumen und für bedarfsgerechte Angebote geplanter und spontaner Verkehre, für eine effizientere Kapazitätsausnutzung auf hochbelasteten Strecken sowie eine insgesamt bessere Betriebsstabilität und höhere Kapazität des Schienennetzes sind die Prozesse und Systeme im Schienenverkehr auf einem weit umfangreicheren Niveau als bisher zu automatisieren. Auf diese Weise erhöht sich die Attraktivität des Schienenverkehrs für den Fahrgast und Logistiker deutlich. Gleichzeitig können die Betriebs- und Instandhaltungskosten des Systems gesenkt werden. Weniger Außenanlagen reduzieren die Wartungs- und Instandhaltungskosten. Sensorische Echtzeitüberwachung der Systeme erleichtert deren Wartung vor einem potenziellen Ausfall. Bahnen fahren energie-, fahrplan- oder wartungsoptimiert (z. B. bremsschonend). Weitere Assistenzsysteme reduzieren signifikant menschliche Fehler und steigern dadurch das hohe Sicherheitsniveau des Schienenverkehrs weiter. Schritte zur Automatisierung Automatisierungsgrade im Schienenverkehr Je nachdem, wie viele Abläufe von automatisierten Systemen oder einem Fahrer übernommen werden, spricht man von verschiedenen Automatisierungsstufen (Grades of Automation - GoA). Im Schienenverkehr werden fünf Stufen (GoA 0 bis 4) der Automatisierung unterschieden. Im vollautomatisierten Betrieb erfolgen das Fahren und Anhalten des Zuges, das Öffnen und Schließen der Türen und der unmittelbare Halt des Zuges bei Störungen voll automatisch. Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 21 Schienenverkehr POLITIK Man spricht von der Automatisierungsstufe vier (GoA 4). Bei der Automatisierungsstufe null (GoA 0) wird ohne Zugbeeinflussung und auf Sicht gefahren. Alle Prozesse werden vom Triebfahrzeugführer eingeleitet. In den Stufen eins bis drei unterstützen und überwachen technische Systeme den Menschen und passen beispielsweise die Fahrgeschwindigkeit der Beladung und dem Streckenprofil bzw. der zulässigen Geschwindigkeit an. Gleichzeitig können durch Automatisierung im Bereich der Planung und Disposition enorme Potenziale realisiert werden. Erprobte Technik übertragen Bereits seit den 1980er Jahren fahren U- Bahnen im unbegleiteten Betrieb. Vor allem in Asien, aber auch in London, Paris, Barcelona, Budapest und Kopenhagen verkehren inzwischen voll automatisch fahrende Metros (Bild 1). Weltweit sind mehr als 100 Metrolinien automatisiert. In Deutschland fährt die Nürnberger U-Bahn seit 2008 automatisch. Das fahrerlose System fährt zu 99 % pünktlich und ist hoch flexibel. So können zusätzliche Fahrzeuge bei starker Nachfrage, wie im Vorfeld von oder im Anschluss an Sportereignisse, direkt aus dem Depot eingesetzt werden. Bei 15 % weniger Energieverbrauch konnte die Kapazität um 50 % gesteigert werden. Die kürzeste Zugfolge beträgt 85 Sekunden. Weltweit fahren hoch automatisierte Bahnen, so genannte Peoplemover, auf Flughäfen und transportieren die Flugpassagiere sicher zum gewünschten Gate. Für diese Anwendungsfälle sind die rechtlichen Grundlagen in der nationalen Verordnung für den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) gegeben. Die Herausforderungen liegen nun darin, die Systeme des Nahverkehrs weiter zu entwickeln und auf die Eisenbahn, die aufgrund höherer Geschwindigkeiten und Fahrten im Mischverkehr höheren Anforderungen unterliegt, zu übertragen. Der Regional- und Fernverkehr in Deutschland fährt bislang weitgehend manuell mit Zugbeeinflussung zur signaltechnischen Sicherung, teilweise unterstützt durch Assistenzsysteme zur teilautomatisierten Fahrt (AFB: Automatische Fahr- und Bremssteuerung). Anwendungen sind kurzbis mittelfristig ohne Zulassungsprobleme erweiterbar, da die Steuerung auf dem bestehendem Sicherungssystem aufsetzt und die manuelle Steuerung des Fahrzeuges durch den Fahrzeugführer jederzeit ohne Verzug wieder aufgenommen werden kann. Die Assistenzsysteme unterstützen den Triebfahrzeugführer im Regelbetrieb. Sie berechnen auf Grundlage der aktuellen Geschwindigkeit, der Beladung, des Fahrplans und des Streckenprofils kontinuierlich Fahrempfehlungen, die dem Lokführer helfen, energieeffizient und in der geplanten Fahrzeit unterwegs zu sein. Die technischen Voraussetzungen für die Nutzung automatisierter Steuerungssysteme sind im Hochgeschwindigkeitsnetz prinzipiell vorhanden. Sie sollten auf dem European Train Control System (ETCS) aufsetzen und weiter entwickelt werden. Die Auswirkung auf das Leit- und Sicherungssystem sind so gering wie möglich zu gestalten. In einem Pilotprojekt im Rangierbahnhof München Nord (Bild 2) wird die automatisierte und digitalisierte Zugbildungsanlage getestet. Dabei sollen die Prozessschritte Planung, Disposition, Rangieren, Kuppeln, Prüfung und Abfertigung sowie Vernetzung und Information mit innovativen Ansätzen verbessert werden und Erkenntnisse für die Optimierungsbeispiele vollautomatisches Rangieren, Abdrücken und Kuppeln liefern. Diese Ergebnisse sollten, zusammen mit den Ergebnissen der Pilotprojekte in europäischen Nachbarstaaten, für Weiterentwicklungen genutzt werden. Automatisierung durch Demonstratoren weiterentwickeln Auf entsprechend ausgerüsteten Strecken kann die Automatisierung stufenweise von GoA 2 bis GoA 4 erhöht werden. Dabei sollte der automatisierte Bahnbetrieb (ATO) unabhängig von der darunter liegenden Zugsicherung und -beeinflussung sein. Die Einführung automatisierter Systeme im Schienenverkehr muss schrittweise und parallel zur Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik erfolgen. Durch die schrittweise Ausweitung des Anwendungsbereichs können Erfahrungen für den Betriebsablauf gesammelt und Herausforderungen frühzeitig angegangen werden, lange bevor eine Vollautomatisierung möglich ist. Diese Erfahrungen können als Anforderungen in den parallelen Prozess der Entwicklung eines Zielsystems „Automatisierung“ eingespeist werden. Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, sollte frühzeitig der Zielzustand des Automatisierungsgrades festgelegt werden. Die Automatisierungsgrade können in den einzelnen Marktsegmenten (Nah-, Fern- und Güterverkehr), je nach Wirtschaftlichkeit und Nutzen, unterschiedlich eingeführt werden. Inwiefern z. B. bei Strecken des Regionalverkehrs, die bislang über keine kontinuierliche Zugbeeinflussung verfügen, die gleichen technischen Lösungen für die Automatisierung zum Einsatz kommen können, bleibt zu diskutieren. Um jedoch in der Summe den maximalen Effekt zu erzielen, Bild 1: Vollautomatische Metro vom Flughafen „Galileo Galilei“ in Pisa zum Hauptbahnhof Foto: Leitner Ropeways Bild 2: Rangierbahnhof München Nord Foto: Öäüp/ Wikimedia POLITIK Schienenverkehr Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 22 sind hohe Automatisierungsgrade in weiten Teilen der Netze erforderlich. Denn durch automatisiertes Fahren, netzweites Planen und Disponieren kann in Summe bei höchster Kapazität die beste Stabilität gewährleistet werden. Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik als Basis der Automatisierung Die Modernisierung der Leit- und Sicherungstechnik sowie der Stellwerkstechnik steht aus technischen und vertraglichen Gründen an. Im Europäischen Umsetzungsplan (European Deployment Plan) zur Leit- und Sicherungstechnik ist die Umstellung von nationalen Systemen auf das gemeinsame Europäische Zugsicherungs- und Leitsystem (ERTMS/ ETCS) vereinbart. Technisch gesehen bildet ERTMS/ ETCS auch die einheitliche Basis für weitere Innovationen wie Assistenzsysteme oder die Erhöhung des Automatisierungsgrades. Schon heute wird die bestehende Linienzugbeeinflussungstechnik (LZB) bei Neu- und Ausbau von Strecken nicht mehr durch den Bund finanziert. Auch im Bestandsnetz ist die LZB ein Auslaufmodell, da die technische Unterstützung zirka 2030 endet. In Deutschland wird das ERTMS/ ETCS die bestehenden unterschiedlichen Sicherungstechniken ersetzen. Eine schrittweise flächendeckende statt linienbezogene Einführung ist volkswirtschaftlich sinnvoll, wie eine entsprechende Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zeigt. Die Finanzierung der Migration muss politische sichergestellt werden und über Legislaturperioden hinweg verlässlich sein und sowohl die streckenals auch fahrzeugseitige Umstellung fördern. Dafür sind neben nationalen auch europäische Mittel zu sichern. Die bestehende EU-Förderung ist auszubauen. Rechtlichen Rahmen weiterentwickeln Neben den technischen und betrieblichen Fragen sind auch rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Bei der Automatisierung ist das Bahnsystem als Gesamtsystem (Fahrzeug und Strecke) zu betrachten, um einen optimalen Lösungsansatz zu gewährleisten. Dies bedarf der frühzeitigen politischen und administrativen Unterstützung durch eine Anpassung der Regelwerke. Um möglichst viele Potenziale nach der Umstellung der Sicherungssysteme auf ETCS nutzen zu können, sind parallel Automatisierungsprojekte zu erproben. Auch über neue Wege in der Zulassung muss nachgedacht werden. Das führerlose Fahren ist bereits heute über den Ausnahmetatbestand für die Erprobung von speziell dafür ausgerüsteten Schienenfahrzeugen als Versuchsfahrten möglich. Soll der Automatisierungsgrad deutlich steigen, ist die Überführung in den Regelbetrieb durch gesetzliche Anpassungen auf europäischer und nationaler Ebene zu erarbeiten. Dabei müssen die automatisierten Systeme die gleiche Sicherheit wie die heutigen Systeme gewährleisten. Transformation durch Forschung unterstützen Für einen automatisierten Schienenverkehr sind zahlreiche Konzeptions- und Entwicklungsaktivitäten auf Infrastruktur- und Fahrzeugseite sowie der Prozesse erforderlich. Sowohl bei der Umsetzung der Demonstratoren als auch in der Migrationsphase bedarf es der Forschungsbegleitung. Dabei müssen betriebliche Fragestellungen und technologische Entwicklungen passfähig gestaltet werden und in einer Einführungsstrategie münden. Strategie mit konkreten Maßnahmen im breiten Dialog erarbeiten Die schrittweise Automatisierung steigert die Effizienz und damit auch die Attraktivität des Schienenverkehrs. Sie hat damit nicht nur positive volkswirtschaftliche Effekte, sondern ermöglicht es, die Umweltbilanz des Mobilitätssektors weiter zu verbessern. Darum müssen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden das Thema gemeinsam vorantreiben und rasch konkrete Projekte, Demonstratoren oder Pilote für zunehmend automatisiertes Fahren im Nah- und Fernverkehr definieren. Parallel sind regulatorische und rechtliche Fragestellungen sowie die Finanzierung zu klären. ■ HINTERGRUND Automatisierungsstufen im Schienenverkehr Seite 5 Rechtlichen Rahmen weiterentwickeln Neben den technischen und betrieblichen Fragen sind auch rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Bei der Automatisierung ist das Bahnsystem als Gesamtsystem (Fahrzeug und Strecke) zu betrachten, um einen optimalen Lösungsansatz zu gewährleisten. Dies bedarf der frühzeitigen politischen und administrativen Unterstützung durch eine Anpassung der Regelwerke. Um möglichst viele Potenziale nach der Umstellung der Sicherungssysteme auf ETCS nutzen zu können, sind parallel Automatisierungsprojekte zu erproben. Auch über neue Wege in der Zulassung muss nachgedacht werden. Das führerlose Fahren ist bereits heute über den Ausnahmetatbestand für die Erprobung von speziell dafür ausgerüsteten Schienenfahrzeugen als Versuchsfahrten möglich. Soll der Automatisierungsgrad deutlich steigen, ist die Überführung in den Regelbetrieb durch gesetzliche Anpassungen auf europäischer und nationaler Ebene zu erarbeiten. Dabei müssen die automatisierten Systeme die gleiche Sicherheit wie die heutigen Systeme gewährleisten. Transformation durch Forschung unterstützen Für einen automatisierten Schienenverkehr sind zahlreiche Konzeptions- und Entwicklungsaktivitäten auf Infrastruktur- und Fahrzeugseite sowie der Prozesse erforderlich. Sowohl bei der Umsetzung der Demonstratoren als auch in der Migrationsphase bedarf es der Forschungsbegleitung. Dabei müssen betriebliche Fragestellungen und technologische Entwicklungen passfähig gestaltet werden und in einer Einführungsstrategie münden. Strategie mit konkreten Maßnahmen im breiten Dialog erarbeiten Die schrittweise Automatisierung steigert die Effizienz und damit auch die Attraktivität des Schienenverkehrs. Sie hat damit nicht nur positive volkswirtschaftliche Effekte, sondern ermöglicht es, die Umweltbilanz des Mobilitätssektors weiter zu verbessern. Darum müssen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden das Thema gemeinsam vorantreiben und rasch konkrete Projekte, Demonstratoren oder Pilote für zunehmend automatisiertes Fahren im Nah- und Fernverkehr definieren. Parallel sind regulatorische und rechtliche Fragestellungen sowie die Finanzierung zu klären. Grafik Automatisierungsstufen (Grade of Automation - GoA) nach IEC 62267 (International Electrotechnical Commission, ein Normungsgremium für Elektrotechnik) In der ersten Automatisierungsstufe GoA 1 erfolgt eine manuelle Fahrt mit Zugbeeinflussung, wobei der Fahrer die Fahrt regelt und zuständig für Start, Stopp und Türsteuerungen ist. Der Zug fährt nicht automatisiert, aber einige Parameter der Fahrt können über eine Zugbeeinflussung geregelt werden. In der zweiten Stufe GoA 2 wird im teilautomatischen Zugbetrieb mit Fahrer gefahren. Die Fahrt erfolgt vom Start bis Stopp vollautomatisch, jedoch löst der Fahrer den Start und die Türsteuerung aus und überwacht den Fahrgastwechsel sowie die Abfertigung. Im Bedarfsfall kann er die Fahrsteuerung sofort übernehmen. Die Fahrt in der dritten Automatisierungsstufe GoA 3 erfolgt als begleiteter, fahrerloser Zugbetrieb. Statt einer ständigen Kontrolle durch einen Fahrer übernimmt dies der Zugbegleiter. Dieser ist für die Abfertigung zuständig und kann über ein Notfall-Bedienfeld den Zug kontrollieren. In der vierten und vollautomatischen Stufe GoA 4 erfolgt die Fahrt ohne Fahrer. Es befindet sich kein bahnbetrieblich geschultes Personal im Zug und alle Operationen erfolgen automatisch. Die Leitstelle kann zentral von außen in den Zugbetrieb eingreifen z. B. über Funkschnittstellen. Daher kommt auf das zukünftige Funksystem (Nachfolger des heutigen GSM-R) eine zentrale Bedeutung für die Automatisierung der Bahn zu. Gleiches gilt für die Berücksichtigung und Beherrschung der Cybersicherheits-Anforderungen. In allen vier Stufen wird die netzweite Steuerung und Optimierung von einem Traffic Management System übernommen, auch hier sind verschiedene Ausbaustufen in Anpassung an die Automatisierungsstufen vorgesehen. Sarah Stark Leiterin Europapolitik, Bahntechnologie und Schienenverkehr, Deutsches Verkehrsforum e.V. (DVF), Berlin stark@verkehrsforum.de