Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0010
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SynCoPark
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Marc Engelmann
Philipp Laux
Am Forschungsparkhaus am Forschungsflughafen in Braunschweig arbeitet ein Konsortium aus Wissenschaft und Industrie an dem Projekt „SynCoPark“. Dabei wird autonomes Fahren im Umfeld eines Parkhauses erprobt. Das Parkhaus verfügt über die nötige Infrastruktur, um als Testfeld zu dienen. Neben den technischen Herausforderungen der Standardisierung des autonomen Parkens sollen die Ergebnisse als Blaupause für zukünftige Parklösungen dienen. Dies wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, die vor dem Einsatz in öffentlichen Parkhäusern zu klären sind.
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Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 24 SynCoPark Synergien aus Kooperation und Standardisierung im herstellerunabhängigen automatisierten Parken Automatisiertes Parken, hoch- und vollautomatisiertes Fahren, vernetzte Infrastruktur, intelligente Systeme, Forschungsflughafen, Mobilitätsrecht, Parkhaus Am Forschungsparkhaus am Forschungsflughafen in Braunschweig arbeitet ein Konsortium aus Wissenschaft und Industrie an dem Projekt „SynCoPark“. Dabei wird autonomes Fahren im Umfeld eines Parkhauses erprobt. Das Parkhaus verfügt über die nötige Infrastruktur, um als Testfeld zu dienen. Neben den technischen Herausforderungen der Standardisierung des autonomen Parkens sollen die Ergebnisse als Blaupause für zukünftige Parklösungen dienen. Dies wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, die vor dem Einsatz in öffentlichen Parkhäusern zu klären sind. Marc Engelmann, Philipp Laux A utomatisiertes Parken gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nicht nur im Zusammenhang mit dem automatisierten Parken in Parkhäusern, sondern auch als automatisiertes Valet-Parking oder ferngesteuertes Schlüsselparken. Die genannten Technologien sind Bausteine zur Lösung moderner Mobilitätsprobleme. Der Parkraum in Innenstädten wird immer knapper und teurer. Durch verschiedene Formen der Nutzung automatisierter Parkvorgänge lassen sich vorhandene Parkräume effizienter nutzen und die individuellen Parkraumbedarfe reduzieren. 1 Neben zahlreichen Projekten zum automatisierten und vernetzten Fahren auf Autobahnen und im Stadtverkehr, gilt es auch das automatisierte Parken zu erforschen. Das Projekt SynCoPark befasst sich dabei ausschließlich mit dem automatisierten Parken in einem Parkhaus. Schnittmengen ergeben sich aber zu anderen Technologien des automatisierten Parkens und Fahrens im Rahmen des Übergabepunktes, an dem die manuelle Steuerung des Fahrzeugs auf die Steuerung durch das automatisierte System übergeht. Wenngleich ein Parkhaus häufig von privatwirtschaftlichen Unternehmen betrieben wird, wie im Fall des Parkhauses am Forschungsflughafen (Braunschweiger Parken GmbH), können sich ähnliche Rechtsfragen stellen wie im öffentlichen Verkehrsraum. Das Projekt SynCoPark dient neben der technologischen Forschung auch der Bearbeitung der aufgeworfenen Rechtsfra- Fotos: NFF INFRASTRUKTUR Automatisierung Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 25 Automatisierung INFRASTRUKTUR gen, um in einer unbestimmten Anzahl von Parkhäusern automatisiertes Parken zu ermöglichen. Das Projektkonsortium besteht aus mehreren Partnern aus Wissenschaft und Industrie. 2 Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen der Förderrichtlinie „Automatisiertes und vernetztes Fahren“. 3 Dabei sollen wesentlich neue Ergebnisse gegenüber dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik gewonnen werden und im Speziellen die Ertüchtigung von Parkhäusern mit nachrüstbarer Automatisierungstechnik erprobt werden. Aufgrund der langen Nutzungsdauer vorhandener Parkhäuser ist die Geschäftsmodellentwicklung nachrüstbarer Automatisierungsfunktionen notwendig. Denn eine ausschließliche Anwendung der Technologie in neu errichteten Parkhäusern stünde einer raschen Markteinführung automatisierter und vernetzter Parkfunktionen im Wege. Neben zahlreichen technischen Fragen stellen sich auch diverse rechtliche Fragen. Dabei sind einerseits die generell mit dem automatisierten und vernetzten Fahren verknüpften rechtlichen Fragen zu klären und anderseits auch spezifische neue Probleme, die den Anwendungsfall automatisierter Parkhausfunktionen und dessen Regelung betreffen, zu lösen. Allgemeine Fragen zum autonomen und vernetzten Fahren betreffen alle Rechtsgebiete. Völkerrechtlich sind zulassungsrechtliche Vorschriften 4 und das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr zu beachten. Europarechtlich sind zulassungsrechtliche 5 und datenschutzrechtliche Vorschriften heranzuziehen. 6 Im nationalen Recht sind alle Bereiche, vom zivilrechtlich geprägten Haftungsrecht, über das Straßenverkehrsrecht im öffentlichen Recht bis hin zum Strafrecht von Relevanz. Je nach Ausgestaltung des jeweiligen Parkhauses, der Übergabesituation und dem Zusammentreffen mit anderen Parkhausbenutzern können sich unterschiedliche Rechtsfragen ergeben, die nachfolgend anhand einiger möglicher Überlegungen beispielhaft aufgezeigt werden sollen. Parkhausverkehr Das Projekt bietet die Möglichkeit, bestimmte automatisierte Parkfunktionen im und am Parkhaus am Forschungsflughafen Braunschweig vorzunehmen. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht stellen sich im Zusammenhang mit dem Parkhaus verschiedene relevante Fragen. Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob man die automatisierten Fahrzeuge und die manuell gesteuerten Fahrzeuge trennen kann? Wenn man eine Trennung vornehmen kann: Erstreckt sich die Trennung auf den gesamten Parkvorgang (Übergabepunkt bis Stillstand auf dem zugewiesenen Parkplatz) oder nur auf die letzten Meter, also das Parkdeck? Wie sieht der Übergabepunkt aus? Daran anknüpfend ist zu klären, ob automatisierte Kraftfahrzeuge im automatisierten Betrieb eine Konfliktmöglichkeit mit Passanten und Fußgängern haben. Je nachdem, wie die entsprechende Parkhausinfrastruktur ausgestaltet ist und die obigen Fragen beantwortet werden, können unterschiedliche Haftungsrisiken und Verkehrssicherungspflichten bestehen. Öffentlicher Straßenverkehr? Straßenverkehrsrechtliche Fragen stellen sich nur insoweit, als es sich um öffentlichen Straßenverkehr handelt. 7 Daher wird die Abgrenzung zwischen öffentlichem Straßenverkehr und nicht öffentlichem Verkehr im Zentrum der Bearbeitung stehen. In diesem Kontext können sowohl der Eigentümer des Parkhauses oder die öffentlich-rechtliche Widmung, als auch eine Absperrung durch eine Schranke oder die Notwendigkeit einer vorherigen Registrierung von Bedeutung sein. Sofern man von öffentlichem Straßenverkehr ausgehen würde, würden sich diverse Konflikte mit geltendem Recht ergeben. Da wären einerseits die Vorschriften der StVG zu nennen, die den Betrieb eines Fahrzeugs, in Übereinstimmung mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr 8 , ohne Fahrzeugführer nicht vorsehen. 9 Anderseits könnten auch Vorschriften der aktuellen Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zu Konfliktpunkten führen, sofern automatisierte und vernetzte Kraftfahrzeuge nicht in der Lage sind, den Vorschriften zu entsprechen. Anknüpfend daran und an die Frage, wann es sich um öffentlichen Straßenverkehr handelt oder nicht, ergeben sich auch unterschiedliche Konsequenzen in haftungsrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht. Insoweit wird eine wesentliche Fragestellung sein, ob entsprechende automatisierte Parkhäuser öffentlicher Straßenverkehr sind, oder wie man es ausgestaltet, damit es kein öffentlicher Straßenverkehr ist. Diese rechtlichen Fragen können wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Parkhauses, den „Übergabepunkt“ und den Vertragsinhalt mit den Nutzern haben. Nicht zuletzt könnte es entscheidend dafür sein, ob man Parkhäuser als komplett öffentliche Parkhäuser automatisiert betreiben kann, oder ob man die Parkhäuser nur einem geschlossenen Personenkreis mit vorheriger Registrierung zugänglich machen kann. Datenschutzrechtliche Fragen Bei der Automatisierung der Parkfunktion im Parkhaus stellen sich, wie beim automatisierten Fahren im öffentlichen Straßenraum und Automatisierungsvorgängen generell, datenschutzrechtliche Fragen. Denn die Substituierung der menschlichen Fahr- oder Parktätigkeit geschieht durch ein technisches System oder Systemverbünde, die eine Vielzahl von Daten benötigen. Diese Daten werden zunächst durch die Erfassung des Umfelds und die Lage des Fahrzeugs in diesem Umfeld bestimmt. Im weiteren Schritt folgt die Verarbeitung dieser Daten durch das System und die Ausgabe der Verarbeitungsvorgänge über technische Vorrichtungen, mündend in der automatisierten Fahr- oder Parktätigkeit. Im Parkhaus- Bild 1: Versuchsträger im Parkhaus am Forschungsflughafen Internationales Verkehrswesen (71) 1 | 2019 26 INFRASTRUKTUR Automatisierung umfeld kommen zu den Daten, die für die automatisierte Fahrfunktion durch das Fahrzeug und die parkhauseigene Infrastruktur generiert werden, noch die Daten hinzu, die für die Abwicklung des Vertrages und den Bezahlvorgang entstehen. Handelt es sich bei den entstandenen und verarbeiteten Daten jeweils um personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzrechts, so ist dessen Anwendungsbereich eröffnet. Bei der Verarbeitung von Kameradaten, Zahlungsinformationen und Kundendaten ist von personenbezogenen Daten in diesem Sinne auszugehen. Denn solche sind Informationen, die sich gem. Art 4 Nr. 1 der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Verantwortlicher für die Verarbeitung der anfallenden Daten der Parkhausinfrastruktur ist deren Betreiber, der im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der Daten entscheidet. Herauszunehmen sind dabei die entstandenen Datensätze, die nur durch das Fahrzeug erhoben werden und nicht an die Parkhausinfrastruktur übermittelt werden. Das jeweilige Übermittlungsverhältnis ist im Einzelfall zu betrachten. Nach dem datenschutzrechtlichen Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt ist die Verarbeitung der besagten Daten nur mit Einwilligung des Nutzers zu verarbeiten, wenn kein anderer Erlaubnistatbestand in Betracht kommt, wovon vorliegend auszugehen ist. Sofern die Fahrzeuge sich im öffentlichen Straßenverkehr bewegen, müssten es hoch- oder vollautomatisierte Kraftfahrzeuge i. S. d. § 1a StVG sein. Diese müssten gem. § 63a Abs. 1 StVG Positions- und Zeitangaben speichern, wenn ein Wechsel der Fahrzeugsteuerung vom menschlichen Fahrer zum automatisierten System stattgefunden hat. Eine Übergabe der Fahrzeugsteuerung zur Erledigung des Parkvorganges fiele damit ebenfalls in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift. Die datenschutzrechtliche Relevanz der Technologie zum automatisierten Parken ist hoch. Jedoch stellen sich auf Grund des abgeschlossenen Umfelds innerhalb des Parkhauses Fragen mit weniger Variablen als im Betrieb automatisierter Funktionen im öffentlichen Straßenverkehr. Parkhäuser mit automatisierter Parkfunktion für die darin abgestellten Fahrzeuge können einen großen Beitrag zur Lösung drängender Probleme des Individualverkehrs leisten. Durch flächendeckende Einführung einer solchen Technologie kann der Parkvorgang ökonomischer und ökologischer umgesetzt werden. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Rechtsfragen sind noch nicht abschließend beantwortet. ■ 1 Mitteilung der Kommission vom 17. Mai 2018 (COM(2018) 283). 2 Niedersächsisches Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) der TU Braunschweig mit dem Institut für Fahrzeugtechnik (IfF), dem Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion (AIP) sowie dem Institut für Rechtswissenschaften (IRW), Apcoa Parking Deutschland GmbH, Edag Engineering GmbH, Goldbeck GmbH, NavCert GmbH, Pretherm GmbH; Assoziierte Partner: Allianz für die Region GmbH, ITS Deutschland GmbH, Leica Geosystems GmbH, Volkswagen AG sowie die BMW Group. 3 BAnz AT 01.09.2017 B2. 4 z.B.: UN/ ECE-R 79. 5 Beispielhaft sei die Verordnung (EG) Nr. 661/ 2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 genannt. 6 Amtsblatt der Europäischen Union, L 119, 4. Mai 2016. Trat am 25.05.2018 in Kraft. 7 Heß in Burmann/ Heß/ Hühnermann/ Jahnke, Straßenverkehrsrecht § 1 StVO, Rn. 5. 8 Art. 8 Abs. 5bis. 9 Straßenverkehrs-Ordnung vom 6. März 2013 (BGBl. I S. 367), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3549) geändert worden ist. Marc Engelmann, Ref. iur. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, ,Institut für Rechtswissenschaften, TU Braunschweig; Forschungsreferent der Forschungsstelle Mobilitätsrecht, Braunschweig marc.engelmann@tu-braunschweig.de Philipp Laux, Ass. iur. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Rechtswissenschaften, TU Braunschweig; Forschungsreferent der Forschungsstelle Mobilitätsrecht, Braunschweig p.laux@tu-braunschweig.de Bild 2: Schranke zur Sperrung der Durchfahrt vor einem Parkhaus Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de
