Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0030
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Neue Zeiten - neue Herausforderungen
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Christine Ziegler
Ein Streifzug durch das Heft-Archiv der vergangenen drei Jahrzehnte und ein Blick nach vorn von Dipl.-Ing. Christine Ziegler VDI, Gesellschafterin und Verlagsleiterin der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft in Baiersbronn.
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EXTRA 70 Jahre Internationales Verkehrswesen Internationales Verkehrswesen (71) 2 | 2019 22 tätssektors zur Bewältigung der Klimakrise konzeptionell und in der Umsetzung zu gestalten. Und auch hier nimmt die Bahn neben dem ÖPNV eine zentrale Rolle ein, so etwa in den Aussagen aller Beteiligten. Krisenverursacher, insbesondere bei der Konzentration der Kohlendioxid-Belastung, sind vorrangig die Nutzer fossiler Kraftstoffe im Straßen- und Luftverkehr. Neben Modal Split-Veränderungen, die jedoch wegen bereits bestehender Kapazitätsgrenzen im öffentlichen Verkehr vor allem durch nur längerfristig wirkende Investitionen in Infrastrukturprojekte für die Nutzer attraktive Alternativen bieten - allerdings kaum für den Luftverkehr -, sind elektrisch betriebene Straßenfahrzeuge der Hoffnungsträger. Die Euphorie ist teilweise überschäumend, so dass die zu lösenden Probleme gern verdrängt werden. Die Konzentration auf Batterie-Antriebe mit einem hohen Fahrzeuggewicht, von denen verkehrs- und umweltpolitisch im Jahr 2030 eine Million PKW in Deutschland als Zielgröße vorgegeben werden, wird von einigen Umsetzungsfragen überschattet. So besteht die Aufladungsdiskussion z. Zt. vor allem aus Hoffnungen, vor allem für die Masse der Nutzer, die nicht über einen Garagen- oder Abstellplatz verfügen. Nach 2030 muss dann auch die Sicherheit der zusätzlichen Verfügbarkeit von Elektrizität in allen Teilen Deutschlands gewährleistet sein, denn was bei 1 Mio. Fahrzeuge noch geht, führt ohne erhebliche und komplexe Investitionen bei 15 Mio. E-Fahrzeugen und mehr zu erheblichen Netzbelastungen. Auch stellen sich beim Unfallverhalten dieser Fahrzeuge (Batteriegewichte, Brand- und Explosionsverhalten der Batteriezellen) sowie beim Recycling und der Abhängigkeit der Batteriezellenproduktion von in Deutschland nicht verfügbaren seltenen Rohstoffen zahlreiche Fragen. Die erkennbare einseitige Ausrichtung auf die Batterietechnologie erscheint daher kontraproduktiv und zumindest ökonomisch nicht tragfähig. Die Verkehrswende - vor allem teuer Dass die Elektroeuphorie bereits dazu führt, ökonomisch unsinnige Projekte mit Steuer-Millionen zu finanzieren, die immer wieder zu ungläubigem Staunen führen, zeigt sich an zwei BAB-Teststrecken in Bayern und Hessen. Hier wurden Oberleitungsstrecken für LKW eingerichtet, auf denen mit Stromabnehmeraufsätzen ausgestattete E-LKW hin- und herfahren. Kaum ein deutscher und schon keinesfalls ein ausländischer LKW wird einen solchen Stromabnehmer für deutsche Teilstrecken installieren, die neben Investitionskosten einen Verlust an Nutzlast beinhalten und die Verkäuflichkeit als Gebrauchtfahrzeug stark erschweren. Die Verkehrswende, die mit der Energiewende verknüpft ist, wird auf jeden Fall sehr weitgehende finanzielle Zusatzbelastungen im Mobilitätsektor bewirken. E-Fahrzeuge sind teurer, die Schaffung der Versorgungsinfrastruktur ist kostenintensiv und die diskutierte Einführung einer CO 2 -Emissionabgabe je Tonne emittierter Kohlendioxyd-Menge auch im Verkehrsbereich ist ökonomisch und umweltpolitisch sinnvoller. Der Vorteil besteht hier auch darin, dass der Luftverkehr und alle sonstigen Verkehrsträger einbezogen werden können - soweit der politische Mut vorhanden ist. Noch viel teurer wird die Vollautomatisierung des Straßenverkehrs. Autonomes Fahren - ein Hype der Industrie und der Politik. Autos sind vor allem rollende Computer, nur Digitalisierung zählt. Ob die mobilitätsabhängige Gesellschaft dies auch als wünschenswerte Wundertüte betrachtet, ist offensichtlich uninteressant. Sie muss zu ihrem Glück gelinkt werden. ■ Neue Zeiten - neue-Herausforderungen Ein Streifzug durch das Heft-Archiv der vergangenen drei Jahrzehnte und ein Blick nach vorn von Dipl.- Ing. Christine Ziegler VDI, Gesellschafterin und Verlagsleiterin der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft in Baiersbronn. I m Jahr 1976 geht der Tetzlaff Verlag als GmbH in das Darmstädter Verlagshaus Hoppenstedt ein, ansonsten bleibt Internationales Verkehrswesen in den 1970er- und 1980er-Jahren weitgehend in ruhigem Fahrwasser. Während der Kontakt zu Autoren und Lesern heute ganz selbstverständlich auf elektronischem Wege erfolgt, enthält die Zeitschrift in dieser Zeit eingeheftete Postkarten für die Kommunikation mit Lesern, Autoren und Firmen. Dann allerdings folgt eine Zeit großer Umbrüche. Nach dem Fall der Berliner Mauer in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 wird schnell klar, dass die Verkehrswegeplanung vor allem beim Straßen- und Schienenverkehr schleunigst wieder Gesamt-Deutschland im Blick halten muss. Denn auf dem Gebiet der DDR ist die Verkehrsinfrastruktur oft in beklagenswertem Zustand. So konstituiert sich schon im Januar 1990 in Ost-Berlin die deutsch-deutsche Kommission Verkehrswege. Auch geht der Tetzlaff Verlag in den Deutschen Verkehrsverlag DVV in Hamburg 1990 • Januar: Konstituierende Sitzung der deutsch-deutschen Kommission Verkehrswege zur mittel- und langfristigen Verkehrswegeplanung (VDE Nr. 1 bis 17) im Straßen- und Luftverkehr Gesamt-Deutschlands • 3. Oktober: Wiedervereinigung Deutschlands 1991 • Beginn des fahrplanmäßigen ICE-Betriebs in Deutschland 1994 • Eisenbahnneuordnungsgesetz leitet Bahnreform in Deutschland ein • NeCar (New Electric Car) auf Basis Mercedes-Benz MB 100 erstes Brennstoffzellenauto der Welt © Deutsche Bahn AG Internationales Verkehrswesen (71) 2 | 2019 23 70 Jahre Internationales Verkehrswesen EXTRA über: Internationales Verkehrswesen erscheint nun mit dem Untertitel „Fachzeitschrift für Wissenschaft und Praxis“ - und ist ab Ausgabe 5/ 1990 vereinigt mit „DDR-Verkehr“. Bemerkenswert ist in der Folgezeit die weitreichende Veränderung der Themenfelder. So bilanziert etwa in der April-Ausgabe 2004 Wilhelm Pällmann, bekannt durch seinen Vorsitz der nach ihm benannten Kommission zur Verkehrsinfrastruktur-Finanzierung, in seinem Beitrag „Zehn Jahre Bahnreform“ den Stand der Dinge. Daneben stehen Aufsätze wie „Aktuelle Entwicklungen im deutschen und europäischen Billigflugmarkt“ über das Auftreten erster Low-Cost-Airlines oder „Das Ziel einer Wasserstoffwirtschaft rückt politisch näher“. Und am Vorabend des neuen Millenniums thematisiert ein Beitrag in der Dezemberausgabe 1999 den Kosten- Nutzen-Vergleich einer Transrapid-Strecke zwischen Hamburg und Berlin. Zum 1. Januar dann, nach mehr als 37 Jahren in der Verantwortung, wechselt Prof. Gerd Aberle als Ehrenmitglied in den Beirat. Herausgeber der Zeitschrift Internationales Verkehrswesen wird Dr.-Ing. Frank Straube, Logistikprofessor an der TU Berlin, was nicht bedeutet, dass sich die Themen künftig nur noch um Gütertransport drehen. In Ausgabe 1/ 2010 etwa referiert VDV-Autor Jozef A. L. Janssen unter dem Titel „Ein einziger Fahrschein für Europa“ über ein grenzüberschreitendes E-Ticket im ÖPV - doch solche Pläne brauchen einen langen Atem (siehe Interview auf Seite 11). Und in Heft 6/ 2012 beleuchtet ein Beitrag die Frage, ob ein Gesundheitsrisiko durch elektromagnetische Felder besteht - da hatte die Bundesregierung eine Million Elektrofahrzeuge auf bundesdeutschen Straßen bis zum Jahr 2020 postuliert. Mit der Ausgabe 1/ 2013 übernimmt Eberhard Buhl die Redaktionsleitung. Der studierte Germanist und Historiker, Mobilitätsjournalist mit langjähriger Redaktionserfahrung in den Bereichen Automobil, Schienenverkehr und Gütertransport, leitete zuvor die Redaktion der Zeitschrift „eb - Elektrische Bahnen“ und führt das nun quartalsweise erscheinende Magazin gemeinsam mit Frank Straube als Herausgeber weiter. Der allerdings bereitet schon eine Nachfolgeregelung vor: Ab 2015 wird er sich wieder verstärkt um die Leitung seines Fachgebiets Logistik an der Technischen Universität Berlin kümmern, ein Kreis aus sechs anerkannten Wissenschaftler*innen übernimmt ergänzend zum Beiratsgremium die Herausgeberschaft. Ebenfalls 2015 wird bei Internationales Verkehrswesen ein Peer- Review-Verfahren installiert, bei dem wissenschaftliche Erstveröffentlichungen von Gutachtern mit entsprechender Expertise anonym (Double-Blind-Verfahren) begutachtet und bewertet werden können. Und unter dem Titel International Transportation erscheinen ab 2015 erstmals in der Geschichte der Zeitschrift durchgängig englischsprachige Magazin-Editionen, zunächst als frei herunterladbare Sonderedition, heute als fester Bestandteil des Abonnements. Und schließlich beendet die DVWG im Sommer 2015 den seit 52 Jahren bestehenden automatischen Bezug für Mitglieder, die jedoch weiterhin zu besonderen Konditionen individuell abonnieren können. Ein weiterer grundlegender Wechsel steht Anfang 2016 an: Redaktionsleiter Eberhard Buhl übernimmt Internationales Verkehrswesen in die neu aufgestellte Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, die bereits das auf urbane Themen fokussierte, im Vorjahr als Online-Publikation gegründete und nun in gedruckter Form erscheinende Fachmagazin „Transforming Cities“ herausgibt. Von München wechseln die Magazine ein Jahr später an den neuen Verlagsstandort Baiersbronn. Im neuen Internetauftritt bekommt nun auch das elektronische Heftarchiv, das mit der IV-Ausgabe 1/ 1949 beginnt, einen festen Platz und steht Abonnenten ab dem Jahrgang 2010 direkt online zur Verfügung. Überhaupt haben sich die Anforderungen an ein technisch-wissenschaftliches Medium wie Internationales Verkehrswesen im vergangenen Jahrzehnt wesentlich verändert. So fordert der Trend zu immer schnelleren Informationswegen - Facebook, Twitter und Co. geben hier die Richtung vor - und zunehmend auch zu kostenlos verfügbaren Informationen ein Umdenken. Die erste Entwicklung lässt sich einfach technisch lösen: Während gedruckte und seit 2018 auch als ePaper verfügbare, auf Themenschwerpunkte ausgerichtete Magazinausgaben viermal jährlich vor allem den tieferen Einblick, Argumente, Fakten und Gegenüberstellungen bieten, ist die schneller verfügbare, manchmal eher kurzlebige Information unter denselben Rubriken im Web zu finden. Problematischer für Zeitschriftenverlage, Leser und Autoren kann der wachsende Open-Source-Trend werden. Denn jede Form sorgfältiger Prüfung, Aufbereitung und Zusammenstellung von Information fordert einen gewissen Aufwand - wenn aber alles kostenlos sein soll, dürfte die Qualität solcher Publikationen mittelfristig leiden. Für unsere Zeitschrift jedenfalls soll weiterhin gelten, was Gerd Aberle 1972 in seinem „Brief an die Leser“ formulierte: „Vieles verändert sich, nicht aber der Grundcharakter von Internationales Verkehrswesen.“ ■ 2004 • Shanghai: Weltweit einzige Transrapidstrecke im Regelbetrieb eröffnet 1998 • Änderung Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG): Seit 1931 gültige Unterscheidung zwischen Güterfern-, Güternah- und Umzugsverkehr aufgehoben Die Webseiten www.internationales-verkehrswesen.de (deutsch) und www.international-transportation.com (englisch) bringen aktuelle Informationen aus Politik, Wissenschaft und Praxis. 2017 • VDE Nr. 8: Ab Dezember Bahnverbindung München- Berlin in knapp vier statt sechs Stunden © Tim Reckmann/ pixelio.de 2008 • Erste Umweltzonen in Berlin, Hannover und Köln
