eJournals Internationales Verkehrswesen 71/2

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0039
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Elektrifizierung des städtischen Busverkehrs - Das Frankfurter Konzept

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2019
Tom  Reinhold
Tobias Schreiber
Christian Wagner
Die Einführung von Elektrobussen nimmt im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland und weltweit stark zu. Momentan beschäftigen sich daher mehr als 50 deutsche Städte intensiv mit der Thematik oder setzen bereits erste Elektrobusse ein. Die Stadt Frankfurt am Main zählt ebenfalls dazu.
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Internationales Verkehrswesen (71) 2 | 2019 54 Elektrifizierung des städtischen Busverkehrs - Das-Frankfurter Konzept Stadtverkehr, Elektrobus, Personennahverkehr, Urbane Mobilität Die Einführung von Elektrobussen nimmt im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland und weltweit stark zu. Momentan beschäftigen sich daher mehr als 50 deutsche Städte intensiv mit der Thematik oder setzen bereits erste Elektrobusse ein. Die Stadt Frankfurt am Main zählt ebenfalls dazu. Tom Reinhold, Tobias Schreiber, Christian Wagner W eltweit sind aktuell rund 385.000 Elektrobusse im Einsatz, der überwiegende Teil davon in China (siehe Bild 1 [1-3]). In Deutschland ist die Entwicklung vor allem getrieben durch die Dieseldebatte und den Wunsch zur Senkung der Emissionsbelastungen in den Städten. Momentan beschäftigen sich daher mehr als 50 deutsche Städte intensiv mit der Thematik oder setzen bereits erste Elektrobusse ein. In Frankfurt am Main verkehren seit Dezember 2018 fünf batterieelektrische Busse des polnischen Herstellers Solaris auf der Buslinie 75, der ersten vollelektrischen Buslinie Hessens (Bild 2). Die Umstellung des Betriebs auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben bzw. Elektrobusse wird durch verschiedenste Herausforderungen beeinflusst. Allgemein werden unter Elektrobussen unterschiedliche technologische Ansätze subsummiert. Batterieelektrische Busse können entweder über Nacht im Depot geladen werden oder aber auch per Gelegenheitsladung auf der Strecke bzw. an den Endhaltestellen. Hinzu kommen Brennstoffzellenfahrzeuge, die mit Wasserstoff betankt werden und den benötigten Strom an Bord produzieren. Die Brennstoffzelle kann zudem in einem batterieelektrischen Bus als Range-Extender genutzt werden. Jede dieser Technologien hat individuelle Vor- und Nachteile. Somit müssen die Städte und Betreiber jeweils die für sich optimale Technologie ermitteln. Gemein haben die Elektrobusse jedoch, dass Lieferfähigkeiten und -mengen noch sehr gering sind und jeweils zugehörige Infrastrukturen benötigt werden. Diese bedürfen unterschiedlicher Voraussetzungen und können erhebliche Investitionen nach sich ziehen. Daher ist es sinnvoll, die Umstellung auf Elektrobusse und die zugehörigen Auswirkungen genau zu analysieren und durch ein entsprechendes Konzept vor der Beschaffung der Fahrzeuge zu fixieren. Ein solches Konzept hat die städtische Nahverkehrsgesellschaft traffiQ im Frühjahr 2018 für die Stadt Frankfurt am Main erstellen lassen. Erstellung eines Umsetzungskonzepts E-Bus für Frankfurt Das Ziel des Konzepts ist, die Rahmenbedingungen einer langfristigen und vollständigen Umstellung der Dieselbus-Flotte in Frankfurt am Main aufzuzeigen sowie die Foto: traffiQ MOBILITÄT ÖPNV Internationales Verkehrswesen (71) 2 | 2019 55 ÖPNV MOBILITÄT dafür am besten geeigneten E-Bus- Technik(en) zu ermitteln. Für die vollständige Umstellung ist ein Zeithorizont bis 2030 festgelegt und unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen als realistisch erachtet worden. Hinsichtlich der drei zuvor genannten Technologien kann man weltweit derzeit noch keinen eindeutigen Trend erkennen, welche sich letztlich durchsetzen wird. Daher ist man bei der Erstellung des E-Bus- Konzepts technologieoffen vorgegangen. Jedoch wurden weitere alternative Antriebsformen, wie z. B. Diesel-Hybrid-, CNG- oder auch Oberleitungs-Busse nicht betrachtet. Dies hat einerseits strategische Gründe, da je nach Antriebsform weiterhin fossile Brennstoffe zum Einsatz kommen und jeweils nur von einer Brückentechnologie hin zu Elektrobussen gesprochen werden kann. Auf diesen Zwischenschritt kann daher verzichtet werden. Andererseits wurden bei der Bewertung dieser Antriebsformen auch stadtplanerische Aspekte berücksichtigt, die vor allem bei O-Bussen eine Rolle spielen. In der Frankfurter Busflotte befinden sich derzeit rund 370 Fahrzeuge, die auf sieben Buslinienbündel aufgeteilt sind. Diese Linienbündel werden teilweise vom städtischen Verkehrsunternehmen In-der-City- Bus GmbH (heute zwei, zukünftig drei Linienbündel) sowie von privaten Verkehrsunternehmen gefahren. Diese Rahmenbedingungen müssen bei der Erstellung des Konzepts besonders berücksichtigt werden, da die Fahrzeuge nicht beliebig innerhalb der Stadt eingesetzt werden können und Infrastrukturen nicht für alle Betreiber zur Verfügung stehen. Fünf Umstellungs-Szenarien im-Vergleich Für das Konzept wurden fünf verschiedene Szenarien untersucht. Eine Umstellung kann zu 100 % auf Brennstoffzellenbusse, Batteriebusse mit Nachtladung im Depot sowie Batteriebusse mit Gelegenheitsladung an den Endhaltestellen erfolgen. Die Umstellung auf eine einzelne Technologie hat grundsätzlich den Vorteil, dass Betriebs- und Werkstattabläufe vereinheitlicht werden, Infrastrukturen nur für eine Technologie bereitgestellt werden müssen sowie Ausschreibungsverfahren erleichtert werden. Gleichzeitig müssen jedoch auch die derzeit bestehenden Einschränkungen der einzelnen Technologien beachtet werden. Die heute verfügbaren Batteriekapazitäten zum Beispiel reichen nicht aus, um alle Umläufe der verschiedenen Frankfurter Buslinien abdecken zu können. Es existieren auf bestimmten Linien teils nur sehr kurze Umläufe mit weniger als 50 km pro Tag, wohingegen auf anderen Linien Umläufe von mehr als 300 km pro Tag die Regel sind. Batteriebusse, die nur über Nacht im Depot geladen werden, sind heute nicht in der Lage, solche langen Umläufe ohne Fahrzeugtausch zu bewältigen. Dies würde wiederum einen Fahrzeug- und Personalmehrbedarf bedeuten, der für die Verkehrsunternehmen unwirtschaftlich ist. Aus diesem Grund wurden bei der Entwicklung des Konzepts auch Mischszenarien aufgegriffen. Dabei wurden Kombinationen von Nachtladung und Brennstoffzellenbussen sowie Nachtladung und Schnellladung im Depot aufgenommen. Eine Übersicht der betrachteten Szenarien zeigt Bild 3. Bild 2: Frankfurts Linie 75, erste vollelektrische Buslinie Hessens Europa ~2.100, Deutschland ~600 Nordamerika ~2.000 Asien ~380.000 Südamerika ~500 Afrika ~50 Ozeanien ~100 Bild 1: Weltweiter Einsatz von Elektrobussen Internationales Verkehrswesen (71) 2 | 2019 56 MOBILITÄT ÖPNV Szenario 1 beschreibt die vollständige Umstellung der Frankfurter Busflotte auf Brennstoffzellenbusse. Diese Technologie punktet mit hohen Reichweiten (> 350 km) und ähnlichen Tankzeiten wie bei Dieselbussen (ca. zehn Minuten). Somit könnten alle rund 370 Frankfurter Busse 1: 1 ausgetauscht werden, ohne das zusätzliche Fahrzeuge benötigt werden. Dem gegenüber stehen hohe Investitionskosten in Fahrzeuge (etwa 650.000 EUR für einen Solobus) sowie in die benötigte Wasserstoffinfrastruktur (Tankstelle, Verdichter, Speicher etc.) auf dem Betriebshof. Zudem muss eine ausreichende Versorgung mit Wasserstoff sichergestellt werden. Frankfurt hat hier den Vorteil, dass Wasserstoff als Nebenprodukt der Chlorherstellung am Industriepark in Höchst entsteht. Dieser Wasserstoff kann dann per LKW-Trailer oder Pipeline zum Betriebshof verbracht werden. Andere Städte haben diese Möglichkeit nicht und müssen auf teure Anlagen mit Elektrolyseur oder Lieferwasserstoff zurückgreifen. Ein wesentlicher Nachteil der Technologie ist zudem die geringe Lieferbarkeit von Fahrzeugen und der sehr überschaubare Herstellermarkt. Die Fahrzeugbeschaffung wird dadurch heute noch wesentlich beeinflusst. Szenario 2 umfasst die vollständige Umstellung auf Batteriebusse mit Nachtladung. Dies hat den Vorteil, dass eine Ladeinfrastruktur nur am Betriebshof aufgebaut werden muss und nicht an der Strecke. Dem gegenüber stehen jedoch einige merkliche Nachteile. Wie bereits zuvor beschrieben, sind die heutigen Reichweiten von batterieelektrischen Bussen nicht ausreichend, um alle Umläufe in Frankfurt abzudecken. Es ist davon auszugehen, dass sich die Reichweiten zukünftig erhöhen werden, jedoch ist eine Abschätzung der tatsächlichen Steigerung noch schwierig [4]. Wollte man also nach derzeitigem Stand alle Busse auf diese Technologie umstellen, so wären Zusatzfahrzeuge und Zusatzfahrer die Folge. Deren Anzahl wird maßgeblich durch das gewählte Heizkonzept beeinflusst. Heizung und Klimatisierung sind die Nebenaggregate, welche den wesentlichsten Anteil am Energieverbrauch haben. Mit einer rein elektrischen Heizung (Szenario 2b) kann heute eine Reichweite von etwa 150 km erzielt werden. Mit einer fossilen Zusatzheizung (Szenario 2a) kann diese je nach Fahrzeugmodell und Batteriekapazität auf bis zu 230 km erhöht werden. Dies bedeutet jedoch, dass ein solches Fahrzeug nicht zu 100 % emissionsfrei ist. Die politischen Gremien der Städte müssen jeweils entscheiden, ob dies für sie akzeptabel ist. Im Fall von Frankfurt würden mit Zusatzheizung rund 10 % an zusätzlichen Fahrzeugen benötigt. Würde jedoch rein elektrisch geheizt, so sind gar etwa 35 % an Zusatzfahrzeugen nötig. Dies ist nicht nur unwirtschaftlich, es hat zudem wesentliche Auswirkungen auf die notwendige Infrastruktur. Der Platzbedarf im Betriebshof steigt ohnehin durch die benötigte Ladeinfrastruktur an. Hinzu kommt der Platzbedarf für die zusätzlichen Fahrzeuge. Die Flächenverfügbarkeit in Frankfurt ist sehr gering und zusätzliche Flächen sind daher ohne weiteres nicht zu erhalten. Weiterhin kommen enorme Energiemengen hinzu, die für die Ladung der Busse aufgebracht werden müssen. Für die gesamte Flotte liegen diese bei etwa 30.000 MWh. Dies entspricht dem Jahresverbrauch von rund 11.000 Haushalten. Die entsprechende Anschlussleistung ist an den Betriebshöfen nicht ohne weiteres und nicht ohne hohe Investitionen herzustellen. Neben den Ladegeräten an sich können zusätzliche Trafostationen, Umspannanlagen, etc. sowie die zugehörigen (Tief-) Bauarbeiten notwendig sein. Mit einer reinen Umstellung auf Nachtladung sind somit erhebliche finanzielle Aufwendungen verbunden. Szenario 3 betrachtet die vollständige Umstellung auf Batteriebusse mit Gelegenheitsladung an den Endhaltestellen. Der Vorteil dieser Variante ist, dass die Fahrzeuge kontinuierlich aufgeladen werden und daher kleinere Batterien verbaut werden können. Dem gegenüber stehen jedoch u.a. die langen Wendezeiten an den Endhaltestellen, welche für die Zwischenladung benötigt werden. Zudem ist eine entsprechende Ladeinfrastruktur notwendig. Die Zwischenladung kann per Stecker, Pantograf oder induktiv geschehen, wobei vor allem letztere Lösung aufgrund technischer Probleme und sehr hoher Kosten unattraktiv für Frankfurt ist [5]. Im Rahmen der Konzepterstellung wurde ermittelt, dass in Frankfurt mit seinem dezentralen Liniennetz etwa 90 Ladestation (300 kW) zur Umsetzung von Szenario 3 errichtet werden müssten. Hinzu kommt die dafür notwendige Infrastruktur (Umspannanlagen, Verkabelung, etc.). Bei der Analyse der Umläufe kam zudem heraus, dass lediglich 18 % der Frankfurter Buslinien für eine Gelegenheitsladung geeignet sind. Weitere 29 % der Linien könnten mit größeren Aufwendungen (Extra-Zeiten im Fahrplan, größere Batteriekapazitäten etc.) für eine Gelegenheitsladung ertüchtigt werden. Für die restlichen 53 % der Linien ist eine Gelegenheitsladung als unwirtschaftlich zu betrachten, da in jedem Fall Zusatzfahrzeuge notwendig sind. 8 % Mehrfahrzeuge sind im Vergleich zu heute in Szenario 3 notwendig, was auch den Personalbedarf entsprechend erhöht. Letztlich wirken sich auch der erhebliche städtebauliche Eingriff und die zu erwartenden Einwendungen betroffener Bürger negativ auf die Umsetzbarkeit von Szenario 3 aus. Szenario 4 kombiniert die Vorteile der Brennstoffzellentechnologie und der Nachtladung. Lange Umläufe werden dabei mit Brennstoffzellenbussen gefahren, wohingegen kürzere Umläufe von Batteriebussen bedient werden. Auf diese Weise sind keine Zusatzfahrzeuge und -fahrer notwendig. Eine Analyse der Umläufe zeigt, dass somit eine 50 : 50-Aufteilung der Fahrzeugflotte auf beide Technologien resultiert. Dabei werden rund 75 % der Fahrleistung mit den Brennstoffzellenbussen erbracht. Der wesentliche Nachteil dieses Szenarios ist die Notwendigkeit zum Aufbau von Infrastrukturen für beide Technologien. In Szenario 5 wird die Nachtladung mit der Schnellladung im Depot (über Tag) kombiniert. Somit ist eine Ladeinfrastruktur nur am Betriebshof nötig und nicht an der Strecke. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch, dass die Fahrzeuge teilweise über den SZENARIO 1: 100% Brennsto zellenbusse SZENARIO 2: 100% Nachtladung im Depot 2a) Nicht elektrische Zusatzheizung 2b) Elektrische Zusatzheizung SZENARIO 3: 100% Schnellladung (an den Endhaltestellen) SZENARIO 4: Brennsto zellenbusse (75% Fahrleistung, ca.50% Fahrzeuge) + Nachtladung (25% Fahrleistung, ca.50% Fahrzeuge) SZENARIO 5: Nachtladung (Langsamladung) + Schnellladung in Depot Bild 3: Übersicht der betrachteten Szenarien Internationales Verkehrswesen (71) 2 | 2019 57 ÖPNV MOBILITÄT Tag zum Betriebshof zurückkehren müssen, woraus vermeidbare Leerfahrten resultieren. Dieses Szenario ist vor allem bei zentralen Depots sinnvoll. In Frankfurt sind die vier Betriebshöfe jedoch dezentral über die Stadt verteilt. Im Rahmen des Konzepts wurde eine maximale Entfernung zur Endhaltestelle von 3 km als akzeptabel definiert, damit die Leerfahrten kein zu großes Ausmaß annehmen. In diesem Fall könnten jedoch nur wenige Endhaltestellen durch die bestehenden Depots abgedeckt werden. Selbst wenn zu den bisherigen vier Betriebshöfen noch weitere vier Schnellladedepots hinzukämen, blieben weiterhin einige Linienenden nicht ausreichend abgedeckt und ein Bedarf an Zusatzfahrzeugen wäre die Folge (ca. 10 %). Die heutige Betriebshofsituation ist für dieses Szenario also nicht geeignet. Wie zuvor bereits erläutert wurde, ist die Nutzung zusätzlicher Flächen ebenfalls schwierig. Ohne eine hohe Anzahl unwirtschaftlicher Leerfahrten ist dieses Szenario in Frankfurt somit nicht realisierbar. Die Szenarien eignen sich daher zu einem unterschiedlichen Grad für die Umsetzung in Frankfurt. Um das geeignetste Szenario wählen zu können, wurden diese zudem hinsichtlich der Umweltbilanz, der Kosten sowie weiterer Faktoren miteinander verglichen. Die Umweltwirkungen der jeweiligen Szenarien sind bei Batteriebussen einerseits davon abhängig, ob eine fossile Zusatzheizung verwendet wird oder darauf verzichtet werden kann. Andererseits muss bei globaler Betrachtung der Emissionen beachtet werden, wie der Strom erzeugt wird. Nur bei Verwendung von Ökostrom ist der Einsatz von Batteriebussen auch global zu 100 % emissionsfrei. Bei Brennstoffzellenbussen ist dies hinsichtlich der Erzeugung des Wasserstoffs vergleichbar. Bild 4 zeigt die abgeschätzten Emissionen je Szenario. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass die Kosten für Fahrzeuge sowie Lade- und Betankungsinfrastruktur zukünftig sinken werden. Dies kann auf steigende Stückzahlen und damit einhergehenden Skaleneffekten zurückgeführt werden. Die Anschaffungskosten sollten sich daher denen konventioneller Antriebe annähern [6]. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie schnell und ob sich dieser Effekt einstellen wird. Hier kann erst die tatsächliche Entwicklung Aufschluss geben. Stellt man die nach heutigem Stand zu erwartenden Investitionsmehrkosten im Vergleich zum Dieselbus der Szenarien gegenüber, so ergibt sich ein relativ ähnliches Bild. Die Investitionsmehrkosten liegen zwischen 148 Mio. EUR und 172 Mio. EUR auf einem recht ähnlichen Niveau. Ausnahme ist das Szenario 2b, wenn auf eine fossile Zusatzheizung verzichtet wird. Durch den Fahrzeugmehrbedarf von 35 % ergeben sich Investitionsmehrkosten von 223 Mio. EUR. Das kostengünstigste Szenario stellt hingegen die Kombination von Brennstoffzelle und Nachtladung dar. Auch hinsichtlich der jährlichen Betriebsmehrkosten im Vergleich zum Dieselbus zeichnet sich Szena- 5.474.220 14.030.507 0 2.000.000 4.000.000 6.000.000 8.000.000 10.000.000 12.000.000 14.000.000 16.000.000 Nachtladung Brennstoffzelle 25% 75% Nachtladung Brennstoffzelle Quelle: EMCEL GmbH, traf f iQ Jährliche Fahrleistung in km je Technologie für Szenario 4 Prozentuale Verteilung der jährlichen Fahrleistung auf die Technologien Vergleich zu Diesel Vergleich zu Diesel Vergleich zu Diesel Vergleich zu Diesel Vergleich zu Diesel CO 2 Emissionen lokal (TTW*) [t/ Jahr] 23.200 0 -100% 1.100 -95% 0 -100% 600 -97% 1.250 -95% CO 2 Emissionen gesamt (WTW**) [t/ Jahr] Mit deutschen Strommix / H2 aus Erdgas 27.000 21.000 -22% 17.000 -37% 17.000 -37% 20.000 -26% 17.000 -37% CO 2 Emissionen gesamt (WTW) [t/ Jahr] Mit Ökostrom / grünem Wasserstoff - 0 -100% 0 -100% 0 -100% 0 -100% 0 -100% NO x Emissionen lokal (TTW) [t/ Jahr] 70 0 -100% 3,5 -95% 0 -100% 1,8 -97% 3,5 -95% PM Emissionen lokal (TTW) [t/ Jahr] 0,7 0 -100% 0,04 -95% 0 -100% 0,02 -97% 0,04 -95% Diesel Szenario 1 Szenario 2a Szenario 3 Szenario 4 Szenario 5 * TTW = Tank-To-Wheel ** WTW = Well-To-Wheel Quelle: EMCELL, traffiQ Bild 4: Abgeschätzte Emissionen je Szenario Bild 5: Verteilung der jährlichen Fahrleistung auf die Technologien Bild 6: Präsentation der ersten Elektrobusse für die Linie 75 in Frankfurt am Main Internationales Verkehrswesen (71) 2 | 2019 58 MOBILITÄT ÖPNV rio 4 durch sinkende Kosten aus. Die genannten Ergebnisse wurden anschließend durch eine Sensitivitätsanalyse der jährlichen Mehrkosten gegenüber dem Diesel verifiziert. Werden zudem die Vor- und Nachteile der einzelnen Szenarien betrachtet, so zeigt sich, dass Szenario 4 nicht nur am günstigsten, sondern auch am sinnvollsten in Frankfurt umsetzbar ist. Der Betrieb der Frankfurter Buslinien ist vollständig emissionsfrei möglich, es werden keine Zusatzfahrzeuge und -fahrer benötigt, es ist vergleichsweise einfach umsetzbar und lässt sich flexibel an die technologischen Entwicklungen anpassen. Lediglich der heute noch knappe Hersteller- und Fahrzeugmarkt sowie die Notwendigkeit zum parallelen Aufbau zweier Infrastrukturen spricht dagegen. Folglich wird für Frankfurt am Main die Umsetzung von Szenario 4, der Kombination von Brennstoffzelle und Nachtladung im Depot vorgeschlagen. Ausblick Die Umsetzung des Konzepts kann planmäßig bis 2030 erfolgen. Es wurde den politischen Gremien vorgestellt und wird von diesen grundsätzlich befürwortet. Die zugehörigen politischen Beschlüsse werden Schritt für Schritt erfolgen. Neben Fahrzeugverfügbarkeiten und technologischen Entwicklungen spielt vor allem die Laufzeit der Linienbündel bei der Umsetzung eine Rolle. Im Regelfall werden die Flotten jeweils mit Betriebsstart eines Bündels ersetzt oder modernisiert. Die Laufzeit der Bündel liegt dabei zwischen acht und zehn Jahren. Auf dieser Grundlage ist eine Umstellung bis 2030 schrittweise realistisch und möglich. Zunächst werden dabei keine kompletten Linienbündel umgestellt. Stattdessen werden bei anstehenden Vergaben bis 2022 nur einzelne Linien elektrifiziert. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Verkehrsunternehmen die zusätzlichen Aufwände durch den Aufbau der Infrastrukturen sowie die geringen Verfügbarkeiten und langen Lieferzeiten der Fahrzeuge auch tatsächlich handhaben können. Die erste vollständige Umstellung eines Linienbündels auf Elektrobusse ist daher für den Dezember 2022 geplant. Wenn dabei Szenario 4 verfolgt wird, ergeben sich letztlich deutlich höhere Fahrleistungen für die Brennstoffzellenbusse. Dies ergibt sich aus den längeren Umläufen, welche durch diese Fahrzeuge abgebildet werden. Bild 5 zeigt die Verteilung der jährlichen Fahrleistung auf beide Technologien. Die fünf Elektrobusse auf der Linie 75 stellen den Auftakt der Elektrifizierung des Busverkehrs in Frankfurt dar (Bild 6). Hinzu kommen im Sommer 2019 elf Brennstoffzellenbusse, die im Verbund mit den Verkehrsbetrieben in Mainz (MVG, vier Busse) und Wiesbaden (ESWE, vier Busse) beschafft werden. Dies ermöglicht den parallelen Test und Einsatz beider Technologien. Die Beschaffung von 30 weiteren Brennstoffzellenbussen ist derzeit in Vorbereitung. Fazit Die Elektrifizierung des Busverkehrs beschäftigt derzeit die meisten deutschen Städte und Kommunen. Vielfach wird dabei eine Umstellung auf Elektrobusse bis 2030 anvisiert. [7] Technologische Einschränkungen, geringe Fahrzeugverfügbarkeiten und lange Lieferzeiten erschweren heute noch den Einsatz von Bussen mit alternativen Antrieben. Eine Verbesserung der Situation sowie eine Senkung der Kosten werden für die nächsten Jahre prognostiziert, jedoch ist von einer dauerhaft hohen Nachfrage nach Elektrobussen auszugehen. Hinzu kommen infrastrukturelle Notwendigkeiten und Aufwendungen, die von den Städten und Verkehrsunternehmen nicht kurzfristig zu bewältigen sind. Eine unmittelbare Umstellung erscheint daher nicht zielführend und realistisch. Stattdessen sollte diese schrittweise und anhand eines klaren Konzepts erfolgen. Jede Stadt hat ihre individuellen Gegebenheiten, was sich wiederum auf die jeweils optimale Technologie auswirkt. Für Frankfurt ist die Kombination von Brennstoffzelle und Nachtladung im Depot ideal, um den Fahrzeugpark 1: 1 zu ersetzen und alle Umläufe über den Tag hinweg abdecken zu können. Für andere Städte mag sich diese Lösung nicht als optimal erweisen. Für die Stadt Frankfurt am Main hat sich die Erstellung eines E-Bus Konzepts mit entsprechendem Umsetzungsfahrplan als große Hilfe erwiesen, um eine Planungsgrundlage für die beteiligten Verkehrsunternehmen, traffiQ als Aufgabenträgerorganisation und die weiteren Beteiligten zu schaffen. Es wird sich nun weisen, ob die politischen Entscheidungsträger die Mehrkosten, die mit der Umstellung auf emissionsfreie Busse verbunden sind, zu tragen bereit sind. Das von traffiQ vorgelegte Konzept zeigt einen Weg auf, wie die Umsetzung des ökologischen Oberziels unter betrieblichen, rechtlichen und technischen Aspekten realisiert werden kann. Würden andere Aspekte zum Oberziel erhoben, etwa ökonomische oder verkehrspolitische Ziele (wie z. B. eine Steigerung des Kostendeckungsgrades des Nahverkehrssystems oder eine Modal- Split-Verschiebung zu Gunsten des ÖPNV), könnten andere Strategien erforderlich werden. ■ LITERATUR [1] Aleksandra O‘Donovan, James Frith, Clin McKerracher: “Electric Buses in Cities - Driving Towards Cleaner Air and Lower CO 2 ”, Bloomberg New Energy Finance, 29.03.2018 [2] Hansjörg Arnold, Maximilian Rohs: „E-Bus-Radar - Wie elektrisch wird der öffentliche Nahverkehr? “, PricewaterhouseCoopers GmbH, 17.09.2018, https: / / www.pwc.de/ de/ offentliche-unternehmen/ e-bus-radar-2018.html [3] Diana Carolina Piñeros: „Latin America grows fond of electric buses”, Deutsche Welle, 04.12.2018, https: / / www.dw.com/ en/ latinamerica-grows-fond-of-electric-buses/ a-46554019 [4] Martin Schmitz: „Entwicklung des E-Bus Betriebs in Deutschland: Stand und Perspektiven“, Der Nahverkehr, Sonderheft Elektrobusse, 35. Jahrgang, März 2017, S. 6-10 [5] Jürgen Burmeister: „E-Busse 2019: Wettbewerb um die bestgeeignete Ladetechnik“, Der Nahverkehr, Elektrobus-Spezial 2019, 37. Jahrgang, Februar 2019, S. 12-18 [6] Dr. Thoralf Knote, Beate Haufe, Lars Saroch: „Ansätze zur Standardisierung und Zielkosten für Elektrobusse“, Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursystem IVI, Mai 2017, S. 11-12 [7] Henryk Hielscher: „Vier Städte wollen bis 2030 auf Elektro-Busse umstellen“, WirtschaftsWoche, 01.11.2018, https: / / www.wiwo.de/ unternehmen/ dienstleister/ 3000-e-busse-vier-staedte-wollenbis-2030-auf-elektro-busse-umstellen/ 23252304.html Tobias Schreiber traffiQ Lokale Nahverkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH t.schreiber@traffiq.de Christian Wagner traffiQ Lokale Nahverkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH c.wagner@traffiq.de Tom Reinhold, Dr.-Ing. Geschäftsführer, traffiQ Lokale Nahverkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH t.reinhold@traffiq.de