eJournals Internationales Verkehrswesen 71/3

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0054
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Modifizierung der Stellplatzsatzung als Beitrag zu nachhaltigerem Verkehr

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Volker Blees
Uli Molter
Ina Steinhauer
Zweckentfremdeter Parkraum auf Privatgrund, ungenutzte Tiefgaragenstellplätze, überlastete öffentliche Parkflächen: Nicht nur Großstädte haben mit solchen Problemen zu kämpfen. Auch die im Taunus gelegene Mittelstadt Oberursel (46.000 Einwohner) steht vor der Herausforderung einer Mobilitäts- und Verkehrswende, die nur durch viele, miteinander verzahnte Bausteine erreicht werden kann. Einer dieser Bausteine ist die Neuausrichtung der kommunalen Stellplatzsatzung als Teil eines ganzheitlichen Parkraummanagements. Ein auf örtliche Gegebenheiten reagierender Stellplatzschlüssel und Regelungen, die den Umweltverbund fördern, können bereits in der Siedlungsentwicklung einen dauerhaften Beitrag zu einer nachhaltigeren Mobilität leisten. Oberursel ist diesen Weg gegangen. Seit dem 8. Juni 2019 ist die neue Stellplatzsatzung in Kraft.
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Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 27 Modifizierung der Stellplatzsatzung als Beitrag zu nachhaltigerem Verkehr Der innovative Ansatz der Stadt Oberursel (Taunus) Stellplatzsatzung, Mobilitätsmanagement, öffentlicher Personennahverkehr Zweckentfremdeter Parkraum auf Privatgrund, ungenutzte Tiefgaragenstellplätze, überlastete öffentliche Parkflächen: Nicht nur Großstädte haben mit solchen Problemen zu kämpfen. Auch die im Taunus gelegene Mittelstadt Oberursel (46.000 Einwohner) steht vor der Herausforderung einer Mobilitäts- und Verkehrswende, die nur durch viele, miteinander verzahnte Bausteine erreicht werden kann. Einer dieser Bausteine ist die Neuausrichtung der kommunalen Stellplatzsatzung als Teil eines ganzheitlichen Parkraummanagements. Ein auf örtliche Gegebenheiten reagierender Stellplatzschlüssel und Regelungen, die den Umweltverbund fördern, können bereits in der Siedlungsentwicklung einen dauerhaften Beitrag zu einer nachhaltigeren Mobilität leisten. Oberursel ist diesen Weg gegangen. Seit dem 8. Juni 2019 ist die neue Stellplatzsatzung in Kraft. Volker Blees, Uli Molter, Ina Steinhauer S eit Inkrafttreten der Reichsgaragenordnung im Jahr 1939 sind Bauherren im Grundsatz verpflichtet, auf ihrem Grundstück KFZ-Stellplätze für den von ihrem Bauvorhaben ausgelösten Verkehr vorzuhalten. Intention dieser Stellplatzbaupflicht war es im Ursprung, durch Schaffung von Parkraum den KFZ-Besitz zu fördern und zugleich durch Verlagerung des Parkens in den privaten Raum den Verkehrsfluss auf den Straßen zu verbessern und so die KFZ-Nutzung attraktiver zu machen. Stellplatzsatzung als verkehrspolitisches Instrument Eine solche Zielsetzung erscheint heute angesichts eines zunehmenden gesellschaftlichen Konsenses für eine Mobilitätswende weg vom bestehenden, autozentrierten Verkehrssystem überholt. Hinzu kommt, dass die Stellplatzbaupflicht weitere negative Effekte wie etwa Flächenverbrauch und erhebliche Steigerungen der Baukosten zeitigt [1, 2]. Obwohl ihr Grundprinzip überholt erscheint, ist die Stellplatzbaupflicht bis heute Wohnstraße in Oberursel, trotz ausreichend privaten Stellplätzen von Bewohnern „zugeparkt“. Foto: Stadt Oberursel Stadtplanung INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 28 INFRASTRUKTUR Stadtplanung in nahezu allen Landesbauordnungen verankert. Die meisten Länder, so auch das Land Hessen, ermöglichen es den Kommunen, die Stellplatzbaupflicht und weitere stellplatzbezogene Regelungen in örtlichen Satzungen zu spezifizieren und auszugestalten. Vor allem Großstädte wie Darmstadt, Frankfurt am Main, Mainz oder Rostock haben sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht, unter Hinnahme des bauordnungsrechtlichen Rahmens ihre Stellplatzsatzungen möglichst so auszugestalten, dass ein nachhaltigeres Verkehrssystem gefördert wird. Mit Oberursel hat sich nun auch eine Mittelstadt dieser Herausforderung gestellt. Weiterentwicklung der Stellplatzsatzung in Oberursel Ein Antrag der Oberurseler Lokalpolitik aus dem Jahr 2018 zielte darauf ab, den bislang starren Stellplatzschlüssel in Bereichen mit ausreichender Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel zu reduzieren. Auch sollte es möglich sein, mit Angeboten aus dem Bereich des Mobilitätsmanagements wie beispielsweise Carsharing die Anzahl der herzustellenden Stellplätze zu verringern. Hierzu wurden in einem ersten Schritt Ziele definiert, die eine neue Stellplatzsatzung verfolgen sollte: • Auf örtliche Gegebenheiten flexibel reagieren, • nachhaltige Mobilität (Fahrrad, ÖPNV, Carsharing) fördern, • sich veränderndes Mobilitätsverhalten berücksichtigen, • Kosteneinsparung bei Bauvorhaben ermöglichen, • Nachverdichtung erleichtern und Grünräume schützen, • Flächenversiegelung verringern. Die Änderungen in der neuen Stellplatzsatzung wirken in unterschiedlichem Umfang auf diese Ziele hin. Basis der Satzung sind wie bisher feste Tabellenwerte für die Stellplatzbaupflichten: Abhängig von Nutzungsart sowie Größe eines Bauvorhabens wird die Anzahl der herzustellenden PKW-Stellplätze und Fahrradabstellplätze bestimmt. Neu ist jedoch, dass von diesen Tabellenwerten nun je nach örtlicher Situation Abschläge vorgenommen werden können. Auch weitere Regelungen, z. B. zur Qualität von Fahrradabstellanlagen, zielen auf die Förderung des Umweltverbundes ab. ÖV-Zonierung Mobilitätsanalysen wie jüngst die bundesweite Erhebung „Mobilität in Deutschland 2017“ zeigen nach eigenen Auswertungen, dass Menschen, die in der Nähe einer Haltestelle mit attraktivem ÖPNV-Angebot wohnen, häufiger Bus und Bahn nutzen und seltener über ein eigenes Auto verfügen als Personen, deren ÖPNV-Ausstattung am Wohnort weniger gut ist. Die neue Stellplatzsatzung von Oberursel greift diesen Sachverhalt auf und definiert drei Zonen der ÖV-Erschließung in Abhängigkeit von „echten“ Fußweglängen zur Haltestelle. Diese wurden mit Hilfe der Erreichbarkeitsanalyse des Regionalverbands Frankfurt RheinMain ermittelt [3]. Die drei Zonen basieren auf den im Nahverkehrsplan des Hochtaunuskreises [4] festgelegten Einzugsbereichen unter Berücksichtigung eines Umwegefaktors von 1,2. Berücksichtigt wurden alle S- und U- Bahnstationen, da sie in Oberursel im 15-Minuten-Takt angedient werden. Bushaltestellen wurden dann betrachtet, wenn die dort verkehrenden Linien insgesamt einen 15-Minuten-Takt bilden und die Fahrzeit zu Stationen von S- und U-Bahn maximal zehn Minuten beträgt. Hauptfahrziele wie die Oberurseler Innenstadt sowie Frankfurt oder Bad Homburg wurden damit berücksichtigt. In Zone „grün“ (Fußwegentfernung S- Bahn bis 400 m, U-Bahn bis 200 m, Bus bis 120 m) kann die Zahl der herzustellenden Stellplätze um 20 % reduziert werden. In Zone „gelb“ (Fußwegentfernung S-Bahn 400 bis 800 m, U-Bahn 200 bis 400 m, Bus 120 bis 240 m) können 10 % und in Zone „rot“ (S-Bahn 800 bis 1.200 m, U-Bahn bis 400 bis 600 m, Bus 240 bis 360 m) 5 % weniger Stellplätze hergestellt werden. Die ÖV-Zonierung ermöglicht damit eine flexiblere Gestaltung der Stellplatzherstellung und eine je nach Bedarf örtliche Festlegung der Stellplatzzahlen. Mobilitätsmanagement Der Baustein Mobilitätsmanagement zielt darauf ab, dass Bauherrschaften die Nut- ² Legende Zone I (sehr gute ÖV-Erschließung) Zone II (gute ÖV-Erschließung) Zone III (mittlere ÖV-Erschließung) Altstadt Ortskerne Innenbereich 0 1 2 0,5 km ÖV-Zonierung Oberursel Bild 1: Bereiche mit reduziertem Stellplatzschlüssel Quelle: Amtliches Liegenschaftskataster Informationssystem - ALKIS® - der Hessischen Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (Juli 2018) Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 29 Stadtplanung INFRASTRUKTUR zung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und damit den Stellplatzbedarf beispielsweise mithilfe von Job- oder Mietertickets, Quartiersgaragen, Carsharing oder einem Lastenradverleih reduzieren. Diese Möglichkeit ist in der neuen Stellplatzsatzung als Information aufgenommen. In einem Leitfaden, der den Bauherrschaften mit der Stellplatzsatzung an die Hand gegeben wird, werden die möglichen Inhalte eines Mobilitätskonzepts und die Vorgehensweise detailliert erläutert [5]. Das von der Bauherrschaft vorzulegende Konzept muss insbesondere aufzeigen, wie die geplanten Maßnahmen wirken und den Stellplatzbedarf des Vorhabens reduzieren. Es wird dann im Einzelfall geprüft, ob es sich bei den beabsichtigten Maßnahmen um ein stimmiges und wirksames Gesamtkonzept handelt: Einzelmaßnahmen haben nur einen geringen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten; erst ein geschlossenes Konzept kann dafür sorgen, eine ausreichende Nutzerschaft anzusprechen und den Wechsel vom Auto auf andere Verkehrsmittel zu erleichtern. Das Mobilitätskonzept wird, wenn es die beschriebenen Anforderungen erfüllt, Teil der Baugenehmigung. Damit wird die Verbindlichkeit der Umsetzung nicht an einen Eigentümer bzw. eine Eigentümerin, sondern an das Bauvorhaben selbst geknüpft. Eine Aufhebung der Maßnahmen wird dann wie eine Nutzungsänderung behandelt und muss bei der Stadt, unter Festlegung von Alternativmaßnahmen, beantragt werden. Wer ein Mobilitätskonzept ohne Weiteres aufhebt, handelt im Sinne der Stellplatzsatzung ordnungswidrig. PKW-Stellplätze durch Fahrradabstellplätze ersetzen Die Hessische Bauordnung (HBO) wurde bereits 2018 novelliert und nimmt in diesem Zuge erstmals die sogenannte Ersetzungsbefugnis in § 52 Abs. 4 auf. Hiernach können bis zu 25 % der Stellplätze für PKW durch Fahrradabstellplätze ersetzt werden. Für einen Stellplatz sind dann vier Abstellplätze für Fahrräder zu errichten. Da diese Regelung erst am 7. Juni 2019 in Kraft getreten ist, konnten alle Kommunen in Hessen innerhalb der Übergangsfrist von einem Jahr den Paragraphen aus der HBO modifizieren oder ausschließen. Die Stadt Oberursel hat sich auf den etwas reduzierten Wert von 15 % ersetzbarer PKW-Stellplätze festgelegt. Damit soll der Radverkehr in einem überschaubaren Maß künftig stärker gefördert werden. Grundsätzlich gilt in der neuen Stellplatzsatzung die Regelung, dass ein Bauherr zwischen der Ersetzungsbefugnis und der ÖV-Zonierung wählen kann. Eine Doppelbegünstigung unter Anwendung beider Reduktionsmöglichkeiten ist ausgeschlossen. Erhöhung der Ablösebeträge Ablösebeträge sind zu zahlen, wenn ein Stellplatz faktisch nicht hergestellt werden kann. Diese Entscheidung wird vom Magis- Wo liegt das Bauvorhaben? Zone I (grün): -20 % der Stellplätze Zone II (gelb): -10 % der Stellplätze Zone III (rot): -5 % der Stellplätze Altstadt (grau): -50 % der Stellplätze Innenbereich (blau): -50 % der Stellplätze Ortskerne (lila): -20 % der Stellplätze Keiner der genannten Bereiche (weiß) oder anstelle Zone I, II, III Ersetzungsbefugnis Ersetzungsbefugnis ÖV-Zonierung nein Ersetzungsbefugnis: bis zu 15 % der Stellplätze durch Fahrradabstellplätze ersetzbar nein nein ja Ablöse  Magistratsvorbehalt Stellplatzzahl gemäß Richtzahlentabelle zur Stellplatzsatzung Kombination mit Teil B möglich: ja / nein Mobilitätskonzept bis zu -30 % der Stellplätze Teil A Teil B Teil C Teil D Bild 3: Möglichkeiten der Stellplatzreduktion in Oberursel Eigene Darstellung 2019 Bild 2: Beispiele für-gute Fahrradabstellplätze Quelle: [6] 11 Leitfaden ›Fahrradabstellplätze bei Wohngebäuden‹ | Kap. 2 || schen die Fahrräder treten können (Bild 11). Bei Achsabständen von 1,0 - 1,1 m können die Personen nur parallel zu den abgestellten Fahrrädern herantreten. Diese Abstände sollten nur bei sehr beengten Flächen und Abstellplätzen für langfristig oder dauerhaft abgestellte Fahrräder von Bewohnerinnen und Bewohnern Einsatz finden (Bild 12, Bild 13). Abstellplätze an Gabelhaltern und in Doppelstockanlagen können mit Hoch-Tief-Aufstellung, bei der die Ständer abwechselnd tief und erhöht angeordnet sind, flächensparend eingerichtet werden. Zur Vermeidung eines Verhakens von Lenkern, Fahrradkörben oder Kindersitzen empfiehlt sich ein Achsabstand von 0,5 m zwischen den Ständern (Bild 14). Doppelstockanlagen in Hoch-Tief-Anordnung können je nach Ausführungsform eine Raumhöhe von 2,8 m oder mehr erfordern (Bild 15). Bild 11: Anlehnbügel zum beidseitigen Abstellen mit 1,3 m Achsabstand Bild 12: Anlehnbügel mit 1,0 m Achsabstand Wenn in den Fahrradräumen von Mehrfamilienhäusern keine Abstellplätze für die einzelnen Fahrräder eingerichtet sind, stellen die Bewohnerinnen und Bewohner die Fahrräder frei ab. Dies erschwert den Zugang zu einzelnen Fahrrädern und kann zu einer schlechten Flächenausnutzung führen. Die Flächenausnutzung lässt sich daher auch in Fahrradräumen durch fest installierte Abstellplätze verbessern. Im Keller, im Erdgeschoss oder in einer Tiefgarage sollte vor einer Bohrung in die Bodenplatte immer eine baufachliche Prüfung erfolgen, um mögliche Schädigungen und Undichtigkeiten zu vermeiden. 12 Bild 15: Doppelstockanlage in Hoch-Tief-Anordnung || Kap. 2 | Leitfaden ›Fahrradabstellplätze bei Wohngebäuden‹ 2.4 Abstellplätze für unterschiedliche Nutzergruppen und Abstelldauer Die Bauordnungen der meisten Länder verlangen bei Wohngebäuden geschlossene und witterungsgeschützte Abstellplätze wie z. B. Fahrradräume. Es empfiehlt sich, die Lage und Ausstattung der Abstellplätze weiter zu unterscheiden nach dem • langfristigen und dauerhaften Abstellen durch Bewohnerinnen und Bewohner - z. B. über Nacht oder über Winter - und • der zumeist kurzen Abstelldauer von Besucherinnen und Besuchern oder auch von Bewohnerinnen und Bewohnern, die z. B. Einkäufe in das Haus tragen. So sollten etwa die Abstellplätze für Besucherinnen und Besucher offen sein, Anlehnbügel sollten grundsätzlich in für die Radfahrerinnen und Radfahrer komfortablem Abstand zueinander angeordnet sein (Tab. 4). 2.5 Erschließung von Abstellplätzen in Keller- oder Obergeschossen Fahrradabstellanlagen in Gebäuden sollen grundsätzlich ebenerdig oder über Rampen, flach geneigte Treppenrampen oder Aufzüge erschlossen sein. Dies dient auch der leichten Zugänglichkeit für schwere Fahrräder wie z. B. Pedelecs (Bild 16). Bild 13: V-förmiger Bügel mit 1,0 m Achsabstand Bild 14: Gabelhalter in Hoch-Tief-Anordnung Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 30 INFRASTRUKTUR Stadtplanung trat getroffen. In der neuen Stellplatzsatzung von Oberursel wurde der Ablösebetrag von bislang 10.000 EUR auf 12.500 EUR angehoben. Hintergrund sind die steigenden Grundstückspreise in Oberursel und die hohen Baukosten von Stellplätzen, die bis zu 35.000 EUR betragen können. Die generierten Einnahmen der Ablöse fließen, gemäß § 52 Abs. 3 HBO, in investive Maßnahmen zur Förderung von Parkeinrichtungen sowie des ÖPNV und Radverkehrs. Qualitätssteigerung im Radverkehr In Deutschland existieren etwa 80 Millionen Fahrräder, im Schnitt besitzt jeder Deutsche ein Fahrrad. Auch eine Stellplatzsatzung muss diese Tatsache abbilden. Je attraktiver eine Abstellanlage gerade für Alltagsverkehre für Fahrräder ist, desto besser wird sie auch von Nutzerinnen und Nutzern angenommen. Daher müssen in Oberursel für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie für Wohnungen ab 90 m 2 zukünftig drei Fahrradabstellplätze je Wohnung statt bisher zwei hergestellt werden. Außerdem muss die Abstellanlage gewissen qualitativen Anforderungen genügen: • Zunächst sichern Mindestabmessungen der einzelnen Fahrradabstellplätze die Attraktivität der Benutzung. • Ausreichende Seitenabstände ermöglichen bequemes Ein- und Ausparken und verhindern, dass benachbarte Fahrräder beschädigt werden. • Die barrierefreie Erreichbarkeit der Fahrradabstellplätze muss gewährleistet sein. • Darüber hinaus steigern Witterungs- und Diebstahlschutz die Attraktivität. Nicht nur die Räder, sondern auch der Rahmen des Fahrrads muss leicht anzuschließen sein. Das gilt für sämtliche Fahrradgrößen als auch -arten wie etwa Lastenräder. Diese werden in der neuen Stellplatzsatzung über eine großzügiger bemessene Abstellfläche berücksichtigt. • Größere Abstellanlagen müssen zukünftig zu drei Vierteln mit einer Überdachung oder Einhausung versehen werden. Stellplatzherstellung in historischen Ortskernen Bereits in der bisher gültigen Stellplatzsatzung war geregelt, dass aufgrund der engen Bebauung im Altstadtbereich von Oberursel bei Wohnungen und Wohngebäuden nur 50 % der Stellplätze hergestellt werden müssen. Diese Regelung hat sich bewährt, um Nachverdichtungen (z. B. Ausbau von Dachgeschossen) sowie Sanierungsmaßnahmen zu erleichtern und auf diese Weise den historischen Siedlungskern in seiner Funktionalität zu stärken. Sie wird daher - mit einer etwas geringeren Reduktion von 20 % - auf die Ortskerne der Stadtteile Stierstadt, Weißkirchen, Bommersheim und Oberstedten sowie in all diesen Kernbereichen auf Büro- und Praxisräume, Verkaufs-, Sport- und Gaststätten sowie Handwerksbetriebe ausgeweitet. Damit wird zugleich die Gleichbehandlung der Ortsteile mit der Oberurseler Altstadt sichergestellt. Zusammenfassung Viele Stellplätze auf Privatgrund machen die Autonutzung attraktiv und induzieren oft vermeidbare Verkehre. Eine Verflüssigung der Verkehrsabläufe wird nicht erreicht, indem breitere Straßen und viele Stellplätze geschaffen werden. Eine angemessene, den örtlichen Verhältnissen sinnvoll angepasste Reduktion der Stellplatzzahl kann dagegen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten der Menschen und insbesondere der Neubürgerinnen und -bürger von Oberursel nehmen. Mit einem geplanten Umzug ändern sich neben den Rahmenbedingungen wie der Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel oder der Attraktivität des Fuß- und Radverkehrs oft auch persönliche Einstellungen, die zu einer veränderten Verkehrsmittelnutzung führen. Die neue Stellplatzsatzung [7] beinhaltet daher im Rahmen der generellen Stellplatzbaupflicht „Leitplanken“ einer Änderung und wirkt in moderatem Umfang auf sich ändernde Rahmenbedingungen ein. Als innovativer Ansatz folgt sie den aktuell beobachtbaren Trends einer Mobilitäts- und Verkehrswende, indem sie nicht nur ein geändertes Mobilitätsverhalten abbildet, sondern gleichermaßen auf dieses hinwirkt. Zugleich bedient sie sich hierfür verschiedener Ansatzpunkte, wie aus der Übersicht der Stellplatz-Reduzierungstatbestände in Bild 3 deutlich wird. Dennoch wird es auch weiterhin ausreichend Parkraum in Oberursel geben. Eine gänzliche Verdrängung des motorisierten Individualverkehrs ist an dieser Stelle (noch) nicht zielführend. Die Stellplatzsatzung definiert daher auch keine Obergrenzen: Jede Bauherrschaft kann auch weiterhin mehr Stellplätze herstellen als von der Stellplatzsatzung gefordert, um auf den vorhandenen Parkraumbedarf adäquat reagieren zu können. Gleichzeitig umfassen die Neuerungen nur zukünftige Bauvorhaben bzw. Nutzungsänderungen. Alle vorhandenen Gebäude genießen Bestandsschutz. Auch bei kleineren Vorhaben wie der Errichtung von Einfamilienhäusern haben die Überlegungen zur Stellplatzreduktion aufgrund der geringen Prozentwerte nur geringen bis keinen Einfluss. Insbesondere größere Vorhaben, die ein entsprechend hohes Verkehrsaufkommen generieren, können jedoch zukünftig von der neuen Stellplatzsatzung profitieren. Hierbei können Baukosten gesenkt, Grün- und Freiflächen geschützt und die Stellplatzherstellung sachgerechter gestaltet werden. Gerade bei größeren Vorhaben lassen sich umfassende Maßnahmen des Mobilitätsmanagements umsetzen, um so nachhaltig motorisierte Individualverkehre zu reduzieren. Letzteres wirkt sich nicht nur auf das Bauvorhaben selbst, sondern auf die gesamte verkehrliche Infrastruktur und die Lebensqualität Oberursels positiv aus. ■ QUELLEN [1] Blees, Volker: Stellplatzbaupflicht - eine 80-Jährige auf dem Mobilitätswende-Prüfstand. Vortrag beim 4. Dialogforum Rhein-Main »Wohnen leitet Mobilität« des VCD am 09. Mai 2019 in Wiesbaden [2] Blees, Volker; Topp, Hartmut: Verkehrswende auch beim Parken. In: Süddeutsche Zeitung vom 14.01.2019, S. 16 [3] Regionalverband Frankfurt RheinMain 2018: Erreichbarkeitsanalyse durchgeführt für die Stadt Oberursel (Taunus). Informationen zum Tool: www.region-frankfurt.de/ Aufgaben/ Mobilit%C3%A4t-/ Nahmobilit%C3%A4t- [4] Verkehrsverband Hochtaunus (VHT) 2014: Integrierter lokaler Nahverkehrsplan für den Hochtaunuskreis 2013-2017. Download unter: www.ve r ke h r sve r b a n d-h o c ht a u n u s .d e/ m e d i a/ Aufg a b e n/ Lokaler+Nahverkehrsplan/ Lokaler+Nahverkehrsplan+2013+_+2017p-1930.pdf [5] Leitfaden zur Satzung der Stadt Oberursel (Taunus) über Stellplätze für PKW sowie Fahrradabstellplätze: www.oberursel.de/ de/ rathaus/ stadtrecht-wahlen/ satzungen/ satzungen-1/ [6] Landeshauptstadt Potsdam 2014: Fahrradabstellplätze bei Wohngebäuden - Ein Leitfaden für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft: www.mobil-potsdam.de/ fileadmin/ user_upload/ bicycle/ documents/ Leitfaden_Fahrradabstellplaetze.pdf [7] Stadt Oberursel (Taunus): Satzung der Stadt Oberursel (Taunus) über Stellplätze sowie Fahrradabstellplätze, Stellplatz- und Stellplatzablösesatzung: www.oberursel.de/ de/ rathaus/ stadtrechtwahlen/ satzungen/ satzungen-1/ Uli Molter, Dr. phil. Abteilungsleiter Verkehrsplanung, Stadt Oberursel (Taunus) uli.molter@oberursel.de Ina Steinhauer, M. Eng. Verkehrsplanerin, Stadt Oberursel (Taunus) ina.steinhauer@oberursel.de Volker Blees, Prof. Dr.-Ing. Professor für Verkehrswesen, Hochschule RheinMain volker.blees@hs-rm.de