Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0065
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LNG - Neuer Kraftstoff für LKW und Schiffe?
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Jörg Adolf
Andreas Lischke
Gunnar Knitschky
Die Herstellung und Nutzung von verflüssigtem Erdgas bzw. Liquefied Natural Gas (LNG) als Energieträger und Kraftstoff ist technisch ausgereift. Immer strengere Umwelt- und Emssionsregulierungen führen vielfach zu der Überlegung, LNG als neuen Kraftstoff für LKW und Schiffe einzusetzen. In einer neuen Energieträgerstudie (Shell 2019) werden zum einen technische Herstellung, Verfügbarkeit und Anwendungspotenziale von LNG für Schiffe und schwere LKW untersucht. Zum anderen werden in einem ambitionierten Szenario mögliche Kraftstoffsubstitutionen sowie Treibhausgaseinsparungen quantifiziert.
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Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 64 TECHNOLOGIE Alternative Kraftstoffe LNG - Neuer Kraftstoff für-LKW und Schiffe? Alternative Kraftstoffe, Liquefied Natural Gas (LNG), Erdgas, Kraftstoff(verbrauch), Treibhausgasemissionen Die Herstellung und Nutzung von verflüssigtem Erdgas bzw. Liquefied Natural Gas (LNG) als Energieträger und Kraftstoff ist technisch ausgereift. Immer strengere Umwelt- und Emssionsregulierungen führen vielfach zu der Überlegung, LNG als neuen Kraftstoff für LKW und Schiffe einzusetzen. In einer neuen Energieträgerstudie (Shell 2019) werden zum einen technische Herstellung, Verfügbarkeit und Anwendungspotenziale von LNG für Schiffe und schwere LKW untersucht. Zum anderen werden in einem ambitionierten Szenario mögliche Kraftstoffsubstitutionen sowie Treibhausgaseinsparungen quantifiziert. Jörg Adolf, Andreas Lischke, Gunnar Knitschky L NG wird durch technische Verfahren aus Erdgas (Natural Gas) hergestellt. Es besteht entsprechend der Zusammensetzung von Erdgas hauptsächlich, das heißt zu 80 bis 90 %, aus dem gesättigten Kohlenwasserstoff Methan. Alternativ kann LNG auch aus Biomasse (Bio-Methan) sowie aus erneuerbarem Strom per Elektrolyse und anschließender Methanisierung erzeugt werden; LNG aus erneuerbaren Erzeugungspfaden ist in der Regel „reiner“, besitzt mit anderen Worten noch höhere Methananteile als fossiles LNG. Gasförmiges Erdgas bzw. Methan besitzt nur eine Dichte von 0,7 kg/ m 3 , ist also leichter als Luft. Es muss daher für den Transport, insbesondere für Anwendungen im mobilen Bereich „verdichtet“ werden. Eine Möglichkeit der „Verdichtung“ besteht in der Erdgasverflüssigung (Liquefaction). Da der Siedepunkt von Methan sehr niedrig liegt, muss Erdgas zwecks Verflüssigung auf minus 161,5 °C abgekühlt werden. Aufgrund dieser sehr niedrigen Temperatur spricht man auch von kryogenen Flüssigkeiten. Die technischen Verfahren zur Gasverflüssigung (Linde-Verfahren) wurden vor mehr als einhundert Jahren entwickelt. Heute werden meist effiziente mehrstufige Kühlprozesse mit Kühlmittelgemischen (Mixed Refrigerants) eingesetzt. Erdgasverflüssigung ist ein energieaufwändiger Prozess - für die Verflüssigung von einem Megajoule (MJ) LNG werden 0,08 MJ Energie aufgewandt. Auf längeren Versorgungsrouten ist LNG als Transportmedium jedoch meist günstiger als der Pipelinetransport mit Kompressorstationen. Die mittlere Dichte von LNG liegt bei 450 kg/ m 3 ; es ist also etwa halb so schwer wie Dieselkraftstoff (832 kg/ m 3 ) oder Schweröl (970 kg/ m 3 ). Die gravimetrische bzw. volumetrische Energiedichte von LNG liegt bei 50 MJ/ kg bzw. 21 MJ/ l gegenüber 43 MJ/ kg und 36 MJ/ l bei Dieselkraftstoff sowie 40 MJ/ kg bzw. 40 MJ/ l bei Schweröl. Es ist deutlich kompakter als komprimiertes Erdgas (7 MJ/ l), siehe Bild 1. Als Kraftstoff für den Straßenverkehr fällt LNG in der EU unter die im Jahr 2017 verabschiedete Kraftstoffnorm EN 16732-2 für Erdgas und Biogas. Supply Chain und Infrastruktur für-LNG Zurzeit dominiert in der LNG-Versorgung das Hub and Spoke-Modell mit zentraler Verflüssigung in industriellen Großanlagen (LNG Trains), Transport und Weiterverteilung. Weltweit existieren Erdgas-Verflüssigungskapazitäten für LNG (Liquefaction Plants) in Höhe von nominal rund 370 Mio. t LNG (IGU 2018). Nach dem Transport mit Tankfrachtern wird am Zielort das LNG in speziellen Rückvergasungsterminals (Regasification Units) wieder in gasförmigen Zustand gebracht. Meist handelt es sich um größere, fest installierte Anlagen. Weltweit gibt es heute rund 140 Rückvergasungsterminals mit Empfangskapazitäten von rund 850 Mio. t LNG (IGU 2018). Interregional gehandelt wurden zuletzt 230 Mio. t LNG (IEA 2018). Im Gegensatz zu den Large-Scale-LNG- Anlagen zur Verflüssigung und Rückvergasung erfordern neue LNG-Endverbraucheranwendungen im Mobilitätsbereich deutlich kleinteiligere Einheiten für die Verteilung und Versorgung mit LNG. Die Verkleinerung (Miniaturisierung) der bisher großskaligen LNG-Aktivitäten wird auch Small-Scale-LNG oder Retail-LNG bezeichnet. Der Aufbau einer solchen LNG- Infrastruktur für Schiffe und schwere LKW wird europaweit entsprechend der EU- Richtlinie EU/ 94/ 2014 (EP/ Council 2014) vorangetrieben; bis zum Jahr 2025 soll europaweit eine hohe Verfügbarkeit von LNG in Seehäfen und entlang des TEN-T-Verkehrsnetzes gewährleistet werden. Die EU-Staaten verfügen zurzeit bereits über mehr als 200 LNG-Tankstellen. Zudem gibt es eine größere und wachsende Anzahl von Small-Scale-LNG-Import-, LNG-Export-, LNG-Verflüssigungsanlagen und über 1.000 LNG-Kleinlager. Für Schiffe gibt es in Europa zurzeit 40 bis 50 LNG- Bunkerstationen. 0 10 20 30 40 50 60 10 20 30 40 50 Energiedichte in MJ/ l Energiedichte in MJ/ kg 0 JEC 2014b; eigene Berechnungen HFO Diesel Shell GTL LNG CNG Erdgas Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 1 13.07.19 11: 08 Bild 1: Übersicht der unterschiedlichen Energiedichte von Kraftstoffen Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 65 Alternative Kraftstoffe TECHNOLOGIE LNG als Kraftstoff für schwere LKW und Schiffe Zu den potenziellen Haupt-Anwendungsfeldern von LNG gehören die Seeschifffahrt und der Straßengüterfernverkehr mit schweren LKW. Im Straßengüterverkehr kommen zum einen 350.000 schwere LKW der Größenklasse über 16 t zulässigem Gesamtgewicht, zum anderen 1,8 Mio. Sattelzugmaschinen als potenzielle LNG-Nutzer in Frage. Zurzeit gibt es in der EU etwa 4.000 LNG-Fahrzeuge, hauptsächlich LKW und Sattelzugmaschinen sowie einige Busse. Für die schweren LNG-LKW gibt es derzeit zwei unterschiedliche Arten von Motortechnologien, die die aktuellen europäischen Abgas-Emissionsstandards EURO VI erfüllen. Das stöchiometrische Spark-Ignition-Motorenkonzept (SI) lässt sich sehr gut mit Erdgas bzw. LNG (wegen der hohen Methanzahl) realisieren. Der SI-Motor ermöglicht durch den Einsatz von Drei-Wege-Katalysatoren eine kostengünstige Abgasnachbehandlung. Der Wirkungsgrad des SI-Motors ist geringer als bei einem Dieselmotor. Im Vergleich zum Diesel-LKW würde ein LNG-LKW mit SI-Motor im Mittel bis zu 18 % mehr Energie benötigen. Die Idee des Hochdruck-Direktinjektions-Motors (High Pressure Direct Injection, HPDI) ist es, mit einer kleinen Menge Dieselkraftstoff die Selbstzündung zu initiieren und dann in die entstehende Flamme das Methan einzudüsen. Der Dieselanteil am Kraftstoffverbrauch liegt zwischen 5 und 10 % des Gesamtverbrauchs. Die Abgasnachbehandlung erfolgt in gleicher Weise wie bei einem normalen Dieselmotor. Da ein HPDI- Motor wie ein Dieselmotor arbeitet, benötigt ein LKW mit HPDI-Motor lediglich ca. 3 bis 4 % mehr Energie als ein konventioneller Dieselmotor. Da die verbrennungsbedingten Treibhausgasemissionen von LNG gegenüber Diesel um 23 % niedriger liegen, kann LNG bei beiden Motorenkonzepten zu direkten Treibhausgaseinsparungen führen. Alle LNG-LKW erfüllen die EURO-VI-Norm und haben daher auch keine relevanten Methanemissionen (EU-Grenzwert 0,5 g kWh). SI-Motoren würden jetzt schon eine weitere Verschärfung der Abgas-Emissionslimits erfüllen und sind zudem deutlich leiser als Diesel-LKW. In der Seeschifffahrt wird LNG weltweit bereits von 128 Seeschiffen sowie darüber hinaus von 230 LNG-Carriern und LNG- Tankern verwendet. Es wird davon ausgegangen, dass diese Anzahl durch Schiffsneubauten und - in geringem Umfang - auch durch Umbauten (Retrofits) weiter ansteigt. Besonders für den Umbau geeignet sind dabei Schiffe, die bereits beim Neubau „LNGready“ konzipiert werden. Als potenzielle LNG-Nutzer kommen Fähren und Kreuzfahrtschiffe, Containerschiffe und Tanker in Frage; denn diese laufen in der Regel nur bestimmte Häfen an bzw. sind in Linienverkehren unterwegs. In Bezug auf Schiffsmotoren existieren sowohl für Zweials auch für Viertaktmotoren jeweils zwei Erdgas-Motorenkonzepte, die in Abhängigkeit von den erforderlichen Leistungsanforderungen eingesetzt werden (Tabelle 1). Durch den Einsatz von LNG können die Schadstoffemissionen der Schifffahrt deutlich verringert werden. Die direkten Treibhausgasemissionen können ebenfalls (um 32 % gegenüber Schweröl) reduziert werden. Jedoch ist der bei der Verbrennung auftretende Methanschlupf ein Nachteil, der die real einsparbaren Treibhausgasemissionen wieder verringert. LNG-Flottenszenarien schwere LKW und Schiffe Mit Hilfe von Szenariotechnik kann aufgezeigt werden, wie sich LNG als Kraftstoff für schwere LKW in der EU und für den weltweiten Schiffsverkehr bis zum Jahr 2040 etablieren und welche differenziellen Auswirkungen sich hieraus für Kraftstoffverbrauch und Treibhausgasemissionen ergeben könnten. Unterstellt wird ein ambitioniertes antriebs-/ kraftstoffspezifisches Alternativszenario (Pro-LNG-Szenario). Für die schweren LKW wird angenommen, dass der LNG-Anteil bei den Neuzulassungen im Jahr 2040 EU-weit auf 75.000 Einheiten ansteigt. Am Ende ergibt sich ein Bestand von rund 480.000 schweren LNG- Bild 2: Large-Scale-LNG-Terminals und Tankstellen in Europa LNG Terminal 31 41 6 13 10 24 5 5 1 1 2 50 1 1 8 9 LNG-Tankstellen Stand Juli 2019 NGVA 2019 Für Tankstellen: Europe LNG Map GIE 2018 Für Terminals: 1 Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 2 13.07.19 11: 10 Zweitakt Viertakt Otto DF Diesel DF Otto DF Gasmotor Zündung Piloteinspritzung Piloteinspritzung Piloteinspritzung Zündkerze Mindest-Methanzahl 65 N/ A 70 70 Maximale Zylinderleistung 5.320 kW 6.100 kW 1.150 kW 475 kW Mischbetrieb möglich? Ja Ja Ja Nein IMO TIER III Diesel Mit AGR / SCR Mit AGR / SCR Mit AGR / SCR N/ A IMO TIER III Gas Ja Mit AGR / SCR Ja N/ A Methanschlupf Ja Vernachlässigbar Ja Wenig Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 3 13.07.19 11: 08 Tabelle 1: Motorenkonzepte für LNG-Schiffsmotoren (Quelle: eigene Darstellung auf Grundlage von Herstellerangaben) Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 66 TECHNOLOGIE Alternative Kraftstoffe LKW in 2040, bestehend aus 20.000 LKW und 460.000 Sattelzugmaschinen. Rund 17 % aller rund 2,8 Mio. schweren LKW wären 2040 dann als Fahrzeuge mit LNG-Antrieb ausgestattet. Die Bestandsprognose für die Schifffahrt bis 2040 wird - ausgehend von Neubauten und Verschrottungsraten - differenziert nach Schiffstypen vorgenommen; das sind im Einzelnen Mehrzweckfrachter, Containerschiffe, Massengutfrachter, Öltanker sowie Passagier- und Kreuzfahrtschiffe. Der Schiffsbestand der weltweiten Handelsflotte nimmt bei den betrachteten Schiffsklassen im Szenario um gut ein Zehntel von heute rund 51.000 auf 56.500 Einheiten im Jahr 2040 zu; die dynamischste Schiffsklasse ist das Containerschiff. Der Bestand der LNG-Schiffe wächst bis 2040 deutlich rascher als der Gesamtbestand - auf rund 6.000 Schiffe. Führend sind auch hier die Containerschiffe (2.200 Einheiten) sowie Passagier- und Kreuzfahrtschiffe mit 600 Einheiten. Basierend auf eigenen Annahmen zu den einzelnen Schiffstypen ergibt sich die nachfolgende weltweite Entwicklung für die maritime Seeschifffahrt (Bild 4). LNG-Kraftstoffnachfrage von schweren LKW und Schiffen Für die Ermittlung des Kraftstoffverbrauches von schweren LKW wurde unterstellt, dass sich deren Effizienz bis zum Jahr 2040 um bis zu 35 % bei Neufahrzeugen verbessert und in den Bestand einphast. Wird ein Otto/ Gasmotor unterstellt, steigt der LNG-Bedarf auf etwa 9,7 Mio. t im Jahr 2040 bei schweren LKW an. Ein LKW mit HPDI-Motor verbraucht aktuell etwa 11 % weniger Endenergie als ein LKW mit Otto/ Gasmotor. Bei der HPDI-Variante fällt die LNG-Nachfrage folglich mit 8,2 Mio. t im Jahr 2040 geringer aus. Die 480.000 Diesel-LKW hätten im Jahre 2040 ansonsten 11,5 Mrd. l (SI-Motor) bzw. 10,9 Mrd. l (HPDI-Motor) Dieselkraftstoff verbraucht. Zusätzlich benötigt der HPDI-Motor noch Dieselkraftstoff als Zündgeber - im Jahr 2040 wären dies 644 Mio. l. Für die Abschätzung des maritimen Kraftstoffverbrauchs wurde unterstellt, dass der Energy Efficiency Design Index (EEDI) für Schiffsneubauten implementiert wird; jedoch ergibt sich im betrachteten Zeitraum aufgrund von Größen(klassen)-verschiebungen keine weitere grundsätzliche Effizienzverbesserung bei den Schiffsantrieben. Bild 6 zeigt, wie viel LNG im betrachteten Zeitraum jährlich von den Beständen der einzelnen Schiffstypen verbraucht wird. Insgesamt ist ein LNG-Verbrauch von ca. Bild 3: Trendentwicklung für Bestand und Neuzulassungen in der EU für schwere LKW 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 Eurostat 2018a; eigene Berechnung 50 100 150 200 250 300 Eurostat 2018b; eigene Berechnung 2016 2020 2030 2040 2016 2020 2030 2040 BESTAND in Mio. NEUZULASSUNGEN in Tsd. Ohne LNG Mit LNG Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 4 13.07.19 11: 08 BESTAND Gesamt 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 2018 2025 2030 2035 2040 2018 2025 2030 2035 2040 BESTAND LNG 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 Fähren Kreuzfahrt Tanker Massengut Container Mehrzweck Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 5 13.07.19 11: 08 Bild 4: Entwicklung Schiffsbestände der weltweiten Handelsflotte 2025 2030 2035 2040 2025 2030 2035 2040 0 2 4 6 8 10 Mio. t LNG pro Jahr Einsparungen in Mrd. Liter Diesel pro Jahr Otto/ Gasmotor HPDI 2 4 6 8 10 Mio. t LNG pro Jahr Einsparungen in Mrd. Liter Diesel pro Jahr Otto/ Gasmotor HPDI -12 -10 -8 -6 -4 -2 0 -2,3 -2,2 -5,1 -4,8 -7,8 -2,2 -11,5 -10,9 -12 -10 -8 -6 -4 -2 -2,3 -2,2 -5,1 -4,8 -7,8 -2,2 -11,5 -10,9 Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 6 13.07.19 11: 08 2025 2030 2035 2040 0 50 100 150 200 Mio. t LNG 181,7 140,5 99,4 58,3 -250 Mio. t Einsparungen LS -HFO pro Jahr -200 -150 -100 -50 0 -72,5 -123,6 -174,7 -225,8 Fähren Kreuzfahrt Tanker Massengut Container Mehrzweck Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 7 13.07.19 11: 08 Bild 5: Kraftstoffnachfrage schwere LNG-LKW in der EU Bild 6: Kraftstoffnachfrage globale LNG-Schiffsflotte Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 67 Alternative Kraftstoffe TECHNOLOGIE 180 Mio. t bis 2040 möglich. Rund drei Viertel oder knapp 140 Mio. t LNG werden aufgrund ihres hohen spezifischen Kraftstoffverbrauches von den Containerschiffen konsumiert. Durch diese 180 Mio. t LNG werden im Jahre 2040 rund 226 Mio. t Schweröl ersetzt. Veränderungen bei Treibhausgasemissionen Basierend auf energieträgerspezifischen Treibhausgasfaktoren (JEC 2014a) ergeben sich für schwere LKW - in Abbhängigkeit von der verwendeten Motorenvariante - die in Bild 7 dargestellten Einsparungen bei Treibhausgasen. Die Treibhausgaseinsparungen wurden sowohl für die Nutzung von rein fossilem LNG als auch für einen 30-%-Anteil von Bio-LNG kalkuliert. Bei Verwendung von rein fossilem LNG in SI-Motoren ergeben sich im Jahr 2040 Einsparungen von EU-weit 3,7 Mio. t bei den direkten CO 2 -Emissionen (Tank-to- Wheel), davon abzuziehen ist ein Methanschlupf von umgerechnet etwa 0,5 Mio. t Treibhausgas. Über die gesamte LNG- Kraftstoffkette (Well-to-Wheel) werden 1,2- Mio. t Treibhausgas weniger emittiert gegenüber schweren Diesel-LKW. Durch die Verwendung von HPDI-Motoren erhöht sich dieses THG-Einsparpotenzial im Jahre 2040 auf 6,2 Mio. t CO 2 Tank-to-Wheel abzüglich etwa 0,5 Mio. t durch Methanschlupf. Well-to-Wheel ergeben sich Einsparungen von 4,7 Mio. t Treibhausgas. Durch den Einsatz einer 30 %-igen Bio- LNG-Quote lassen sich die Treibhausgaseinsparungen von LNG über die gesamte LNG-Kraftstoffkette noch einmal je nach Motorvariante auf 8,4 Mio. t bzw. 10,7 Mio. t im Jahr 2040 erhöhen; dies entspricht einer zusätzlichen Treibhausgaseinsparung von etwa 20 %. Durch noch höhere Bio-LNG- Beimischungen könnten noch höhere Treibhausgaseinsparungen gegenüber fossilem LNG und somit auch gegenüber Dieselantrieben erreicht werden - maximal 29 % Emissionseinsparungen beim HPDI- Antrieb. Bei Schiffen ergeben sich die in Bild 8 dargestellten Einsparpotenziale für Treibhausgasemissionen. Durch die LNG-Einphasung in die Schiffsflotte können Tank-to-Wheel beachtliche Einsparungen in Höhe von 230 Mio. t in 2040 erreicht werden; abzüglich eines geschätzten Methanschlupfes in Höhe Mio. t THG-Einsparungen pro Jahr Otto/ Gas HPDI Otto/ Gas HPDI Otto/ Gas HPDI Otto/ Gas HPDI -12 -10 -8 -6 -4 -2 0 WtW THG WtW THG mit Bio-LNG TtW CO 2 TtW CO 2 verringerte Reduktion infolge Methanschlupf 2025 2030 2035 2040 Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 8 13.07.19 11: 08 Bild 7: Einsparpotenzial bei Treibhausgasemissionen durch schwere LNG-LKW im Vergleich zu Diesel-LKW Internationales Verkehrswesen (71) 3 | 2019 68 TECHNOLOGIE Alternative Kraftstoffe von 1 % der eingesetzten LNG-Menge von 54 Mio. t verbleiben noch 176 Mio. t direkte Emissionseinsparungen. Da fossiles LNG etwas höhere Treibhausgasemissionen in der Vorkette verursacht als Schweröl, betragen die Well-to-Wheel-Einsparungen immerhin noch 132 Mio. t in 2040. Fazit Die Ergebnisse der Shell LNG-Studie (Shell 2019) zeigen sowohl bei schweren LKW als auch bei Schiffen signifikante Potenziale, ölbasierte Kraftstoffe zu substituieren und verkehrsbedingte Emissionen zu reduzieren. Bei schweren LKW können insbesondere durch den Einsatz von erneuerbar hergestelltem LNG (BioLNG oder PTLNG) signifikante Treibhausgaseinsparungen erzielt werden. In der Schifffahrt erreicht bereits fossiles LNG wesentliche Treibhausgaseinsparungen; hinzu kommen sehr deutliche Minderungen von schifffahrtsbedingten Luftschadstoffemissionen. Um die Treibhausgasreduktionen im Straßengüterverkehr zu realisieren, sollten Anlagen zur Produktion von erneuerbarem Methan gefördert werden; BioLNG kann ggfs. dem fossilen LNG in beliebigen Volumenanteilen beigemischt werden. Weiterhin ist zur flächendeckenden Distribution die Errichtung von LNG-Small-Scale-Anlagen und -Infrastruktur zu verstärken. Dabei hilft es, effiziente Genehmigungsverfahren für LNG-Retailprojekte zu realisieren. LNG-Anwendungen im KMU-Bereich sind in der Markthochlaufphase zu fördern. Schlussendlich kann durch technologieneutrale Anreize - wie eine zunehmende CO 2 - Bepreisung - emissionsarmes LNG für die Transportunternehmen und Reeder attraktiver werden. Den Methanschlupf von im Schiffsverkehr verwendeten Motoren gilt es, durch technische Weiterentwicklungen zu minimieren. ■ LITERATUR EP/ Council 2014: European Parliament (EP)/ Council, Directive 2014/ 94/ EU on the deployment of alternative fuels infrastructure, in: Official Journal of the European Union, Brussels, Oct. 28 th 2014, L307/ 1-20. Eurostat 2018a: Datenbank Reihe Verkehr, Zugmaschinen nach Art der Antriebsenergie, am 31.12. des Jahres, 1970-2013 (road_eqs_ roaene_h), 2013-2016 (road_eqs_roaene). Letzte Aktualisierung der Daten: 19.4.2018. https: / / ec.europa.eu/ eurostat/ data/ database Eurostat 2018b: Datenbank Reihe Verkehr, Erstzulassungen von Zugmaschinen nach Art der Antriebsenergie 1979-2012 (road_eqr_tracm), 2013-2016 (road_eqr_tracmot). Letzte Aktualisierung der Daten: 19.4.2018. https: / / ec.europa.eu/ eurostat/ data/ database GIE 2018: Gas Infrastructure Europe (GIE), LNG MAP 2018. Existing and planned infrastructure 2018, status of Oct. 2018, Brussels 2018 IEA 2018: International Energy Agency (IEA), World Energy Outlook, Paris 2018 IGU 2018: International Gas Union (IGU), 2018 World LNG Report - 27 th World Gas Conference Edition, Barcelona 2018; www.igu.org JEC 2014a: Joint Research Center of the European Commission, Eucar and Concawe (JEC), Well-to-Tank Report. Version 4.0, Luxemburg 2014. JEC 2014b: Joint Research Center of the European Commission, Eucar and Concawe (JEC), Well-to-tank Appendix 1 - Version 4a, Luxemburg 2014 NGVA 2019: Natural & bio Gas Vehicle Association (NGVA Europe), LNG stations map. https: / / www.ngva.eu/ stations-map Shell 2019: Shell, Shell LNG-Studie, Verflüssigtes Erdgas - Neue Energie für Schiff und Lkw? Hamburg 2019 -250 -200 -150 -100 -50 0 2025 WtW TtW 2030 WtW TtW 2035 WtW TtW 2040 WtW TtW Mio. t THG-Einsparungen pro Jahr Durch Methanschlupf reduzierte Einsparung Grafiken_LNG_Studie_Juli_2019.indd 9 13.07.19 11: 08 Bild 8: Einsparpotenzial von Treibhausgasemissionen bei Schiffen Alle Balkengrafiken: eigene Darstellungen Andreas Lischke, Dipl.-Ing. Gruppenleiter, DLR, Institut für Verkehrsforschung, Abt. Wirtschaftsverkehr, Berlin andreas.lischke@dlr.de Gunnar Knitschky, Dipl.-Volksw. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DLR, Institut für Verkehrsforschung, Abt. Wirtschaftsverkehr, Berlin gunnar.knitschky@dlr.de Jörg Adolf, Dr. Chefvolkswirt Shell Deutschland Oil GmbH, Hamburg joerg.adolf@shell.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de
