eJournals Internationales Verkehrswesen 71/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0077
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2019
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Digitalisierung und innovative Antriebstechnologien

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Johannes Max-Theurer
Johann Dumser
Die Digitalisierung sowie der Einsatz innovativer Antriebstechnologien sind bei der Instandhaltung des Eisenbahn-Fahrweges bereits Realität. Dies bietet nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem ökologische und ergonomische Vorteile. Damit wird das zukunftsträchtige System Bahn weiterentwickelt und für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch attraktiver.
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Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 26 Digitalisierung und innovative Antriebstechnologien Strategien und Rahmenbedingungen für die Instandhaltung des Eisenbahn-Fahrweges Innovative Antriebe, Ausbildung, Digitalisierung, System Bahn Die Digitalisierung sowie der Einsatz innovativer Antriebstechnologien sind bei der Instandhaltung des Eisenbahn-Fahrweges bereits Realität. Dies bietet nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem ökologische und ergonomische Vorteile. Damit wird das zukunftsträchtige System Bahn weiterentwickelt und für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch attraktiver. Johannes Max-Theurer, Johann Dumser D ie Anforderungen an die Mobilität von heute zeigen die Stärken des Systems Bahn deutlich auf. Ansprüche wie umweltschonendes und autonomes Fahren werden durch die Eisenbahn bereits seit Jahrzehnten umgesetzt. Dann gibt es natürlich auch das Thema Digitalisierung. Diese Technologien halten heute nicht nur beim Betrieb der Bahnen Einzug, sondern auch bei der Errichtung und Instandhaltung der benötigten Infrastrukturen. Vor allem im Bereich der Gleisbauarbeiten haben sich in den letzten beiden Jahren viele Weiterentwicklungen etabliert. Das ist auch unbedingt notwendig, denn der Fachkräftemangel setzt der gesamten Baubranche und vor allem dem Gleisbau mit den sehr exponierten Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen zu [1]. Daher gilt es, Nachwuchskräfte und Quereinsteiger nicht nur mit neuen Technologien und verbesserten Rahmenbedingungen, sondern auch adäquaten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für das System Bahn zu begeistern. Bei den zuvor beschriebenen Entwicklungen ist es nach wie vor erforderlich, die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems Bahn zu verbessern. Auch wenn aufgrund des Klimawandels der Ruf nach höheren Investitionen in das umweltfreundliche System Bahn laut wird, so fordern gemäß einer Studie der Allianz pro Schiene „drei von vier Maschinen, Flotte und Infrastruktur im „smarten Verbund“ Alle Bilder: Plasser & Theurer INFRASTRUKTUR Instandhaltung Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 27 Instandhaltung INFRASTRUKTUR Deutschen bei Investitionen Vorrang für Schiene statt für Straße“ [2], steht der schienengebundene Verkehr im Wettbewerb zu anderen Verkehrsträgern (Bild 1). Auf den nächsten Seiten stellen wir die aktuellsten Entwicklungen in den Bereichen Digitalisierung im Gleisbau, innovative Antriebstechnologien sowie Aus- und Weiterbildung dar - und dies im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verbesserung des Gesamtsystems. Die Digitalisierung des Systems Bahn Die Entwicklungen der Digitalisierung haben längst unseren Alltag durchdrungen. Wir buchen und bestellen unsere Beförderungsmittel, den Urlaub, das Abendessen und sämtliche Güter für den Alltag bereits bequem und rasch mittels Smartphone. Mittlerweile sind auch im Eisenbahnsektor die aus der Digitalisierung entstehenden Veränderungs- und Gestaltungsmöglichkeiten deutlich zu erkennen. Der Fahrweg wird digitalisiert, Maschinen werden „smart“ und arbeiten zunehmend automatisiert und vernetzt, die Nachmessung erreicht ein neues Niveau an Transparenz. Aus Sicht der Maschinenflotte steigt die Prozesssicht, für die Eisenbahninfrastruktur leisten all diese Entwicklungen einen Beitrag zur Steigerung der Qualität, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. So entwickelt Plasser & Theurer schienengebundene Bau- und Instandhaltungsmaschinen zu wahren Multifunktionswundern weiter (siehe großes Bild): Aufbauend auf jahrzehntelanger Erfahrung in der Bahnbaumaschinen-Herstellung, sollen moderne Sensorik und künstliche Intelligenz für jede Situation die beste Lösung ermöglichen [3]. Smart Tamping - mit dem neuen Weichenstopf-Assistenzsystem Da s Weich e n stopf -A s s i ste nz s y ste m „PlasserSmartTamping - The Assistant“ markiert einen wichtigen Schritt zur weiteren Automatisierung von Stopfmaschinen [4]. Das Assistenzsystem dient der automatisierten Unterstützung von Stopfarbeiten in Weichen und Kreuzungen. Das System erarbeitet selbstständig komplette Handlungsempfehlungen, die der Bediener vor der eigentlichen Aktion bestätigen muss und so zunehmend zum Prozessüberwacher wird, der nur in Ausnahmefällen manuell eingreift (Bild 2). Durch das neue Aufzeichnungsmodul kann eine völlig neue Art der Nachmessdokumentation zur Verfügung gestellt werden. Transparenz, Arbeitsqualität und Prozesssicherheit werden damit gesteigert. Bei der Entwicklung des Weichenstopf-Assistenzsystems war es erstmals Sollte zukünftig stärker in den Ausbau des Schienen- oder des Straßenverkehrs investiert werden? Eher mehr in Schienenverkehr Deutlich mehr in Schienenverkehr 45,7% 30,4% 21,9% 2,0% In beides gleich viel Eher mehr in Straßenverkehr Deutlich mehr in Straßenverkehr Weiß nicht Quelle: Allianz pro Schiene | 07/ 2019 | repräsentative Civey-Umfrage (225.514 Teilnehmer) | Stand: 29.7.2019 | 2,5% statistische Fehlertoleranz Lizenz: Nutzung frei für redaktionelle Zwecke unter Namensnennung 10% 20% 30% 40% 50% Bild 1: Immer mehr Menschen fordern höhere Investitionen in das System Bahn. Quelle: Allianz pro Schiene Bild 3: Der Dynamic Stopfexpress 09-4X E 3 ist die weltweit erste Hybrid- Stopfmaschine. Bild 2: Weichenstopf-Assistenzsystem „PlasserSmartTamping - The Assistant“ Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 28 INFRASTRUKTUR Instandhaltung möglich, die kompletten Softwaremodule für Stopfmaschinen nicht mehr „an der Maschine“, sondern am Weichenstopf-Simulator zu entwickeln. In einer erweiterten „Hardware in the Loop“-Anwendung wurde das Weichenstopf-Assistenzsystem im Zusammenspiel mit dem Simulator entwickelt und auch dort getestet. Die kurze Entwicklungszeit ist auf dieses neue Verfahren zurückzuführen. Ohne die Nutzung des Weichenstopf-Simulators wäre eine Produktentwicklung ohne Beschädigung von Oberbaumaterialien wohl nicht zu erreichen gewesen. Innovative Antriebstechnologien für Nachhaltigkeit und Umweltschutz Neuerdings nutzen Gleisbaumaschinen die elektrische Energie aus dem Fahrdraht sowie Akkupower für den Arbeitsantrieb [5]. Seit 2015 stehen „E 3 -Maschinen“ von Plasser & Theurer für: Economic - Ecologic - Ergonomic (Bild 3): E 3 -Antriebstechnologien reduzieren die lokalen Emissionen - Schadstoffe und Lärm - auf der Baustelle gegen null und begegnen so aktuellen und künftigen Herausforderungen in den Bereichen Umweltschutz, Arbeitnehmerschutz und Bedienerfreundlichkeit, Verschärfung der zulässigen Schadstoffgrenzwerte, Senkung der Einsatz- und Betriebsmittelkosten, Bauarbeiten im Tunnel und innerstädtischer Arbeitsbetrieb. Durch die vollelektrische Ausführung von Maschinen, bei der nicht nur die Energieversorgung elektrisch über die Oberleitung erfolgt, sondern auch die Energieübertragung, ergeben sich weitere Vorteile. Während bei konventionellen hydraulischen Systemen bei der Energieübertragung, speziell bei langen Schlauchwegen, hohe Verluste durch Reibungswiderstände und Wärmeentwicklung entstehen, wird bei der elektrischen Energieübertragung die Effizienz im Gesamtsystem gesteigert. Auch der Fahrantrieb der Maschine ist nunmehr elektrisch. Die neuen elektrischen Achsantriebe weisen gegenüber den hydraulischen eine deutlich verbesserte Kraftübertragung auf und benötigen weniger Leistung. So verfügen die Stopfaggregate des Unimat 09-4x4/ 4S E 3 (Bild 4) erstmals über einen elektrischen Vibrationswellenantrieb mit schnellerem Ansprechverhalten, präziserer Regelbarkeit, leiserem Betrieb und geringerem Leistungsbedarf. Sowohl im Innenraum als auch in der Außenwirkung erzielen diese Neuerungen einen völlig neuen und deutlich aufgewerteten Erlebnischarakter. Das bedeutet einen Mehrwert für Personal und Anrainer - außerdem erleichtern attraktive ergonomische Arbeitsplätze das Recruiting für Maschinen-Personal. Elektrische Energieversorgung über die Oberleitung steigert die Effizienz Die E 3 -Technologie reduziert die Betriebskosten durch höheren Wirkungsgrad, Einsatz von Bahnstrom und Reduktion fossiler Treib- und Schmierstoffe. Eine Jahresbilanz aus der Schweiz belegt ein Einsparungspotenzial von 135 Euro pro Stunde Einsatz - und das bei einer CO 2 -Verminderung von 27 t pro 100 Stunden. Ökologische Vorteile durch gleisgebundene Fließbandverfahren Das System Eisenbahn erfüllt auch und gerade nach 180 Jahren alle Merkmale nachhaltiger und damit zukunftsorientierter Mobilität. Der gleisgebundene Umbau des Gleisrostes inklusive der Aufbereitung des Schotters und Verbesserung des Unterbaus kann heute um bis zu 40 % ökologischer und damit nachhaltiger als die konventionelle Methode durchgeführt werden [6]. Zukunftsfähige Qualität des Bauens und Instandhaltens braucht Maßnahmen mit dem Ziel der Schonung von mineralischen und energetischen Ressourcen, der Reduzierung von Emissionen und des Schutzes von Natur und Umwelt. Dies insbesondere bezüglich der Wiederverwendung der Altstoffe, der Reduzierung der Emissionen bei Maschinen und Fahrzeugen und Reduktion von CO 2 , Feinstaub, Stickstoffoxiden (NOx) und der Beanspruchung der Infrastruktur (Bild 5). Bildung für das System Bahn Der Fachkräftemangel im Bereich der Eisenbahnberufe ist Fakt. Dieser erstreckt sich vom Eisenbahningenieur bis hin zum Facharbeiter in allen Bereichen der Eisenbahnin- Bild 5: Ökobilanz der Umbauverfahren, gleislos versus gleisgebunden Bild 4: Stopfaggregate des Unimat 09-4x4/ 4S E 3 mit elektrischem Vibrationswellenantrieb Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 29 Instandhaltung INFRASTRUKTUR frastruktur und des Eisenbahnbetriebs. Insofern ist es positiv, dass sich gerade in jüngster Vergangenheit vermehrt Bildungsträger am Markt etablieren. Es werden immer mehr Unternehmen gegründet, die sich der Aus- und Weiterbildung in diversen Bereichen des Eisenbahnwesens widmen. Angefangen vom Zulieferer für Bahnkomponenten über Bahnbauunternehmen bis hin zu Eisenbahnverkehrsunternehmen werden entweder in Kooperationen oder als eigene Sparte innerhalb der Unternehmen Ausbildungsstätten - meist unter dem Titel „Akademie“ - gegründet bzw. aufgebaut. Das Ziel solcher Initiativen besteht zunächst darin, das im Unternehmen vorhandene Knowhow an Nachwuchskräfte weiterzugeben und somit den eigenen Nachwuchs zu fördern. Allerdings bieten nur die wenigsten davon herstellerunabhängige Aus- und Weiterbildungsprogramme. PMC Rail International Academy [7] gehört zu den ersten Bildungsträgern, die mit herstellerunabhängigen Aus- und Weiterbildungsangeboten rund um die gesamte Eisenbahninfrastruktur neue Akzente setzen. Durch den Einsatz interaktiver Lehrmethoden werden rasche Lernerfolge erzielt. Deshalb hat sich PMC Rail International Academy auf den Einsatz von modernen 3D-Simulationstechniken und eigens entwickelten Lehrständen spezialisiert (Bild 6). Zusammenfassung Die Digitalisierung sowie der Einsatz innovativer Antriebstechnologien sind bei der Instandhaltung des Eisenbahn-Fahrweges bereits Realität. Dies bietet nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem ökologische und ergonomische Vorteile. Damit wird das zukunftsträchtige System Bahn weiterentwickelt und für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch attraktiver. ■ LITERATUR [1] Rail Business, 13.05.2019 [2] Pressemitteilung Allianz pro Schiene, 31.07.2019 [3] Max-Theurer, Johannes; Auer, Florian: Alte Regeln gelten nicht. In: ETR, Dezember 2018, Seite 26 ff [4] Auer, Florian; Buchbauer, David; Bürger, Martin; Theiss, Andreas; Jodlbauer, Georg; Zauner, Gerald: Smart Tamping - Anwendungsmöglichkeiten des Weichenstopf-Assistenzsystems. In: ZEVrail 142 (2018), Seite 38 ff [5] Hauke, Roman; Steinwenker, Hannes; Rebek Jürgen: E 3 - elektrisierende Technologie für Gleisbaumaschinen. In: Der Eisenbahningenieur, Dezember 2017, Seite 18 ff [6] Klügel Silvio, Lieberenz Klaus: Nachhaltigkeit und Ökologie im Eisenbahnbau. In: ETR, Mai 2017, Seite 26 ff [7] Intini, Antonio; Friedl, H. Peter: Herstellerunabhängige Ausbildung für das System Bahn, In: Der Eisenbahningenieur, Special Edition Rail Training, April 2017, Seite 16 ff Johannes Max-Theurer, CEO, Plasser & Theurer, Export von Bahnbaumaschinen, Gesellschaft m.b.H., Linz export@plassertheurer.com Johann Dumser, Director Marketing and Communications, Plasser & Theurer, Export von Bahnbaumaschinen, Gesellschaft m.b.H., Wien export@plassertheurer.com Bild 6: Einsatz moderner 3D-Simulationstechnik für raschere Lernerfolge Lesen Sie Internationales Verkehrswesen und International Transportation lieber auf dem Bildschirm? Dann stellen Sie doch Ihr laufendes Abo einfach von der gedruckten Ausgabe auf ePaper um - eine E-Mail an service@trialog.de genügt. Oder Sie bestellen Ihr neues Abonnement gleich als E-Abo. 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