Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0079
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2019
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Optimierung der Passagierabfertigung an Flughäfen während Strommangellagen
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2019
Lisa-Marie Brause
Andrei Popa
Tobias Koch
In den letzten Jahren hatten Stromausfälle an verschiedenen Flughäfen gravierende Folgen, die bis zu einem Flugbetriebsstillstand führten. Während dieser Situationen kam es vor allem im Flughafenterminal bei der Passagierabfertigung zu Problemen. Anders als beispielsweise für die Flugsicherungssysteme gibt es im Flughafenterminal keine Vorschriften, in welchem Umfang die Stromversorgung der Systeme weiterhin aufrecht erhalten werden muss. Inwieweit eine Reduktion der Prozessstationen bei der Passagierabfertigung im Flughafenterminal möglich ist, ohne dass der Flugbetrieb zum Erliegen kommt, hat das DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr im Rahmen des Forschungsprojekts „Flughafen-Blackout“ untersucht.
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Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 35 Optimierung der Passagierabfertigung an Flughäfen während Strommangellagen Flughafen, Passagiersimulation, Passagierabfertigung, Strommangellage, Risikomanagement, Ressourcenoptimierung In den letzten Jahren hatten Stromausfälle an verschiedenen Flughäfen gravierende Folgen, die bis zu einem Flugbetriebsstillstand führten. Während dieser Situationen kam es vor allem im Flughafenterminal bei der Passagierabfertigung zu Problemen. Anders als beispielsweise für die Flugsicherungssysteme gibt es im Flughafenterminal keine Vorschriften, in welchem Umfang die Stromversorgung der Systeme weiterhin aufrecht erhalten werden muss. Inwieweit eine Reduktion der Prozessstationen bei der Passagierabfertigung im Flughafenterminal möglich ist, ohne dass der Flugbetrieb zum Erliegen kommt, hat das DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr im Rahmen des Forschungsprojekts „Flughafen-Blackout“ untersucht. Lisa-Marie Brause, Andrei Popa, Tobias Koch E in funktionierendes Luftverkehrssystem ist gerade in Hinblick auf das stetig wachsende Passagieraufkommen und einer steigenden Abhängigkeit der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik von den Vorteilen des Luftverkehrs unverzichtbar [1, 2]. Nachfolgend beispielhaft aufgeführte Ereignisse zeigen, dass es bei Systemausfällen immer wieder zu einem Zusammenbruch des gesamten Flugbetriebs an dem betreffenden Flughafen kam. Es gibt zwar Sicherheitsmaßnahmen, wie Notstromaggregate, die diesen Zustand verhindern sollen, jedoch verdeutlichen die vergangenen Vorkommnisse, dass die Vorsichtsmaßnahmen nicht ausreichend waren, um einen Gesamtausfall des Flugbetriebs zu verhindern. Im Dezember 2017 kam es beispielsweise aufgrund eines Brandes in einer elektrischen Anlage am Flughafen Hartsfield-Jackson in Atlanta zu einem Stromausfall, der dazu führte, dass die Passagierabfertigung komplett zusammen gebrochen ist und mehr als 1.000 Flüge gestrichen werden mussten. Nach diesem Ereignis sagte ein Pressesprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), dass deutsche Flughäfen auf einen Stromausfall bestens vorbereitet seien und es daher in Deutschland nicht zu einem solchen Vorfall kommen könne. Deutsche Flughäfen seien durch eine redundante Stromversorgung so ausgestattet, dass der Flugbetrieb auch bei einem Stromausfall mehrere Stunden weiterlaufen könne [3]. Der Stromausfall am Hamburger Bildquelle: Autoren/ pixabay Wissenschaft INFRASTRUKTUR Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 36 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Flughafen im Juni 2018 hat gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Am 3. Juni 2018 kam es aufgrund eines Kurzschlusses im Stromnetz des Flughafens zu einem Stromausfall, der dazu führte, dass der Flugbetrieb an diesem Tag komplett zum Erliegen kam. Obwohl durch die redundante Stromversorgung und Notstromaggregate noch ein Teil des Stroms verfügbar gewesen sein müsste, konnte ein Zusammenbruch des gesamten Systems nicht verhindert werden. Ca. 200 Flüge mussten an diesem Tag gestrichen werden und mehrere tausend Passagiere wurden an ihrer Weiterreise gehindert. [4] Die Ereignisse zeigen, dass eine bessere Vorsorge für Systemausfälle im Sinne des Notfallmanagements an Flughäfen unverzichtbar ist, um zukünftig besser auf solche Situationen reagieren zu können. Durch einen verbesserten Umgang mit der Störung kann diese zwar nicht verhindert, jedoch das Ausmaß der Störung reduziert werden. Projektziele und Motivation Das DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr beschäftigt sich seit Jahren u.a. mit der Optimierung von Flughafenprozessen für Passagiere, Gepäck und Fracht sowie mit Personensimulationen. Die dort gewonnenen Erfahrungen wurden im Rahmen des Forschungsprojektes „Flughafen-Blackout“ angewandt. Ziel war es, das Ressourcenmanagement im Flughafenterminal während Systemstörungen zu verbessern, sodass auch bei Strommangellagen der Flugbetrieb aufrechterhalten werden kann. Dafür wurde mit Hilfe einer Simulation und einer Parameterstudie untersucht, wie der in der jeweiligen Situation verfügbare Strom optimal auf die Passagierabfertigungsprozesse verteilt werden kann, damit möglichst wenige Passagiere ihren Flug verpassen. Hierdurch kann eine Minimalkonfiguration der Prozessstationen abhängig von der Stromsituation am Flughafen bestimmt werden. Diese bietet den Flughafenbetreibern während eines Systemausfalls, wie einer Strommangellage, eine Entscheidungsunterstützung, auf welche und wie viele Servicestationen an den Teilprozessen der Passagierabfertigung verzichtet werden kann, ohne dass der Flugbetrieb zum Erliegen kommt. Simulationsmodell Um diese Minimalkonfiguration im Flughafenterminal zu bestimmen, wurde als Methodik die Durchführung einer mesoskopischen Simulation ausgewählt [5]. Dabei ermöglicht diese Art der Betrachtung, die Komplexität sowie das Wirkungsgefüge der Passagierprozesse an einem Flughafen abzubilden. Für die Untersuchung wurde ein Modell eines generischen mittelgroßen Verkehrsflughafens entwickelt, welches auf Komponenten realer Flughäfen aufbaut. Diese Komponenten wurden dem Flughafen Köln-Bonn entnommen und basieren auf öffentlichen Informationen. Die Simulationslogik des Modells ist in Bild 1 dargestellt. Die Passagiere werden einzeln modelliert, doch unterliegt ihr Verhalten statistischen Verteilungsfunktionen bzgl. der Gepäckaufgabe oder des Check-ins im Flughafenterminal. Interaktionen zwischen den Passagieren werden nur teilweise berücksichtigt. An einer Prozessstation kann nur ein Passagier zeitgleich abgefertigt werden und die Passagiere müssen in Warteschlangen auf eine freie Servicestation warten. Interaktionen der Passagiere zwischen den Prozessstationen aufgrund der- räumlichen Abmessungen werden allerdings vernachlässigt. Hinzukommend wurden Echtdaten des Realsystems berücksichtig, die als Eingangsdaten in die Simulation eingehen. Betrachtet wurden • die Bearbeitungszeiten an den jeweiligen Prozessstationen, • die Wegstrecken zwischen den Prozessstationen, • die Laufgeschwindigkeit der Passagiere, • die Anzahl der Passagiere im Tagesverlauf sowie • die Ankunftsverteilung der Passagiere bezogen auf ihren Flug. Mit Hilfe dieser Ankunftsverteilung wurden die Ankunftszeitpunkte der einzelnen Passagiere am Flughafen ermittelt. Zu welchem Zeitpunkt jeder spezifische Passagier am Flughafen eintrifft, basiert auf deterministischen Zufallszahlen. Um den Einfluss der Zufallszahlen auf die Ergebnisse zu bestimmen, wurden fünf Datensätze mit unterschiedlichen Ankunftszeitpunkten der Passagiere generiert. Check-in? Fluggesellschaft? Check-in/ Gepäckaufgabe Eingang Terminal Sicherheitskontrolle Passkontrolle Check-in geöffnet? Schengen? Gatenummer Boarding geöffnet? Boarding Ja Reisegepäck? Nein Ja Nein Ja Ja Flug verpasst Nein Ja Nein Flug verpasst Nein Bild 1: Simulationsablauf Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 37 Wissenschaft INFRASTRUKTUR Parameterstudie Für die Untersuchung wurde ein Parameterraum erstellt, welcher die verschiedenen Kombinationen der Prozessparameter beinhaltet. Diese sind im Modell durch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Servicestationen des Check-ins, der Sicherheitskontrolle und der Passkontrolle definiert. Das Ziel der Parameterstudie war es, zu ermitteln, wie sich die Veränderung der drei Prozessparameter auf das Modellverhalten und die Anzahl der Passagiere, die ihren Flug verpassen, auswirkt. Der Parameterraum stellt den Bereich dar, in dem die Prozessparameter variiert wurden. Er wird durch die drei Vektoren der Prozessparameter aufgespannt, welche in Bild 2 dargestellt sind. Auf den Achsen ist die Anzahl der Sicherheitskontrollen, der Check-in-Schalter und der Passkontrollen aufgetragen. Die Punkte stellen die Koordinaten des Parameterraums dar, für die Simulationsdurchläufe durchgeführt wurden. Den Ursprung haben die Vektoren jeweils bei der Anzahl der maximal am Referenzflughafen Köln- Bonn verfügbaren Servicestationen. Für den Check-in stehen maximal 86 Schalter zur Verfügung, für die Sicherheitskontrolle maximal 26 und für die Passkontrolle maximal 6 Servicestationen. Es wird davon ausgegangen, dass alle Prozesse weiterhin ablaufen müssen, damit der Flugbetrieb aufrechterhalten werden kann. Daher muss an jedem Teilprozess zunächst mindestens eine Servicestation verfügbar sein. Mit steigender Anzahl der Passagiere, die ihren Flug verpassen, sinkt der durchschnittliche Sitzplatzladefaktor (SLF) der über den Tag startenden Flugzeuge. Bei der vorliegenden Untersuchung entspricht der maximale SLF dem durchschnittlichen SLF in Deutschland von 77,6 % im Jahr 2017 [6]. Ab einem bestimmten SLF lohnt es sich für die Fluggesellschaften wirtschaftlich nicht mehr den Flug durchzuführen, da dann die Einnahmen durch die Flugtickets geringer sind als die variablen Betriebskosten, die z.B. durch den Treibstoffverbrauch oder die Luftverkehrssteuer entstehen. Dieser Sitzladefaktor wird break-even Sitzladefaktor (break-even SLF) genannt. [7] Der break-even SLF variiert zwischen den einzelnen Fluggesellschaften und der Länge der Flugstrecke, da er zum Beispiel abhängig von den Preisen der Flugtickets, den variablen Betriebskosten und der wirtschaftlichen Situation der Fluggesellschaften ist [7]. In den letzten Jahren lag der break-even SLF im Mittel bei 66 % [8]. Dieser break-even SLF wird für die Simulation als Abbruchkriterium genutzt. Wenn die Anzahl der verfügbaren Servicestationen an den jeweiligen Teilprozessen der Passagierabfertigung so gering ist, dass der SLF unter den break-even SLF fällt, wird diese Kombination als untere Grenze für den Parameterraum festgelegt. Für die Fluggesellschaften würde es sich in dieser Situation wirtschaftlich nicht mehr lohnen den Flug durchzuführen. Zunächst blieben jeweils zwei der Prozessparameter konstant und nur ein Parameter wurde so lange reduziert, bis der resultierende SLF unter den break-even SLF fällt. Es wurden so viele Simulationsdurchläufe durchgeführt, bis auf diese Weise alle Kombinationen der festgelegten Punkte des Parameterraums simuliert wurden. Erste Versuchsdurchläufe ergaben, dass eine Verminderung der Check-in-Schalter zunächst geringe Auswirkung auf die Anzahl der Passagiere hat, die ihren Flug nicht erreichen. Daher betragen die Intervalle bis zu einer Reduktion auf 46 Check-in-Schalter zunächst 10 Schalter. Anschließend werden diese Intervalle bis zu einer Reduktion auf 6 Check-in-Schalter halbiert. Erste Durchläufe haben gezeigt, dass der break-even SLF bei einer Anzahl von 6 Check-in-Schaltern, 19 Sicherheitskontrollen oder 2 Passkontrollen unterschritten wird. Diese Werte stellen daher die untere Grenze der jeweiligen Vektoren dar (siehe Bild 2). Darstellung und Diskussion der Simulationsergebnisse Auf Basis des zuvor beschriebenen Parameterraums wurde ein realer Betriebstag an einem generischen mittelgroßen Flughafen simuliert. Dabei wurde untersucht, wie sich der SLF verändert, wenn die verfügbaren Servicestationen am Check-in, an der Sicherheitskontrolle und der Passkontrolle reduziert werden. Es wurden jeweils 520 Simulationsdurchläufe mit den fünf unter- 2 3 26 4 5 6 Anzahl der Passkontrollen 25 24 23 22 86 21 76 66 56 20 46 Anzahl der Check-in Schalter 41 36 31 19 26 21 16 11 6 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Anzahl der Sicherheitskontrollen break-even SLF von 66% maximaler SLF von 77,6% SLF-Faktor in % Bild 2: Darstellung der Mittelwerte der Ergebnisse 2 3 26 4 5 6 Anzahl der Passkontrollen 25242322 86 21 76 66 56 20 46 Anzahl der Check-in Schalter 41 36 31 19 26 21 16 11 6 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 Anzahl der Sicherheitskontrollen Standardabweichung in % Bild 3: Darstellung der Standardabweichung der Ergebnisse Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 38 INFRASTRUKTUR Wissenschaft schiedlichen Datensätzen durchgeführt. Für die Resultate der Durchläufe mit den verschiedenen Datensätzen, aber gleichen Parameterkombinationen, wurden jeweils der Mittelwert und die Standardabweichung gebildet. Die Standardabweichung spiegelt dabei den Einfluss der gewählten Zufallszahlen auf die Simulationsergebnisse wider. In Bild 2 sind die Mittelwerte und in Bild 3 die entsprechende Standardabweichung für alle simulierten Parameterkombinationen zu sehen. Der blaue Bereich stellt jeweils den untersuchten Parameterraum dar. Der mittlere SLF, der sich bei der entsprechenden Kombination der Servicestellen an den Teilprozessen ergibt, ist in Bild 2 farblich codiert. Die Legende neben dem Parameterraum zeigt, wie die Farbgebung mit dem durchschnittlichen SLF der Flüge über den Tag zusammen hängt. Die blaue gestrichelte Linie gibt den im Modell maximal möglichen SLF von 77,6 % an. Die rote gestrichelte Linie stellt den break-even SLF in Höhe von 66 % dar. Helle Punkte weisen auf einen hohen SLF hin. Je dunkler die Farbgebung, desto geringer ist der SLF. Weiße oder gelbe Punkte geben an, dass der mittlere SLF über dem break-even SLF von 66 % liegt. Dunkelbraune und schwarze Punkte deuten darauf hin, dass der mittlere SLF unter den break-even SLF fällt. Bei hellbraunen Punkten liegt der SLF nahe an dem break-even SLF. Wenn alle verfügbaren Servicestationen der drei Teilprozesse geöffnet sind, liegt der SLF zwischen 70 % und 76 % und somit über dem break-even SLF. In Bild 2 ist zu erkennen, dass sich der SLF bei der Reduktion der Check-in-Schalter zunächst nicht signifikant verändert. Ab einer Anzahl von 16 Check-in-Schaltern ist eine Veränderung des SLFs zu sehen und ab 11 verfügbaren Check-in-Schaltern sinkt der SLF unter den break-even SLF. Bei der Reduktion der Sicherheitskontrolle ist ebenfalls zunächst keine deutliche Auswirkung auf den SLF zu erkennen. Ab einer Anzahl von 21 Servicestationen an der Sicherheitskontrolle steigt die Auswirkung der Verminderung der Ressourcen auf den SLF zunehmend an. Bei 19 und 20 geöffneten Servicestationen an der Sicherheitskontrolle liegt der SLF unter dem breakeven SLF. Wird die Anzahl der Servicestationen an der Passkontrolle reduziert, ist ebenso zunächst kein signifikanter Einfluss auf den SLF zu erkennen. Erst bei 2 Servicestellen ist eine Veränderung des SLF zu sehen. Hier fällt dieser auf einen Wert knapp unter dem break-even SLF. Bild 3 zeigt, wie stark sich die Ergebnisse der einzelnen Durchläufe unterscheiden. Die prozentuale Standardabweichung ist über die Farbgebung der Punkte zu erkennen. Dunkle Punkte stellen eine hohe Standardabweichung dar. Helle Punkte symbolisieren eine niedrige Standardabweichung. Die maximale Abweichung der Ergebnisse bei allen Parameterkombinationen liegt unter 6 %. Bei einer hohen Anzahl aller Servicestationen an den drei betrachteten Teilprozessen der Passagierabfertigung unterscheiden sich die Ergebnisse der einzelnen Durchläufe sogar nur um weniger als 1 %, weshalb die Auswahl der Ankunftszeitpunkte als Ursache des sinkenden SLF ausgeschlossen werden kann. Die Ergebnisse der Parameterstudie verdeutlichen, dass eine Reduktion des Check-ins auf eine Anzahl von 26 verfügbare Check-in-Schalter möglich ist, ohne dass die Anzahl der Passagiere, die ihren Flug verpassen, erkennbar zunimmt. Wenn aufgrund einer Systemstörung eine weitere Verminderung der Ressourcen am Check-in notwendig ist, können diese auf 21 oder 16 Schalter reduziert werden. Es muss dann allerdings damit gerechnet werden, dass der Anteil der Passagiere, die ihren Flug verpassen, um bis zu 5 % ansteigt. Eine weitere Reduktion der Check-in-Schalter ist basierend auf den Ergebnissen dieser Simulationsstudie nicht zu empfehlen, da sonst der Anteil der besetzten Sitzplätze in den Flugzeugen zu gering wird. Eine Reduktion der Ressourcen an der Sicherheitskontrolle wirkt sich bereits ab der ersten Servicestation erkennbar auf die Anzahl der Passagiere aus, die ihren Flug nicht erreichen. Ist allerdings aufgrund der Situation am Flughafen eine Verringerung der Ressourcen an der Sicherheitskontrolle unumgänglich, kann diese bis auf 22 verfügbare Servicestellen reduziert werden, ohne dass die Anzahl der Passagiere, die ihren Flug verpassen, so hoch wird, dass der break-even SLF unterschritten wird. Bei 21 verfügbaren Servicestationen an der Sicherheitskontrolle liegt der mittlere Anteil besetzter Sitzplätze in den Flugzeugen knapp unter dem break-even SLF. Da die zufallsbedingten Schwankungen des SLF zwischen 2 % und 3 % liegen, kann nicht eindeutig bestimmt werden, ob der break-even SLF bei 21 Servicestationen an der Sicherheitskontrolle knapp überschritten oder unterschritten wird. Ab einer Anzahl von 20- Servicestationen ist die Anzahl der Passagiere, die ihren Flug nicht erreichen, so hoch, dass von einer Reduktion der Sicherheitskontrolle unter 21 Servicestationen abzuraten ist. Eine Reduktion der Passkontrolle bis auf 3 verfügbare Servicestationen ist nach den Simulationsergebnissen ebenfalls ohne signifikante Zunahme verspäteter Passagiere möglich. Eine Verminderung der Ressourcen auf 2-Passkontrollen führt dazu, dass sowohl auf die Anzahl der Nicht-Schengen-Passagiere als auch auf das gesamte Passagieraufkommen betrachtet so viele Nicht-Schengen-Passagiere ihren Flug verpassen, dass ein Regelflugbetrieb nicht mehr möglich ist. Da keine Angaben bezüglich des Stromverbrauchs der jeweiligen Teilprozesse zur Verfügung stehen, kann keine Aussage bezüglich einer optimalen Kombination der Servicestationen getroffen werden. Die Ergebnisse der Simulation liefern allerdings eine Entscheidungshilfe, welche Variationen der Servicestellen als unkritisch, kritisch oder nicht ausreichend in Bezug auf einen funktionierenden Flugbetrieb angesehen werden. Diese Übersicht ist in Tabelle 1 dargestellt. Wenn aufgrund einer Systemstörung z. B. weniger Strom zur Verfügung steht, ist zu empfehlen, zunächst unkritisch kritisch nicht ausreichend Servicestationen am Check-in 86-26 21-16 11-6 Servicestationen an der Sicherheitskontrolle 26 25-21 20-19 Servicestationen an der Passkontrolle 6-4 3 2 Tabelle 1: Bewertung der Anzahl verfügbarer Servicestationen an den Teilprozessen der Passagierabfertigung als unkritisch, kritisch und nicht ausreichend, um den Flugbetrieb aufrechterhalten zu können Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 39 Wissenschaft INFRASTRUKTUR die Anzahl der Servicestationen des Check-ins und der Passkontrolle zu reduzieren. Bis zu einer Anzahl von 26 Servicestationen am Check-in bzw. 4 an der Passkontrolle hat die Reduktion nur einen geringen Einfluss auf die Anzahl der Passagiere, die ihren Flug verpassen. Ist eine weitere Verminderung der Ressourcen notwendig, können auch die Servicestationen an der Sicherheitskontrolle reduziert werden. Eine Reduktion auf weniger als 16 Schalter am Check-in, 21 Servicestationen an der Sicherheitskontrolle oder drei an der Passkontrolle sollte auch bei Systemstörungen vermieden werden. Dies würde dazu führen, dass so viele Passagiere ihren Flug nicht erreichen, dass der SLF unter den break-even SLF fällt und ein Regeflugbetrieb am betreffenden Flughafen nicht mehr möglich ist. Fazit und Ausblick Im Rahmen des Forschungsprojektes „Flughafen-Blackout“ wurde untersucht, wie eine Ressourceneinsparung bei der Passagierabfertigung im Flughafenterminal möglich ist, ohne dass der Flugbetrieb zusammenbricht. Ziel war es, den verantwortlichen Akteuren am Flughafen, beispielsweise während Stromausfällen, eine Entscheidungshilfe zu bieten, auf welche und wie viele Servicestationen der Passagierabfertigung verzichtet werden kann, ohne dass der Flugbetrieb zum Erliegen kommt. Die Ergebnisse der Simulation zeigen, dass eine Reduktion der verfügbaren Servicestationen am Check-in von maximal 86 auf 26 Schalter und an der Passkontrolle von maximal 6 auf 4 Servicestationen möglich ist, ohne einen Einfluss auf die Anzahl verspäteter Passagiere hervorzurufen. Die Sicherheitskontrolle stellt den Engpass bei der Passagierabfertigung dar. Schon ab der Reduktion von einer Servicestation an der Sicherheitskontrolle ist mit einer Verminderung des mittleren SLFs zu rechnen. Da diese Auswirkungen bei einer hohen Anzahl an Sicherheitskontrollen innerhalb weniger Prozentpunkte liegen, ist eine geringe Reduktion der Servicestationen bei Systemausfällen möglich, ohne dass der Flugbetrieb zusammenbricht. Mit Blick auf den break-even SLF sollte eine Reduktion der Ressourcen am Check-in unter 16-Schalter, an der Sicherheitskontrolle unter 21 und an der Passkontrolle unter 3 Servicestationen vermieden werden. Da das System des Flughafenterminals sehr komplex ist, wurden für den Aufbau der Simulation mehrere Vereinfachungen und Annahmen getroffen. Inwiefern beispielsweise eine Einführung von räumlichen Abgrenzungen des Flughafenterminals in das Simulationsmodell, eine variable Anpassung der Servicestationen an ein schwankendes Passagieraufkommen im Tagesverlauf oder unterschiedliche Flugpläne Einfluss auf die Ergebnisse dieser Untersuchung haben, sollte näher untersucht werden und stellt ein Forschungsthema weiterer Projekte dar. Zudem wurde in diesem Projekt lediglich die Passagierabfertigung beim Abflug betrachtet. Inwiefern bei weiteren Prozessen am Flughafenterminal, beispielsweise bei der Gepäckabfertigung, während Systemausfällen Ressourceneinsparungen möglich sind, sollte ebenfalls in weiteren Arbeiten näher untersucht werden. Die Ergebnisse dieser Studie liefern daher einen ersten Ansatz für eine Verbesserung der reaktiven Maßnahmen bei Systemausfällen an Flughäfen, der in weiteren Projekten näher untersucht und konkretisiert werden muss. Die Ergebnisse finden dann nicht nur bei Systemausfällen in Form von Strommangellagen am Flughafen Anwendung, sondern beispielsweise auch bei Personalmangel, technischen Problemen an einzelnen Servicestationen oder einem partiellen Ausfall der IT. Immer dann, wenn Ressourcen für die Passagierabfertigung nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen, können die Erkenntnisse die verantwortlichen Akteure bei der Entscheidungsfindung unterstützen, wie die verfügbaren Ressourcen bestmöglich einzusetzen sind und ob diese überhaupt ausreichen, um den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. ■ LITERATUR [1] Heinrich Mensen. Handbuch der Luftfahrt. VDI. Springer Vieweg, Berlin and Heidelberg, 2., neu bearb. au. edition, 2013. ISBN 3642344011 [2] Christian Stegner, Uwe Meinberg. Leistungs- und Qualitätsmessung für einen passagierorientierten Umgang mit Betriebsstörungen im Luftverkehr. Dissertation, BTU Cottbus -Senftenberg, Cottbus, 2015 [3] Sabine Herling, Isabelle B. Polders. Deutschland ist nicht Atlanta: Deutsche Flughäfen bei Stromausfall bestens vorbereitet, 21.12.2017. Online: www.adv.aero/ wp-content/ uploads/ 201 7/ 1 2/ A DV-P M-24-201 7-D euts chland-ist-nicht-Atlanta-% E 2 % 80% 93- Deutsche-Flugh%C3%A4fen-bei-Stromausfall-bestens-vorbereitet.pdf (Eingesehen: 02.09.2019) [4] Lena Mosel. Hamburger Flughafen nach Stromausfall geräumt - Passagiere beklagen chaotische Zustände - WELT, 2018. Online: www.welt.de/ vermischtes/ article176922234/ Hamburger-Flughafen-nach-Stromausfall-geraeumt/ -Passagiere-beklagen-chaotische-Zustaende.html (Eingesehen: 02.09.2019) [5] Gerhard N. Schmitt. Architectura et Machina : Computer Aided Architectural Design und Virtuelle Architektur. Wiesbaden, Vieweg+Teubner Verlag, 1993. ISBN 9783322839725 [6] DFS. Luftverkehr in Deutschland: Mobilitätsbericht 2017. 2017 [7] Gail F. Butler and Martin R. Keller. Handbook of airline operations. 1st ed., Aviation Week, 2000. ISBN 0079823866 [8] Avjobs. Airline Economics, 2010. Online: www.avjobs.com/ history/ airline-economics.asp (Eingesehen: 03.09.2019) Andrei Popa, Dipl.-Wirtsch.-Ing (FH), M.A. Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr, Abteilung Flughafenforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Braunschweig andrei.popa@dlr.de Tobias Koch, M.Sc Nationales Erprobungszentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Braunschweig tobias.koch@dlr.de Lisa-Marie Brause, B.Sc. Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr, Abteilung Flughafenforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Braunschweig lisa-marie.Brause@dlr.de
