Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0081
111
2019
714
Die Branche „Gütertransport Straße“ im Wandel
111
2019
Angelika Hauke
Ina Neitzner
Neue Entwicklungen verändern die Arbeitsbedingungen im Gütertransport Straße. Trotz Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal soll eine wachsende Gütermenge auf der Straße transportiert werden. Autonome Fahrzeuge und Platooning können helfen. Sie können und sollen Berufskraftfahrende aber nicht ersetzen. Der Beruf muss attraktiver werden. Maßnahmen hierzu liegen in verschiedenen Verantwortungsbereichen und reichen von zuverlässigeren Tourenplanungen, z. B. durch verbessertes Rampenmanagement, bis hin zu bedarfsgerechten, sicheren und gesundheitsförderlichen Raststätten.
iv7140046
Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 46 Die Branche „Gütertransport Straße“ im Wandel Wie steht es um die Sicherheit und Gesundheit von Berufskraftfahrenden? Gütertransport Straße, Risikoobservatorium, Berufskraftfahrende, Sicherheit, Gesundheit, Arbeitsschutz Neue Entwicklungen verändern die Arbeitsbedingungen im Gütertransport Straße. Trotz Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal soll eine wachsende Gütermenge auf der Straße transportiert werden. Autonome Fahrzeuge und Platooning können helfen. Sie können und sollen Berufskraftfahrende aber nicht ersetzen. Der Beruf muss attraktiver werden. Maßnahmen hierzu liegen in verschiedenen Verantwortungsbereichen und reichen von zuverlässigeren Tourenplanungen, z. B. durch verbessertes Rampenmanagement, bis hin zu bedarfsgerechten, sicheren und gesundheitsförderlichen Raststätten. Angelika Hauke, Ina Neitzner I m Jahr 2018 wurden 79 % der bewegten Güter auf der Straße befördert - Tendenz steigend [1]. Befeuert wird der Markt „Gütertransport Straße“ durch Deutschlands Stellung als eines der größten Exportländer der Welt, den starken Online-Handel und die zunehmende Nutzung des Online-Shoppings inklusive Convenience- und Frischeangeboten. Abnehmende Produktionstiefen steigern das Transportaufkommen durch den vermehrten Versand von Zwischenprodukten. 2016 waren in Deutschland im Güterverkehr mit LKW 555.505 Berufskraftfahrende (davon 1,7 % Frauen) sozialversicherungspflichtig beschäftigt [2]. 2014 gab es bundesweit 31.019 Unternehmen zur Güterbeförderung im Straßenverkehr und 12.569 Speditionen. 72 bzw. 64 % davon sind Kleinstunternehmen [3]. Tabelle 1 zeigt als Ergebnis des Risikoobservatoriums der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), welche aktuellen Entwicklungen den Gütertransport Straße hinsichtlich der Sicherheit und Gesundheit in der nahen Zukunft beeinflussen werden. Die Einschätzungen stammen von Aufsichtspersonen und anderen Präventionsfachleuten der gesetzlichen Unfallversicherung. Verkehrsdichte Seit 1960 hat sich das Verkehrsaufkommen auf deutschen Autobahnen etwa verfünffacht [4]. Besonders der so entstandene Mangel an Parkplätzen auf Raststätten und Autohöfen ist ein gravierender Stressor für Berufskraftfahrende. Lenk- und Ruhezeiten können durch die Parkplatzsuche häufig nicht eingehalten werden. Immer wieder sind Betroffene gezwungen, ihr Fahrzeug auf Zufahrts- und Notstreifen der Rastanlagen abzustellen und dort zu nächtigen. Das stellt ein Sicherheitsrisiko dar [5]. Zudem sind bedeutende Teile des Fernstraßennetzes sanierungsbedürftig. Die fehlende Leistungsfähigkeit des Foto: Virrage Images | Shutterstock LOGISTIK Güterverkehr Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 47 Güterverkehr LOGISTIK Straßennetzes und Baustellen verursachen 60 bis 70 % aller Staus [4]. Verkehrsunfälle Fahrerinnen oder Fahrer von Güterkraftwagen belegten 2018 mit 6,0 % Platz 3 bei der Verursachung von Verkehrsunfällen mit Personenschaden [6]. Allerdings sank die Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen an solchen Unfällen zwischen 1995 und 2017 deutlich um 31,8 %. Unfallursachen im Berufskraftverkehr waren zu 20,4 % Abstandsfehler, zu 16,2 % Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren, zu 11,6 % Vorfahrtsfehler, zu 10,3 % nicht angepasste Geschwindigkeit und zu 1,7 % Alkoholeinfluss [7]. Fahrerassistenzsysteme können Abhilfe schaffen und entlasten. Verkehrsunfälle führen bei Unfallbeteiligten teils zu langfristigen psychischen Beanspruchungen, sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörungen. Diese müssen behandelt werden, damit sie sich nicht negativ auf die soziale und berufliche Handlungsfähigkeit auswirken [8]. Mobilitätsanforderungen: Lang- LKW und autonome Fahrzeuge Lang-LKW sind ein Ansatz, Kapazitätsbeschränkungen und Klima- und Umweltzielen Rechnung zu tragen. Durch den Einsatz von Lang-LKW lassen sich Effizienzgewinne und Kraftstoffersparnisse von 15 bis 25 % erzielen [9]. Im Vergleich zu herkömmlichen LKW ist die Verkehrssicherheit in einigen Punkten vermindert: Lang-LKW passen nicht in Schrägparkstände auf Rastanlagen, Nothaltebuchten in Tunneln sind nicht für sie ausgelegt, durch ihr größeres Volumen kommt es im Brandfall zu einer höheren Brandleistung und Lang-LKW-Führende sind gefährdet, wenn andere die notwendige Zeit zum Überholen eines Lang-LKW falsch einschätzen [9]. Die Verkehrssicherheit erhöht sich durch eine gesetzlich vorgesehene, bessere Ausstattung mit Fahrerassistenzsystemen. In Deutschland laufen aktuell verschiedentlich Tests mit autonom verkehrenden Fahrzeugen: Beispielsweise testet DB Schenker den Transport von Wechselbrücken per autonomem „Wiesel“. Dies ist ein für den Einsatz auf Logistikhöfen konzipiertes, fahrerloses Umsetzfahrzeug. Es kann LKW- Führende in ihrer Tätigkeit auf dem Betriebshof entlasten und ist rund um die Uhr einsetzbar, um Lastspitzen abzufedern. Platooning, d. h. halbautomatisiertes Kolonnefahren mehrerer LKW mit einem Abstand von ca. zehn Metern wurde auf der A9 getestet. Durch Platooning reduzieren sich Kraftstoffverbrauch und CO 2 -Emmissionen um bis zu 10 %. Der erste LKW fährt menschengesteuert, die nachfolgenden vollautomatisiert. Platooning im Fernverkehr könnte dazu beitragen, den Mangel an Fahrpersonal auszugleichen [3]. Beim Einsatz autonomer Fahrzeuge und beim Platooning stellen sich noch Haftungsfragen: Systeme, mit denen ein Fahrzeug autonom fährt, sind derzeit nur dann zulässig, wenn die Fahrzeugbegleitung sie im Notfall stoppen kann. Abgesehen von der besonderen mentalen Beanspruchung, die sich durch die Verantwortung ergeben kann, die der Fahrzeugbegleitung übertragen wird, sind aus Sicht des Arbeitsschutzes Unfallrisiken durch Hackerangriffe zu nennen. Auch sind Serienfehler, z. B. in System-Updates der Hersteller, eine mögliche Quelle für Unfälle. IT-Sicherheit und -Zuverlässigkeit spielen auch im Zusammenhang mit autonomen Fahrzeugen eine zentrale Rolle für die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten. Arbeitsverdichtung und Verantwortungsausweitung, längere Arbeitszeiten und Flexibilisierung von Arbeit Aufgrund von kaum vorhandenen Puffern in der Tourenplanung führt jede Verzögerung durch ungeplante Ereignisse zu Stress und ggf. Verstößen gegen die Fahrpersonalvorschriften [2]. Trotz teils hoher Strafen geben 2011 18 % der Berufskraftfahrenden im Gütertransport an, ihre Lenk- und Ruhezeiten selten (17 %) oder nie (1 %) einhalten zu können [5]. Tatsächlich betreffen 72,9 % der Verstöße bei deutschen Güterkraftfahrzeugen das Fahrpersonalrecht [10]. Berufskraftfahrende im Straßengütertransport berichten von durchschnittlich 54- Stunden wöchentlicher Arbeitszeit. 59-Stunden sind es im internationalen Fernverkehr [10]. Ungeplante Wartezeiten an Be- und Entladestationen verursachen immer wieder Verspätungen und Verschiebungen der Arbeitszeit. Grund ist, dass bisher kein standardisiertes, webbasiertes Zeitfensterbuchungssystem im Rampenmanagement eingesetzt wird und Speditionen digitale Avisierungssoftware zu selten einsetzen. 59,5 % der Rampenbetreiber bestätigen, nie oder nur in seltenen Fällen über die voraussichtliche Ankunftszeit von LKW informiert zu werden [11]. Auch Art und Menge der Lieferung sind unbekannt, sodass Ladezeiten nicht durchgängig realistisch berechnet werden können. Sind Verzögerungen nicht bekannt, wird die Rampe freigehalten und bleibt in der Zwischenzeit ungenutzt. Im Einklang damit berichten 62,2 % der Rampenbetreiber, dass sie LKW- Fahrenden nie oder nur selten verbindliche Auskunft über die Wartezeit erteilen [11]. Bei Fernfahrenden stellt akute und chronische Müdigkeit als Folge ihrer Arbeitsbelastungen und eingeschränkten Erholungsmöglichkeiten ein Unfallrisiko dar [5, 12]. Die Parkplätze an Autobahnen sind so konzipiert, dass das Führerhaus zur Autobahn hinzeigt [5]. Neben dem Lärm beeinträchtigen schlafstörende Klimabedingungen, Rang Entwicklung 1 Fachkräftemangel 2 Mobilitätsanforderungen/ Verkehrsdichte 3 Arbeitsverdichtung, längere Arbeitszeiten und Verantwortungsausweitung 4 Demografischer Wandel und unausgewogene Altersstruktur 5 Interkulturelle und sprachliche Anforderungen 6 Körperliche Inaktivität bei versicherten Tätigkeiten 7 Fehlende gesellschaftliche und/ oder finanzielle Anerkennung 8 Flexibilisierung von Arbeit 9 Fehlende körperliche Aktivität in der Freizeit 10 Komplexität von Mensch-Maschine-Schnittstellen 11 Ungesunde Ernährung 12 Langanhaltende und/ oder einseitige Beanspruchung des Muskel-Skelett-Systems 13 Informations- und Kommunikationstechnologien und vernetzte Automatisierung, auch für mobile Arbeit 14 Autonome Fahrzeuge 15 Verkehrskatastrophen 16 Größere und/ oder schwerere Transportfahrzeuge 17 Raubüberfälle, terroristische Anschläge und Amokläufe 18 Dieselmotoremissionen Tabelle 1: Rangreihung der bedeutsamsten Entwicklungen im Hinblick auf den Arbeitsschutz der nahen Zukunft in der Branche „Gütertransport Straße“ als Ergebnis des Risikoobservatoriums der DGUV, 2018 Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 48 LOGISTIK Güterverkehr allen voran Hitze und ggf. Kälte, die Schlafqualität im Führerhaus. Demografischer Wandel und unausgewogene Altersstruktur, Fachkräftemangel, fehlende gesellschaftliche und/ oder finanzielle Anerkennung 27,8 % der LKW-Fahrer und -Fahrerinnen im Güterverkehr waren 2016 über 55 Jahre, nur 2,5 % unter 25 Jahre alt [2]. Ende 2016 gab es in Deutschland 17.197 vakante Stellen für Berufskraftfahrende (Güterverkehr/ LKW). Es wird zunehmend schwieriger, offene Stellen zu besetzen [2]. Gründe hierfür liegen auch in der mangelnden Attraktivität des Berufs: schlechte Work-Life-Balance, sehr eingeschränkte Teilhabe am Familien- und Sozialleben durch Schicht- und Wochenenddienste und teils lange Abwesenheiten von zuhause. Die Arbeitsumstände schränken den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ebenso ein wie zu sanitären Einrichtungen und damit zur Hygiene sowie zu angemessenen Schlafplätzen. Zudem mindern überlastete Straßen die Freude am Fahren. Es bestehen kaum Entwicklungsmöglichkeiten für das Fahrpersonal. Berufskraftfahrende fühlen sich von Auftraggeber- und Disponentenseite sowie an den Rampen zur Be- und Entladung teils schlecht behandelt [4, 11]. Aufgrund des Mangels an qualifizierten Kräften war die Lohnentwicklung in den letzten Jahren positiv [2]. Die Entlohnung für ausgebildete Berufskraftfahrende und solche in Ausbildung müsste jedoch weiter angehoben werden, um den Beruf attraktiver zu machen [4]. In der Gesellschaft besteht wenig Wertschätzung dem Fahrpersonal gegenüber. Die meisten führen sich nicht vor Augen, wie notwendig der Gütertransport Straße zur Sicherung der Grundversorgung (z. B. hinsichtlich Ernährung, Mobilität, Energie) und zur Befriedigung des eigenen Konsumverhaltens ist [4]. Interkulturelle und sprachliche Anforderungen Die EU-Osterweiterungen führten aufgrund der für alle EU-Mitgliedstaaten geltenden Kabotagefreiheit im Straßengüterverkehr zu einem steigenden brancheninternen Wettbewerb im Fernverkehr [4]. 2017 erbrachten LKW aus den jungen EU- Staaten bereits fast ein Drittel der mautpflichtigen Fahrleistung [13]. Der daraus resultierende verstärkte Einsatz von Beschäftigten mit deutschem Arbeitsvertrag im regionalen oder Nahverkehr könnte sich durch eine verbesserte Work-Life-Balance in diesem Verkehrssegment positiv auf deren Sicherheit und Gesundheit auswirken. Allerdings nimmt dies den Truckern, die sich bewusst für den Fernverkehr entschieden haben, ihr Berufsethos. Die Liberalisierung des Straßengüterverkehrs hat Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit: Zum einen lagen bei Fahrzeugen aus mittel- und osteuropäischen Staaten die Beanstandungsquoten aufgrund technischer Mängel 2013 bei 30,9 % (gegenüber 9,3 % bei deutschen Fahrzeugen) und aufgrund mangelnder Ladungssicherung bei 21,3 % (gegenüber 11,4 % bei deutschen Fahrzeugen) [10]. Zum anderen fallen vermehrt LKW-Fahrer aus Osteuropa bei Alkoholkontrollen auf [14]. 2016 hatten 15,5 % aller in Deutschland beschäftigten LKW-Fahrenden eine ausländische Staatsbürgerschaft [2]. Kommunikation mit den Rampenbetreibenden ist aufgrund fehlender Deutsch- und Englischkenntnisse teils nur per Übersetzungsapp möglich, und deutlich seltener als unter deutschen Fahrenden herrscht bei solchen mit ausländischer Nationalität Klarheit, ob sie selbst entladen müssen oder nicht (18,7 vs. 35,5 %). Das führt zu Verzögerungen [11]. Digitalisierung, neue Technologien und Komplexität von Mensch- Maschine-Schnittstellen Durch den Einsatz neuer Technologien und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) lassen sich Zeitersparnisse und Arbeitserleichterungen erzielen. Fahrerassistenzsysteme vermindern Unfallgefahren. Dennoch sehen Berufskraftfahrende auch Nachteile der Nutzung: Die persönliche Kommunikation zwischen Beschäftigten und Unternehmen reduziert sich deutlich und mindert die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. LKW-Fahrende befürchten durch weitere technische Entwicklungen Einschränkungen in ihrer Handlungsfreiheit, fühlen sich kontrolliert (z. B. durch Live-Tracking) und durch die ständigen Anweisungen der IKT bevormundet [15]. Die Nutzung von IKT während der Fahrt führt zu Ablenkung und zu einem erhöhten Unfallrisiko. Informationen sollten deshalb knapp und intuitiv verständlich sein, notwendige Eingaben während der Fahrt so selten und so kurz wie möglich. IKT sollten die Fahrenden nicht unter Zeitdruck setzen und zu Eingaben zwingen [16]. Auch mechanische Risiken können sich durch falsch im Fahrzeug installierte IKT ergeben: Sie können z. B. das Öffnen des Airbags behindern oder bei Bremsvorgängen zum Geschoss im Fahrzeuginnenraum werden [16]. Körperliche Beanspruchung, Inaktivität und ungesunde Ernährung Im Gütertransport überwiegen teils sehr lange Phasen des Sitzens. Auch ist damit zu rechnen, dass Be- und Entladetätigkeiten zukünftig vermehrt durch das Lagerpersonal erledigt werden. Die einseitige Belastung der Muskulatur wird anteilig eher zunehmen [10]. Bewegungsmangel geht mit einem Abbau der (Rumpf-)Muskulatur einher; Gelenke können dann nur unzureichend gehalten werden. Berufskraftfahrende tragen ein erhöhtes Risiko für Bandscheibenerkrankungen der Lendenwirbelsäule sowie für Schulter- und Nackenbeschwerden aufgrund der statischen Haltung am Lenkrad [5, 12]. Muskel-Skelett-Erkrankungen sind bei Fahrzeugführenden einer der häufigsten Gründe für Arbeitsunfähigkeit [8]. Fernfahrende verbringen auch ihre Tagesruhezeit gezwungenermaßen sehr häufig im oder beim Fahrzeug [17], d. h. auf Rastanlagen und Autohöfen. Raststätten und Autohöfe bieten jedoch wenig Raum für Ungeplante Wartezeiten verursachen immer wieder Verspätungen und Verschiebungen der Arbeitszeit. Foto: marcinjozwiak | pixabay Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 49 Güterverkehr LOGISTIK eine aktive Freizeitgestaltung. Im Einklang damit übersteigt der Anteil der übergewichtigen Berufskraftfahrer (85 %) den Anteil der übergewichtigen Männer (66 %) in der Gesamtbevölkerung deutlich [18]. Als Hindernisse für eine gesunde Ernährung nennen Betroffene Zeitdruck, das Fehlen gesunder Nahrungsmittel auf Raststätten, eigenes mangelndes Interesse und hohe Kosten [18]. Bei Berufskraftfahrenden entfällt im branchenübergreifenden Vergleich ein höherer Anteil der Arbeitsunfähigkeitstage auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (10,5 vs. 6,1 %) und Verletzungen (13.5 vs. 10,8 %) [2]. Daher zeigen bereits einige präventive Ansätze Fitnessmöglichkeiten im und um den LKW auf (z. B. [19]). Raubüberfälle Schätzungen zufolge wird im Bundesgebiet alle 20 Minuten Ladung entwendet [20], in mehr als 70 % in Form von Einbrüchen; nur bei einem kleinen Prozentsatz der Diebstähle wird Gewalt gegen die Fahrenden angewendet. Anders ist das z. B. in Frankreich: 2013 waren dort 48 % der gemeldeten Ladungsdiebstähle an gewalttätige Entführungen oder Raubüberfälle gekoppelt [21] - ein zusätzliches Risiko für den deutschen LKW- Fernverkehr. Klare Verhaltensanweisungen zur Eigensicherung von Arbeitgeberseite sind hier hilfreich. Dieselmotoremissionen Die aktuell im Gütertransport Straße eingesetzten Nutzfahrzeuge sind zu 95 % dieselbetrieben [22]. Dieselmotoremissionen (DME) gelten als krebserzeugend [23]. In der Praxis lassen LKW-Fahrende den Motor immer wieder auch bei Stillstand des Fahrzeugs laufen, z. B. beim Auf- und Abbrücken von Wechselbehältern oder auf Rastplätzen, um Klimaanlage bzw. Heizung im Führerhaus zu nutzen. Das kann die DME-Belastung angrenzend rastender LKW-Fahrender erhöhen. Fazit Der Gütertransport Straße ist stark von Zeitdruck geprägt. Erholungsmöglichkeiten sind besonders im Fernverkehr eingeschränkt. Je länger Beschäftigte Stressoren - im besonderen Zeitdruck - ausgesetzt sind, desto mehr leidet der Erhalt ihrer Arbeitsfähigkeit. Gleichzeitig kann Stress negativ mit anderen Beanspruchungen zusammenwirken. Die gesetzliche Unfallversicherung hat auf viele der beschriebenen Faktoren nur wenig unmittelbaren Einfluss. Dennoch trägt sie indirekt und direkt durch Präventionsleistungen und Kooperationen mit relevanten Stellen zur Verbesserung von Arbeitsbedingen bei. Das Risikoobservatorium der DGUV hilft ihr dabei, weitere Ansätze für Präventionsmöglichkeiten zu identifizieren. ■ LITERATUR [1] Güterverkehr: Beförderungsmenge nach Hauptverkehrsrelationen und Verkehrsträgern, sowie die Veränderung zum Vorjahr in 1 000 Tonnen und die Veränderung zum Vorjahr in % für das Jahr 2018. Hrsg.: Statistisches Bundesamt (Destatis), Wiesbaden, 2019 https: / / www.destatis.de/ DE/ Themen/ Branchen-Unternehmen/ Transport- Verkehr/ Gueterverkehr/ Tabellen/ verkehrstraeger-hauptverkehrsrelation-a.html (abgerufen am 22.08.2019) [2] Marktbeobachtung Güterverkehr: Auswertung der Arbeitsbedingungen in Güterverkehr und Logistik 2017-I - Fahrerberufe. Hrsg.: Bundesamt für Güterverkehr, Köln, 2017 https: / / www.bag.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ Marktbeobachtung/ Turnusberichte_ Arbeitsbedingungen/ Bericht_5e_Fahrerberufe_2017.pdf? __ blob=publicationFile (abgerufen am 23.10.2018) [3] Zanker, C.: Branchenanalyse Logistik. Der Logistiksektor zwischen Globalisierung, Industrie 4.0 und Online-Handel. Hrsg.: Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf, 2018 https: / / psl.verdi.de/ presse/ publikationen (abgerufen am 12.12.2018) [4] ZF-Zukunftsstudie Fernfahrer. Der Mensch im Transport- und Logistikmarkt. Hrsg.: ZF Friedrichshafen AG; EuroTransportMedia Verlags- und Veranstaltungs-GmbH; Institut für Nachhaltigkeit in Verkehr und Logistik, Hochschule Heilbronn, Friedrichshafen; Stuttgart; Heilbronn, 2012 https: / / www.zf-zukunftsstudie.de/ wp-content/ uploads/ 2012/ 08/ ZF_LKW_Studie_gesamt.pdf (abgerufen am 26.10.2018) [5] Baier, J.: Trends im Straßengüterverkehr - Aktueller Status und Meinungen der Berufskraftfahrer in Deutschland. Hrsg.: Hochschule Furtwangen University, Furtwangen, 2012 http: / / www.hs-furtwangen.de/ fileadmin/ user_upload/ Marketing_PR/ Dokumente/ Webredaktion/ Studie_Berufskraftfahrer_2011.pdf (abgerufen am 5.8.2015) [6] Hauptverursacher von Unfällen mit Personenschaden. Hrsg.: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2019 https: / / www.destatis.de/ DE/ Themen/ Gesellschaft-Umwelt/ Verkehrsunfaelle/ Tabellen/ hauptverursacher-fahrzeugart.html (abgerufen am 22.08.2019) [7] Verkehrsunfälle: Unfälle von Güterkraftfahrzeugen im Straßenverkehr 2017. Hrsg.: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2018 https: / / www.destatis.de/ DE/ Themen/ Gesellschaft-Umwelt/ Verkehrsunfaelle/ Publikationen/ Downloads-Verkehrsunfaelle/ unfaelle-gueterkraftfahrzeuge-5462410177004.pdf? __blob=publicationFile (abgerufen am 22.08.2019) [8] Michaelis, M.: Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung von Berufskraftfahrern. Hrsg.: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Dortmund; Berlin; Dresden, 2008 https: / / www.baua.de/ DE/ Angebote/ Publikationen/ Berichte/ F2038.pdf? __ blob=publicationFile&v=3 (abgerufen am 19.12.2018) [9] Irzik, M.; Kranz, T.; Bühne, J.-A.; Glaeser, K.-P.; Limbeck, S.; Gail, J.; Bartolomaeus, W.; Wolf, A.; Sistenich, C.; Kaundinya, I.; Jungfeld, I.; Ellmers, U.; Kübler, J.; Holte, H.; Kaschner, R.: Feldversuch mit Lang- LKW. Hrsg.: Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast), Bergisch Gladbach, 2016 https: / / www.bast.de/ BASt_2017/ DE/ Verkehrstechnik/ Fachthemen/ v1-lang-lkw/ v-lang-lkw-abschluss-kurz.pdf; jsessioni d = A E C B 3 C 7 C 3 9 9 6 9 4 9 9 B 1 4 6 B D 2 E F 4 0 8 F 0 D 8 . l i v e 1 1 2 9 1 ? _ _ blob=publicationFile&v=4 (abgerufen am 16.10.2018) [10] Lohre, D.; Bernecker, T.; Stock, W.; Düsseldorff, K.: ZF-Zukunftsstudie Fernfahrer 2.0. Der Mensch im Transport- und Logistikmarkt. Hrsg.: EuroTransportMedia Verlags- und Veranstaltungs-GmbH, Stuttgart, 2014 [11] Marktbeobachtung Güterverkehr: Abläufe an den Laderampen verbessern - Ergebnisse einer Befragung von Kraftfahrern und Rampenbetreibern. Hrsg.: Bundesamt für Güterverkehr, Köln, 2017 http s : / / w w w. b a g . b u n d . d e / S h a r e d D o c s / D o w n l o a d s / D E / Marktbeobachtung/ Sonderberichte/ Laderampe2017_Fahrerbefragung.pdf? __blob=publicationFile (abgerufen am 12.11.2018) [12] Michaelis, M.: Berufskraftfahrer-Gesundheit - Ist Prävention möglich? In: Badura, B.; Ducki, A.; Schröder, H.; Klose, J.; Meyer, M. (Hrsg.): Fehlzeiten-Report 2015. Springer-Verlag, Berlin; Heidelberg, 2015 [13] Mautstatistik: Jahrestabellen 2017. Hrsg.: Bundesamt für Güterverkehr, Köln, 2018 https: / / www.bag.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ Statistik/ LKW-Maut/ Jahrestab_16_17.html? nn=13100 (abgerufen am 01.02.2018) [14] Müller, C.: Gibt es ein Alkoholproblem unter Lastwagenfahrern? . Hrsg.: Süddeutsche Zeitung 2019 https: / / www.sueddeutsche.de/ auto/ lkw-fahrer-alkohol-1.4306718, 28.01.2019 (abgerufen am 01.02.2019) [15] Marktbeobachtung Güterverkehr: Auswertung der Arbeitsbedingungen in Güterverkehr und Logistik 2016-I - Fahrerberufe. Hrsg.: Bundesamt für Güterverkehr, Köln, 2016 https: / / www.bag.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ Marktbeobachtung/ Turnusberichte_ Arbeitsbedingungen/ Bericht_5E_Fahrerberufe_2016-I.pdf? __ blob=publicationFile (abgerufen am 29.11.2018) [16] Bengler, K.; Gross, B.: Mobile Endgeräte im Fahrzeug. Digital und sicher unterwegs. DGUV Forum 6 (2018), S. 13-17 [17] Marktbeobachtung Güterverkehr: Arbeitsbedingungen von Kraftfahrern - Ergebnisse einer internationalen Kraftfahrerbefragung. Hrsg.: Bundesamt für Güterverkehr, Köln, 2014 https: / / www.bag. bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ Marktbeobachtung/ Sonderberichte/ SB_Fahrerbefragung.pdf? __blob=publicationFile (abgerufen am 06.12.2018) [18] Fellmin, S.: Analyse des Ess- und Trinkverhaltens von Berufskraftfahrern - Eine Erhebung als Basis für Maßnahmen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Hrsg.: Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg, 2015 http: / / edoc.sub. uni-hamburg.de/ haw/ volltexte/ 2016/ 3257/ pdf/ BA_Sandra_Fellmin.pdf (abgerufen am 25.10.2018) [19] Bauer, M.: Daimler hat ein Fitness-Set für die LKW-Kabine entwickelt. Damit soll der Fahrer unterwegs gezielt stark beanspruchte Körperpartien kräftigen. Hrsg.: Eurotransport.de, 2015 https: / / www. eurotransport.de/ artikel/ topfit-set-daimler-macht-den-lkw-zumfitness-studio-6633289.html, 09.04.2015 (abgerufen am 10.01.2019) [20] Transport: Ladungsdiebstahl verursacht Milliardenschäden. Hrsg.: Logistik heute, 2018 https: / / www.logistik-heute.de/ Logistik-News- Logistik-Nachrichten/ Markt-News/ 17961/ Laut-BWVL-wird-alle- 20-Minuten-Ladung-geklaut-Transport-Ladungsdiebstahl-ver, 09.02.2018 (abgerufen am 07.12.2018) [21] Marktbeobachtung Güterverkehr: Diebstähle im Transportbereich - Aktualisierte Fassung. Hrsg.: Bundesamt für Güterverkehr, Köln, 2016 https: / / www.bag.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ Marktbeobachtung/ Sonderberichte/ Diebstaehle_im_Transportbereich_-_Aktualisierte_Fassung.pdf? __blob=publicationFile (abgerufen am 06.12.2018) [22] Adolf, J.; Balzer, C.; Haase, F.; Lenz, B.; Lischke, A.; Knitschky, G.: SHELL Nutzfahrzeuge-Studie. Diesel oder alternative Antriebe - Womit fahren LKW und Bus morgen? Fakten, Trends und Perspektiven bis 2040. Hrsg.: Shell Deutschland Oil GmbH, Hamburg, 2016 https: / / www.dlr.de/ dlr/ Portaldata/ 1/ Resources/ documents/ 2016/ PDF_ Shell_Nutzfahrzeugstudie_2016.pdf (abgerufen am 23.10.2018) [23] Mattenklott, M.; Bagschick, U.; Chromy, W.; Dahmann, D.; Kieser, D.; Rietschel, P.; Schwalb, J.; Sinner, K.-E.; Stückrath, M.; Van Gelder, R.; Wilms, V.: Dieselmotoremissionen am Arbeitsplatz. Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft, 62 (2002), Nr. 1/ 2, S. 13-23 http: / / www.dguv. de/ medien/ ifa/ de/ pub/ grl/ pdf/ 002_2002.pdf (abgerufen am 17.01.2018) Angelika Hauke Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin angelika.hauke@dguv.de Ina Neitzner Leiterin Referat „Wissenschaftliche Kooperationen“, Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin ina.neitzner@dguv.de
