Internationales Verkehrswesen
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Chinas E-Commerce-Boom
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Dirk Ruppik
Der Boom beim E-Commerce im Land der Mitte hat zu einem Mangel an Lagerhäusern und Transportlogistik geführt. Da der Transport einen Anteil von rund 50 Prozent an den Logistikkosten hat, sind insbesondere Lagerhäuser nahe beim Kunden gefragt. Der Ausbau der Logistik und der Lagerhauskapazität ist im Gange.
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Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 50 Chinas E-Commerce-Boom Hochwertige Lagerhäuser und Transportlogistik benötigt Informationstechnologie, Internethandel, Letzte Meile, Transporteffizienz Der Boom beim E-Commerce im Land der Mitte hat zu einem Mangel an Lagerhäusern und Transportlogistik geführt. Da der Transport einen Anteil von rund 50 Prozent an den Logistikkosten hat, sind insbesondere Lagerhäuser nahe beim Kunden gefragt. Der Ausbau der Logistik und der Lagerhauskapazität ist im Gange. Dirk Ruppik D er Wettbewerb der beiden chinesischen Internetgiganten Alibaba und JD.com um Marktanteile im Land der Mitte weitet sich zunehmend auf den Logistikbereich aus [1]. Laut dem amerikanischen The Wall Street Journal investiert JD.com immer mehr in hoch automatisierte Lagerhäuser. Das eigene Logistiknetzwerk umfasst bereits 15 Logistikparks, mehr als 500 Lagerhäuser, rund 7.000 Auslieferungs- und Pickup-Stationen sowie 250.000 Transport- und Lieferwagen. In abgelegene ländliche Gebiete liefert der Internet-Händler bereits via Drohne. Zudem werden Pakete auch auf Linienflügen befördert. Alibaba dagegen besitzt die Mehrheit der Anteile am Logistiknetzwerk Cainiao. Im Mai letzten Jahres kaufte die Alibaba Holding zusammen mit Investoren 10 % des chinesischen Expresszulieferers ZTO Express im Wert von 1,4- Mrd. USD (1,26 Mrd. EUR). Zudem will das Unternehmen weitere Milliarden in seinen Logistikbetrieb investieren. Das E- Commerce-Unternehmen nutzt seit langem Logistiker wie ZTO und Chinas größten Expresszulieferer SF Express Logistikkosten bisher noch hoch Trotz allem belaufen sich die Logistikkosten im Land der Mitte noch auf 15 % des Bruttoinlandproduktes. In entwickelteren Märkten wie den USA liegen diese bei 7 bis 8 %. Beim Logistics Performance Index (LPI) liegt Hongkong auf Platz neun, China auf Platz 27 und Deutschland sowie die USA auf Platz eins und zehn. Beim LPI werden Kriterien wie Infrastruktur, Zollabfertigung, Dienstleistungsqualität und Pünktlichkeit, u. a. berücksichtigt. George Yeo, ehemaliger Vorsitzender des Kerry Logistics Network, beklagt die hohen Mautgebühren im größten Mautstraßensystem der Welt (Länge rund 160.000 km). Viele Prozesse in der Paketabfertigung basieren bisher noch auf Handarbeit. Daher muss dringend automatisiert werden, um die Arbeitskosten zu senken. Ende März kündigte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua weitere Maßnahmen zur Senkung der Logistikkosten und zur Verbesserung der Transporteffizienz an. Laut dem Sprecher Wu Chungeng soll die Effizienz in den nächsten drei Jahren u. a. durch die Beschleunigung des Ausbaus eines umfassenden Transportnetzwerkes, die Förderung des multimodalen Transports und die Ausweitung des elektronischen Mautgebührensystems erfolgen. Das Transportministerium wird die Eisenbahn-, Straßen- und Wasserweg-Transportsysteme ausbauen und die Struktur optimieren. Weiterhin soll das Netzwerk der Logistikhubs ausgebaut werden. Wu sagte Hoch automatisiertes „Asia No. 1“-Lagerhaus in Shanghai Quelle: JD.com LOGISTIK China Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 51 China LOGISTIK auch, dass technologische Innovationen wie das „Internet Plus Logistikmodell“ und die Konsolidierung von Informationsplattformen für Transport und Logistik vorangetrieben werden sollen. In diesem Rahmen wird laut des Premiers Li Keqiang eine intensive Integration der Informationstechnologie wie Internet, Big Data und Cloud Computing mit der Logistik angestrebt, um die Transformation und den Ausbau der Logistikindustrie und der chinesischen Wirtschaft zu fördern. In 2019 ist gemäß Xinhua geplant, gleichzeitig die Logistikkosten um 120,9 Mrd. CNY (15,4 Mrd. EUR) zu senken. China hat hier bereits in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Logistikbetreiber folgen Online- Konsum „Es ist wichtig, die Distanz zwischen Lagerhaus und Verbrauchern zu reduzieren“, sagte Victor Mok, Co-Präsident China bei Global Logistic Properties (GLP). GLP besitzt 30 Mio. m 2 Lagerhausfläche und ist damit der größte Lagerhausbetreiber in China. Bisher fokussierte das Unternehmen auf Großstädte wie Peking, Shanghai und Shenzhen. Logistikbetreiber folgen nun aber dem Online-Konsum an Gütern hin zu kleinen Inlandsregionen. In größeren Ballungsräumen wurde das für die industrielle Entwicklung zur Verfügung stehende Land bereits limitiert. Daher ging das Investment dort gewaltig zurück. Gleichzeitig ist die Kapitalanlage in Logistikimmobilien in den letzten Jahren für private Investoren wie Versicherungsunternehmen und Investmentfonds immer attraktiver geworden. Es ist also zu erwarten, dass das Kapital in den Bau von Logistikimmobilien wie Lagerhäuser in ländlichen Regionen fließt. Letztes Jahr brachte JD.com 2,5 Mrd. USD (2,3 Mrd. EUR) zusammen mit Teilhabern wie Tencent, dem Versicherungsunternehmen China Life und der Wagniskapitalfirma Sequoia auf, um die Logoistiksparte JD Logistics (seit April 2017 selbstständiges Unternehmen) auszubauen. Mit dem Kapital wurde das Logistikangebot um Lagerhausbetrieb und Zulieferdienste auf der „letzten Meile“ erweitert. Laut Zhang Chen, Technischer Direktor bei JD.Com, geht es darum, dass effizienteste nahtlose Netzwerk - vom Kunden über die Supply Chain bis zur Logistik - aufzubauen. „Unsere Entscheidung frühzeitig ein eigenes logistisches Netzwerk zu entwickeln, hat den Weg zur heutigen industriellen Führerschaft für JD Logistics geebnet“, erklärt Richard Liu, Vorsitzender und Geschäftsführer von JD.com. Nach wie vor müssen Alibaba und auch JD.com Lagerhausplatz anmieten. Zudem geht der Trend zu sog. extrem automatisierten Smart Warehouses, um Arbeitskräfte und damit Löhne einzusparen und die Effizienz zu erhöhen. Beide Internethändler besitzen bereits „unbemannte“ roboterbetriebene Lagerhäuser: JD.com das „Warehouse No 1. Asia“ (großes Bild) und Cainiao das „Wuxi warehouse“. Das Online-Shopping im Land der Mitte wächst beständig (Bild 1), ist aber laut Handelsministerium immer noch für weniger als 20 % des chinesischen Gesamtkonsums verantwortlich. Alibaba wie auch JD.com vertreiben ebenso Lebensmittel über ihre Offline-Supermärkte Hema und 7Fresh. Der Alibaba-Hema-Supermarkt fungiert zudem als Fulfillment Center. Von den Angestellten werden auch Online-Bestellungen bearbeitet. Für die Versorgung dieser Supermarktketten sind spezielle Lagerhäuser (Food-Grade) nötig, die extremen Anforderungen unterliegen. Meist sind diese Lagerhäuser hochautomatisiert, wie z. B. das vollautomatisierte JD Warehouse in Shanghai (Bild 2). Veränderte Nachfrage und chinesische Werte Die Nachfrage chinesischer Konsumenten hat sich in den letzten zehn Jahren gravierend verändert. Laut Tom Doctoroff, Buchautor und Experte für chinesisches Konsumentenverhalten, „sind die chinesischen Verbraucher lang nicht mehr so eindimensional wie früher. Die Hälfte aller Chinesen ist nach 1990 geboren und deren Nachfrage wird heute zunehmend durch Leidenschaften und digitale Technologie geformt. [...] Die Konsumenten werden aber weiterhin durch die Grundsätze der chinesischen Gesellschaft angetrieben. Chinesen wollen einerseits Stabilität und anderseits ihren Status zur Schau stellen.“ [2] Experten und Geschäftsleute haben auf der durch Alibaba ausgerichteten Konferenz Gateway ’17 in Detroit (Juni 2017) folgende Produkte bestimmt, die bei Chinesen momentan hoch im Kurs stehen. Aufgrund der hohen Qualität ausländischer Güter sind dies Schuhe, Kleidung (Schwangerschaftskleidung und Baby-Accessories), Schmuck, Make-up sowie Hautpflegemittel. Denn Chinesen werden immer gesundheitsbewusster. Daher sind Vitamine, gesunde Nahrungsmittel und Babynahrung, Produkte für die Stillzeit, Säfte, Superfood und -snacks, frische Nahrungsmittel sowie natürliche Reinigungsmittel sehr gefragt. Darüber hinaus besteht großes Interesse an ausländischem Qualitätswein, Sportartikeln und originellen elektronischen Geräten. ■ QUELLEN [1] Maxime Van ’t Klooster (2017): What Is Fueling the E-commerce Boom in China? Online: www.1421.consulting, 23.08.2017 (Abruf: 20.09.2019). Und: Benelux Chamber of Commerce in China. Online: beijing.benc h a m . o rg/ n ew s / w h at-f u e li n ge co m m e rce -b o o mc h i n a , 23.08.2017 (Abruf: 20.09.2019) [2] Tom Doctoroff (2013): What Chinese Want: Culture, Communism, and China‘s Modern Consumer. St. Martin‘s Press ISBN: 978- 0230340305 Dirk Ruppik Asien-Korrespondent und freier Fachjournalist, Thailand dirk.ruppik@gmx.de Bild 1: Zuwächse beim Online-Shopping in China Quelle: [1] Bild 2: Roboter im JD.com-Lagerhaus Shanghai Quelle: JD.com
