eJournals Internationales Verkehrswesen 71/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0089
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2019
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On-demand-Mobilität - eine Lösung für alle?

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2019
Kathrin Viergutz
Mascha Brost
Laura Gebhardt
Katharina Karnahl
Im Projekt Reallabor Schorndorf haben drei Verkehrsinstitute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Schorndorf ein bedarfsgerechtes On-demand-Bussystem entwickelt und im Jahr 2018 neun Monate lang vor Ort erprobt. Dabei wurden zwei bestehende innerörtliche Buslinien ersetzt und somit eine sehr heterogene Nutzergruppe in einem Realexperiment untersucht. Der Artikel vergleicht ausgewählte Kennzahlen des Bedarfsbusbetriebs mit Vergleichsdaten zum Linienbusbetrieb und zeigt Chancen und Herausforderungen des Bedarfsbetriebs auf.
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Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 76 MOBILITÄT Bedarfsbus On-demand-Mobilität - eine Lösung für alle? Erfahrungen aus dem Reallabor Schorndorf: Ein Vergleich zwischen On-demand-Mobilität und Linienverkehr Bedarfsorientierte Bedienung, Mobility on demand, Bürgerbeteiligung, Wirtschaftlichkeit Im Projekt Reallabor Schorndorf haben drei Verkehrsinstitute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Schorndorf ein bedarfsgerechtes On-demand-Bussystem entwickelt und im Jahr 2018 neun Monate lang vor Ort erprobt. Dabei wurden zwei bestehende innerörtliche Buslinien ersetzt und somit eine sehr heterogene Nutzergruppe in einem Realexperiment untersucht. Der Artikel vergleicht ausgewählte Kennzahlen des Bedarfsbusbetriebs mit Vergleichsdaten zum Linienbusbetrieb und zeigt Chancen und Herausforderungen des Bedarfsbetriebs auf. Kathrin Viergutz, Mascha Brost, Laura Gebhardt, Katharina Karnahl B edarfsorientierte Bedienkonzepte, also innovative flexible Angebotsformen des öffentlichen Nahverkehrs, die nach vorheriger Anmeldung von Fahrtwünschen verkehren (on-demand) [1], können als zeitliche oder räumliche Ergänzung zum Linienverkehr oder als alleinige Alternative die Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung erfüllen [2]. Im Forschungsprojekt Reallabor Schorndorf entwickelte ein Team von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis gemeinsam mit der Zivilgesellschaft ein Bedarfsbussystem. Im Testbetrieb von März bis Dezember 2018 ersetzte das flexible System an den Wochenenden zwei bestehende Busrouten in der Stadt Schorndorf. In dieser Zeit wurden die Fahrtwünsche der Fahrgäste per Algorithmus bedarfsgerecht zu optimalen Routen kombiniert. Somit fuhren die Busse nicht mehr auf festen Routen und nach starren Fahrplänen, sondern richteten sich nach dem Bedarf der Fahrgäste. On-demand-Verkehren wird häufig eine höhere Kosteneffizienz sowie eine geringere Verkehrserzeugung und damit eine bessere ökologische Bilanz gegenüber dem Linienverkehr zugeschrieben. Im vorliegenden Artikel sollen einzelne Aspekte dieser Bilanzen näher beleuchtet werden. Dafür wird der Testbetrieb des Bedarfsbusses in Schorndorf mit dem wieder aufgenommenen Linienverkehr verglichen, indem die Kennzahlen der Fahrgastzahlen, der Erschließung sowie der Fahrzeugkilometer ausgewertet werden. Über die Inhalte dieses Artikels hinausgehend sind für ökologische und ökonomische Bilanzen viele weitere Faktoren zu betrachten und in Kontext zu setzen. Bedarfsbusbetrieb in Schorndorf Im Januar 2019 endete das Projekt Reallabor Schorndorf 1 , in dem ein Bedarfsbussystem ohne feste Routen, Fahrpläne und Haltestellen entwickelt, erprobt und untersucht wurde. Dabei bildete der Aspekt der Bürgerbeteiligung einen wichtigen Forschungsschwerpunkt. Von Anfang an wurden die Schorndorfer Bürgerinnen und Bürger und die kommunalen Gremien bei der Entwicklung und Optimierung des Systems intensiv einbezogen. Der flexible Bedarfsbus ersetzte während eines neunmonatigen Testbetriebs zwei konventionelle innerstädtische Buslinien und so erprobte eine breite Bevölkerungsgruppe das neue System. Das Projektteam zog eine positive Gesamtbilanz bezüglich gewonnener Erkenntnisse zu Chancen und Herausforderungen eines Bedarfsbusbetriebs im ÖPNV und der verwendeten Methodik. Das Forschungsformat eines Reallabors [3, 4] mit intensiver Zusammenarbeit von Wissenschaft, Praxispartnern und Zivilgesellschaft hat sich sehr gut bewährt. Die Ergebnisse sind in einem öffentlich zugänglichen Projektbericht zusammengefasst [5]. In Schorndorf wird seit dem Ende des Testbetriebs plangemäß wieder ein getakteter Linienbetrieb gefahren. Im Mai 2019 führte das DLR eine Fahrgastzählung im Linienbetrieb der Buslinien, die zuvor vom Bedarfsbus ersetzt worden waren, durch. Ziel der Fahrgastzählung einige Monate nach Rückumstellung zum Linienverkehr war der Vergleich von Fahrgastzahlen und gefahrenen Fahrzeugkilometern im Linienbzw. Bedarfsbusbetrieb. Ausgewählte Ergebnisse des Vergleichs werden in diesem Artikel präsentiert. Methodisches Vorgehen zum Vergleich von Bedarfsbusbetrieb und Linienbetrieb Insgesamt wurden während des neunmonatigen Testbetriebs Fahrten für über 10.000 Fahrgäste gebucht. Der Bedarfsbus verfügte über keinen festen Fahrplan bis auf die Ausnahme der Abfahrt des Busses am Bahnhof. Im Folgenden wird jede Abfahrt am Bahnhof als Start eines Umlaufs bezeichnet. Nach dem Ende des Testbetriebes wurde ab Mitte Dezember 2018 der Linienverkehr an den Wochenenden wieder aufgenommen. Nach der Rückumstellung in den Linienbetrieb wurde vom 24. bis 26. Mai 2019 eine Zählung in den während des Testbetriebs ersetzten Buslinien 242 und 247 durchgeführt, um Vergleichszahlen zu erhalten. Als Grundlage zur Bewertung dient nun ein Vergleich zwischen dem Wochenende der Linienverkehrszählung im Mai 2019 mit dem Bedarfsbusbetrieb an einem ausgewählten Wochenende im gleichen Vorjahreszeitraum (Mai 2018). Für den Mai 2018 (Bedarfsbusverkehr) wird das Wochenende 4. bis 6. Mai 2018 herangezogen als Zeitraum ohne Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 77 Bedarfsbus MOBILITÄT Ferien, Feiertage oder andere Besonderheiten. Auch bei der Auswahl des Wochenendes für die Fahrgastzählung im Linienverkehr wurde darauf geachtet, dass keine ungewöhnlichen Umstände wie Feiertage oder Schulferien vorlagen. Dennoch kann keine Aussage getroffen werden, ob die im Linienbetrieb erhobenen Fahrgastzahlen hoch, niedrig oder durchschnittlich sind. Analyse der Fahrgastzahlen Die Fahrgastzahlen des Testbetriebs sind in Bild 1 dargestellt. Die Abbildung teilt sich in zwei Bereiche, da im Juli die Betriebszeiten des Bedarfsbusses angepasst wurden und dabei die Betriebszeiten des Bedarfsbusses am Freitagvormittag und Samstagvormittag entfielen. Die recht hohen Schwankungen der Fahrgastzahlen an einzelnen Wochenenden sind nicht unüblich für den ÖPNV, da Ferienzeiten, Veranstaltungen, das Wetter und weitere Faktoren einen großen Einfluss auf die Fahrgastzahlen haben. Unter Berücksichtigung der Umstellung der Betriebszeiten im Juli lassen sich keine allgemeinen Trends hin zu mehr oder weniger Fahrgästen im zeitlichen Verlauf des Testbetriebs erkennen. Tabelle 1 stellt die Anzahl der Fahrgäste sowie die erbrachten Fahrzeugkilometer des Bedarfs- und Linienverkehrs gegenüber. Es werden ausschließlich jene Uhrzeiten verglichen, die im gesamten Testzeitraum von neun Monaten vom Bedarfsbus bedient wurden. 2 Als Fahrgastzahlen wird hierbei zwischen Fahrgästen mit Buchung und spontan zusteigenden Fahrgästen unterschieden. Zusätzlich zu den gebuchten Fahrgästen gab es eine signifikante Anzahl von Fahrgästen ohne Buchungen (Spontanzusteiger). Aus häufigen stichprobenartigen Zählungen im Bedarfsbusbetrieb über die gesamte Dauer des Testbetriebs konnte abgeleitet werden, dass, bezogen auf die Buchungen, zusätzlich ca. 70 % Spontanzusteiger den Bedarfsbus nutzten, somit können die Buchungszahlen mit einem Faktor 1,7 hochgerechnet werden. Während des Erhebungswochenendes im Bedarfsverkehr im Mai 2018 lag die Summe aller Fahrgäste bei ca. 440, davon 260 Fahrgäste mit Buchungen sowie ca. 180- spontanzusteigende Fahrgäste. Dies sind ca. 20 % weniger Fahrgäste als bei der Vergleichszählung im Linienbetrieb im Mai 2019, bei der die Gesamtanzahl der Fahrgäste bei ca. 540 lag 3 . Neben Fahrgästen mit Buchungen und spontan zusteigenden Fahrgästen beeinflussen auch nicht erscheinende Fahrgäste die Fahrgastzahlen im Bedarfsbusbetrieb. Fahrgäste, die ihre Fahrt trotz Buchung nicht angetreten haben, wurden im Rahmen des Testbetriebes jedoch nicht erfasst. Tabelle 1 zeigt neben den Fahrgastzahlen auch den Vergleich der erbrachten Fahrzeugkilometer im Bedarfs- und Linienverkehr. Die zurückgelegten Fahrzeugkilometer sind bei den Linienbussen zusammen (522 km) etwas höher im Vergleich zum Bedarfsbus (496 km) 4 . In den einzelnen im Bedarfsbusverkehr gefahrenen Umläufen werden häufig deutlich kürzere Strecken zurückgelegt als in den Umläufen des Linienverkehrs, jedoch werden durch die größere zeitliche Flexibilität mehr Umläufe in den gleichen Zeiträumen angeboten. Dadurch wird oft mit einem geringeren Besetzungsgrad als im Linienverkehr gefahren. Für die Fahrgäste ergibt sich daraus als Mehrwert eine größere zeitliche Flexibilität sowie durch die Möglichkeit der Haustürbedienung kürzere Zu- und Abwege. Erschließung und Fahrgastwechsel Eine wesentliche Neuerung im Bedarfsbusverkehr in Schorndorf war neben flexibler Routenführung und flexiblen Abfahrtszeiten auch die Nutzung von zusätzlichen Haltepunkten im Straßenraum abseits der regulären beschilderten Haltestellen. In der Evaluation der Nutzung des Bedarfsbussystems wird daher auch dieser Punkt ausgewertet. Die Nutzung virtueller Haltepunkte war nur bei Buchungen via App möglich. Bei der Buchung über Telefon oder Web waren nur reguläre Haltestellen nutzbar. Andernfalls wäre die Routenoptimierung stark eingeschränkt worden, da für telefonisch buchende Fahrgäste keine Informationsmöglichkeit zu Änderungen bestand. Für die Berechnung des Nutzungsanteils virtueller Haltepunkte wurden daher nur die Buchungen via App (rund 65 % aller Buchungen) berücksichtigt. Dabei ergibt sich ein Nutzungsanteil der virtuellen Haltepunkte von 11 %. Ein Grund für den relativ geringen Nutzungsanteil der virtuellen Haltepunkte liegt in der Bündelung von Haltepunkten für verschiedene Fahrtanfragen zu einem Halt. Diese Bündelung wurde im Hinblick auf die Optimierung des Routings für jeden Umlauf durchgeführt. Lagen die Haltestelle für eine Telefonbuchung (zwangsläufig reguläre Haltestelle) und die virtuelle Haltepunkte für eine App-Buchung nahe beieinander, wurden die Halte auf reguläre Haltestellen zusammengelegt. Ansonsten hätten durch weitere Randbedingungen bei der Routenoptimierung einige Fahrtanfragen von Fahrgästen bereits bei der Buchung abge- Anzahl Fahrgäste Bedarfsbus (Buchungen Mai- Wochenende 2018 Anzahl Fahrgäste Linie 242 (Zählung Mai-Wochenende 2019) Anzahl Fahrgäste Linie 247 (Zählung Mai-Wochenende 2019) Fahrzeugkm Bedarfsbus (Buchungen Mai- Wochenende 2018) Fahrzeugkm Linie 242 (Linienlänge) Fahrzeugkm Linie 247 (Linienlänge) Summe 260 406 134 496 320 202 Spontanzusteiger (berechnet) 180 _ _ - - - Summe (gesamt) 440 540 496 522 Tabelle 1: Vergleich zwischen Bedarfs- und Linienverkehr: Fahrgastzahlen und Fahrzeugkilometer Quelle: DLR 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 10* 11 12 13* 14 15 16 17* 18 19* 20* 21 22* 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39* 40* 41 42 43 44* 45 46 47 48 Anzahl Fahrgäste Kalenderwochen 2018 Fahrgäste ohne Buchung: Spontanzusteiger (jeweils auf gesamte Betriebszeit berechnet) Fahrgäste freitags von 15 - 20 Uhr und samstags von 6 bis 13 Uhr Fahrgäste freitags ab 20 Uhr, samstags ab 13 Uhr und sonntags ganztägig Anpassung der Betriebszeiten KW 18: für den Vergleich betrachtetes Wochenende * Wochenenden mit abweichender Gesamtbetriebszeit, zum Beispiel durch Feiertage Bild 1: Anzahl der Fahrgäste im Bedarfsverkehr Quelle: DLR Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 78 MOBILITÄT Bedarfsbus lehnt werden müssen. Insgesamt kann trotz des relativ geringen Nutzungsanteils festgehalten werden, dass virtuelle Haltestellen für die Servicequalität von Bedarfsbussen von Bedeutung sind, da durch sie beispielsweise Fußwege verkürzt (in Schorndorf in der Regel von ca. 500 m auf ca. 150 m) oder Fahrtwünsche günstiger zusammengefasst werden können. Bild 2 zeigt die Anzahl der einsteigenden Fahrgäste je fester Haltestelle und somit die Unterschiede in der Nutzung der Haltestellen. Potentielle Nutzergruppen des Bedarfsbussystems Bei der Entwicklung des neuen Bussystems war die Frage zentral, wer die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer sein könnten und welche Anforderungen sie an das Unterwegs-Sein stellen. Zur Beantwortung dieser Fragen wurden auf Grundlage von Daten- und Dokumentenanalysen sowie Interviews potenzielle Nutzergruppen identifiziert: Seniorinnen/ Senioren, Personen die häufig den ÖPNV nutzen, mobilitätseingeschränkte Personen sowie Personen, die häufig den PKW nutzen. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Schorndorf als Repräsentanten dieser vier Nutzergruppen wurden mögliche Nutzungsszenarien für den Einsatz des neuen Bussystems diskutiert. Ausgehend von den identifizierten Nutzeranforderungen arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Fachdisziplinen, Bürgerinnen und Bürger sowie Praxisakteure (Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), Busbetreiber, Busfahrer) gemeinsam an dem Buskonzept. Die Erkenntnisse zu den Nutzeranforderungen und aus den Diskussionen mit den Bürgerinnen und Bürgern lassen Rückschlüsse für die Analyse und Interpretation der ausgewerteten Daten im Vergleich von Bedarfsbusverkehr und Linienbusverkehr zu [4]. Der Praxistest unter Realbedingungen in Schorndorf bestätigt die Annahme, dass es für ältere Personen (die größte Nutzergruppe des ÖPNV in Schorndorf ) eine Herausforderung darstellt, den Bus über eine App oder eine Telefonhotline zu bestellen. Vor allem für ältere Personen, aber z.B. auch für Schülerinnen und Schüler sind routinierte Alltagspraktiken von großer Bedeutung. Das „selbst aktiv werden“ stört diese Bevölkerungsgruppen mehr als dass sie von den Stärken des neuen Systems profitieren (zu den Stärken und Schwächen des Systems aus Nutzerperspektive siehe auch Tabelle 2). Dies schlägt sich in den Fahrgastzahlen nieder, aber auch in der Bewertung des neuen Buskonzeptes im Rahmen von empirischen Befragungen. Hier konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Alter und Zufriedenheit mit dem System identifiziert werden [6, 7]. Der Praxistest zeigt aber auch die Chancen eines Bedarfsbussystems für Fahrgäste und die Umwelt auf. Dies zeigt sich auch in den Bewertungen und Einschätzungen durch die Bürgerinnen und Bürger, die in Befragungen geäußert wurden (vgl. Tabelle-2). Fazit Betrachtet man die Vergleichszählungen, so waren die Fahrgastzahlen im Bedarfsbusbetrieb in Schorndorf geringer als im Linienbetrieb. Einige Gründe hierfür sind im vorliegenden Artikel beleuchtet worden. Als Fazit lässt sich daraus schließen, dass Ondemand-Systeme vorteilhaft sein können, aber nicht für alle Situationen und alle Nutzergruppen und Raumstrukturtypen eine Lösung sind. Sie müssen im jeweiligen Kontext bewertet werden. Die Auswertungen führen zu folgenden Kernaussagen: • Eine erforderliche Bestellung des Bedarfsbusses stellt für viele Fahrgäste eine 6,5 6,2 3,0 5,4 0,0 0,0 0,0 Hin 0,2 0,0 Rück 0,0 Hin 0,1 1,1 Rück 0,9 0,3 0,5 0,5 Hin 0,1 Rück 0,0 Hin 0,0 0,6 Rück 0,2 0,0 0,0 0,0 0,1 0,1 0,0 0,0 0,2 0,5 0,3 1,1 1,1 Hin 0,1 0,0 Rück 0,9 1,1 0,3 0,8 0,3 0,5 0,3 1,0 0,5 0,2 Hin 0,0 0,1 Rück 0,0 Hin 0,0 0,1 Rück 0,2 0,0 0,0 0,0 0,2 Hin 0,1 Rück 0,0 0,2 0,0 0,1 Hin 0,0 Rück 0,3 Anzahl Einsteiger an Haltestellen - Mittelwert über alle Umläufe 242 247 B Linie 242 Linie 247 B = Bedarfsbus Niedrige Anzahl Bild 2: Anzahl der einsteigenden Fahrgäste je fester Haltestelle im Bedarfs- und Linienverkehr Quelle: DLR Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 79 Bedarfsbus MOBILITÄT Hürde dar. Die Gewöhnung an neue Systeme seitens der Fahrgäste erfordert Zeit. • Der Bedarfsbus bietet Fahrgästen mehr Flexibilität (höhere zeitliche Verfügbarkeit, mehr Haltepunkte, Direktverbindungen) bei gleichzeitiger Vermeidung von Leerfahrten. • Die höhere zeitliche Flexibilität und damit die Attraktivitätssteigerung können zu mehr Umläufen mit einem geringeren Besetzungsgrad als im Linienverkehr führen. • Es werden im Bedarfsbetrieb Umläufe eingespart, für die es keinen Fahrtwunsch gibt. • Langfristig könnte bei höherer Flexibilität ein Umstieg von mehr Fahrgästen auf ÖPNV erfolgen, wenn die Akzeptanz gesteigert werden kann. Im Laufe des Testbetriebes konnte anhand von Umfragen eine steigende Akzeptanz festgestellt werden. Für die Dauer des Testbetriebs zeigten sich allerdings geringere Fahrgastzahlen als im Linienbetrieb. Eine Änderung von Einstellungen, Routinen und Verhaltensweisen im Mobilitätsverhalten ist lediglich in langfristigen Zeiträumen zu erwarten. • On-demand-Systeme sind nicht per se nachhaltiger als Linienverkehre. Die Auswertung zeigt, dass negative und positive Aspekte ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Wichtig ist immer eine situationsspezifische Beurteilung und eine Gewichtung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte. Fahrgastzahlen und gefahrene Kilometer bilden einen Teilaspekt bei der Bewertung von ökologischen und ökonomischen Aspekten von Bedarfsbussystemen im Vergleich mit getaktetem Linienverkehr. Für eine Bilanz sind viele weitere Faktoren zu betrachten und in Kontext zu setzen. Es besteht weiterer Forschungsbedarf für die Einschätzung, in welchen Anwendungsräumen On-demand-Verkehre am sinnvollsten umsetzbar sind. ■ 1 Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg mit insgesamt 1,2 Millionen Euro. Projektkonsortium: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) (Projektleitung), Stadtverwaltung Schorndorf, Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS), Knauss Linienbusse, Hochschule Esslingen, Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (ZIRI- US) der Universität Stuttgart 2 Betrachtete Umläufe: (jeweils Angabe des Umlaufbeginns): freitags von 20: 19 Uhr bis einschließlich des letzten Umlaufs um 00: 49 Uhr; samstags von 13: 19 Uhr bis einschließlich des letzten Umlaufs um 00: 49 Uhr; sonntags von 06: 19 Uhr bis einschließlich des letzten Umlaufs um 00: 49 Uhr. 3 Durch die großen Schwankungen der Fahrgastzahlen im ÖPNV allgemein ist die Einschätzung schwierig, wie signifikant die Unterschiede sind. 4 Fahrzeugkilometer beim Bedarfsbus beziehen sich auf gebuchte Fahrten. QUELLEN [1] Mulley, C.; Nelson, J. (2009): Flexible transport services: A new market opportunity for public transport. Research in Transportation Economics, 25. Aufl., S. 39-45 [2] VDV (2009): Differenzierte Bedienung im ÖPNV - Flexible Bedienungsweisen als Baustein eines marktorientierten Leistungsangebotes. Blaue Buchreihe des VDV Band 15 [3] De Flander, K.; Hahne, U.; Kegler, H.; Lang, D.; Lucas, R.; Schneidewind, U.; Simon, K.-H.; Singer-Brodowski, M.; Wanner, M.; Wiek, A. (2014): Resilience and real-life laboratories as key concepts for urban transition research. GAIA-Ecological Perspectives for Science and Society 2014, 23, pp. 284-286, doi: 10.14512/ gaia.23.3.19.46 [4] Schneidewind, U. (2014): Urbane Reallabore - ein Blick in die aktuelle Forschungswerkstatt. PND online 2014, III/ 2014, pp. 1-7 [5] Brost, M.; Gebhardt, L.; Karnahl, K.; Deißer, O.; Steiner, T.; Ademeit, A.; Brandies, A. u. a. (2019): Reallabor Schorndorf - Entwicklung und Erprobung eines bedarfsgerechten Bussystems. Projektbericht. Stuttgart: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR e.V.). Abrufbar über https: / / verkehrsforschung.dlr.de/ de/ news/ busfahren-nach-bedarf-projektbericht-zum-reallabor-schorndorf-verfuegbar [6] Gebhardt, L.; Lenz, B. (2019): „On demand“ statt Fahrplan. Baustein eines zukünftigen Mobilitätsmanagements? Informationen zur Raumentwicklung, 46 (1/ 2019), S. 98-111. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. ISSN 0303-2493 [7] Gebhardt, L.; Brost, M.; Steiner, T. (2019): Bus on demand - ein Mobilitätskonzept mit Zukunft: Das Reallabor Schorndorf zieht nach dem Testbetrieb Bilanz. Online: www.ingentaconnect.com/ content/ oekom/ gaia; jsessionid=1tel98l2p20ds.x-ic-live-02, Volume 28, Number 1, 2019, pp. 70-72(3) Positiv Negativ • Ich bin flexibel. • Ich finde den Ansatz innovativ. • Einfach praktisch. • Der Bus fährt dorthin, wo ich ihn brauche. • Mit dem neuen Bus komme ich auf direktem Weg zu mir nach Hause • Ich kann mobil sein, ohne umzusteigen. • Ich find das super. • Im Bus war es persönlicher als früher. • Tolle Atmosphäre im Bus. • Keine Leerfahrten mehr. • Keine Umwege mehr mit dem Bus, das ist-klasse. • Fast wie ein Taxi • Mitten in der Nacht bestellbar. • Was Neues ausprobieren macht Spaß. • Ich schätze die Tür-zu-Tür Verbindungen. • Ich muss bei jeder Fahrt davor selbst aktiv werden. • Ich muss immer bestellen das nervt. • Ich bin überfordert. • Man weiß nie, wann der Bus wo fährt. • Ich kann nicht einfach spontan zum Bus gehen. • Bestellung über App ist kompliziert. • Bestellung über Telefonhotline ist unkomfortabel. • Planungsunsicherheit. • Man weiß nie wie lange man braucht. • Vorab buchen finde ich lästig. • Ist mir zu kompliziert. • Ich habe kein Smartphone. • Man weiß nie wie lange man im Bus sitzt. Tabelle 2: Positive und negative Aspekte des bedarfsgerechten Bussystems aus Nutzerperspektive auf Basis von Interviews und Befragung im Juli 2019 Quelle: DLR Mascha Brost, Dipl.-Ing., M.Des. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Fahrzeugkonzepte, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Stuttgart mascha.brost@dlr.de Laura Gebhardt, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrsforschung, Berlin laura.gebhardt@dlr.de Katharina Karnahl, Dipl.-Ing. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Braunschweig katharina.karnahl@dlr.de Kathrin Viergutz, M.Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Verkehrssystemtechnik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Braunschweig kathrin.viergutz@dlr.de Trialog Publishers Verlagsgesellschaft | Schliffkopfstraße 22 | D-72270 Baiersbronn Tel.: +49 7449 91386.36 | Fax: +49 7449 91386.37 | office@trialog.de | www.trialog-publishers.de Redaktionsleitung: Tel.: +49 7449 91386.44 eberhard.buhl@trialog.de redaktion@internationales-verkehrswesen.de