eJournals Internationales Verkehrswesen 71/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0090
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2019
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(E)Kleinstfahrzeuge – Tech-Blase oder Verkehrsrevolution?

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2019
Rainer Hamann
Verena Knöll
Thomas Schimanski
Sabrina Bayer
Sebastian Schulz
Wie hoch ist das Potential von E-Kleinstfahrzeugen und welchen Anteil werden sie an der urbanen Mobilität langfristig beanspruchen? Wie sollen Städte und Gemeinden auf das Thema reagieren? Nach dem internationalen Blick auf die Entwicklung urbaner Mobilität in der vorigen Ausgabe von Internationales Verkehrswesen soll nun die Analyse inzwischen vorliegender Erfahrungen aus Deutschland den Kommunen helfen, wie und in welchem Umfang sie mit dem Thema umgehen können.
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Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 80 MOBILITÄT Mikromobilität (E-)Kleinstfahrzeuge - Tech- Blase oder Verkehrsrevolution? Teil 2 - Welches Potential haben die „neuen“ vernetzten Mobilitätsangebote in Deutschland? (E-)Kleinstfahrzeuge, Tretroller, Mikromobilität, Sharing, MaaS, Letzte Meile, Implementierung Wie hoch ist das Potential von E-Kleinstfahrzeugen und welchen Anteil werden sie an der urbanen Mobilität langfristig beanspruchen? Wie sollen Städte und Gemeinden auf das Thema reagieren? Nach dem internationalen Blick auf die Entwicklung urbaner Mobilität in der vorigen Ausgabe von Internationales Verkehrswesen soll nun die Analyse inzwischen vorliegender Erfahrungen aus Deutschland den Kommunen helfen, wie und in welchem Umfang sie mit dem Thema umgehen können. Rainer Hamann, Verena Knöll, Thomas Schimanski, Sabrina Bayer, Sebastian Schulz D as Inkrafttreten der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) in Deutschland hat eine weitreichende Debatte entfacht, ohne dass wichtige Fragen fundiert geklärt werden. Wie hoch ist das Potential von E-Kleinstfahrzeugen und welchen Anteil werden sie an der urbanen Mobilität langfristig beanspruchen? Wie sollen Städte und Gemeinden auf das Thema reagieren? Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Anwendung und Implementierung von E-Tretrollerangeboten in deutschen Städten. Hierbei soll - basierend auf den in Ausgabe 3/ 2019 behandelten internationalen Erfahrungen 1 - geklärt werden, welche Potentiale und Herausforderungen bei E-Tretrollern bestehen und wie Kommunen mit möglichen Anbietern umgehen können. Zu den bislang größten Herausforderungen gehört in vielen Kommunen die Abstimmung mit anderen kommunalen Mobilitätsangeboten wie Bikesharing und vor allem dem ÖPNV. E-Tretroller in Deutschland Wie schon andere europäische Länder zuvor, hat auch Deutschland nun seine Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) beschlossen, sie trat am 15. Juni 2019 in Kraft. [1] Tretroller, die über eine Allgemeine Betriebserlaubnis des Kraftfahrtbundesamtes verfügen, dürfen somit in Deutschland am Straßenverkehr teilnehmen. Die Hersteller beklagen, dass die entsprechenden Vorgaben nicht EU-einheitlich sind, so dass nun teilweise länderspezifische Fahrzeugmodelle produziert werden müssen, was Fahrzeuge sowie höchstwahrscheinlich die Nutzungsgebühren zusätzlich verteuert. Bedeutung von Sharing-Konzepten Beispiele in den Pioniermärkten USA und China zeigen, dass Sharing-Konzepte sinnvoll geplant und gesteuert werden müssen. Lässt man den operierenden Anbietern in einem neuen Markt zu viel Spielraum, können exzessive Konkurrenzkämpfe negative Folgen für Kommunen und ihre Bewohner haben, so wie es auch in Deutschland einige Städte mit stationslosen Leihfahrrädern (free-floating oder dockless Bikes), z. B. von Obike, erlebt haben [2]. Werden Regulierungen und Gesetze jedoch zu streng und fernab pragmatischer Lösungen gefasst, bringt es den Markt in kürzester Zeit zur Implosion und kann dem Ziel, städtische Mobilität im 21. Jahrhundert umweltfreundlich und mit Alternativen zum Autoverkehr zu gestalten, schaden. Das Beispiel der stationslosen Leihfahrräder Chinas zeigt auch, wie kurzlebig und chaotisch Hypes um neue Angebote im digitalen Zeitalter ausfallen können. Ob die E- Tretroller-Betreiber in den USA den Weg von der Gründerphase in die Profitabilität finden, ist dabei ebenfalls noch unsicher. Die Entwicklung ist noch nicht so weit fortgeschritten, als dass man dies seriös beurteilen könnte. In beiden Fällen gibt es Unterschiede, und vor allem unterschiedliche Zielmärkte und Mobilitätsbedürfnisse, aber auch viele Gemeinsamkeiten, was z. B. Struktur und Geschäftsmodelle der jeweiligen Betreiberfirmen betrifft. Die Internationalisierungsversuche chinesischer bzw. asiatischer Firmen auf dem europäischen Markt haben zudem gezeigt, dass Konzepte, die in Metropolen wie Beijing, Shanghai oder Singapur funktionieren, nicht zwangsläufig auch für Städte wie London, Paris oder Berlin attraktiv sind, vielleicht noch weniger in Mittel- und Kleinstädten. Hier sind bislang stationäre Betreiber wie nextbike, z. B. durch langjährige Kooperationen mit Kommunen und Verkehrsunternehmen, deutlich nachhaltiger und solider unterwegs, auch wenn sie längst nicht mit der Dynamik und den Milliardeninvestitionen aufwarten können, wie sie in Asien und Amerika üblich scheinen. Letztendlich entscheiden aber wohl nicht allein Kapital und Marketingmacht, sondern schlichtweg Kundenakzeptanz. Dazu zählt auch, die Bedürfnisse, Bedenken sowie Nutzerverhalten und Verkehrsverflechtungen des Zielmarktes zu verstehen. Der deutsche E-Tretroller-Anbieter Circ (ehem. Flash) strebt beispielsweise aktive Kooperationen mit Verkehrsbetrieben an. So ist das Unternehmen ebenfalls Mitglied des Internationalen Verbands für öffentliches Verkehrswesen (UITP) und des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), „um nahtlose Fahrten zwischen verschiedenen Verkehrsträgern zu fördern, und diese Verbindungen weiter zu stärken“ [3]. In der Schweiz arbeitet Circ bereits mit den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zusammen: Fahrgäste mit einem SBB-Zugticket können demnach einen Circ-Tretroller nutzen, um vom Bahnhof zu ihrem Zielpunkt zu gelangen. Die Beteiligung der An- Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 81 Mikromobilität MOBILITÄT bieter am öffentlichen Diskurs und in nationalen Fachgremien scheint im bereits stark regulierten und gut organisierten Mobilitätsmarkt Europa demnach sinnvoll. Kommunen sollten bei der Vergabe von Lizenzen darauf achten, dass fachlich engagierte und kooperative Betreiber besondere Beachtung finden. Das bisherige Vorgehen der Kommunen, mit Lizenzen und strikten Regulierungen dem E-Tretroller-Hype zu begegnen, scheint sich zu bewähren. Ein Chaos, wie es bei den „dockless“ Bikesharing-Angeboten noch der Fall war, ist bei den E-Tretrollern nicht in gleichem Ausmaß zu erwarten. Das Problem der „Letzten Meile“ Kommunen sollten als Kenner ihrer örtlichen Gegebenheiten ebenfalls genau abwägen, inwieweit E-Tretroller das bestehende Mobilitätsangebot sinnvoll ergänzen können. Eines der Hauptargumente der Befürworter und internationalen Anbieter von E- Tretrollern und Bikesharing-Angeboten ist die Lösung des Problems der „Letzten Meile“, also den Anschlusswegen von und zur ÖPNV/ SPNV-Haltestelle. Die „Letzte Meile“ ist tatsächlich oft ein Argument, das dazu genutzt wird, die Nichtnutzung des ÖPNV für die Durchführung der täglichen Wege zu rechtfertigen, wie Mobilitätsbefragungen immer wieder zeigen. Schaut man jedoch auf die ÖPNV-Netzdichte deutscher Städte sowie auf die Qualitätsstandards der allermeisten Nahverkehrspläne, stellt man in der Regel Haltestellenabstände zwischen 300 bis 400 m (Bushaltestellen) und 1.000 m (Stadt-/ U-Bahn) fest. Nun ist nicht zu verhehlen, dass die hiesigen ÖPNV-Netze nicht immer den allgemeinen Ansprüchen und Standards genügen, und teilweise lassen die Bedienungshäufigkeit sowie die Verlässlichkeit der Bedienung vieler Haltepunkte arg zu wünschen übrig. Dennoch sind gerade im städtischen Raum die objektiven „Letzte Meile“-Probleme gering, vor allem im Vergleich zu nordamerikanischen oder chinesischen ÖPNV-Netzen, bei denen zwischen Metro- oder Bushaltestellen gern schon mal mehrere Kilometer liegen. In Deutschland liegen die Probleme eher im Bereich des zeitnahen und sicheren Anschlusses und Umstiegs sowie an der generellen Bedienungshäufigkeit einzelner Haltestellen, welche das Reisen mit dem ÖPNV erschweren. Außerörtliche Bereiche, wo Haltestellendichten, Anschlüsse und Verbindungen die größten Hemmnisse darstellen, sind zudem nicht die Hauptstandorte der Sharing-Anbieter. Hier müssen Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger unter Betrachtung der Mikromobilitätsangebote nachsteuern und auch sichere Abstellmöglichkeiten an den Haltestellen für Fahrräder und Kleinstfahrzeuge schaffen. Darüber hinaus sollten Verkehrsunternehmen generell ihre Beförderungsbestimmungen anpassen bzw. erweitern und die Mitnahme von Kleinstfahrzeugen im ÖPNV zulassen (Bild 1). Unbestreitbar werden durch E-Tretroller und andere Angebote die Wege von und zur Haltestelle kürzer bzw. schneller. Den eigentlichen Fußweg von fünf bis 15 Minuten in einem Bruchteil der Zeit per E-Tretroller zu substituieren hat seinen Charme und stellt definitiv für einen Teil der heutigen ÖPNV- Nutzer eine Verbesserung ihres Komforts und ggf. der persönlichen Zeitplanung dar. Doch ist dieses Problem eines, das längst nicht jeden städtischen ÖV-Nutzer betrifft. Witterung, Länge und Topographie des Weges, Wegebeschaffenheit und nicht zuletzt das individuelle Sicherheitsgefühl sind bei Wahl für oder gegen die Nutzung eines E- Tretrollers ebenso von Bedeutung. Zudem stellt sich die Frage, wie viele neue Fahrgäste den Umstieg von Auto auf ÖPNV durchführen, sollten sie ein attraktives Netz und eine hohe Verfügbarkeit von Leihrädern und E-Tretrollern vorfinden, welche sie im Zweifel bis vor die eigene Haustür bringen. Eine Studie verschiedener anglo-amerikanischer Großstädte im Jahr 2015 [4] hatte ergeben, dass Bikesharing-Systeme zur überwiegenden Mehrheit Wege im ÖPNV und Fußverkehr kannibalisieren. Sprich, der ÖPNV hat in Kombination mit Bikesharing-Angeboten sogar Fahrgäste verloren. Der Anteil neu generierter Wege (Induzierter Verkehr durch Bikesharing) am Gesamtwegeaufkommen lag bei allen untersuchten Städten bei unter 10 %. Deutsche Erkenntnisse liegen hierzu noch nicht vor. Umfragen in Deutschland aus dem Juli 2019 [5, 6] zeigen zumindest, dass zunächst der Spaß-Effekt eine große Rolle spielt. Die Kernzielgruppe für Hersteller und Händler in der Nutzung von E-Tretrollern bilden die Lifestyle-Segmente der „Trend Surfers“, „Alphas“ und „Idealists“. Bei den Trend Surfers liegt dies auf der Hand - sie sind jung, lieben alles, was neu und cool ist, und sind entsprechend technikbegeistert. Die Gruppe der Alphas ist hingegen zahlungskräftiger und statusorientierter, legt aber auch Wert auf den Spaß-Faktor und liebt neue (technische) Gadgets. Die Idealists ticken grundsätzlich anders, Umweltbewusstsein ist ein zentraler Wert - aber auch diese Zielgruppe ist erlebnisorientiert.-[6] Auch wenn E-Tretroller als Verkehrsmittel teilweise anders als das klassisches Bikesharing zu handhaben sind, ist gerade die Verknüpfung mit dem ÖPNV als willkommene Ergänzung anzusehen. Dass aber der ÖPNV durch E-Tretroller-Angebote nun deutlich an Attraktivität und Fahrgästen - ganzjährig gewinnt, weil das große ÖV- Handicap der bisher nicht vorhandenen Tür-zu-Tür-Bedienung eliminiert wird, ist auch in Deutschland wohl nicht zu erwarten. Im Gegenteil ist davor zu warnen, dass jene Angebote in Kombination mit dem vermehrten Aufbau multimodaler Haltestellen dazu führen, dass Qualitätsstandards im ÖPNV mittelbis langfristig aufgeweicht werden. Wer braucht schon alle 300 bis 500-m eine Haltestelle, wenn 1 bis 2 km per E-Tretroller problemlos zu bewältigen sind? Wozu wird eine lokale Stadtbuslinie noch benötigt, wenn die Verknüpfung zwischen SPNV und (fremdfinanziertem) E-Tretroller-Verleih so viel günstiger ist? Werden Zubringerfunktionen zu übergeordneten Verknüpfungspunkten bald durch Mikromobilitätsangebote übernommen? Es wird erfahrungsgemäß Entscheidungsträger geben, die gegenüber solch einer Argumentation positiv eingestellt sind und nun eine Chance wittern, defizitäre ÖPNV-Angebote durch „Letzte Meile“-Angebote zu substituieren. Bild 1: Leicht von Fahrgästen zu prüfende Mitnahmeregelung an Stationen in Singapur Quelle: www.lta.gov.sg Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 82 MOBILITÄT Mikromobilität Die Autoren begrüßen aber ausdrücklich, dass Anbieter ihre Fahrzeuge auch am Stadtrand positionieren. So macht es etwa Voi in Hamburg: In den Stadtteilen Berne und Poppenbüttel helfen die E-Tretroller der schwedischen Marke den Anwohnern dabei, die Strecke zwischen Haus und Haltestelle zu bewältigen. „Wir planen, uns Stück für Stück in die Außenbezirke vorzuarbeiten“, sagte Christopher Kaindl, DACH- Marketingchef bei Voi und setzt ganz bewusst auf die Kooperation mit der Hamburger Hochbahn AG. Sharing versus Selbstbesitz E-Tretroller-Nutzer sind prinzipiell in zwei Gruppen zu unterteilen. Zum einen diejenigen, welche ausschließlich Sharing-Angebote nutzen (wollen), und denen, die einen eigenen E-Tretroller im Besitz bevorzugen, bzw. anschaffen müssen, wenn sie in städtischen Außenbereichen oder in ländlichen Regionen leben, in denen es überwiegend (noch) keinerlei Sharing-Angebote gibt. Für Berufspendler, welche E-Tretroller alltäglich bzw. in regelmäßig hoher Frequenz benutzen, amortisiert sich der Kauf eines eigenen E-Tretrollers gegenüber den ständigen Leihgebühren schnell. Leichtes Gewicht und geringe Größe bieten hier zusätzliche Vorteile gegenüber Fahrrädern oder E-Bikes, die auch bei kombinierter Nutzung mit dem ÖPNV stressfreier und teils ohne teure Zusatztickets transportiert werden können. Für Kommunen und Entscheidungsträger bedeutender ist indes die Zielgruppe der Sharing-Nutzer. Diverse Verkehrsexperten gehen von einem in Zukunft generell steigenden Anteil der Shared-Mobility- Nutzer aus, sowohl was Leihfahrräder oder Car-Sharing betrifft, als eben auch neue Mikromobilitätsangebote. Hier bestehen allerdings bisher in Europa noch keine umfassenden Untersuchungen zu Nutzergruppen und jeweiligen Potentialen. Erste Untersuchungen in europäischen Großstädten zeigen aber, dass Wachstumspotentiale sehr unterschiedlich ausfallen und bislang keinen revolutionären Einfluss auf die urbane Mobilität besitzen. [7] In der Regel handelt es sich meist neben einem Kern treuer Sharing-Enthusiasten vornehmlich um Gelegenheitsnutzer oder auch Besucher/ Touristen, welche die Leihangebote einem Selbstbesitz aus naheliegenden Gründen vorziehen (z. B. auch auf Universitätsgeländen). Aufgrund der jedoch recht geringen Anschaffungskosten speziell bei E-Tretrollern ist es fraglich, inwiefern das Sharing darüber hinaus ein zukunftsfähiges Serviceangebot ist und bleibt, oder ob das Nutzerpotential nach anfänglichem Hype auf ein geringeres Niveau zusammenschrumpft. Andererseits wird auch die Meinung vertreten, E-Tretroller könnten zusammen mit E-Bikes die Verkehrswende „von unten“ maßgeblich mit anschieben. Auf alle Fälle sollten alle Verkehrsteilnehmer (und Auguren) gelassener mit Neuerungen umgehen, ihnen und den Nutzern längere Eingewöhnungszeit gönnen; schnelle Umfragen, Statistiken und Angst sind noch keine guten Berater. Kommunen müssen in genauer Abwägung entscheiden, ob und in welcher Form Sharing-Angebote unterstützt oder gefördert werden, z. B. in Zusammenhang mit umfassenden MaaS-Anwendungen. Diese Angebote und vor allem die angekündigten Leasing-Modelle einiger Anbieter [8] können nur wirtschaftlich erfolgreich betrieben werden, sofern der Selbstkauf aus regulatorischen, finanziellen oder rein pragmatischen Gesichtspunkten unattraktiver für den Großteil der Nutzer ist. Mit den neu aufgestellten bundesweiten Regelungen ist dies jedoch bislang nicht geschehen. Leasing-Angebote sind deshalb wahrscheinlich auf eher teure Luxusmodelle oder wie der in den USA zugelassene Bogo-Tandem-E- Scooter [9] (mit einem zusätzlichen festen Lenker) begrenzt oder werden nur eine temporäre Erscheinung sein. Einzig die Versicherungspflicht stellt ein kleineres Hindernis für Selbstkäufer dar und möglicherweise können über Versicherungspolicen, welche Sharing-Anbieter finanziell gegenüber Selbstbesitz bevorzugen, bestimmte Vorteile ausgespielt werden. Ähnlich den Erfahrungen aus China und den USA folgend, wird es höchst wahrscheinlich über kurz oder lang auch in Deutschland wieder zu einer Reduzierung des Anbieterfeldes kommen. Es ist zu erwarten, dass sich einzelne Wettbewerber im Sharing-Markt zusammenschließen oder sich auch wieder komplett zurückziehen. Dass über einen langfristigen Zeitraum teils acht oder mehr Anbieter in einer Stadt operieren, ist mit Blick auf die Erfahrungen anderer Länder eher unwahrscheinlich. Kommunen sollten sich dessen bewusst sein und sich deshalb möglichst anbieterneutral aufstellen. Dies gilt insbesondere für die Verknüpfung mit dem ÖPNV und anderen städtischen Mobilitätsangeboten, als auch für die Bereitstellung exklusiver Infrastruktur, wie z. B. anbietergebundene Ladestationen, Stellplätze und Ähnliches. Lizenzvergaben für limitierte Zeiträume und Regulierungen der Stückzahlen und des Flottenmanagements, wie sie bereits größtenteils praktiziert werden, sind auch in Deutschland zu empfehlen. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass gerade bei Tretrollern und Fahrrädern die Größe der bereitgestellten Fahrzeugflotten stark flukturieren. [7] Um jedoch keinen Flickenteppich an unterschiedlichsten Regelsystem und Verordnungen entstehen zu lassen, haben Deutscher Städtetag (DST) und Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB) zusammen mit den Anbietern von E-Tretroller-Verleihsystemen (Circ, Lime, TIER und Voi) das Memorandum of Understanding „Nahmobilität gemeinsam stärken“ [10] erarbeitet und herausgegeben und damit bundesweit praktikable einheitliche Vorgehensweisen kommuniziert, die jedoch weder für Kommunen noch für Anbieter von E-Tretroller-Verleihsystemen bindend sind. Darin werden behandelt: Bedarfsermittlung und Geschäftsgebiet; Auf- und Abstellstandorte und Fahrverbotszonen; ÖPNV-Integration; Datenbereitstellung und -auswertung; Datenschutz; Umverteilung, Wartung, Reaktionszeiten und Entsorgung; Kommunikation zwischen Anbietern und Kommunen; sowie Beschwerdemanagement, Bürgerkommunikation, Verkehrssicherheit und Unfallprävention. Diese Grundlagen sind genau der richtige Weg, denn für Betreiber wie auch für Nutzer sind einheitliche und verlässliche Standards entscheidend für die Attraktivität und Planbarkeit des Serviceangebots, auch über die eigenen Stadtgrenzen hinaus. Integration ins städtische Mobilitätsangebot Kommunen und Planer sollten offen an die neuen Mobilitätsangebote herantreten. Stationäre Leihfahrräder haben bereits gezeigt, dass Kooperationen zwischen Anbietern, Kommunen, Aufgabenträgern und Interessenverbänden sinnvoll funktionieren können - wenn auch bisher mit allgemein betrachtet überschaubaren Auswirkungen auf die städtische Mobilität. Die Dockless- Bike-Versuche ausländischer Anbieter in Europa sowie die Beispiele aus den USA und China haben zuletzt auch aufgezeigt, wohin wenig bis keine erfolgte Abstimmungen mit Stadtverwaltungen gepaart mit fehlender Transparenz führen können. Für Betreiber von Mikromobilitätsangeboten ist es demnach absolut zwingend, mit den Kommunen von Anfang an eng zusammenzuarbeiten. Für Kommunen wiederum gilt, die Angebote sinnvoll in die bestehende Planung und Stadtentwicklung zu integrieren. Beispiele wie im Münchener Stadtquartier Schwabinger Tor [11] zeigen, dass auch über querschnittsorientierte Ansätze nachgedacht werden sollte. So wird dort in einem kleineren Bereich, in dem keine privaten PKWs abgestellt werden dürfen, mit E-Tret- Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 83 Mikromobilität MOBILITÄT rollern der Firma Hive ein alternativer Ansatz der Nachbarschaftsbzw. Nahmobilität getestet. Zukünftig könnten auch im Zuge aktueller Diskussionen um City-Maut und innerstädtische Fahrverbote die Bereitstellung und aktive Integration von E-Tretroller-Verleihsystemen mit geplant werden. Durch Fahr- und Parkverbote frei werdende Verkehrsflächen sollten für alternative Mobilitätsangebote genutzt werden. Die Investitionen, die viele Kommunen heute schon in den Radverkehr tätigen, werden auch E-Tretrollern & Co. zu Gute kommen. Dies betrifft vor allem den Radwegeausbau und die Planung von Radschnellwegen. Lückenlose Radwegenetze sind auch hier für die Nutzung der Tretroller von hoher Attraktivität. Eventuell ergeben sich hier im Rahmen von Pilotphasen aber auch noch weitere Netzlücken, die man im Zuge bisheriger Radverkehrsplanungen noch nicht identifiziert hat. Weiterhin müssen auch Konfliktpotentiale zwischen Fahrrädern und E-Tretrollern thematisiert werden. Ob die derzeit geplanten Radverkehrswege ausreichend dimensioniert sind, wenn sie sich mit weiteren Formen der Mikromobilität den Platz teilen müssen, ist eine offene Frage, die neben weiteren Untersuchungen vor allem erst einmal Praxiserfahrungen bedarf. Ebenso ist das Vorhalten von Stellplätzen an wichtigen Einrichtungen, Bahnhöfen und ÖPNV Verknüpfungspunkten mit zu bedenken. Ob nun für E-Tretroller oder eines Tages für andere Formen der Mikromobilität, ist dies sicher keine Fehlinvestition. Neben dem Radwegeausbau sollte aber auch der Fußverkehr nicht vernachlässigt werden. Ausreichend dimensionierte Gehwege, die im Zweifel auch mal das Abstellen von E-Tretrollern oder Leihfahrrädern ohne direkte Behinderung und Barrierewirkung erlauben, sollten Eingang in Richtlinien und Standards finden. Ein simples Abstellverbot auf Gehwegen und am Rand von Fußgängerzonen erscheint vielleicht kurzfristig und pragmatisch sinnvoll, ist aber sicher keine dauerhafte Lösung, setzt man ernsthaft auf nachhaltige Mobilitätsveränderungen. Sinnvoll erscheint vielmehr, dass E-Tretroller, wenn kein ausgewiesener Radweg vorhanden ist, nicht nur auf der Straße fahren, sondern auch dort parken sollen; hierzu bieten sich - wie es bereits für Leihfahrräder geschieht - ehemalige Stellflächen z. B. in Parkstreifen an (Bild 2). Nicht sinnvoll oder gar behindernd ist dagegen das Abstellen von Tretrollern zwischen geparkten PKWs. Auch die Verkehrsunternehmen des ÖPNV sollten in die Planung mit eingebunden werden. Bürokratischer Nonsens, wonach E-Tretroller beispielsweise rechtlich als E-Bikes geltend von einer Beförderung in Bussen ausgeschlossen werden sollen [12, 13], helfen keinem und führen wohl eher zu Attraktivitätsverlusten des ÖPNV. Letzten Endes gilt es für Kommunen bei aller Unsicherheit auch zu bedenken, dass shared E-Tretroller und Bikes weitestgehend privatfinanzierte Dienstleistungen sind, mit denen Städte und Gemeinden nur bedingt langfristig planen können. Es ist ungewiss, vor allem ohne seriöse Abschätzung des tatsächlichen Potentials, inwieweit die Angebote nachhaltig und dauerhaft die urbane Mobilität bereichern. Das Beispiel des Bikesharings in China und vor allem ihre internationalen Exportversuche haben gezeigt, dass die Betreiber nicht immer vordergründig am eigentlichen Mobilitätsservice interessiert sind und noch einige Konsolidierungsphasen überstehen müssen. Um Bikesharing oder E-Tretroller-Sharing gewinnbringend zu betreiben, muss Mobilität eben nicht nur angeboten, sondern auch verstanden werden. Das Ausgeführte gilt im Übertragenen gleichermaßen für alle genannten und ggf. weiteren Sharing-Fahrzeuge. Strategien für deutsche Anwenderkommunen Kommunalverwaltungen und dortige Beteiligte des ÖPNV - im Weiteren auch potentielle Betreiber sowie Interessenverbände u.-ä. - sollten gemeinsam vor Zulassung und Inbetriebnahme strategische Überlegungen anstellen, welche Auswirkungen und Konsequenzen neue Mobilitätsformen in den jeweiligen Gebietskörperschaften haben könnten. Dies kann vor allem folgende Grundsatzaspekte betreffen: • Rentabilität und Akzeptanz bestehender Mobilitätsangebote • Potentialabschätzungen neuer Angebote wie E-Tretroller unter Beachtung möglicher Kannibalisierungseffekte • Analyse von lokalen Chancen und Risiken für den Einsatz neuer Mobilitätsformen • Abgrenzung oder Integration mit bestehenden Mobilitätsangeboten, wie z.B. ÖPNV • Bereitstellung von Angeboten durch private Firmen oder eigenes Management durch kommunale Gesellschaften • Förderung von Selbstbesitz (z. B. durch öffentliche Ladestationen, Abstellanlagen, usw.) oder Sharing-Angeboten? • Lokale Förderung abgeleitet aus den genannten Zielen in vorliegenden: Verkehrsentwicklungsplänen, Klimaschutzkonzepten oder der Luftreinhalteplanung usw. Darüber hinaus sollten Kommunen frühzeitig den Dialog mit Bürgern und Interessenverbänden suchen, um eine gesteigerte Akzeptanz neuer Mobilitätsformen zu erreichen. Die derzeitige Praxis der Konzessionierung und Lizenzierung der Anbieter und das Festlegen von Fahrzeugeigenschaften und -kontingenten ist hier ein wichtiger Schritt, um chaotische Zustände sowie überwiegend negative Reaktionen der Öffentlichkeit, wie zuvor bei den asiatischen Bikesharing-Anbietern, zu vermeiden. Von steigenden Unfallzahlen mit Tretrollerfahrern sollte man sich nicht abschrecken lassen. Dass es dazu kommt, ist zwar im Einzelfall bedauerlich, aber ein Anstieg der Zahlen scheint zunächst einmal unvermeidbar, da diese Verkehrsmittel bislang nicht existent waren. Sehr wohl bedarf es aber seitens der Anbieter deutlicher Hinweise auf die Verkehrsregeln und spezielle Verletzungsgefahren. Die Forderungen nach Helmpflicht und Blinkern sind nachvollziehbar. Eine Evaluierung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wird zu gegebener Zeit erfolgen. Mobilitätsdaten Ein weiterer Aspekt bei der Bereitstellung von Sharing-Angeboten ist die Generierung von Daten. Wie z. B. in der Hansestadt Hamburg [14], sollten Kommunen weitere Vereinbarungen, die über die grundsätzlichen Regelungen der eKFV hinausgehen, mit den jeweiligen Anbietern treffen. Damit können sich Kommunen den Zugriff auf anonymisierte Mobilitätsdaten sichern, um Bild 2: Umwandlung von Autostellplätzen in StadtRad-Ausleihflächen in Hamburg. Genauso sollten sie für Leih-Tretroller u. a. geschaffen werden. Foto: Rainer Hamann, 2019 Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 84 MOBILITÄT Mikromobilität die städtische Mobilität effektiver zu planen und andere, evtl. konkurrierende oder ergänzende Angebote anzupassen. Im Zuge der Neuaufstellung oder Fortschreibung von Verkehrsentwicklungsplänen, Klimaschutzplänen oder Mobilitätskonzepten können diese Daten ausgewertet und somit in die mittelbis langfristige Planung mit eingebunden werden. Ebenso können auf dieser Basis - analog zu Fahrgastzählungen im ÖPNV - Konzessionen, Flottenmanagement und die Anzahl der Fahrzeuge im Bereich der Mikromobilität fortlaufend angepasst werden. Ähnlich dem Modell der „Fahrradfreundlichen Städte“ sollten Kommunen zudem in Zeiten der viel propagierten „Verkehrswende“ MaaS-Strategien entwickeln und sich so frühzeitig Vorreiterrollen und etwaige Innovationscluster sichern. Dies muss nicht nur für Großstädte interessant sein (Bild 3), sondern bezieht sich ebenso auf innovative Lösungsansätze in ländlichen Bereichen. Hierzu können Daten, insbesondere aus alternativen Mobilitätsangeboten wie Car-/ Bike-/ Scooter-Sharing außerordentlich hilfreich für die langfristige Verkehrsplanung sein. Anpassungen im (halb-)öffentlichen Raum Da das Befahren öffentlicher Verkehrsflächen und das Abstellen von E-Tretrollern und anderen Elektrokleinstfahrzeugen - analog zu Fahrrädern - unter den sogenannten Gemeingebrauch fällt, benötigen die Anbieter hierfür keine gesonderte Genehmigung. Dennoch ist es aus kommunaler Sicht sinnvoll, eine „Übernutzung“ öffentlicher Wege und Plätze durch einen bunten Mix an unterschiedlichen Fahrzeugen zu Begrenzen. In der Stadt Ulm wurden beispielsweise im Rahmen einer Pilotphase bestimmte Flächen, insbesondere Bahnsteige, öffentliche Plätze sowie das Donauufer für das Abstellen von Leih-Tretrollern gesperrt. Dies ermöglicht die GPS-Navigation der Roller, die ein Absperren und damit Beenden der Ausleihdauer in den gesperrten Gebieten verhindern kann. [15] Gleichzeitig gilt es natürlich darauf zu achten, dass die vermeintliche Lösung der „Letzten Meile“ nicht weitere letzte Meilen oder Meter verursacht, die weder Nutzern noch Anbietern in effektiver Form helfen. Übrigens gibt es für Berlin eine öffentlich einsehbare Animation, wie die Verteilung der E-Scooter im gesamten Stadtgebiet über den gesamten Tag aussieht. Um „wildes“ bzw. ungewolltes Abstellen in stark frequentierten öffentlichen Bereichen zu vermeiden, sollten Kommunen, ebenso wie Anbieter (proaktiv) mit privaten und kommunalen Grundstücksbesitzern erörtern, inwieweit Parkbzw. Abstell- und Ladeanlagen auf Grundstücken auf freiwilliger Basis eingerichtet werden können. Somit können ggf. Stellplatzanlagen vom öffentlichen Straßenraum in weniger frequentierte Bereiche verlagert werden, wie z. B. in Tiefgaragen, Parkhäuser oder Garagenhöfe - sofern dies technisch und praktisch machbar ist. Solch ein Parkmanagement wird nicht nur für Sharing-Konzepte empfohlen, sondern begünstigt ebenso private Nutzer eigener Fahrzeuge, beispielsweise vor Supermärkten, Shopping Malls, öffentlichen Einrichtungen, Cafés und Restaurants, etc. Des Weiteren ist ein aktives Flottenmanagement durch Sharing-Betreiber zwingend einzusetzen. Auch hier sollten die Kommunen in regelmäßigem Austausch mit Betreibern sowie unter zugrunde legen der Nutzerbzw. Mobilitätsdaten, Vorgaben machen. Dies kann u. U. flexibel, je nach Bedarf bzw. Datenanalysen geschehen. Dadurch können Unter- und Überangebote von Fahrzeugen beseitigt und ein Zustellen von Geh- und Radwegen vermieden werden. In China und den USA haben sich außerdem Strafenkataloge für Sharing-Unternehmen bewährt, die dafür sorgen müssen, dass Fahrzeuge nicht zu einem Sicherheitsrisiko werden und Grünanlagen oder Gewässer „vermüllen“. Sicherheit und Kommunikation Eine erste Studie aus den USA fand heraus, dass ca. ein Drittel aller registrierten Unfälle bei der ersten Nutzung sowie weitere 30 % bei weniger als neun Nutzungen auftreten, was Fragen der Sicherheit und fehlendem/ unzureichendem Sicherheitstraining aufwirft. [16] In der deutschen eKFV sind sicherheitsrelevante Aspekte der Fahrzeugbeschaffenheit zwar teilweise strikter ausgelegt als in den USA; jedoch ist auch in Deutschland kein Sicherheitstraining, wie es beispielsweise in Grundschulen zum Radfahren angewandt wird, vorgeschrieben. In Bezug auf die Nutzung von Leih-Tretrollern ließe sich so etwas auch praktisch kaum realisieren und kontrollieren. Sicherheitstechnische Anpassungen oder technische Voraussetzungen der Gefährte, die über die derzeitige eKFV hinausgehen, sollten daher vorab mit Bürgern bzw. potentiellen Nutzern diskutiert und in Zusammenarbeit mit den Anbietern abgewogen werden. Hier haben die Entscheidungsträger diverse Steuerungsmöglichkeiten. Als ein wichtiger Aspekt der Aufklärung und Sensibilisierung für Unfallrisiken sollten Kommunen in jedem Fall in Zusammenarbeit mit den Sharing-Anbietern zielgruppenorientierte Marketingkampagnen aufsetzen (Bild 4). Dies passiert bereits bei einigen größeren Anbietern innerhalb der Mobil-App, die zum Freischalten eines Tretrollers benutzt werden muss. Dies kann somit bei Lizenzvergaben in den jeweiligen Konzessionsgebieten vorgeschrieben werden. Mittelfristig sollten jedoch auch in Schulen und in der generellen Öffentlichkeit (Zeitungen, Plakate, Broschüren usw.) Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. Fazit Tretroller und andere elektrifizierte Mikromobile werden im künftigen Mobilitätsmix eine Rolle spielen. Wie bedeutend diese Rolle wird und inwiefern die Popularität nach dem ersten Hype anhält, kann noch nicht abschließend bewertet werden. Internationale Beispiele haben gezeigt, dass der Erfolg durch private Anbieter stark von Geschäftsmodellen und Kooperationswillen abhängt. Hier gilt: Wer aktiv mit Entscheidungsträgern und anderen Mobilitätsanbietern zusammenarbeitet, ist langfristig erfolgreicher. Bild 3: Jelbi-App für Berlin - Integration verschiedener Mobilitätsangebote in einer App Quelle: Screenshot Jelbi App Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 85 Mikromobilität MOBILITÄT Viel hängt ebenso davon ab, wie Entscheidungsträger und Öffentlichkeit mit dem Thema umgehen und welche Regelwerke und Hilfestellungen Anbietern und Nutzern an die Hand gegeben werden. Hier ist es Aufgabe der Kommunen, sinnvolle Regeln mit Augenmaß aufzustellen, um einerseits neue Innovationen und Mobilitätsalternativen im Zuge von Klimaschutz- und Feinstaubdiskussionen nicht von vorne herein zu verprellen und gleichzeitig bereits bestehende Angebote nicht unnötig zu konkurrenzieren. Dies ist ein Balance-Akt, der nicht immer und überall zur vollsten Zufriedenheit per Patentlösung zu meistern ist. Es ist daher wichtig, dass alle Akteure strategisch und mit Unterstützung durch fachliches Knowhow in den Kommunen eingebunden werden und vor Ort Lösungen finden, die den Nutzerwünschen und dem öffentlichen Interesse entsprechen. Hier bestehen vor allem zwischen Großstädten, kleineren Städten und Gemeinden erhebliche Unterschiede, sowohl was die Mobilitätsbedürfnisse als auch die Infrastruktur betrifft. Die eKFV hat nun einen ersten Rahmen gesteckt, der es den Gebietskörperschaften erlaubt, ihren Mobilitätsmix zu erweitern. Hier können künftig verschiedene Formen der Nutzung und Bewirtschaftung entstehen, wovon sich einige bewähren, andere wiederum nur von kurzer Dauer sein werden. Ein generell offener Experimentierwille kann helfen, adäquate Angebote für deutsche Städte und Gemeinden herauszufiltern. Drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung soll eine Evaluierung durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) durchgeführt werden, in der bisher gesammelte und relevante Daten ausgewertet und ggf. die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) überarbeitet werden sollen. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung. ■ 1 Internationales Verkehrswesen (71) 3, S. 48-53 QUELLEN [1] Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 21, ausgegeben zu Bonn am 14. Juni 2019, Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr und zur Änderung weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 06.06.2019; www.bgbl.de/ xaver/ bgbl/ text.xav? SID=&tf=xaver.component. Text_0&tocf=&qmf=&hlf=xaver.component.Hitlist_0&bk=bgbl&star t=%2F%2F*%5B%40node_id%3D%27446798%27%5D&skin=pdf&tle vel=-2&nohist=1 [2] Kommunal, Bikesharing: Fahrräder verstopfen unsere Städte, 08.11.2017; https: / / kommunal.de/ bikesharing-fahrraeder-verstopfen-unsere-staedte [3] t3n, Floemer, Circ, Tier, Lime und viele weitere: Diese E-Tretroller- Verleiher starten in Deutschland durch, 27.06.2019; https: / / t3n.de/ news/ e-scooter-e-tretroller-sharing-anbieter-deutschland-circ-lime-tier-1170978 [4] Journalist’s Resource, Kille, Bikeshare systems: Recent research on their growth, users’ demographics and their health and societal impacts, 2015/ 05/ 06; https: / / journalistsresource.org/ studies/ environment/ transportation/ bikeshare-research-growth-user-demographics-health-societal-impacts [5] Nier: E-Scooter: Eher ein Vergnügen als Öko-Fortbewegungsmittel, statista, 09.07.2019; https: / / de.statista.com/ infografik/ 18641/ einstellung-zu-e-rollern [6] GFK SE Pressemeldung zur GfK Studie “Get the E-Scooter rolling”, E-Scooter: Freizeitspaß oder New Mobility? Nürnberg, 17.09.2019; www.gfk.com/ de/ insights/ press-release/ e-scooter-freizeitspassoder-new-mobility [7] Sutter, Maurer, Mayer: Shared Mobility, Kollaborative Mobilitätsservices europäischer Städte im Vergleich. Internationales Verkehrswesen, Heft 2, 2019 [8] So will etwa die Firma IO Hawk in Moers ihren hochwertigen E- Tretroller „Exit Cross“ im Leasing anbieten. Rheinische Post online, Reimann, Anbieter in NRW machen sich bereit für E-Tretroller-Verleih, 03.04.2019; https: / / rp-online.de/ nrw/ panorama/ e-scooter-innrw-anbieter-wollen-verleih-in-koeln-duesseldorf-und-co_aid- 37860921 [9] netzwelt.de, Michael Knott: Stretch-Limo: E-Scooter für zwei Personen soll unsere Sicherheit erhöhen 3.7.19; https: / / www.netzwelt.de/ elektro-scooter/ 1 7 1648-stretch-limo-e-scooter-zwei-personen-sicherheit-erhoehen.html und ebike-news.de, Andreas Susana, Bogo bringt einen Tandem E-Scooter in amerikanische Städte, 09.07.2019; https: / / ebike-news.de/ bogo-tandem-e-scooter/ 182766 [10] Memorandum of Understanding zwischen Deutscher Städtetag (DST), Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB) und Anbietern von E-Tretroller-Verleihsystemen (Circ, Lime, TIER und Voi), Nahmobilität gemeinsam stärken, 26.08.2019 [11] Handelsblatt: E-Scooter von Hive für München und Hamburg, 09.04.2019; www.handelsblatt.com/ unternehmen/ dienstleister/ pilotprojekt-e-s cooter-von-hive-fuer-muenchen-und-hamburg/ 24198916.html? ticket=ST-8375505-JEUDLVbmBUMWNFPIba1eap5 [12] Welt, Hunold: Verkehrsbetriebe durchkreuzen Scheuers Rollerpläne, 26.03.2019; www.welt.de/ wirtschaft/ article190819587/ Elektrorollerduerfen-in-manchen-Bahnen-nicht-mitgenommen-werden.html [13] BMVI, Elektrokleinstfahrzeuge - Fragen und Antworten, 02.07.2019; www.bmvi.de/ SharedDocs/ DE/ Artikel/ StV/ elektrokleinstfahrzeugeverordnung-faq.html [14] newstix.de, Vor dem Start der E-Tretroller in Deutschland: So hat sich Hamburg vorbereitet, 16.06.19 (ar); www.newstix.de/ index.php ? site=&entmsg=true&ref=RNL&mid=457086#sthash.wemwLn1A. dpbs [15] NPG Digital GmbH, Südwestpresse, swp.de, Christoph Mayer: E- Tretroller in Ulm: Stadt stellt sich auf neue E-Scooter ein, 17.05.2019 www.swp.de/ suedwesten/ staedte/ ulm/ e-scooter-in-ulm_-darollt-was-an-30978453.html [16] Austin Public Health: Dockless Electric Scooter-Related Injuries Study, Austin, Texas, September-November 2018, published april 2019 www.austintexas.gov/ sites/ default/ files/ files/ Health/ Epidemiology/ APH_Dockless_Electric_Scooter_Study_5-2-19.pdf Bild 4: PR-Kampagne zur Sicherheit im Straßenverkehr in Singapur Foto: Sebastian Schulz, Singapur, 2019 Sabrina Bayer, Dipl.-Ing. Projektleiterin Verkehrswesen, Straßenbau, Statens Vegvesen, Oslo sabrina.bayer@vegvesen.no Sebastian Schulz, M.Sc. Verkehrsplaner, Obermeyer Engineering Consulting Shanghai Branch sebastian.schulz@opb.de Thomas Schimanski, cand. M.Sc. Verkehrswirtschaftsingenieurwesen, Praktikant und wissenschaftliche Hilfskraft im büro stadtVerkehr, Hilden thomas.schimanski@gmx.net Verena Knöll, B.A. Kulturgeographie, Transformation of urban landscapes, Ruhr Universität Bochum; Tongji University, Shanghai; wissenschaftliche Hilfskraft im büro stadtVerkehr, Hilden verena.knoell@rub.de Rainer Hamann, Dr.-Ing. Senior-Berater Außenstelle Schleswig-Holstein, büro stadtVerkehr Planungsgesellschaft mbH & Co. KG, Karby hamann@buero-stadtverkehr.de