eJournals Internationales Verkehrswesen 71/4

Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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Anschub für die Mobilität von morgen

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Denis Marschel
Wer in die Zukunft blicken will, kann in eine Glaskugel schauen – oder in die Wüste Arizonas. Dort liefern sich Nachwuchsingenieure nordamerikanischer Universitäten aktuell einen Wettbewerb um die Entwicklung eines führerlosen Fahrzeugs. Sensorikexperte Kistler unterstützt die jungen Forscher mit Kompetenz und Komponenten auf dem Weg zum autonomen Fahren.
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Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 92 TECHNOLOGIE Digitalisierung AUF EINEN BLICK Diese Universitäten nehmen an der SAE Autodrive Challenge teil. • Kettering University • Michigan State University • Michigan Tech • North Carolina A&T University • Texas A&M University • University of Toronto/ Kanada • University of Waterloo/ Kanada • Virginia Tech Anschub für die Mobilität von-morgen Sensorhersteller Kistler unterstützt Nachwuchswissenschaftler beim Wettbewerb zum autonomen Fahren. Autonomes Fahren, Sensorik, SAE Autodrive Challenge Wer in die Zukunft blicken will, kann in eine Glaskugel schauen - oder in die Wüste Arizonas. Dort liefern sich Nachwuchsingenieure nordamerikanischer Universitäten aktuell einen Wettbewerb um die Entwicklung eines führerlosen Fahrzeugs. Sensorikexperte Kistler unterstützt die jungen Forscher mit Kompetenz und Komponenten auf dem Weg zum autonomen Fahren. Denis Marschel D ie Vordenker der Mobilität von morgen tüfteln schon seit einigen Jahren am computergesteuerten Auto, das die Vorteile verschiedener Mobilitätsformen auf sich vereint: die Unabhängigkeit des eigenen Autos mit der entspannenden Passivität als Reisender in öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine technologische Fragestellung, die zu den schwierigsten ihrer Art zählt. Denn was in der Luft und auf der Schiene längst alltagserprobt ist, lässt sich nicht ohne weiteres auf die Straße übertragen. Zu vielfältig sind hier die Anforderungen durch plötzlich auftretende Hindernisse, Spurwechsel oder sich rasch ändernde Verkehrssituationen. Sich kontinuierlich weiterentwickelnde Mess-, IT- und Kameratechnik macht es jedoch möglich, das große Ziel fest im Blick zu behalten. In drei Jahren zum Ziel Bei komplexen Fragen wie der des hochautomatisierten und autonomen Fahrens finden sich die Lösungen nicht über Nacht. Daher hat die amerikanische SAE Stiftung die erste SAE Autodrive Challenge ins Leben gerufen, die über die Dauer von drei Jahren die besten Entwickler sucht. Teilnehmer sind Studenten von acht nordamerikanischen Universitäten, die den kompletten Prozess vom initialen Konzeptpapier bis zum fertigen Prototypen durchlaufen. Ziel ist es, dass das Mobil durch einen mit Hindernissen gespickten, stadtähnlichen Parcours manövriert, ohne dass der mitfahrende Ingenieur zum Eingreifen gezwungen wird. Als Basisequipment dient den Entwicklern ein handelsüblicher Mittelklassewagen. Eine Besonderheit des Wettbewerbs: Die jungen Tüftler verstecken sich nicht nur in ihren eigenen Laboren, sondern treffen sich an wechselnden Orten, um ihre Ergebnisse vorzustellen und sich auszutauschen. Nach dem Startschuss in Arizona ziehen sie weiter an die großen Seen nach Michigan, bevor im mittleren Westen in Ohio das Finale stattfindet. Pioniergeist braucht Unterstützung Für das inhabergeführte Schweizer Unternehmen Kistler ist das aus zwei Gründen ein spannendes Projekt: um junge Wissenschaftler zu fördern und um bei Entwicklungen der Zukunft vorn mit dabei zu sein. Erfindergeist und Offenheit für Neues sind tief im Selbstverständnis des Unternehmens verfestigt. Vor 60 Jahren waren es die beiden jungen Maschinenbauingenieure Walter P. Kistler und Hans Conrad Sonderegger, die in Winterthur in der Schweiz den ersten Ladungsverstärker patentieren ließen. Seither hat sich das Unternehmen zum Weltmarktführer in der dynamischen Messtechnik entwickelt. Das Unternehmen engagiert sich auch in nationalen und internationalen Nachwuchs-Rennserien. Bild: Kistler Gruppe Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 93 Digitalisierung TECHNOLOGIE Während der drei Jahre unterstützt Kistler die Nachwuchsforscher sowohl materiell als auch ideell. Hardwareseitig stattet es alle acht Teams mit seinem „S-Motion“ optischen Sensor aus, der die Entwickler mit präzisen Daten zur Fahrdynamik und zum Fahrkomfort während der Testfahrten versorgt. Diese lassen sich dann einfach per Laptop auf der Rückbank auswerten. Die Stärke des Sensors liegt darin, dass er berührungslos präzise Messwerte bezüglich der Fahrzeugtrajektorie sowie der Längs- und Querdynamik aufzeichnet - die Entwickler sparen damit den Einsatz weiterer Messgeräte. Parallel bietet Kistler den Autotüftlern Training und Beratung an. Für Einbau und Inbetriebnahme des Geräts erhielten sie ein Installationsvideo. Zusätzlich fand zum Start eine Telefonkonferenz zwischen den Studenten und Ingenieuren von Kistler in Deutschland statt. Für Fragen im Laufe des Projektes stellt Kistler einen laufenden Servicekontakt zur Verfügung - Teamarbeit ganz im Sinne der Leitmotive des Unternehmens. Herantasten an die Realität Im Zuge des Wettbewerbs haben die jungen Ingenieure inzwischen ihre zweite Station in Michigan erreicht. Hier steht ihnen das universitätseigene Testgelände MCity zur Verfügung. Es bietet eine realitätsnahe, urbane Infrastruktur mit Ampeln, mehrspurigen Straßen und anderen Verkehrsteilnehmern. Zum ersten Mal sind die Entwickler hier gefordert, ihre Testautos auch auf bewegliche Objekte reagieren zu lassen. Diese Fähigkeit ist von zentraler Bedeutung, um das computergesteuerte Fahren von den Teststrecken in den Alltagsverkehr zu überführen. Auch wenn niemand diesen Weg genau bemessen kann, sind seine Etappen jedoch sehr wohl bestimmbar. Mit seiner innovativen Sensortechnik ist Kistler fest entschlossen, diese Etappen zu begleiten. ■ Denis Marschel, Dr. Divisional Marketing Manager ART, Kistler Instrumente AG, Winterthur (CH) denis.marschel@kistler.com Mobilitätsguthaben statt Dienstwagen Generation Digital erwartet multimodale ÖPNV-Konzepte Mobilitätsangebot, Mobilitätskontingent, Personenverkehr, Ticketing Die „Generation Digital“ tickt anders. Unternehmen offerieren ihren Mitarbeitern flexible per App buchbare Mobilitätsguthaben, der Dienstwagen als Statussymbol hat ausgedient. Verkehrsverbünde müssen sich zu service-orientierten Mobilitätsdienstleistern wandeln, um diese neuen Kundenwünsche zufriedenstellend bedienen zu können. Martin Timmann M obilität war schon immer verbunden mit dem Versprechen von Freiheit und Unabhängigkeit. Heute endet dieser Traum allerspätestens im nächsten Stau, in überfüllten und verspäteten U-Bahnen oder der nervenaufreibenden Suche nach einem freien Parkplatz in den überlasteten Ballungsräumen. Vor allem Berufspendler sind immer weniger bereit, diese Zustände hinzunehmen. Sie erwarten heute individuelle Angebote, wie sie in anderen Branchen seit langem üblich sind. Das gilt auch für ihren Weg zur Arbeit. Dieser Trend stellt den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und HR-Abteilungen von Unternehmen vor große Herausforderungen. Mutige Entscheidungen sind gefragt. Unternehmen müssen sich nach Alternativen zum traditionellen Dienstwagen und kreativen Anreizen umschauen und tun das schon. Der ÖPNV wird sich vom klassischen Verkehrsunternehmen weiter zum Service- und Kunden-orientierten Mobilitätsanbieter transformieren müssen, der nicht nur Busse und Bahnen, sondern auch Taxiunternehmen, Auto- und Fahrradverleiher oder E-Scooter in sein Dienstleistungsportfolio integriert. Dem Fahrgast ist es letztlich gleichgültig, wie und mit welchen Verkehrsmitteln er von A nach B kommt; er will sein Ziel oder Arbeitsplatz vor allem pünktlich, schnell und möglichst bequem erreichen und Tickets dabei unkompliziert buchen. Ein Lösungsansatz ist das sogenannte Mobilitätsguthaben. Mitarbeiter können dabei neben dem ÖPNV-Abo unterschiedliche Mobilitätsdienste wie Carsharing, On- Demand-Shuttle oder E-Roller über eine spezielle App nach Belieben individuell und im Rahmen ihres Mobilitätsguthabens wählen - und das in Echtzeit. Flexible Mobilitätskontingente statt-Dienstwagen Bedarfsorientierte Mobilitätskontingente, auf die Geschäftsreisende über eine Mobilitätsplattform zugreifen und mit denen sie dem Stau auf der Autobahn elegant ausweichen, stehen bereits zur Verfügung. Das kann zum Beispiel so aussehen: Mitarbeitern, die nur gelegentlich auf Dienstreise sind, oder Pendlern zahlt die Firma Intercity und Regionalexpress, ÖPVN, Taxi und Carsharing nach Nutzung. Für den vielreisenden Top-Manager begleicht sie eine Mobilitätspauschale, in der bestimmte Nut-