Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2019-0094
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CO2-Emissionen im Personenverkehr
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Felix Steck
Christine Eisenmann
Lars Kröger
Christian Winkler
Für verschiedene Bevölkerungsgruppen wurde untersucht, welchen Einfluss Soziodemografie, Wohnort und Einkommen auf die durchschnittlichen jährlichen CO2-Emissionen haben. Die Analysen zeigen, dass die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Stadt- und Landbevölkerung nahezu identisch sind, jedoch mit dem Haushaltseinkommen ansteigen. Datengrundlage der detaillierten Analysen zu den CO2-Emissionen im Personenverkehr ist ein Datensatz, der die Gesamtmobilität der in Deutschland lebenden Bevölkerung umfasst, d. h. alle Verkehrsmodi sowie Wege und Fahrten im In- und Ausland.
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Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 95 Wissenschaft TECHNOLOGIE CO 2 -Emissionen im Personenverkehr Einfluss von Soziodemografie, Wohnort und Einkommen Pendelentfernung, Klimaschutzplan, Stadt- und Landbevölkerung, Mobilitätsverhalten Für verschiedene Bevölkerungsgruppen wurde untersucht, welchen Einfluss Soziodemografie, Wohnort und Einkommen auf die durchschnittlichen jährlichen CO 2 -Emissionen haben. Die Analysen zeigen, dass die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen von Stadt- und Landbevölkerung nahezu identisch sind, jedoch mit dem Haushaltseinkommen ansteigen. Datengrundlage der detaillierten Analysen zu den CO 2 -Emissionen im Personenverkehr ist ein Datensatz, der die Gesamtmobilität der in Deutschland lebenden Bevölkerung umfasst, d. h. alle Verkehrsmodi sowie Wege und Fahrten im In- und Ausland. Felix Steck, Christine Eisenmann, Lars Kröger, Christian Winkler D ie Bundesregierung hat sich im Rahmen des Klimaschutzplans 2050 das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen Deutschlands bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 % zu reduzieren. Anders als in anderen Sektoren hat der Verkehrssektor in den letzten Jahren kaum zu einer Reduktion beigetragen [1], in bestimmten Bereichen (insbesondere im Luftverkehr) sind die CO 2 -Emissionen sogar deutlich gestiegen. Im Sommer 2019 wurden von verschiedenen Akteuren, u. a. von Umweltverbänden, der Fridays for Future- Bewegung und politischen Parteien, Instrumente zur Erreichung der Klimaziele im Sektor Verkehr diskutiert. Am 20. September 2019 hat die Bundesregierung die Eckpunkte des Klimaschutzprogramms festgelegt und der Öffentlichkeit vorgestellt [2]. Maßnahmen im Sektor Verkehr sind u. a. eine Einführung einer CO 2 -Bepreisung für fossile Brenn- und Kraftstoffe, eine Reduktion des Mehrwertsteuersatzes auf Bahntickets im Fernverkehr und eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, Anreize zu setzen, die zu einer Änderung des Mobilitätsverhaltens führen. Weiterhin wurden Maßnahmen beschlossen, die einzelne Bevölkerungsgruppen entlasten sollen, beispielsweise die Anhebung der Pendlerpauschale für Fernpendler. Im Folgenden wird dargelegt, wie hoch die CO 2 - Emissionen der in Deutschland lebenden Bevölkerung im Verkehr sind und welchen Einfluss Soziodemografie, Wohnort und Einkommen auf diese haben. Außerdem werden diese Ergebnisse in Bezug auf das Klimaprogramm der Bundesregierung diskutiert. Besonderheit der nachfolgenden Analysen ist, dass hierfür eine Datengrundlage genutzt wird, welche die Gesamtmobilität der in Deutschland lebenden Bevölkerung umfasst: Diese schließt sowohl die Mobilität im Alltag (z. B. Pendeln, Einkaufen) als auch Fernverkehr und Übernachtungsreisen (z. B. Jahresurlaub mit dem Flugzeug) ein und umfasst alle Verkehrsmodi (z. B. PKW, öffentlicher Verkehr, Flugzeug). Zunächst wird die Datengrundlage für die Verkehrsnachfrage im Personenverkehr sowie die Methodik zur Berechnung der jährlichen CO 2 -Emissionen vorgestellt. Es folgen Analysen zu den durchschnittlichen jährlichen CO 2 -Emissionen verschiedener Bevölkerungsgruppen. Abschließend werden die Ergebnisse der Analysen in Bezug auf den im September 2019 vorgestellten Klimaschutzplan diskutiert. Datengrundlage und Methodik Grundlage für die durchgeführten Analysen ist die Personenverkehrsrechnung aus dem Forschungsprojekt Verkehr in Zahlen (in leicht adaptierter Form zur Darstellung der Inländerverkehrsleistung) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) [3]. Als Ergebnis der Personenverkehrsrechnung liegt ein modellierter, mikroskopischer Datensatz vor, der den gesamten Personenverkehr der in Deutschland lebenden Bevölkerung erfasst, die Verkehrsmengen anderer offizieller Quellen auf die Verkehrsnachfrage korrekt darstellt und für die deutsche Bevölkerung in Bezug auf ihre sozioökonomischen Merkmale repräsentativ ist. Die Erhebung Mobilität in Deutschland (MiD) 2017 ist die wesentliche Datenbasis der Personenverkehrsrechnung. Amtliche Statistiken werden für die Kalibrierung von Verkehrsmengen und sozioökonomischer Merkmale herangezogen. Die MiD ist eine bundesweite, umfassende Erhebung zum Mobilitätsverhalten und zur Verkehrsnachfrage der deutschen Wohnbevölkerung [4]. Insgesamt nahmen rund 316.000 Personen aus 156.000 Haushalten an der MiD 2017 teil und berichteten 961.000 Wege für ihre jeweiligen Erhebungstage. Des Weiteren liegen Informationen zu rund 39.000 Übernachtungsreisen vor. In der Personenverkehrsrechnung fließen sowohl die Alltagsmobilität als auch Übernachtungsreisen ein. Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 96 TECHNOLOGIE Wissenschaft Diese Datengrundlage stellt den Ist-Zustand für die Mobilität der in Deutschland lebenden Bevölkerung im Jahr 2017 sehr differenziert dar und kann für zahlreiche Auswertungen herangezogen werden. Mögliche Mobilitätsverhaltensänderungen infolge einer Einführung der beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen sind hierin demzufolge aber nicht enthalten. Um die jährlichen CO 2 -Emissionen verschiedener Bevölkerungsgruppen zu bestimmen, wird, differenziert nach Verkehrsmodi, die Verkehrsnachfrage mit den verkehrsmodispezifischen Emissionsfaktoren multipliziert und über die verschiedenen Verkehrsmodi aggregiert. Für alle im Datensatz vorhandenen PKW werden Emissionsfaktoren differenziert nach Fahrzeugeigenschaften (u. a. Antrieb, Fahrzeuggröße, Motorleistung) ergänzt. Bei den weiteren Verkehrsmodi werden durchschnittliche Emissionsfaktoren genutzt. Für die im Datensatz enthaltenen Verkehrsmodi ist in Tabelle 1 eine Übersicht der für die Berechnung verwendeten Emissionsfaktoren in CO 2 -Äquivalenten dargestellt. Jährliche CO 2 -Emissionen im Personenverkehr für verschiedene Bevölkerungsgruppen Bei den folgenden Analysen einzelner Bevölkerungsgruppen werden jeweils durchschnittliche Pro-Kopf- Emissionen von Haushalten verglichen. Dafür werden auf Basis des oben beschriebenen Datensatzes die Summen der Gesamtemissionen der einzelnen Haushalte ermittelt und durch die Anzahl der Haushaltsmitglieder geteilt. Die Ergebnisse umfassen eine Auswahl möglicher Auswertungen. Kaum ein Unterschied zwischen den CO 2 - Emissionen in Stadt und Land Die verkehrsspezifischen CO 2 -Emissionen der in Deutschland lebenden Bevölkerung liegen im Mittel bei 2,4 t CO 2 pro Person und Jahr. Sie variieren jedoch für unterschiedliche Haushaltstypen und setzen sich je nach Raumtyp unterschiedlich zusammen. Beim Vergleich unterschiedlicher Raumtypen (Regio- StaR4) wird ersichtlich, dass die durchschnittlichen CO 2 - Emissionen pro Person aus dem Verkehr für städtische und ländliche Regionen nahezu identisch sind (siehe Bild- 1). Jedoch setzen sich die durchschnittlichen CO 2 - Emissionen (und Verkehrsleistungen) der Bevölkerung aus den einzelnen Regionen unterschiedlich zusammen. In allen Regionen verursacht der motorisierte Individualverkehr (MIV) den Großteil der CO 2 -Emissionen, wobei der MIV in peripheren ländlichen Regionen besonders stark zu den CO 2 -Emissionen beiträgt (76 %). Insbesondere durch die hohen CO 2 -Emissionen des Flugverkehrs von Bewohnern metropolitaner Stadtregionen (36 %) sind deren durchschnittlichen jährlichen CO 2 -Emissionen auf einem ähnlichen Niveau wie die durchschnittlichen CO 2 - Emissionen der Bewohner ländlicher Regionen. Mit dem Haushaltseinkommen steigen auch-die CO 2 -Emissionen Zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist die Mobilität notwendig und erstrebenswert. Aufgrund der Kosten für die Mobilität unterscheiden sich jedoch die Ausgabepotenziale für unterschiedliche Einkommensgruppen. Zur differenzierten Betrachtung der Haushalte nach ihren finanziellen Möglichkeiten wurden diese in fünf gleich große Gruppen (Quintile) entsprechend ih- Verkehrsmittel Emissionsfaktor in CO 2 -Äquivalenten Quelle Einheit Wert Fuß g CO 2 / Pkm 0 Annahme Rad g CO 2 / Pkm 0 Annahme MIV g CO 2 / Fzgkm 63-264 basierend auf Auswertungen des Deutschen Mobilitätspanels (MOP) Krafträder und Mofas g CO 2 / Fzgkm 106 basierend auf angepassten Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zu Krafträdern und Mofas ÖPNV (Straße) g CO 2 / Pkm 71 TREMOD 5.82 (Anpassung entsprechend der Zuweisungen der Verkehrsmittel) Fernbus g CO 2 / Pkm 32 TREMOD 5.82 Bahn-Nahverkehr g CO 2 / Pkm 60 TREMOD 5.82 Bahn-Fernverkehr g CO 2 / Pkm 36 TREMOD 5.82 Flugzeug g CO 2 / Pkm 201 TREMOD 5.82 Schiff (g CO 2 / Pkm) 115 DEFRA: Guidelines to Defra’s GHG Conversion Factors LKW g CO 2 / Fzgkm 278 basierend auf angepassten Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) (Annahme: LKW bis 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht) Tabelle 1: Übersicht der verwendeten Emissionsfaktoren 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 Metropolitane Stadtregion Regiopolitane Stadtregion Stadtregionsnahe ländliche Region Periphere ländliche Region t CO2 pro Person und Jahr Sonstige Flugzeug ÖV (Schiene & Straße) MIV 46% 20% 17% 17% Anteil der Haushalte Metropolitane Stadtregion Regiopolitane Stadtregion Stadtregionsnahe ländliche Region Periphere ländliche Region Bild 1: CO 2 -Emissionen pro Person und Jahr differenziert nach Verkehrsmodi und Regionstyp Alle Bilder: DLR Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 97 Wissenschaft TECHNOLOGIE res Haushaltsnettoäquivalenz-Einkommens 1 eingeteilt. Aus Bild 2 geht hervor, dass mit steigendem Haushaltsäquivalenz-Einkommen auch die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen ansteigen. dass einkommensschwächere Haushalte unterdurchschnittlich viele CO 2 -Emissionen verursachen. So emittieren die Mitglieder von Haushalten im höchsten Haushaltsquintil mehr als doppelt so viel wie die Haushaltsmitglieder des ersten und zweiten Quintils. Wiederum ist bei allen Einkommensgruppen der Anteil des MIV an den CO 2 -Emissionen am höchsten. Jedoch wird ersichtlich, dass mit steigenden Einkommen die Verkehrsleistung per Flugzeug enorm zunimmt und diese bei dem einkommensstärksten Haushaltsquintil rund 40 % der CO 2 -Emissionen verursachen. Alleinerziehende und kinderreiche Familien verursachen vergleichsweise niedrige CO 2 - Emissionen Haushalte können auch anhand ihrer Zusammensetzung in Haushaltstypen unterteilt werden. Wesentliche Eigenschaften für eine solche Differenzierung sind die Zahl der im Haushalt lebenden Personen, die Zahl der im Haushalt lebenden Kinder sowie die Altersverteilung der im Haushalt lebenden Personen. Hieraus ergeben sich drei wesentliche Gruppen von Haushalten: Haushalte mit Kindern, Senioren/ Seniorinnen-Haushalte und Haushalte im berufstätigen Alter ohne Kinder. Diese Gruppen umfassen wiederum eine Reihe von Haushaltstypen, welche im Folgenden differenziert betrachtet werden (siehe Bilder 3, 4 und 5). Bild 3 zeigt, dass die meisten Familien mit Kindern unterdurchschnittliche CO 2 -Emissionen verursachen. Die Ausnahme stellen Familienhaushalte mit zwei Elternteilen und einem Kind dar; bei diesen liegen die CO 2 -Emissionen pro Person leicht über dem Durchschnitt von 2,4 t CO 2 pro Person und Jahr. Ein Grund für die niedrigen Emissionen von Familien ist die geringere Verkehrsleistung von Kindern gegenüber Erwachsenen. Die im Durchschnitt niedrigsten CO 2 -Emissionen pro Person verursachen Haushalte mit Alleinerziehenden. Die geringen CO 2 -Emissionen dieser Haushaltsgruppe lassen sich wiederum mit dem dargestellten Haushaltseinkommen (Bild 2) in Zusammenhang bringen, denn Alleinerziehende haben im Mittel nur 75 % des Haushaltsnettoäquivalenzeinkommens von Familienhaushalten mit zwei Erwachsenen zur Verfügung. CO 2 -Emissionen von Senioren sind gering Eine weitere wichtige Bevölkerungsgruppe sind Seniorinnen- und Seniorenhaushalte (39 % aller Haushalte in Deutschland). Die grundsätzlich niedrige Verkehrsleistung von Seniorinnen und Senioren führt zu den niedrigsten CO 2 -Emissionen über alle betrachteten Bevölkerungsgruppen (vgl. Bild 4). Die geringsten CO 2 -Emissionen verursachen allein lebende Seniorinnen (0,9-t). Dies kann mit dem unterschiedlich hohen Anteil an PKW- Führerscheinbesitz von älteren Frauen und Männern zusammenhängen. [5] Junge Erwachsene ohne Kinder haben sehr hohe CO 2 -Emissionen Neben den Familienhaushalten mit Kindern und den Seniorinnen/ Senioren-Haushalten stellen die Haushalte mit Personen im berufstätigen Alter ohne Kinder eine dritte Gruppe dar. Bild 5 zeigt, dass im Vergleich über alle Haushaltstypen die Haushalte junger Erwachsener (18 bis 29 Jahre) die höchsten CO 2 -Emissionen aufweisen. Bei jungen Zwei-Personen-Haushalten sind die durchschnittlichen CO 2 -Emissionen deutlich höher (5,7- t) als bei älteren Zwei-Personen-Haushalten (3,7 t). Diese Analyse deutet darauf hin, dass junge Erwachsene besonders mobil sind. Dies liegt weniger an der Mobilität im Alltag als am Reiseverhalten dieser Bevölkerungsgruppe. Junge Erwachsene unternehmen im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen im Mittel mehr Flugreisen und suchen auf ihren Reisen weiter entfernte Ziele auf. Beispielsweise verursachen junge Zwei-Personen-Haushalte 45 % ihrer CO 2 -Emissionen im Flugverkehr. 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 1. Quintil (<= 1300 €) 2. Quintil (1301 - 1700 €) 3. Quintil (1701 - 2050 €) 4. Quintil (2051 - 2550 €) 5. Quintil (>= 2551 €) t CO2 pro Person und Jahr Sonstige Flugzeug ÖV (Schiene & Straße) MIV Bild 2: CO 2 -Emissionen pro Person und Jahr differenziert nach Verkehrsmodi und Haushaltsäquivalenz-Einkommen 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 Alleinerziehende/ r mit 1 Kind Alleinerziehende/ r mit 2+ Kindern Familien mit 1 Kind Familien mit 2 Kindern Familien mit 3+ Kindern t CO2 pro Person und Jahr Sonstige Flugzeug ÖV (Schiene & Straße) MIV 1% 1% 8% 7% 2% 81% Anteil der Haushalte Alleinerziehende/ r mit 1 Kind Alleinerziehende/ r mit 2+ Kindern Familien mit 1 Kind Familien mit 2 Kindern Familien mit 3+ Kindern sonstige Haushalte Bild 3: CO 2 - Emissionen pro Person und Jahr differenziert nach Verkehrsmodi, Familienhaushalte Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 98 TECHNOLOGIE Wissenschaft Berufstätigkeit und Pendelentfernung determinieren CO 2 -Emissionen Weitere Analysen haben gezeigt, dass die Berufstätigkeit bei Bevölkerungsgruppen im mittleren Alter einen entscheidenden Einfluss hat. Gründe hierfür sind sowohl die täglichen Pendelwege als auch die höhere Kaufkraft, die sich u. a. in einem ausgeprägten Reiseverhalten zeigt. Neben der Berufstätigkeit determiniert die Pendeldistanz die Verkehrsleistung und die daraus resultierenden CO 2 -Emissionen. Um diesen Einfluss zu analysieren, wurden Haushalte anhand der längsten Pendeldistanz im Haushalt in Gruppen unterteilt. Hierbei wurde zwischen Haushalten mit mindestens einem Fernpendler, d. h. Berufstätigen mit einfacher Pendeldistanz ab 21 km und Haushalten ohne Fernpendler unterschieden. Haushalte ohne Berufstätige stellen eine dritte Gruppe-dar. Die Analysen zeigen, dass Personen in Fernpendler- Haushalten deutlich höhere jährliche CO 2 -Emissionen (3,9 t) haben als die anderen betrachteten Gruppen (Bild 6). Personen in Fernpendler-Haushalten verursachen im Mittel rund 70 % ihrer Emissionen im MIV. Allein die MIV-Emissionen dieser Gruppe (2,8 t) sind somit höher als die Gesamtemissionen der Nahpendler (2,6 t) und der Nicht-Berufstätigen (1,1 t). Bezug zum aktuellen Klimaschutzprogramm In den vorgestellten Analysen wurden keine Nachfragereaktionen, d. h. mögliche Verhaltensänderungen, die 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 1-Personen-Haushalt (Mann >= 60 Jahre) 1-Personen-Haushalt (Frau >= 60 Jahre) 2+-Personen-Haushalt (jüngste Person >= 60 Jahre) t CO2 pro Person und Jahr Sonstige Flugzeug ÖV (Schiene & Straße) MIV 7% 13% 18% 61% Anteil der Haushalte 1-Personen-Haushalt (Mann >= 60 Jahre) 1-Personen-Haushalt (Frau >= 60 Jahre) 2+-Personen-Haushalt (jüngste Person >= 60 Jahre) sonstige Haushalte Bild 4: CO 2 - Emissionen pro Person und Jahr differenziert nach Verkehrsmodi, Senioren- und Seniorinnenhaushalte 0 1 2 3 4 5 6 1-Personen- Haushalt (18-29 Jahre) 1-Personen- Haushalt (30-59 Jahre) 2-Personen- Haushalt (jüngste Person 18- 29 Jahre) 2-Personen- Haushalt (jüngste Person 30- 59 Jahre) 3+ Personen- Haushalt t CO2 pro Person und Jahr Sonstige Flugzeug ÖV (Schiene & Straße) MIV 4% 16% 3% 11% 7% 59% Anteil der Haushalte 1-Personen-Haushalt (18-29 Jahre) 1-Personen-Haushalt (30-59 Jahre) 2-Personen-Haushalt (jüngste Person 18-29 Jahre) 2-Personen-Haushalt (jüngste Person 30-59 Jahre) 3+ Personen-Haushalt sonstige Haushalte Bild 5: CO 2 - Emissionen pro Person und Jahr differenziert nach Verkehrsmodi, Haushalte ohne Kinder 0 1 2 3 4 5 Keine Pendler im Haushalt mit Pendeldistanz >20 km Min. 1 Pendler im Haushalt mit Pendeldistanz >20 km Haushalte ohne Berufstätige t CO2 pro Person und Jahr Sonstige Flugzeug ÖV (Schiene & Straße) MIV 44% 18% 39% Anteil der Haushalte Keine Pendler im Haushalt mit Pendeldistanz >20 km Min. 1 Pendler im Haushalt mit Pendeldistanz >20 km Haushalte ohne Berufstätige Bild 6: CO 2 - Emissionen pro Person und Jahr differenziert nach Verkehrsmodi und Pendeldistanz der Haushaltsmitglieder Internationales Verkehrswesen (71) 4 | 2019 99 Wissenschaft TECHNOLOGIE sich durch das Maßnahmenpaket des Klimakabinetts ergeben könnten, abgebildet. Hierfür wären detaillierte Informationen über Nachfrageelastizitäten der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auf eine Änderung der Transportkosten der verschiedenen Verkehrsmodi (u. a. durch eine CO 2 -Besteuerung) erforderlich. Jedoch zielen die Maßnahmen des Klimakabinetts darauf ab, Anreize für ein nachhaltigeres Verkehrsverhalten zu setzen. Die vorgestellten Analysen dienen als Hilfestellung für die Einordnung möglicher Verteilungswirkungen der Maßnahmen des im September 2019 vorgestellten Klimaschutzprogramms. Beispielsweise soll ab dem Jahr 2021 eine CO 2 -Bepreisung für den Sektor Verkehr eingeführt werden [2]. Konkret werden Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe bepreist. Diese Bepreisung umfasst hauptsächlich die im MIV entstandenen CO 2 -Emissionen, da die anderen CO 2 - Emissionen im Verkehr entweder aus einer Bepreisung ausgenommen sind oder bereits im europäischen Emissionshandel berücksichtigt sind. Dies impliziert auch, dass lediglich gut die Hälfte der Verkehrsleistung (55 %) der in Deutschland lebenden Bevölkerung mit einer CO 2 -Steuer bepreist wird. Anhand der vorgestellten Methodik kann die durchschnittliche jährliche Steuerlast pro Person berechnet werden. Annahme der Abschätzung ist, dass sich in den Jahren 2021 bis 2025 keine wesentlichen Änderungen des Verkehrsverhaltens gegenüber dem Jahr 2017 (Bezugsjahr der vorgestellten Berechnung) ergeben. Durch eine Besteuerung der MIV-seitigen Emissionen (durchschnittlich 1,5 t CO 2 pro Person und Jahr) ergäbe sich unter den gegebenen Bedingungen eine durchschnittliche jährliche CO 2 -Steuerlast pro Person zwischen 15 EUR in 2021 (Steuersatz: 10 EUR/ t CO 2 ) und 53 EUR (Steuersatz: 35 EUR/ t CO 2 ) in 2025. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 betrugen die verkehrsbedingten Ausgaben 2.080 EUR pro Person und Jahr [6]. Unter der Annahme einer gleichbleibenden Kostenstruktur in den kommenden Jahren würde eine CO 2 -Bepreisung zu einer durchschnittlichen Erhöhung der verkehrsbedingten Ausgaben um lediglich 2,5 % im Jahr 2025 führen. Es ist zu bezweifeln, dass solche vergleichsweise geringe zusätzliche jährliche Kosten durch eine CO 2 -Bepreisung einen starken Anreiz setzen, das Mobilitätsverhalten zu ändern. Zudem wurde im Klimaschutzplan eine Anhebung der Entfernungspauschale für Fernpendler vorgestellt: Die Pendlerpausschale ab dem 21. Kilometer des Pendelweges wird von 30 auf 35 ct ansteigen. Von dieser Maßnahme würden Haushalte mit mindestens einer berufstätigen Person mit einem Pendelweg von mindestens 21 km einfacher Entfernung profitieren. Dies trifft für 18 % aller Haushalte bzw. 29 % der Haushalte mit Berufstätigen zu. Eine zusätzliche Analyse zeigt zudem, dass entgegen häufiger Annahmen die regionale Lage des Wohnortes keinen großen Einfluss auf die Anzahl der Fernpendler hat. Beispielsweise leben in 27 % der Berufstätigen-Haushalte in metropolitanen Stadtregionen, Fernpendler mit einfacher Pendeldistanz ab 21 km. In stadtregionsnahen ländlichen Regionen beträgt dieser Anteil 35 % und in peripheren ländlichen Regionen 30 %. Hingegen leben in Haushalten mit hohen Haushaltseinkommen deutlich häufiger Fernpendler als in Haushalten mit niedrigem Haushaltseinkommen. So beträgt der Anteil der Haushalte mit Fernpendlern bei Haushalten im untersten Einkommensquintil 21 % und im obersten Einkommensquintil 32 %. Eine Erhöhung der Pendlerpauschale kommt somit? hauptsächlich einkommensstarken Gruppen zugute - unabhängig von ihrem Wohnort. Der in diesem Beitrag vorgestellte Datensatz verfügt über das Potenzial, aktuelle Entwicklungen im Personenverkehr ganzheitlich zu betrachten und detaillierte Auswertungen unter anderem zum Verkehrsaufkommen, der Verkehrsleistung sowie den dazugehörigen Emissionen für unterschiedliche Personen-, Haushalts- und Nutzergruppen durchzuführen. Die präsentierten Analysemöglichkeiten und Ergebnisse sind von besonderer Relevanz für Verkehrsforscher, Verkehrspolitiker und Entscheidungsträger als Grundlage für die Konzeption, Entwicklung und Implementierung, insbesondere der aktuell diskutierten Klimaschutzmaßnahmen im Sektor Verkehr. ■ 1 Das OECD-Haushaltsäquivalenz-Einkommen ist ein Maß, um Lebensstandards unabhängig von der Größe und Zusammensetzung der Haushalte zu vergleichen.. Zur Berechnung wird das Nettoeinkommen des Haushalts durch die gewichtete Anzahl an Haushaltsmitgliedern geteilt, wobei die erste Person mit dem Gewicht 1 eingeht, jede weitere erwachsene Person mit dem Gewicht 0,5 und jede weitere minderjährige Person mit dem Gewicht 0,3. QUELLEN [1] Umweltbundesamt (2019): Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990-2018 [2] Die Bundesregierung (2019): Eckpunkte des Klimaschutzprogramms 2030 [3] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur / DIW Berlin (2018): Verkehr in Zahlen 2018/ 2019 [4] Nobis, C.; Kuhnimhof, T (2019): Mobilität in Deutschland - MiD Ergebnisbericht, Studie von infas, DLR, IVT und infas 360 im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur [5] Kuhnimhof, T.; et al. (2019): Veränderungen im Mobilitätsverhalten zur Förderung einer nachhaltigen Mobilität. Studie von DLR und infas im Auftrag des Umweltbundesamtes [6] Destatis (2018): Laufende Wirtschaftsrechnungen: Einkommen, Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte Lars Kröger, M. Sc. Wirtschaftsingenieurwesen Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrsforschung, Abteilung Personenverkehr lars.kroeger@dlr.de Christian Winkler, Dr.-Ing. Abteilungsleiter „Personenverkehr“, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrsforschung christian.winkler@dlr.de Christine Eisenmann, Dr.-Ing. Gruppenleiterin „Transformation der Automobilität“, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrsforschung, Abteilung Personenverkehr christine.eisenmann@dlr.de Felix Steck, M. Sc. Wirtschaftsingenieurwesen Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Verkehrsforschung, Abteilung Personenverkehr felix.steck@dlr.de
