eJournals Internationales Verkehrswesen 72/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0003
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Nur Einer geht freudig ins neue Jahrzehnt

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Gerd Aberle
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Gerd Aberle KURZ + KRITISCH Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 9 Nur Einer geht freudig ins-neue Jahrzehnt D as neue Dezennium bringt für Politik und Unternehmen des Transport- und Logistikbereichs eine Fülle von Umsetzungsproblemen der klimapolitischen Vorgabe, den CO 2 -Eintrag im Vergleich zu 1990 bis 2030 um 55 % zu reduzieren. Die Nachfrage nach individueller Mobilität mit Fahrzeugen ist ungebrochen, trotz steigender Stauwerte in Städten und auf Autobahnen. Dies gilt auch für den Flugbereich, der weiterhin mit zukünftigen jährlichen Steigerungen um rd. 4 % in der Passage rechnet. Der kombinierte Ladungsverkehr auf der Schiene dümpelt, auch begründet durch lang andauernde Qualitätsprobleme. So setzen Politik und Interessengruppen auf zwei Maßnahmenkomplexe, um dennoch die Klima-Zielvorgaben zu erreichen: den Bahnverkehr und die Herunterregulierung des Straßenverkehrs mit Verbrennungsmotoren durch Steuerzahlermilliarden für Elektro-(Batterie-) Antriebe und Einführung einer zusätzlichen CO 2 -Abgabe ab 2021. Dass dabei einseitige Technologiestrategien verfolgt und mit der Automobilindustrie und ihren im Weltmarkt führenden Zulieferfirmen einer der wichtigsten industriellen Kerne gefährdet wird, kann durch nebulose Hinweise auf eine zukünftige Digitalindustrie nicht vertuscht werden. Zumal auch jede Konkretisierung solcher Aussagen fehlt. Dass trotz wesentlicher Erhöhung der Subventionen für reine E-Fahrzeuge deren Nachfrage weiterhin gering ist und die Käufe von Diesel-Verbrennern mit hohem Technikstand wieder zunehmen, verdeutlicht die Irrwege der Politik und ihrer Pressure-Groups, denen marktwirtschaftliche Prinzipien als Kern allen Übels erscheinen. Die Bahn kann sich im Licht eines Hoffnungsträgers sonnen und tut dies bei jeder Gelegenheit. Zusätzliches Geld steht durch viele Maßnahmen fast im Übermaß zur Verfügung, allerdings nicht durch Markterlöse, sondern vom Steuerzahler. Für den seit vielen Jahren bei der DB AG kränkelnden und Verluste einfahrenden Schienengüterverkehr wurden die Trassenpreise halbiert. Ebenfalls auf Steuerzahlerkosten erfolgte die Absenkung der Mehrwertsteuer für Fernverkehrsreisen von 19 % auf 7 %, die LuFV III wurde für den- Zeitraum bis 2030 auf 62 Mrd. Bundesanteil zuzüglich 24-Mrd.- EUR Eigenmittel der DB AG für Sanierungs-/ Erhaltungsaufgaben ausgeweitet. Allerdings resultiert der besorgniserregende Sanierungsrückstand in erheblichem Maß aus Unterlassungen zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn. Zusätzlich wird das Eigenkapital der DB AG mit jährlichen Beträgen von 1 Mrd. EUR durch den Bund stark aufgestockt. Dafür soll die Bahn ihre Hoffnungsträgerfunktion ausfüllen. Etwa durch die Vorgabe, bis 2030 die Fernverkehrs-Fahrgastzahlen zu verdoppeln, im Güterverkehr den Marktanteil von langjährig 18 bis 19 % auf 23 % zu steigern und ihre qualitative Attraktivität für die erwünschte „Verkehrswende“ entsprechend zu erhöhen. Ob dies parallel zu umfänglichen Streckensperrungen wegen Sanierungsarbeiten und der gewünschten Einführung des Deutschlandtakts im gesamten Schienenpersonenverkehr unter Berücksichtigung der Qualitätsansprüche im Güterverkehr möglich ist, bleibt zunächst Hoffnungselement. Für die Bahn eine ambitionierte Herausforderung. Wird sie nicht hinreichend erfüllt: Personalentscheidungen durch die Politik. Wie schon so häufig. Wie sich der hohe Marktanteil des Straßengüterverkehrs über Qualitätsverbesserungen durch Verlagerungen reduzieren lässt, wird mit kaum mehr als dem Drehen der CO 2 -Schraube und dubiosen Modellversuchen mit Oberleitungs-LKW beantwortet. Und die Binnenschifffahrt? Sie freut sich über den Masterplan mit 56 Projekten für Infrastruktur, Flotte und Fachkräfte. Im 1. Umsetzungsbericht vom November 2019 werden zwölf Maßnahmen als abgeschlossen ausgewiesen. Das sind allerdings fast ausschließlich Verwaltungsregelungen. Die entscheidenden Aktivitäten warten noch auf Umsetzung. Vor allem hofft das Gewerbe mit seinen Kunden auf tragfähige Wasserstände. Das wichtige Planungsbeschleunigungsgesetz für Infrastrukturprojekte wird im zustimmungspflichtigen Bundesrat ablehnend beurteilt. Muss man sich noch wundern? Und es gibt eine neue und beeindruckende Namensgebung für ein den Verkehrsbereich betreffendes Gesetz (Baurechtserlangung): „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz MgvG“. Ist sprachlich noch verlängerungsfähig. ■ Prof. Gerd Aberle zu Themen der Verkehrsbranche