eJournals Internationales Verkehrswesen 72/1

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0004
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2020
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Öffentlicher Verkehr und Taxis

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2020
Sebastian Kummer
Stefan Stefanov
Nachdem im ersten Teil des Beitrags die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs als Daseinsvorsorge und insbesondere der Taxis dargestellt wurde, widmet sich nun der zweite Teil den rechtlichen Rahmenbedingungen und analysiert die aus der Daseinsvorsorge resultierenden Pflichten für Taxis. Außerdem werden verkehrspolitische Handlungsempfehlungen für die Gestaltung der Rahmenbedingungen gegeben.
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Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 10 Öffentlicher Verkehr und Taxis Dienstleistungen im öffentlichen Interesse zur-Daseinsvorsorge - Teil 2 Daseinsvorsorge, Digitalisierung, Mobilitätsangebot, Verkehrsdienstleistung Nachdem im ersten Teil des Beitrags die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs als Daseinsvorsorge und insbesondere der Taxis dargestellt wurde, widmet sich nun der zweite Teil den rechtlichen Rahmenbedingungen und analysiert die aus der Daseinsvorsorge resultierenden Pflichten für Taxis. Außerdem werden verkehrspolitische Handlungsempfehlungen für die Gestaltung der Rahmenbedingungen gegeben. Sebastian Kummer, Stefan Stefanov N ach der Rechtsprechung des (österreichischen) Verfassungsgerichtshofes (VfGH) kommt den Trägern des Gelegenheitsverkehrs eine besondere, eine dem öffentlichen Interesse entsprechende Bedeutung zu. Sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht ist diese Ersatzfunktion für öffentliche Verkehrsmittel, wie sie insbesondere von den Taxi-Gewerbebetreibenden wahrgenommen wird, von höchster Bedeutung [VfGH, SN 10932]. Es geht darum, sicherzustellen, dass das Wirtschaftsgut „Fahrgelegenheit“ in einer die räumlichen und zeitlichen Lücken der Versorgung durch öffentliche Verkehrsmittel gewissenhaft und betriebssicher ergänzende Aktivitäten ermöglicht wird. Das Gelegenheitsverkehrsgewerbe bietet somit in Ergänzung zu den öffentlichen Verkehrsmitteln ein flexibleres Beförderungssystem an, das auf diese Weise - zumindest faktisch - selbst zum Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel gezählt werden kann. Ob nun in der Stadt oder auf dem Land, Taxis sind fester Bestandteil des öffentlichen Personennahverkehrs und damit auch der Daseinsvorsorge. Ebenso wie beim Linienverkehr werden Taxis nämlich für jedermann zugänglich an öffentlichen Orten bereitgehalten, es besteht eine Beförderungspflicht und es gelten verbindliche Tarife. Taxis werden von ihrem Funktionszweck zum Bereich des öffentlichen Nahverkehrs gezählt [VfGH G211/ 01]. Das Taxigewerbe als Instrument der Daseinsvorsorge und das öffentliche Interesse anhand der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes Der Verfassungsgerichtshof gesteht dem Taxigewerbe, beziehungsweise dem reibungslosen Funktionieren des Taxigewerbes, ein öffentliches Interesse zu. Dieses öffentliche Interesse hat verschiedene Aspekte. Neben dem zweifellos bestehenden Interesse, Personenbeförderung ohne lange Wartezeiten schnell zu realisieren, sowie dem Interesse an Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs besteht noch das unzweifelhafte öffentliche Interesse an einer für Leben und Gesundheit physischer Personen sicheren Fahrt. Legitimität von verbindlichen Tarifen Laut Verfassungsgerichtshof besteht zweifellos öffentliches Interesse daran, der Bevölkerung die Möglichkeit zu bieten, ohne lange Wartezeiten ein Verkehrsmittel in Anspruch nehmen zu können und mit diesem möglichst rasch das angestrebte Fahrziel zu erreichen [VwGH, G25/ 86]. Üblicherweise wird ein Taxi (oder ein Mietwagen) nämlich sofort benötigt. Auf dieser Tatsache begründete der Verfassungsgerichtshof auch die Legitimität verbindlicher Tarife. Es wird argumentiert, dass verbindlichen Tarifen eine wichtige, dem Konsumentenschutz dienende Bedeutung zukommt, weil Personen keine Möglichkeit haben, umfangreiche Preisvergleiche anzustellen. Eben weil ein Taxi (oder Mietwagen) in den meisten Fällen sofort benötigt wird. Foto: Olle August/ pixabay POLITIK Mobilitätsangebot Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 11 Mobilitätsangebot POLITIK Leichtigkeit des Zugangs und Flüssigkeit des-Verkehrs Im Gegensatz zum Mietwagengewerbe sind UnternehmerInnen des Taxigewerbes dazu verpflichtet, die Beförderung mit Personenkraftwagen zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten anzubieten 1 . Diese „öffentliche Orte“ werden durch die Taxistandplätze repräsentiert, welche von den jeweiligen Behörden, unter Bedachtnahme der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs festzusetzen sind [§ 96 Abs. 4 StVO]. Diese Taxistandplätze sind nicht beliebig zahlenmäßig oder flächenmäßig vergrößerbar und stehen mitunter auch zeitlich nicht unbeschränkt zur Verfügung. Eine unkontrollierte Ausweitung der Zahl der Taxis könnte zu einer nicht zumutbaren Überbelastung des öffentlichen Verkehrsgeschehens im Allgemeinen, aber auch des Taxiverkehrs im Besonderen führen (Bild 1). Taxistandplätze dienen somit dem öffentlichen Interesse, indem sie die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs unterstützen, und somit auch dem öffentlichen Interesse an dem reibungslosen Funktionieren des Taxigewerbes. Im Zeitalter der Digitalisierung kann eine Leichtigkeit des Zugangs auch durch digitale Medien wie Smartphone-Apps hergestellt werden. In der Tat zeigen das Geschäftsmodell von Uber und die Kundenreaktionen, dass gerade der Zugang über eine App als einfach geschätzt wird. Öffentliches Interesse an Sicherheit Der Taxilenker unterliegt im Gegensatz zum Mietwagenlenker einer strengen Ausbildung. Diese Voraussetzung zur Ausübung des Taxigewerbes stellt eine Einschränkung auf das durch Art.6 StGG gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit dar: Wer im Taxidienst tätig werden will, hat eine entsprechende Prüfung abzulegen. Umfang und Inhalt der Prüfung sind bundesweit einheitlich geregelt und folgen den Regelungen in der Bundesbetriebsordnung. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes gehört das Interesse an einer sicheren Fahrt und somit des Schutzes für Leben und Gesundheit einer physischen Person unzweifelhaft zum öffentlichen Interesse. Dahingehend ist auch das Interesse an einer sicheren Taxifahrt jedenfalls im öffentlichen Interesse gelegen [VwGH G14/ 86]. Auch wenn neue Anbieter wie z. B. Uber versuchen, durch Bewertungssysteme und Registrierung der Fahrer die Qualität und Sicherheit der Fahrer zu gewährleisten, so liegen ein einheitlicher Ausbildungsrahmen und Standards bei der Sicherstellung der Zuverlässigkeit im öffentlichen Interesse. Aus der Daseinsvorsorge resultierende Pflichten für Taxis Tarifpflicht Das Österreichische Gelegenheitsverkehrs- Gesetz [GelVerkG 1996, Fassung vom 05.07.2019] regelt in § 14 die Tarifpflicht. Absatz 1 beinhaltet eine Verordnungsermächtigung an die jeweiligen Landeshauptleute in Bezug auf die Erlassung von Tarifen. Die vom Gesetzgeber bewusst formulierte und gezielte Ermächtigung zur Festlegung verbindlicher Tarife soll sicherstellen, dass diese als Fixtarife gelten, bei denen sowohl Überschreitungen als auch Unterschreitungen unzulässig sind [GelVerkG 1996, BO 1994, u. a., 2014] 2 . Diese Gesetzesbestimmung ist von erheblichem Gewicht, da die Festlegung von Preisen für angebotene Leistungen zum Kern unternehmerischer Tätigkeiten zählt. Ein Eingreifen von solchem Ausmaß kann lediglich wegen der besonderen Bedeutung, die den verbindlichen Tarifen zukommt, gerechtfertigt werden. Eine verbindliche Tarifordnung dient nämlich nicht nur dem Konsumentenschutz und der Transparenz, sondern kann (bei einheitlichen Lösungen) auch einen fairen Wettbewerb gewährleisten. Konsumentenschutz: Konsumenten von Taxidienstleistungen haben im Normalfall keine Möglichkeit, umfangreiche Preisvergleiche anzustellen, geschweige denn mit dem Taxiunternehmer in Preisgespräche einzutreten. Um eine Konsumentenschutzwirkung realisieren zu können, bedarf es also auf jeden Fall eines Höchsttarifes. Verbindliche Tarife sind auch vor allem für jene Personen von großer Bedeutung, die mit den Gegebenheiten in bestimmten Gebieten nicht ausreichend vertraut sind, also vor allem Touristen oder Geschäftsreisende. Dass das in einem Fremdenverkehrsland wie Österreich besonders wichtig ist, ist einsichtig. Verbindlichen Tarifen kommt somit eine wichtige Schutzfunktion zu und der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, dass diese Zielsetzung der Regelung nicht im öffentlichen Interesse läge [Gel- VerkG 1996, BO 1994, u.a., 2014]. Transparenz: „Die Festlegung verbindlicher Tarife bietet eine geeignete Basis dafür, ein System der Verrechnung der erbrachten Leistungen (etwa mittels geeichten Taxameters) vorzusehen, das transparent und nachprüfbar ist und dem Konsumenten Gewähr für eine korrekte Berechnung der Entgelte zu bieten vermag“ [VfGH, 07.10.2010, Z1 V50/ 09]. Dieser Verfassungsgerichtshof- Erkenntnis ist zu entnehmen, dass die Zugrundelegung fester Tarife mit Blick auf die Sicherstellung transparenter und nachprüfbarere Verrechnung erbrachter Leistungen sachlich gerechtfertigt ist. Fairer Wettbewerb: Das österreichische Taxigewerbe ist dadurch gekennzeichnet, dass es viele, allein in Wien über 3.000 kleingewerbliche Taxiunternehmen gibt. Gäbe es keinen verbindlichen Tarif, könnten diese Taxiunternehmen ihre Preise jeweils selbst festlegen. Dies ist in zweierlei Hinsicht problematisch [VfGH 16538/ 2002]. Erstens gibt es das bereits besprochene Problem des Konsumentenschutzes. Hätte jedes Taxunternehmen unterschiedliche Preise, müssten die KundInnen von Taxi zu Taxi gehen und fragen, wer den billigsten Preis anbietet. Sollte auf einem Taxistandplatz nur ein einziges Taxi stehen, gäbe es überhaupt keine Möglichkeit mehr zum Preisvergleich. Zweitens besteht bei Fehlen verbindlicher Mindestpreise 3 die Gefahr von ruinösem Wettbewerb. Einige TaxiunternehmerInnen sind vielleicht in der Lage, zu niedrigeren Preisen zu fahren, also ihre Konkurrenz zu unterbieten. Dies kann aber die Versorgung mit Taxidienstleistungen gefährden. Die Fahrgäste werden, wenn möglich, das billigste Unternehmen wählen. Andere Unternehmen, die nicht mit solchen niedrigen Preisen mithalten können, werden den Markt verlassen und das Angebot an Taxidienstleistungen sinkt. Verbindliche Tarife, die weder unternoch überschritten werden dürfen, entspre- Bild 1: Taxistand im Zentrum Wiens Foto: Creativan | Shutterstock POLITIK Mobilitätsangebot Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 12 chen der Festlegung von sowohl Mindestals auch Höchsttarifen. Letzteren kommt eine wichtige Konsumentenschutzfunktion zu und Mindesttarife können vor ruinösem Wettbewerb schützen, allerdings nur, wenn sie für alle Akteure des Personenbeförderungsgewerbes einheitlich gelten (Bild 2). Bereithaltepflicht Nähere Vorschriften hinsichtlich der Bereithaltepflicht sind in Wien in der Wiener Landesbetriebsordnung ergangen. Nach § 35 Wiener Landesbetriebsordnung haben TaxilenkerInnen ihre auf Taxistandplätzen aufgestellten Taxikraftfahrzeuge stets fahrbereit zu halten. Beförderungsunternehmen des Taxigewerbes sind also gesetzlich dazu verpflichtet ihre Leistungen - Angebot und Nachfrage entsprechend - anzubieten und zu den Genehmigungsbedingungen kontinuierlich und vollständig zu erbringen [Heinze, Fehling, & Lothar, 2014]. Laut Heinze findet diese gesetzliche Pflicht ihren Grund in der daseinsvorsorgetypischen besonderen Angewiesenheit der Allgemeinheit auf die, unter besonderen technischen und wirtschaftlichen Bedingungen, überall und jederzeit zu erbringende Leistungen. Beförderungspflicht Im § 13 GelVerkG ist die Beförderungspflicht geregelt. Absatz 3 stellt eine Verordnungsermächtigung an die jeweiligen Landeshauptleute, diese können somit mittels Verordnung für das Taxi-Gewerbe eine Beförderungspflicht vorschreiben. Die Beförderungspflicht stellt im Allgemeinen eine beschränkende Regelung auf das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigung dar. Diese Regelungen sind somit nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt sind [Samuley, 2015; VfGH, 7.10.2010, Z1 V50/ 09, 6.3.1998, Z1 V154/ 97]. Alle österreichischen Bundesländer haben die Beförderungspflicht für das Taxi-Gewerbe mittels Verordnung festgelegt. Tabelle 1 stellt eine Zusammenfassung der Beförderungspflicht in den jeweiligen Landesbetriebsordnungen dar. TaxilenkerInnen sind also zur Beförderung von jedermann verpflichtet, es sei denn, es liegen Ausschlussgründe vor. Insbesondere dürfen TaxilenkerInnen in Ausübung ihrer Tätigkeit die Beförderung von älteren oder behinderten Personen, welche zum Ein- und Aussteigen der Hilfe bedürfen, ebenso wenig verweigern wie die Beförderung von Personen, welche schwere Gepäcksstücke mitführen [Grubmann, Punz, & Vladar, 2014]. Des Weiteren dürfen Aufträge für kurze, unrentable Strecken nicht abgelehnt werden. Bild 2: Taxameter zeigen den Fahrgästen die aktuellen Kosten der Fahrt an. Foto: Leroy Agenca / pixabay Beförderungspflicht in den jeweiligen Landesbetriebsordnungen Wien § 24 (1) Für das Taxi-Gewerbe besteht innerhalb des Bundeslandes Wien nach Maßgabe des jeweils geltenden Tarifes Beförderungspflicht, sofern nicht die Ausschließungsgründe des Abs. 2 sowie der §§ 8 bis 10 dieser Verordnung vorliegen. Eine Beförderungspflicht besteht ferner dann nicht, wenn im Einzelfall durch die Erfüllung eines Auftrages gegen eine sonstige Rechtsvorschrift verstoßen werden würde. Niederösterreich § 14 (1) Für das Taxi-Gewerbe besteht, wenn kein Ausschließungsgrund gemäß § 6 vorliegt, Beförderungspflicht innerhalb des Gebietes der Standortgemeinde sowie innerhalb eines Gebiets, für das ein verbindlicher Tarif verordnet worden ist. Burgenland § 13 (1) Für das Taxigewerbe besteht innerhalb von Gemeinden, in denen Tarife festgesetzt sind, Beförderungspflicht, sofern nicht Bestimmungen der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr des Bundes oder dieser Verordnung einen Ausschluss von der Beförderung vorsehen. Eine Beförderungspflicht besteht ferner dann nicht, wenn im Einzelfall durch die Erfüllung des Auftrages gegen eine sonstige Rechtsvorschrift verstoßen würde. Oberösterreich § 28 Für das Taxi-Gewerbe besteht innerhalb des Gebietes der Standortgemeinde nach Maßgabe des jeweils geltenden Tarifes Beförderungspflicht, sofern nicht die Ausschließungsgründe der §§ 9, 10, 11 und 29 vorliegen. Eine Beförderungspflicht besteht ferner dann nicht, wenn im Einzelfall durch die Erfüllung eines Auftrages gegen eine sonstige Rechtsvorschrift verstoßen würde. Salzburg § 27 Für das Taxigewerbe besteht Beförderungspflicht a) innerhalb des Gebiets der Standortgemeinde und b) innerhalb des Tarifgebiets, für das durch Verordnung verbindliche Tarife festgelegt sind, wenn nicht ein Ausschließungsgrund nach den §§ 7, 8 Abs. 1 und 2, 9 oder 28 vorliegt. Eine Beförderungspflicht besteht weiter nicht, wenn im Einzelfall durch die Erfüllung eines Auftrages gegen eine sonstige Rechtsvorschrift verstoßen würde. Kärnten § 9 (1) Für das Taxigewerbe besteht innerhalb des Gebietes der Standortgemeinde eine Beförderungspflicht, sofern nicht gemäß § 2 Abs. 3 ein Ausschluss von der Fahrt erfolgt. Eine Beförderungspflicht besteht ferner dann nicht, wenn im Einzelfall durch die Erfüllung eines Auftrages gegen eine sonstige Rechtsvorschrift verstoßen würde. Steiermark § 13 (1) In Gebieten, in denen verbindliche Tarife gemäß § 14 Abs. 1 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 verordnet sind und in denen sich der Standort der Gewerbeinhaberin/ des Gewerbeinhabers oder die weitere Betriebsstätte befindet, besteht für das Taxigewerbe, nach Maßgabe des Tarifs Beförderungspflicht, sofern nicht diese Verordnung einen Ausschluss von der Beförderung vorsieht. Eine Beförderungspflicht besteht ferner dann nicht, wenn im Einzelfall durch die Erfüllung des Auftrags gegen eine sonstige Rechtsvorschrift verstoßen würde. Tirol § 9 (1) Innerhalb des Landes Tirol besteht die Verpflichtung zur Beförderung von Personen, soweit die Fahrt ihren Ausgangspunkt in der Standortgemeinde des Gewerbeinhabers nimmt und in den folgenden Absätzen nichts Anderes bestimmt ist. Vorarlberg Für aufgefahrene Taxifahrzeuge besteht Beförderungspflicht in Bezug auf Fahrgäste und mitgeführte Assistenzhunde, es sei denn a) es liegt ein Grund des § 4 vor, b) der Lenker würde auf Grund des Fahrtziels seine vorgesehene Arbeitszeit überschreiten c) das Fahrzeug wäre für das gewählte Fahrtziel (z. B. auf Grund besondere Straßenverhältnisse oder Witterungsbedingungen) ungeeignet oder d) durch die Erfüllung des Auftrages beginge der Lenker einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift. Tabelle 1: Beförderungspflicht in den jeweiligen Landesbetriebsordnungen Österreichs Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 13 Mobilitätsangebot POLITIK In Deutschland ist die Beförderungspflicht 4 für Taxis ebenfalls im Gesetz 5 verankert. Im Kommentar zum Personenbeförderungsgesetz steht geschrieben, dass der Beförderungsanspruch nicht lediglich aus einer „Drittschutzabsicht“ 6 des Gesetzgebers folgt, sondern aus der Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit des Publikums durch Monopolisierung des Leistungsangebots, die zugleich die Beförderungspflicht rechtfertigen; es handelt sich um eine Ausprägung des daseinsvorsorgerechtlichen Teilhabeanspruchs 7 [Heinze, Fehling, & Lothar, 2014]. TaxilenkerInnen dürfen also beispielsweise nicht die Beförderung auf kurzen Strecken mangels Rentabilität verweigern. Diese Verpflichtung zu Beförderung ist eine wichtige Ausprägung der „Daseinsvorsorge Taxi“. Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unterscheiden sich nämlich insofern von „normalen“ Dienstleistungen, als diese in den Augen des Staates auch dann erbracht werden müssen, wenn der freie Markt unter Umständen nicht genügend Anreize dafür bietet [Österreichischer Städtebund, 2004]. Würden TaxiunternehmerInnen nämlich den Gesetzen des freien Marktes gehorchen, würden Aufträge für kurze (unrentable) Strecken wohl kaum von diesen angenommen werden (Bild- 3). Die gesetzlich verankerte Beförderungspflicht schließt ein solches profitorientiertes Verhalten allerdings aus. Das Taxi dient somit dem öffentlichen Interesse zur Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge und muss dahingehend auch von Bund, Land oder Gemeinden gewährleistet werden. Bedeutung der Pflichten Die besprochenen Pflichten (Tarif-, Bereithalte- und Beförderungspflicht) sind in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Einerseits sind diese Pflichten Ausprägungen des daseinsvorsorgerechtlichen Teilhabeanspruchs der Bevölkerung auf diese Leistungen, andererseits, grenzen diese Pflichten in vielerlei Hinsicht das Taxigewerbe vom Mietwagengewerbe ab. Zwischen dem Taxi- und Mietwagengewerbe besteht allerdings eine erkennbare Gleichartigkeit der Wertungskriterien. Von dieser Gleichartigkeit ist das Wesen der Gewerbeausführung, nämlich die Beförderung, die damit verbundene Kalkulation des Unternehmers und die Bild 3: Taxis am U-Bahnhof Alt-Mariendorf in Berlin Foto: Michael Kauer / pixabay Die Verkehrswende für den Klimaschutz steht bei uns im Fokus - mit nachhaltigen Strategien und innovativen Verkehrsprojekten. Wir suchen kreative und interdisziplinär denkende Planer/ innen und Ingenieure/ innen für das Amt für Straßen und Verkehr und für die Abteilung Verkehr bei der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau. Projekte und Konzepte der Freien Hansestadt Bremen wurden u.a. ausgezeichnet mit dem SUMP-Award der EU für Nachhaltige Mobilitätskonzepte, dem Deutschen Verkehrsplanungspreis und dem Deutschen Fahrradpreis. 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Wegen dieser Gleichartigkeit stellt sich also die Frage, weshalb Tarif-, Bereithalte- und Beförderungspflicht für das eine, nicht aber das andere Gewerbe gelten sollen. Die Beförderungspflicht stellt ein Unterscheidungsmerkmal zum Mietwagengewerbe dar. Während das Taxigewerbe nämlich der Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereitgehalten werden, dient, bedient das Mietwagengewerbe einen geschlossenen Teilnehmerkreis und steht somit eben nicht zu jedermanns Gebrauch zur Verfügung. In den jeweiligen Landesbetriebsordnungen wird die Beförderungspflicht nämlich lediglich für das Taxigewerbe statuiert. Während TaxilenkerInnen also beispielsweise die Beförderung auf kurzen Strecken nicht verweigern dürfen, ist eine solche Verpflichtung für das Mietwagengewerbe nicht zu finden. Laut Heinze et al. (2014) folgt die Beförderungspflicht nicht ausschließlich aus einer Drittschutzabsicht, also dem Ziel die Bevölkerung (beziehungsweise potentielle Nutzer des Gelegenheitsverkehrs) vor, beispielsweise, unfairen oder diskriminierenden Verhalten der Taxiunternehmer zu schützen. Die Beförderungspflicht dient vielmehr der Beschränkung der Handlungsfreiheit von monopolisiertem Leistungsangebot. Es wird also für das Taxigewerbe jene Tätigkeit verhindert, der das Mietwagengewerbe nachgeht; die Personenbeförderung eines geschlossenen Teilnehmerkreises. Die Beförderungspflicht ist jedoch eine wichtige Ausprägung des daseinsvorsorgetypischen Teilhabenanspruchs. Auch die Bereithaltepflicht findet ihren Grund laut Heinze et al. (2014) in der daseinsvorsorgetypischen besonderen Angewiesenheit der Allgemeinheit auf die überall und jederzeit zu erbringende Leistungen und es ist dahingehend nicht einsichtig, weshalb diese Pflichten nicht auch für das Mietwagengewerbe gelten sollten. Das öffentliche Interesse bezieht sich auf eine transparente, nachprüfbare, korrekte Verrechnung der Entgelte. Der für den Konsumenten erforderliche Unterschied hinsichtlich des KFZ, das als Taxi verwendet wird, und jenem, das als Mietwagen verwendet wird, wird nicht durch eine nur für das Taxigewerbe gültige Tarifverordnung erzielt. Es liegt auch keine Adäquanz vor, wenn Beförderungen im Rahmen des Taxigewerbes tarifmäßig verrechnet werden müssen und Beförderungsentgelte im Rahmen des Mietwagengewerbes mit Personenkraftwagen frei vereinbart werden dürfen. Wegen der Gleichartigkeit des Wesens der Gewerbeausführung des Taxi- und Mietwagengewerbes und der besonderen, dem öffentlichen Interesse entsprechenden Bedeutung, die den Trägern des Gelegenheitsverkehrs zukommt, bedarf es einer Neubewertung der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Schaffung eines Einheitsgewerbes wäre in besonderem Maße dazu geeignet, einerseits für faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt für Gelegenheitsverkehr zu sorgen und andererseits die Sicherheit und Qualität in diesem für die Daseinsvorsorge wichtigen Bereich zu gewährleisten. Verkehrspolitische Handlungsempfehlungen Taxis spielen für die Daseinsfürsorge des ÖPNV eine wichtige Rolle. Die Rechtsprechung hat dies erkannt. Deswegen, aber auch wegen der sich ändernden Bedürfnisse der Bevölkerung sowie der zunehmenden Wettbewerbssituation des Taxigewerbes mit neuen Anbietern wie z.B. Uber, sollte die Politik die Rahmenbedingungen für Personenbeförderung mit PKW nachhaltig gestalten. Um das Angebot des ÖPNV - vor allem in Randzeiten und abgelegenen Regionen - zu verbessern, sollte die Kombination von Taxidiensten und traditionellem ÖPNV gefördert werden. Dies kann auf vielfältige Art und Weise erfolgen, z. B. durch Anrufsammeltaxis. Der Rechtsrahmen sollte eine Balance zwischen Konsumentenschutz, Wettbewerb und Innovationsförderung sicherstellen. Dazu ist es notwendig, dass Regeln geschaffen werden, die verhindern, dass der Wettbewerb zu Lasten der FahrerInnen aber eben auch der KundInnen erfolgt. Der Staat muss durch Regelungen, aber auch durch Kontrollen sicherstellen, dass sozialverträgliche Arbeitsbedingungen für FahrerInnen in der Personenbeförderung mit PKW herrschen. Hierzu gehören Arbeitszeitregelungen ebenso wie Mindestlöhne, die Verhinderung von Scheinselbstständigkeit zur Umgehung der entsprechenden Regelungen sowie Versicherungspflichten für FahrerInnen und UnternehmerInnen. Staatliche Institutionen sollten auch sicherstellen, dass die wirtschaftliche Basis von Taxidiensten nicht durch Preisdumping zerstört wird. Fixpreisregelungen sind dazu ein Ansatzpunkt; will man einen gewissen Preiswettbewerb zulassen, so sollte eine Preisregulierung mit Ober- und Untergrenzen für Taxidienstleistungen erfolgen, die Preisdumping verhindern und die Konsumenten vor überhöhten Preisen schützen. Für die KundInnen ist die Definition qualitativer Mindeststandards bei Serviceangeboten, Fahrzeugen und FahrerInnen ebenso wichtig wie die Definition und Überwachung von Beförderungs- und Bereithaltepflichten. Wenn der Kunde einen Auftrag an einen Dienstleister vergibt (per Telefon, schriftlich oder per Klick in einer App), so muss er sicher sein, dass dieser auch erfüllt und nicht etwa storniert wird, weil der Fahrer einen besseren Auftrag sieht. Nicht zuletzt muss der Staat auch seine eigenen Interessen verfolgen und gewährleisten, dass für die Wertschöpfung, die auf seinem Territorium erbracht wird, Steuern und Abgaben gezahlt werden. ■ 1 Nicht von ungefähr wird das Taxigewerbe seit jeher vom Gesetzgeber als Platzfuhrwerkgewerbe bezeichnet. 2 Rechtsprechung VfGH 13.Juni 2002, G211/ 01 3 Es sei hier angemerkt, dass die Festlegung verbindlicher Tarife sowohl der Festlegung eines Mindesttarifes als auch eines Höchsttarifes entspricht. 4 PBefG § 22 Beförderungspflicht: Der Unternehmer ist zur Beförderung verpflichtet, wenn 1) Die Beförderungsbedingungen eingehalten werde, 2) die Beförderung mit den regelmäßig eingesetzten Beförderungsmitteln möglich ist und 3) die Beförderung nicht durch Umstände verhindert wird, die der Unternehmer nicht abwenden und denen er auch nicht abhelfen kann. 5 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) 6 Drittschutz ist der Schutz dritter, nicht unmittelbar beteiligter oder betroffener Personen. 7 Individuelle Rechtsansprüche gehören nicht zu dem Begriff der Daseinsvorsorge. Aus der Angewiesenheit aller auf staatliche Daseinsvorsorge folgt aber im Rechtssaat ein Anspruch von jedermann auf gleiche Teilhabe an ihren Leistungen (Heinze, Fehling, & Lothar, 2014). LITERATUR Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 (GelVerkG 1996, Fassung vom 05.07.2019). https: / / www.ris.bka.gv.at/ Dokument.wxe? Abfrage=Bu ndesnormen&Dokumentnummer=NOR11007933, abgerufen am 07.07.2019 Grubmann, M., Punz, W., & Vladar, D. (2014): Personenbeförderungsrecht - Straße. Wien: Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung Heinze, C., Fehling, M., & Lothar, F. (2014): Personenbeförderungsgesetz Kommentar (2. Auflage ed.) Neu, C. (2009a): Daseinsvorsorge - Eine Einführung. In: C. Neu (2009b), Daseinsvorsorge: eine gesellschaftswissenschaftliche Annäherung (pp. 9-19). Springer-Verlag Neu, C. (2009b): Daseinsvorsorge: eine gesellschaftswissenschaftliche Annäherung. Springer-Verlag Samuley, G. (2015): Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 und Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr. Wien: Facultas Verlags- und Buchhandels AG Sebastian Kummer, Univ. Prof. Dr. Vorstand Institut für Transportwirtschaft und Logistik, Wirtschaftsuniversität Wien sebastian.kummer@wu.ac.at Stefan Stefanov Steuerberater, Wien stefan@stefanov.co.at