eJournals Internationales Verkehrswesen 72/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0005
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2020
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TRANSfer - internationale Zusammenarbeit für Klimaschutz im Verkehr

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2020
Sophia Madeleine Sünder
André Eckermann
Das von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) geförderte TRANSfer-Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH entwickelt gemeinsam mit Schwellenländern Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr und erleichtert den Zugang zu Klimafinanzierung. Nach neun Jahren Projektlaufzeit wird nun Bilanz gezogen.
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Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 15 TRANSfer - internationale Zusammenarbeit für Klimaschutz im Verkehr Internationale Klimaschutzinitiative, Nationally Determined Contributions, Klimaschutzmaßnahmen, Verkehr Das von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) geförderte TRANSfer-Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH entwickelt gemeinsam mit Schwellenländern Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr und erleichtert den Zugang zu Klimafinanzierung. Nach neun Jahren Projektlaufzeit wird nun Bilanz gezogen. Sophia Madeleine Sünder, André Eckermann N un sollen sie wirklich von den Straßen der philippinischen Städte verschwinden, die typischen alten „Jeepneys“. Mehr als 55.000 dieser zu Kleinbussen umgebauten US-Militärfahrzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg gibt es davon allein in der Hauptstadt Manila. Mit 6,8 Millionen Trips pro Tag sind Jeepneys bis heute das am weitesten verbreitete, aber unbequeme, dreckige und ineffiziente öffentliche Verkehrsmittel der Philippinen. Noch machen sie 40 % aller Fahrten aus (Bild 1). Das soll sich ändern. Dass die Menschen in Manila komfortablere, klimatisierte und vor allem klimafreundliche Euro 4-Kleinbusse nutzen können, ist ein Ergebnis des Programms zur Modernisierung öffentlicher Nutzfahrzeuge der philippinischen Regierung. Dieses Reformprogramm ist eines von zehn Förderprogrammen und Reformen, die in den vergangenen neun Jahren durch TRANSfer unterstützt und aufgebaut wurden. TRANSfer ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit, das im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) gefördert und von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH durchgeführt wird. Nach mittlerweile neun Jahren Projektlaufzeit zieht das TRANSfer-Projekt Bilanz und kann auf eine positive Wirkungshistorie zurückblicken: 60 Mt CO 2 über die gesamten zehn Jahre Laufzeit - das ist der insgesamt aus der Umsetzung erwartete beachtliche Emissionsminderungs-Effekt. Damit unterstützt das Projekt gezielt die Umsetzung der national festgelegten Klimaschutzbeiträge, der Nationally Determined Contributions (NDC) des Pariser Klimaabkommens. Ziel des Projekts insgesamt ist es, die Anstrengungen von Entwicklungs- und Schwellenländern für einen klimafreundlichen Verkehr mit internationaler Unterstützung zu verstärken. Um das zu erreichen, setzt TRANSfer auf einen Projektansatz mit drei Säulen: • „Prepare“: Vorbereitung von Förder- und Reformprogrammen • „Mobilise“: Mobilisierung von finanziellen Ressourcen und Partnern und Die neuen Euro 4-Kleinbusse Alle Bilder: GIZ Klimaschutz POLITIK POLITIK Klimaschutz Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 16 • „Encourage“: Stärkung des Vertrauens in die Machbarkeit der Verkehrswende Wenn TRANSfer Schwellen- und Entwicklungsländer bei der Vorbereitung von Förderprogrammen und Maßnahmen unterstützt, geht es dabei um die Planung und Entwicklung ehrgeiziger und vor allem umsetzbarer Maßnahmenbündel. Diese zielen darauf ab, Emissionen des Verkehrssektors im entsprechenden Land zu vermindern. Daraus entstehen dann in Zusammenarbeit mit den nationalen Partnerinnen und Partnern Aktivitäten, wie zum Beispiel der Austausch der Jeepneys und die Beschaffung von neuen Euro 4-Kleinbussen, von denen heute bereits 1.242 im Einsatz sind (Bild 2). Sieben weitere solcher Maßnahmen befinden sich derweil weltweit in der Umsetzung. In den bisher neun Jahren Projektlaufzeit unterstützte das TRANSfer-Projekt insgesamt acht Schwellen- und Entwicklungsländer bei der Vorbereitung von solchen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr. Partnerländer wie Kolumbien, Peru, Südafrika, Indonesien oder Tunesien unterstützte es zudem dabei, mit gut vorbereiteten Projekten selbst Klimafinanzierungen zum Beispiel von Entwicklungsbanken zu akquirieren. Neben dieser Art der Arbeit in den Ländern mobilisiert das TRANSfer-Projekt zusätzliche Partner und Ressourcen, um insgesamt das Ambitionsniveau für Klimaschutz im Verkehrssektor zu erhöhen. Daher hat es zum Beispiel gemeinsam mit zahlreichen Partnern die MobiliseYourCity- Partnerschaft ins Leben gerufen. Mit einem Budget von 45 Mio. EUR für technische Zusammenarbeit unterstützt diese Partnerschaft Länder und Städte weltweit dabei, umfangreiche und vor allem integrierte Stadtverkehrspläne als Grundlage für eine Verkehrstransformation zu entwickeln. Bereits 50 Städte und 11 Länder zählt die Partnerschaft zu ihren Mitgliedern. Durch ihre starke deutsch-französisch-europäische Achse wird die MobiliseYourCity-Partnerschaft international als europäische Marke für Minderungsaktivitäten im Stadtverkehr wahrgenommen: Sie wird von der Europäischen Kommission (DG DEVCO), dem französischen Umweltministerium (Ministère de la Transition écologique et solidaire, MTES), der französischen Entwicklungsbank AFD (Agence française de développement, AFD), der KfW (Deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau) sowie der EBRD (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) unterstützt. Zu seinen Erfolgsfaktoren zählt TRANSfer das Wissen darüber, dass Schwellenländer den Wandel größtenteils selbst finanzieren können- und die Projekt-Aktivitäten bereiten dafür den Boden. Denn das entscheidende Hindernis für mehr Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor ist nicht ein Mangel an verfügbaren Finanzmitteln, sondern vielmehr eine unzureichende Pipeline ehrgeiziger und gut durchdachter Maßnahmen. Daher vernetzt TRANSfer, als dritte Säule seines Projektansatzes, weltweit zudem Verkehrsakteure untereinander. Mit Veranstaltungen, Schulungen und Wissensprodukten schafft das TRANSfer-Projekt Vertrauen in die Machbarkeit von klimafreundlichen Veränderungen im Verkehrssektor. Dazu zählt auch die jährlich in Berlin stattfindende „Transport and Climate Change Week“, eine einwöchige Veranstaltung mit Trainings und Schulungen zur Umsetzung nachhaltiger Verkehrssysteme. Mit der zugehörigen Konferenz, die sich an Verkehrsentscheider*innen sowie -expert*innen aus aller Welt richtet und in diesem Jahr am 5. März in Berlin stattfindet, werden zudem der Nord-Süd- und der Süd-Süd-Austausch gefördert. Mit seinen eigenen begrenzten Ressourcen hat TRANSfer mittlerweile eine unlängst höhere Hebelwirkung erzielt: Zur Umsetzungsfinanzierung wurden seitens der Partnerländer selbst für die Finanzierung der Maßnahmen insgesamt 1,2-Mrd.-EUR öffentliche Gelder in die Hand genommen. Die erwartete Hebelung privater Investition liegt bei 4,5 Mrd. EUR. Und für die Unterstützung bei der Umsetzung konnten nochmals über 350 Mio. EUR aus internationaler Klimafinanzierung mobilisiert werden. Dabei sind frühzeitige Planung der Ressourcen- und des Budgetierungsprozesses sowie der Zugang zu den Finanzministerien besonders wichtig: Die Mobilisierung von Bild 1: Alter Jeepney mit Dieselmotor im Fahrgastbetrieb Bild 2: Verkehr mit Euro 4-Kleinbussen in Manila Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 17 Klimaschutz POLITIK Finanzmitteln muss vom ersten Tag an Priorität haben, ist eines der Resümees der Projektleitung. Dass also die Menschen in Manila nun einen komfortableren Bus benutzen können (Bild 3), ist nur ein Teil des Erfolgs. Viel wichtiger ist die nachhaltige Verankerung des Engagements und Einsatzes auf Seiten der der Partner*innen vor Ort zugunsten von Verkehrsminderungs-Maßnahmen. Denn der Austausch der Jeepneys ist nur ein kleiner Teil der Maßnahme in den Philippinen: Die Partner*innen haben selbst ein komplettes Verkehrsreformprogramm entwickelt, inklusive einer Konsolidierung der ÖPNV-Anbieter in größere Unternehmen, einer Neusortierung von Routen und Konzessionen, und sie haben noch weitere Themenfelder wie den nicht-motorisierten Verkehr und die urbane Logistik mit in das Maßnahmenbündel aufgenommen. „Change is coming - der Wandel kommt“ war das Wahlkampfmotto der amtierenden Regierung. Und tatsächlich hat sich schon viel verändert für den gesamten Verkehrssektor der Philippinen. ■ Bild 3: Komfortables Unterwegssein im neuen Euro 4-Bus WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN • Mehr zum Projektansatz: www.changing-transport.org/ project/ transfer • Informations-Video zum Projekt: www.youtube.com/ watch? v=wWCgcqwf3-s&t=9s • MobiliseYourCity, die Partnerschaft und ihre Leistungen: www.mobiliseyourcity.net • Transport and Climate Change Week: www.transportweek.org • Die Konferenz findet in diesem Jahr am 5.-März 2020 im Scandic Hotel am Potsdamer Platz in Berlin statt. Sophia Madeleine Sünder, Beraterin Kommunikation, GIZ Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH, Eschborn sophia.suender@giz.de André Eckermann, Projektleiter TRANSfer, GIZ Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH, Eschborn andre.eckermann@giz.de WISSEN FÜR DIE STADT VON MORGEN www.transforming-cities.de/ einzelheft-bestellen www.transforming-cities.de/ magazin-abonnieren Digitalisierung versus Lebensqualität Big Data | Green Digital Charter | Kritische Infrastrukturen | Privatheit | Sharing-Systeme 1 · 2016 Was macht Städte smart? URBANE SYSTEME IM WANDEL. DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN Mit veränderten Bedingungen leben Hochwasserschutz und Hitzevorsorge | Gewässer in der Stadt | Gründach als urbane Klimaanlage |Baubotanik 1 · 2017 Stadtklima URBANE SYSTEME IM WANDEL. 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