Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0026
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Eingebildete Steuererhöhung?
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Alexander Eisenkopf
Eine Entgegnung von Alexander Eisenkopf zum Beitrag von Christian Holz-Rau, „CO2-Bepreisung und Entfernungspauschale – Die eingebildete Steuererhöhung“ in Internationales Verkehrswesen 4/2019
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Internationales Verkehrswesen (72) 1 | 2020 86 FORUM Standpunkt Eingebildete Steuererhöhung? Eine Entgegnung von Alexander Eisenkopf zum Beitrag von Christian Holz-Rau, „CO 2 -Bepreisung und Entfernungspauschale - Die eingebildete Steuererhöhung“ in Internationales Verkehrswesen 4/ 2019 W enn Professoren der Verkehrsplanung sich zu verkehrsökonomischen Fragen äußern, ist erhöhte Vorsicht geboten. Dies gilt auch für den Beitrag zu einer „eingebildeten Steuererhöhung“ in Internationales Verkehrswesen 4/ 2019, für den Christian Holz-Rau stellvertretend für 15 Professoren verantwortlich zeichnet. Aus durchaus richtigen Feststellungen werden in diesem Text zum Teil sehr kreative Interpretationen entwickelt. Im Folgenden soll anhand der vier wesentlichen, vom Autor und seinen Mitstreitern vorgetragenen Thesen gezeigt werden, dass die Rede von der eingebildeten Steuererhöhung letztlich auf sehr wackligen Beinen steht. 1. „Die von der Bunderegierung geplante CO 2 -Besteuerung (ursprünglich von 10 EUR/ t auf 35 EUR/ t in 2025 ansteigend) ist unzureichend, um die Klimaziele zu erreichen.“ Dieser These stimme ich im Ergebnis zwar uneingeschränkt zu, doch hätte zu einer redlichen Argumentation ein Hinweis auf die sehr niedrigen Elastizitäten der Kraftstoffnachfrage gehört. Zu erwähnen ist in diesem Kontext auch, dass in Deutschland durch die Energiesteuer (und die darauf entfallende MwSt.) ja bereits eine implizite Bepreisung der CO 2 -Emissionen von 329 EUR/ t Benzin existiert. 2. „Durch die Inflation wird die Steuer auf den Kraftstoff für den Konsumenten real billiger; die bis 2025 zu erwartende zusätzliche Steuerlast auf Benzin ist daher faktisch niedriger und muss auch noch wegen der Inflationierung der bereits bestehenden Steuer nach unten korrigiert werden.“ Dieses Argument ist im Ansatz nicht falsch. Wenn allgemein die Preise steigen, die Energiesteuer auf Benzin aber nominell konstant bleibt, wird Autofahren ceteris paribus real günstiger. Aus dieser an sich richtigen ökonomischen Beobachtung werden allerdings völlig verquere Schlussfolgerungen gezogen. So wird suggeriert, dass eine „fixe Steuer“ im bundesdeutschen Steuersystem die Ausnahme sei. Tatsächlich sind die relevanten aufkommensstarken Verbrauchssteuern fast ausschließlich Mengensteuern. Da Preisniveaustabilität nach wie vor zu den zentralen wirtschaftspolitischen Zielen gehört, scheidet eine Indexierung von Steuersätzen z. B. mit der Inflationsrate als politisches Instrument aus. Da der von den Verfassern für die Jahre 2003 bis 2018 berichteten Inflationierung von 24 % - eine massive Kaufkraftreduzierung - ein Wachstum der Haushaltseinkommen von 31% entgegenstand, war das verbleibende Wachstum der Realeinkommen und damit des Wohlstands im Betrachtungszeitraum sehr niedrig. Eine Inflationierung der Energiesteuern hätte dieses Kaufkraftwachstum noch weiter reduziert. Leider greift Kollege Holz-Rau bei der Umsetzung der Idee, dass nachfragerelevant nicht die Zusammensetzung der Belastung, sondern allein die Gesamtbelastung sei, zu kurz. Zu betrachten sind dann nämlich nicht nur die Besteuerung, sondern die Gesamtkosten des Autofahrens, ersatzweise die Kraftstoffpreisentwicklung. Der Preis für Superkraftstoff ist aber von 2003 bis 2018 laut Angaben des Stat. Bundesamtes um rund ein Drittel gestiegen; unter Berücksichtigung der Inflation ergeben sich somit tatsächlich reale Kostensteigerungen für die Autonutzung. 3. „Die Entfernungspauschale wird um ein Vielfaches der geringfügigen Mehrkosten erhöht.“ Während die von Kollegen Holz-Rau präsentierte Tabelle mit Modellrechnungen zu den Wirkungen der CO 2 -Bepreisung auf die Kosten des Pendelns und der Entlastung durch die erhöhte Entfernungspauschale ein durchaus differenziertes Bild vermittelt, wird im Text auf Personen mit einem Grenzsteuersatz von 45 % und Pendelwegen von 50 oder 100 km abgestellt. Die für diese Personengruppe ermittelten Gutschriften von 93 bzw. 279 EUR sind in der Tat bemerkenswert, aber nicht repräsentativ. So beträgt laut der aktuellen Untersuchung „Mobilität in Deutschland 2017“ die mittlere Pendelweglänge 16 km. Für diese Strecke kommt es selbst bei Personen, die vom Spitzensteuersatz betroffen sind (in Deutschland insgesamt ca. 4 Mio. Personen) zu einer Belastung. Außerdem stellt nur ein Fünftel der Verkehrsleistungen Fahrten zur Arbeit dar, so dass eine mögliche Entlastung nur partiell erfolgt. Auch die meisten Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs, für deren Erstellung Straßenverkehr erforderlich ist, werden teurer werden und die Kaufkraft der Bürger senken. 4. „Erfolgreicher Klimaschutz senkt Steuereinnahmen und Nutzerkosten.“ Vollkommen richtig stellt der Verfasser des Papiers fest, dass mit einer Dekarbonisierung des Straßenverkehrs die Einnahmen aus der Energiesteuer (vulgo Mineralölsteuer) als Staatseinnahmen wegfallen werden. Was aus dieser simplen Feststellung gemacht wird, ist jedoch wenig durchdacht. Auch wenn es unproblematisch erscheint, die zukünftige Finanzierung der Straßenverkehrsinfrastruktur auf eine Nutzerfinanzierung umzustellen, fehlen zweistellige Milliardenbeträge für die öffentlichen Haushalte. Dass weniger verbrannte Kraftstoffe nicht nur das Klima schützen, sondern auch die Autofahrer entlasten, ist eine Binsenweisheit. Was aber ist die Alternative? Welches sind die relevanten Vermeidungskosten z.B. durch Verbrauchsreduktion, Subventionierung der Elektromobilität und der Erzeugung erneuerbarer Energien und mögliche Nutzenverlusten der Konsumenten? Vielleicht sind Kollege Holz-Rau und seine Mitstreiter mit dem nunmehr verabschiedeten Preiskorridor von 25 bis 55 EUR/ t zufriedener. Aufgrund dieser neuen Situation sollte es zumindest nur noch bei Fernpendlern mit sehr hohen Einkommen zu Entlastungen kommen. Ein spürbare „Lenkungswirkung“ würde ich allerdings auch bei diesen Preisen nicht sehen. Diese wird sicherlich erst bei dem z. B. vom Umweltbundesamt kürzlich in die Diskussion eingebrachten Belastungsniveau spürbar. Zu diskutieren, welche dramatischen Auswirkungen eine solche prohibitive Bepreisung auf Wachstum und Wohlstand in Deutschland hätte, ist jedoch außerhalb des Rahmens dieser Replik. ■ Prof. Dr. rer. pol. Alexander Eisenkopf, Zeppelin-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Verkehrspolitik, Zeppelin University, Friedrichshafen alexander.eisenkopf@zu.de
