Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0029
51
2020
722
Im Fokus
51
2020
iv7220006
Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 6 IM FOKUS Großraum- und Schwertransporte digital unterstützt planen G enehmigungsprozesse von Großraum- und Schwertransporten durch Digitalisierung effizienter zu gestalten und die Durchführung solcher Transporte zu vereinfachen - dieses Ziel verfolgt das Forschungsprojekt „Digital unterstützte Prozesse zur Genehmigung und Durchführung von Großraum- und Schwertransporten“ (DiGST) der TH Köln. Zusammen mit drei Industriepartnern nimmt das Kölner Labor für Baumaschinen dabei die Erfassung der Fahrzeugdaten, die Vermessung der Strecke und die Berechnung der Schleppkurven in den Blick. Auf diese Weise könnten Genehmigungsanträge künftig digital unterstützt gestellt werden. Eine wichtige Grundlage sind die charakteristischen Kenngrößen der Zugfahrzeuge, Anhänger und Ladungsgüter. Im Zuge des Projektes sollen daher Schnellmessmethoden zur Ermittlung dieser Größen entwickelt werden. Eine Smartphone- App soll die Anweisungen für die Durchführung der Messungen enthalten und die Eingabe und automatische Auswertung der Messergebnisse ermöglichen. Zudem ist eine zentrale Datenbank geplant, so dass die Fahrzeuge nicht immer wieder neu ausgemessen werden müssen. Ebenso grundlegend ist die elektronische Erfassung der Straßengeometrie sowie der angrenzenden Bürgersteige, Grünflächen, Straßenschilder oder Bäume. Dafür soll ein Vermessungsfahrzeug, das bei einem Projektpartner bereits im Einsatz ist, verwendet und optimiert werden. Das Sensorsystem des Fahrzeugs erzeugt mittels 3D-Scantechnik und weiterer Sensorik eine Punktewolke, aus der die Auswertungselektronik den vollständigen Verkehrsraum entlang der befahrenen Route generiert. Durch die Kombination der charakteristischen Kenngrößen des Großraum- und Schwertransportes mit dem Streckenprofil soll eine vollständige Simulation der Route ermöglicht werden. Die Forschungsarbeiten sollen die Grundlage für ein digital unterstütztes Genehmigungsverfahren legen. Die errechneten Daten könnten dem Fahrer auch direkt helfen. In einem Navigationssystem sollen die direkte Fahrzeugumgebung und der vor dem Fahrzeug befindliche Streckenabschnitt zu sehen und die behördlich verfügten Anmerkungen eingetragen sein - etwa Auflagen hinsichtlich der Höchstgeschwindigkeit in bestimmten Teilbereichen, einer benötigten Ladungsabsenkung bei Tunneldurchfahrt oder der Ladungsverschiebung beim Umfahren enger Kurven. Als zusätzliches Hilfsmittel soll es die Möglichkeit geben, an kritischen Stellen in eine Detailansicht zu schalten, in der die ideale Schleppkurve als virtuelle Fahrspur angezeigt wird. www.th-koeln.de Foto: Sommer GmbH Mindestabstand mit Künstlicher Intelligenz sicherstellen W ährend der Corona-Pandemie sollen Wirtschaftsunternehmen ein hohes Maß an Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sichern. Ein wesentliches Element ist hierbei die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 m zwischen Personen. Das Münchener Consulting- und Technologieunternehmen Logivations hat dazu Lösungen im Programm, die unter Verwendung innovativer Objekterkennung sowie Tracking auf Basis von Machine Learning die Abstandsregeln überwachen. Logivations W2MO Tracking erkennt verschiedene Abläufe im Lager oder in der Produktion. Stapler und Warenbewegungen können verfolgt werden, Buchungen erfolgen anhand der erkannten Warenbewegungen automatisch. Auch die Bewegungen von Personen und ihre Mindestabstände zueinander lassen sich überwachen. Kommen sich Personen zu nah, kann eine optische oder akustische Warnung erfolgen. Auch kann sichergestellt werden, dass in bestimmten Bereichen nur Mitarbeiter mit Maske unterwegs sind. Falls der Schutz der Privatsphäre von hoher Bedeutung ist, werden die Personen bereits auf der Erfassungseinheit unkenntlich gemacht. In diesem Fall gibt das System nur eine Warnung, dass sich zwei Personen in einem bestimmten Bereich zu nahegekommen sind. Um in Corona-Zeiten auch eine Rückverfolgung zu ermöglichen, können explizit einzelne Personen identifiziert und nachverfolgt werden. Falls ein zu enger Kontakt bestand, kann das System dokumentieren, wer mit wem wann und wie lange in Kontakt war, und somit die Nachverfolgung der Gesundheitsbehörden effektiv unterstützen. www.logivations.com Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 7 IM FOKUS Corona-Pandemie: Drohen liefern Medikamente an Senioren D ie UPS-Tochter UPS Flight Forward setzt seit diesem Monat M2-Drohnen von Matternet ein, um rezeptpflichtige Medikamente aus einer Apotheke der CVS Health Corporation in The Villages in Florida, der größten US-amerikanischen Seniorengemeinde mit mehr als 135.000 Einwohnern, zuzustellen. Der Drohnentransport bietet eine schnelle Zustellmöglichkeit für Medikamente, die womöglich zeitkritisch sind, und unterstützt gleichzeitig Bemühungen zum „Social Distancing“ während der Covid- 19-Pandemie. Durch den Drohnen-Zustelldienst kann diese sehr große Seniorengemeinschaft benötigte Medikamente erhalten, ohne ihr Zuhause verlassen zu müssen. Der neue Dienst in The Villages kann nach den Regeln der Federal Aviation Administration (FAA), Teil 107, während der Pandemie operieren. Danach wird die Zulassung anhand des Bedarfs neu geprüft. Der Dienst kann auf Zustellungen von zwei weiteren CVS-Apotheken der Gegend ausgeweitet werden. Die ersten Flüge sind weniger als 800 Meter weit und haben einen Ort in der Nähe der Seniorengemeinschaft zum Ziel; anfangs wird ein Zustellfahrzeug die Sendung bis vor die Haustür des Empfängers bringen. Im vergangenen Jahr starteten UPS und Matternet einen fortlaufenden kommerziellen Drohnenflugdienst in Raleigh, North Carolina, der Standorte des dortigen Wake- Med Kankenhauses verbindet und bis heute mehr als 3.700 Drohnen-Zustellungen unter den Part-107-Regeln der FAA absolviert hat. Im Juni 2019 gründete UPS außerdem UPS Flight Forward, das später im September 2019 die Part-135-Standard-Zertifizierung der US-Regierung für das Betreiben einer Drohnen-Fluggesellschaft erhielt. Später erweiterten die beiden Unternehmen ihren Service auf die University of California San Diego Health, ebenfalls gemäß den Part- 107-Regeln der FAA. UPS Flight Forward sondiert nun weitere Optionen, den Kampf der Gesundheitsbranche zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu unterstützen. So wird das Unternehmen in Virginia an Tests mit der US-Regierung und weiteren Partnern teilnehmen, um mit unbemannten Fluggeräten auch medizinische Fachkräfte besser unterstützen zu können. www.ups.de Modellprojekte zur Verkehrssicherheit: Schutzstreifen für-den Radverkehr D ie Arbeitsgemeinschaft Fahrrad- und Fußgängerfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e. V. (AGFK-BW) untersucht in zwei Modellprojekten auf zahlreichen Pilotstrecken im ganzen Land verschiedene Varianten neuartiger Radschutzstreifen. Das vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg geförderte Vorhaben ist das bisher größte derartige Modellprojekt in Deutschland. Untersucht wird, wie Schutzstreifen ausgestaltet sein müssen, so dass eine sichere Verkehrsführung für Radfahrer möglich ist. Die Modellprojekte laufen über einen Zeitraum von drei Jahren und werden auf den Straßen Baden-Württembergs ab Frühjahr 2020 sichtbar, wenn die Schutzstreifen- Markierungen in den Kommunen nach und nach angebracht werden. Rund 30 Kommunen beteiligen sich am Modellvorhaben. Wo es nicht möglich ist, einen eigenen Radweg anzulegen, können Schutzstreifen eine einfach und günstig umsetzbare Möglichkeit sein, den Radverkehr sicherer zu machen und durchgängige Radverkehrsnetze zu schaffen. Bislang wurde aber noch nicht ausreichend untersucht, unter welchen Rahmenbedingungen Schutzstreifen auch außerorts sowie auf schmalen Straßen innerorts den Radverkehr sicherer und attraktiver machen. Übergreifende Ziele der beiden Modellprojekte zu neuen Schutzstreifen innerorts und außerorts sind die Radverkehrsförderung und die Förderung der Verkehrssicherheit. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es ein lückenloses Radverkehrsnetz. An vielen Strecken im Flächenland Baden-Württemberg ist es aber nach den aktuellen Regelwerken noch nicht möglich, ein lückenloses Infrastrukturangebot für den Radverkehr zu schaffen. Im Modellprojekt wird daher etwa untersucht, wie sich innerorts das Verkehrsverhalten verändert, wenn zu Lasten der KFZ- Fahrbahnbreite die Schutzstreifen für Fahrräder breiter markiert werden. Auch die Wirkung einseitiger Schutzstreifen auf Abschnitten mit Steigungen wird untersucht. Außerorts sind Schutzstreifen bislang generell nicht zulässig. Hier werden die Einsatzbereiche zur Markierung ein- oder beidseitiger Schutzstreifen in Abhängigkeit von der Verkehrsbelastung und Struktur der Straße, den topographischen Verhältnissen und den gegebenen Straßenbreiten untersucht und bewertet. Bis 2021 sollen die Modellvorhaben ausgewertet werden. www.agfk-bw.de Foto: Stadt Reutlingen Foto: UPS Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 8 IM FOKUS Studie erforscht die Energiebilanz von Lieferdrohnen B ei der Paketzustellung haben Drohnen oft eine schlechtere Energiebilanz als klassische Lieferwagen. Das zeigt eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gerade in dicht besiedelten Gegenden verbrauchen sie vergleichsweise viel Energie, und ihre Reichweite wird stark von den Windbedingungen beeinflusst. Im ländlichen Bereich könnten sie dagegen dieselbetriebenen Lieferwagen Konkurrenz machen. Google, DHL und Amazon experimentieren schon seit einigen Jahren mit Lieferdrohnen und haben in den USA und Australien im vergangenen Jahr erste kommerzielle Pilotprojekte gestartet. Nun hat Dr. Thomas Kirschstein vom Lehrstuhl für Produktion und Logistik der MLU ausgerechnet, ob aktuelle Drohnen-Modelle in Sachen Energieverbrauch bereits konkurrenzfähig mit marktgängigen Lieferfahrzeugen sind. In seiner Studie verglich Kirschstein den Energieverbrauch von Drohnen mit dem von dieselbetriebenen Lieferwagen und Elektro-Transportern, wie sie von Paketboten aktuell genutzt werden. Mit Hilfe einer Simulation wollte er herausfinden, welches Fahrzeug unter welchen Umständen die beste Energiebilanz aufweist, und spielt am Beispiel des Großraums Berlin mehrere Szenarien durch. So untersuchte er unter anderem, welchen Einfluss die Paketanzahl pro Stopp und die Verkehrssituation auf den Energieverbrauch haben und berücksichtigte auch Emissionen, die bei der Erzeugung von Elektrizität oder dem Verbrauch von Diesel entstehen. Über alle Szenarien hinweg waren Elektro-Transporter deutlich sparsamer als Diesel-Trucks, sie verbrauchten bis zu 50 % weniger Energie. Denn: Beim langsamen Fahren, häufigen Anhalten und wieder Anfahren verbrauchen Elektroantriebe deutlich weniger Energie als Verbrenner. Für Drohnen haben stattdessen die Windverhältnisse einen entscheidenden Einfluss auf Leistungsfähigkeit und Energiebilanz: Kommt beispielsweise Wind von der Seite, muss mehr Energie aufgewendet werden, um den Kurs zu halten. Ebenso energieintensiv ist, wenn Drohnen an einem Ort in der Luft schweben, weil sie vor der Tür des Paketempfängers warten müssen. Weil Drohnen nach jeder Paketzustellung zurückfliegen müssen, verbrauchen sie - so zeigte die Simulation - in einer dicht besiedelten Stadt wie Berlin bis zu zehn Mal so viel Energie wie Elektro-Lieferwagen - in Städten liefern Paketboten mehrere Pakete zu Fuß aus und lassen das Fahrzeug stehen. Die Simulation zeigt aber auch ein Szenario, in dem die fliegenden Lieferanten energieeffizienter sind: in dünner besiedelten, eher ländlich geprägten Gebieten nämlich, wo weniger Pakete zu weiter auseinander liegenden Zielen gebracht werden. www.uni-halle.de/ Studie zu Feinstaubemissionen bei ICE Hochgeschwindigkeitszügen D as International Maglev Board hat eine aktuelle Studie vorgelegt, die sich eingehend mit dem Thema Feinstaubemissionen bei Rad-Schiene-Hochgeschwindigkeits-Bahnsystemen im Vergleich zu Magnetschnellbahnsystemen beschäftigt. Die Berechnungen zur Feinstaubemission erfolgten an der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) , im Bereich Verkehrsträgermanagement an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, in Kooperation mit dem International Maglev Board. Laut Johannes Klühspies, Professor für Verkehrsträgermanagement an der THD Deggendorf, entstehen pro Kilometer ICE- Laufleistung etwa 3 bis 10 Gramm Feinstaubpartikel, bei Bahnhofseinfahrten außerdem kurzzeitige Feinstaubemissionsspitzen, was besonders bei Bahnhöfen in Tunnellage zu Problemen führen kann - so etwa auch beim Bahnprojekt Stuttgart 21. Feinstaubexposition stellt eine direkte Gefährdung der Gesundheit in Form von Atemwegserkrankungen und Herzkreislaufbeschwerden dar. Besonders metallischer Feinstaub, wie er bei ICE, TGV und Shinkansen beim Bremsen entsteht, wird für den menschlichen Körper als vergleichsweise kritisch gesehen. Verglichen mit dem Autoverkehr in Städten, so Klühspies, schnitte der Bahnverkehr jedoch eher gut ab. Seit Kurzem steht Feinstaub zudem im Verdacht, das Infektionsrisiko für Virus-Erkrankungen zu erhöhen. US-Wissenschaftler konnten wohl den Transport von an Feinstaubpartikeln haftenden Viren über große Entfernungen nachweisen, italienische Universitäten dokumentieren einen Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung durch Feinstaub und der Häufung von Covid-19-Infektionen. Im Unterschied zu Rad-Schiene-Systemen sind dagegen Magnetschnellbahnsysteme wie der Transrapid im Betrieb vollständig frei von eigenen Feinstaubemissionen. Sie erzeugen aufgrund der Schwebetechnik und des berührungslosen Magnetantriebs selbst keine Feinstäube. Die 120 Seiten starke Publikation „Feinstaubemissionen im spurgeführten Hochgeschwindigkeitsverkehr“ ist zu haben über den Web-Link www.researchgate.net/ publication/ 340849390 Foto: Holzijue / pixabay Foto: Gerd Altmann / pixabay
