Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0032
51
2020
722
Einmal 200 km, bitte
51
2020
Simon Schilling
Magnus Schäfer
Um in Deutschland eine Menge eines bestimmten Guts verkaufen zu dürfen, gibt es verschiedene Anforderungen, die erfüllt sein müssen. Eine dieser Anforderungen ist die, dass das erworbene Gut in seiner Menge regelkonform erfasst wird, um es anschließend korrekt mit dem Kunden abzurechnen. Wir kommen beim Tanken, im Restaurant bei der Bestellung eines Getränks oder beim regelmäßigen Abrechnen mit dem lokalen Energieversorger in Kontakt mit entsprechenden Normen und Vorschriften. In diesem Beitrag wird der Anwendungsfall Elektromobilität unter Beachtung des deutschen Eichrechts näher erläutert.
iv7220012
Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 12 Einmal 200 km, bitte Die Grundlagen des Eichrechts für Elektromobilität Elektromobilität, Eichrecht, Laden Um in Deutschland eine Menge eines bestimmten Guts verkaufen zu dürfen, gibt es verschiedene Anforderungen, die erfüllt sein müssen. Eine dieser Anforderungen ist die, dass das erworbene Gut in seiner Menge regelkonform erfasst wird, um es anschließend korrekt mit dem Kunden abzurechnen. Wir kommen beim Tanken, im Restaurant bei der Bestellung eines Getränks oder beim regelmäßigen Abrechnen mit dem lokalen Energieversorger in Kontakt mit entsprechenden Normen und Vorschriften. In diesem Beitrag wird der Anwendungsfall Elektromobilität unter Beachtung des deutschen Eichrechts näher erläutert. Simon Schilling, Magnus Schäfer U m in Deutschland eine Menge eines bestimmten Guts verkaufen zu dürfen, gibt es verschiedene Anforderungen, die erfüllt sein müssen. Eine dieser Anforderungen ist, dass das erworbene Gut in seiner Menge regelkonform erfasst wird, um es anschließend korrekt mit dem Kunden abzurechnen. Dieses Vorgehen ist alltäglich. Wir kommen beim Tanken, im Restaurant bei der Bestellung eines Getränks oder beim regelmäßigen Abrechnen mit dem lokalen Energieversorger in Kontakt mit entsprechenden Normen und Vorschriften. Genauso wird auch beim Laden von elektrischen Fahrzeugen eine bestimmte Maßeinheit gemessen, übertragen und anschließend dem Kunden in Rechnung gestellt. Anders als bei einem geeichten Bierglas gibt es beim eichrechtlich konformen Laden von Elektrofahrzeugen Unterschiede und Schwierigkeiten, die auftreten können. Auf diese wird in den folgenden Absätzen näher eingegangen. Moderne E-Autos - Eichrecht als etablierte Rechtsgrundlage Damit das Erfassen einer Ware, eines Guts oder einer Leistung überall einheitlich ist und eine bestimmte Mengenangabe transparent und vergleichbar ist, gibt es das Mess- und Eichgesetz. Die Einhaltung des Mess- und Eichgesetzes und die damit einhergehenden Verordnungen wird von den jeweiligen Eichämtern der Länder kontrolliert. Die Eichämter sind für die rechtskonforme Eichung von sämtlichen Mengen-Erfassungsmethoden zuständig. Zusätzlich obliegt es den Eichämtern, den Markt zu überwachen und, wenn notwendig, das Eichrecht durchzusetzen. Die Gesetzesgrundlage besteht schon sehr lange, moderne öffentliche Ladestationen gibt es auch schon seit rund einem Jahrzehnt. Wieso sind die meisten Ladestationen also dennoch bis heute nicht konform mit den eichrechtlichen Anforderungen? Dazu ist es wichtig, die Vergangenheit zu verstehen. Die noch junge Branche der Dienstleister rund um das Thema Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur preschte los, ohne die bereits bestehenden Rahmenbedingungen des Eichrechts richtig anzuwenden. Es etablierten sich die wildesten Tarifmodelle, die auf Ladesäulen basieren, welche die Foto: Wiedergrün/ Freepik.com POLITIK Elektromobilität Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 13 Elektromobilität POLITIK eichrechtlichen Anforderungen nicht erfüllen können. Vielen Anbietern war es bewusst, dass derzeit noch nicht konform abgerechnet wurde. Andere Dinge standen in der jungen Branche jedoch im Vordergrund, und nur wenige Anbieter reagierten frühzeitig auf diesen Missstand. Im Juni 2017 wurde erstmals durch ein Eichamt einem Ladestromdienstleister der Betrieb seiner Stationen untersagt. Dies war ein Weckruf für die Branche, und die Debatte rund um das Eichrecht im Bereich Elektromobilität war eröffnet. Die Herausforderung des Eichrechts für Elektromobilität. Anwendungsbereich des Eichrechts bei Ladestationen Es gibt verschiedene Faktoren, die erfüllt sein müssen, damit ein Ladevorgang überhaupt eichrechtlich konform abgerechnet werden kann. Es muss ein Verkauf der geladenen Energie stattfinden. Die Nutzergruppe ist nicht genau zu benennen. Der Verkauf findet nicht in einem monatlichen Pauschalbetrag statt. Sofern dies gegeben ist, ist die Energiemenge eichrechtskonform zu erfassen. Nach einer regelkonformen Erfassung der geladenen Energie mittels eines nach der MID-Richtlinie zugelassenen Zählers sind die abrechnungsrelevanten Daten dem Kunden transparent und sicher zur Verfügung zu stellen. Dieser muss anschließend die Richtigkeit der in Rechnung gestellten Ladungen selbst verifizieren können. Die Preisangabenverordnung legt fest, dass die für die Abrechnung von Energiemengen zu verwendende Einheit die Kilowattstunde ist. Dies ist keine Anforderung aus dem Eichrecht, hat jedoch ebenso Einfluss auf die Gestaltungsfreiheit für Ladestromprodukte. Aus der Pflicht, die Abrechnung eines Energieverkaufs in Kilowattstunden durchzuführen, ergeben sich die eichrechtlichen Pflichten. Die übertragene Energiemenge ist mit einer bestimmten Genauigkeit und mit Abzug aller nicht kundenseitigen Stromverluste zu erfassen. Dies bedeutet, dass die Ladesäule als Ganzes eine bestimmte Genauigkeit zu erfüllen hat. Zentrale Forderung: Transparenz Die erhobenen abrechnungsrelevanten Daten sind elektronisch signiert und vor Verfälschung geschützt. Die Daten werden dem Kunden zur Verfügung gestellt, um sich bei Erhalt der Rechnung selbst von der Richtigkeit der abgerechneten Energiemengen überzeugen zu können. Dies kann durch verschiedene sogenannte Transparenzmethoden geschehen und stellt in einem Markt mit vielen Marktteilnehmern große Herausforderungen dar. Dennoch wurden für den komplexen und sicheren Datentransfer mehrere Lösungen gefunden, die es dem Endkunden ermöglichen seine getätigten Ladungen selbständig und zweifelsfrei zu validieren. Bei einem herkömmlichen Tankvorgang sind in der Regel beide Geschäftspartner vor Ort. Der Kunde tankt eine bestimmte Menge an Kraftstoff in Litern. Er und der Verkäufer vertrauen auf das geeichte System und können sich von einem ordnungsgemäßen Ablauf überzeugen. Die Richtigkeit der abgegebenen Litermenge sowie des verbuchten Betrags ist damit für beide Geschäftspartner nachvollziehbar. Der Verkauf von elektrischer Energie an Privatkunden fand bisher fast ausschließlich zuhause statt. Hier kommt in der Regel jemand zum dauerhaft vor Ort verbauten Zähler und liest diesen ab. Auch dabei gilt: Beide Parteien, Verkäufer - oder dessen Beauftragte - und Käufer, sind zum Zeitpunkt der Ablesung vor Ort und bestätigen deren Richtigkeit. Beim Verkauf von Strom für den Anwendungsfall der Elektromobilität kommen verschiedene Faktoren hinzu, die den Stromverkauf hinsichtlich der Transparenz verkomplizieren. An öffentlichen Ladestationen sind viele wechselnde Kunden. Es ist wichtig, dass jede einzelne Ladung sicher auf einen Verursacher zurückgeführt werden kann. Es muss ein nachvollziehbarer belastbarer Beweis bestehen, dass eine Person Strom geladen hat, damit ihr dieser rechtssicher in Rechnung gestellt werden kann. Ein weiterer Faktor ist, dass dem Kunden ebenfalls die Möglichkeit gegeben werden muss, die Ladungen, die ihm in Rechnung gestellt wurden, überprüfen zu können. Er kann dadurch ausschließen, dass es sich um einen Betrugsfall handelt. Außerdem gibt es im Bereich des öffentlichen Ladens das Roaming. Über Vertragsbeziehungen können an den Ladestationen eines Betreibers die Kunden verschiedener Mobilitätsdienstleister laden. Dabei ist sicherzustellen, dass die eichrechtlich relevanten Daten sicher zum Endkunden gelangen und korrekt abgerechnet werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Transparenz der geladenen Kilowattstunden für den Kunden sicherzustellen. Im Folgenden wird nur auf die zwei am weitesten verbreiteten Lösungsansätze eingegangen, die derzeit ihre Anwendung finden. Lösungsansätze Lokale Transparenzanzeige Eine weit verbreitete Lösung ist es, die eichrechtsrelevanten Zählerdaten und Messwerte über eine lokal verbaute Anzeige dem Kunden zur Verfügung zu stellen. Wird eine Ladung getätigt, so findet der Kunde später in seiner Abrechnung die Kennung der Ladesäule, den genauen Start- und Endzählerstand, sowie die geladene Energiemenge wieder. Werden diese Daten an eben der relevanten Ladestation erneut über das Bedienfeld eingegeben, so werden die dazugehörigen Daten aus dem lokalen Speicher aufgerufen und der Kunde kann sich von der Richtigkeit der Daten überzeugen. Der Kunde muss dazu die ursprüngliche Ladestation erneut aufsuchen. Signierte Datenpakete und Transparenz-Software Die zweite Variante beinhaltet das Versenden digital signierter Datenpakete. Dem Endkunden wird zusätzlich zum signierten Datenpaket und der Rechnung eine Download-Möglichkeit für eine sogenannte Transparenzsoftware zur Verfügung gestellt. Werden die originalen Rechnungsdaten sowie das originale Datenpaket in die Transparenzsoftware geladen, kann die Richtigkeit der digitalen Signatur überprüft und die Rechnungsstellung somit sicher validiert werden. Beide Varianten haben unterschiedliche Vor- und Nachteile und es ist im Einzelfall zu bewerten, welches Transparenzverfahren für eine geplante Ladeinfrastruktur geeigneter ist. Eichrecht - im Grunde kein Problem Basierend auf den gefunden Lösungen zu Preisangaben und Kundentransparenz, sowie der Verfügbarkeit ausreichend genauer Zähler, ist die Thematik nun mit verschiedenen Marktstandards gelöst worden. Aktuell gilt es jedoch, diese Lösungen in der Fläche zu etablieren, was verschiedene Anbieter vor eine riesige Aufgabe stellt, da es in Deutschland mittlerweile die stolze Zahl von rund 24.000 öffentlichen Ladepunkten gibt. Wenn möglich, wird auf der B2B Produktplattform b2charge.com jedes neue eichrechtskonforme Produkt gelistet. ■ Simon Schilling Consultant E-Mobility, Wiedergrün Technologie- und Management-Beratung für Elektromobilitätsunternehmen, Frankfurt am Main simon.schilling@wiedergruen.com Magnus Schäfer Junior Consultant E-Mobility, Wiedergrün Technologie- und Management-Beratung für Elektromobilitätsunternehmen, Frankfurt am Main magnus.schaefer@wiedergruen.com
