Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0037
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Sub-Knoten im transeuropäischen Verkehrsnetz
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Mathias Wilde
Den öffentlichen Personennahverkehr in einer Region insgesamt zu stärken und die Erreichbarkeit von Zentralen Orten zu verbessern, ist ein erklärtes Ziel der Regionalplanung. Dabei handelt es sich um Themen wie die Sicherung der Daseinsvorsorge und die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen. Kaum betrachtet wird allerdings die Erreichbarkeit von Zugangspunkten des europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs. Das Interreg-Projekt „SubNodes – Connecting Hinterlands“ hat eine Strategie für Nebenknoten entworfen, die den Blick für die Fläche aus Perspektive der überregionalen Verkehrsplanung schärft.
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Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 26 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Sub-Knoten im transeuropäischen Verkehrsnetz Bedeutung für die Anbindung des Hinterlandes Transeuropäisches Verkehrsnetz, ÖPNV, Erreichbarkeit, Territoriale Kohäsion Den öffentlichen Personennahverkehr in einer Region insgesamt zu stärken und die Erreichbarkeit von Zentralen Orten zu verbessern, ist ein erklärtes Ziel der Regionalplanung. Dabei handelt es sich um Themen wie die Sicherung der Daseinsvorsorge und die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen. Kaum betrachtet wird allerdings die Erreichbarkeit von Zugangspunkten des europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs. Das Interreg-Projekt „SubNodes - Connecting Hinterlands“ hat eine Strategie für Nebenknoten entworfen, die den Blick für die Fläche aus Perspektive der überregionalen Verkehrsplanung schärft. Mathias Wilde B erücksichtigt die Verkehrsplanung die Erreichbarkeit von Hauptknoten des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) aus der Peripherie und damit den Zugang zum schnellen, internationalen Schienenpersonenfernverkehr, fällt dem regionalen ÖPNV eine erweiterte Bedeutung zu. Über die Gewährleistung von Verkehrsdienstleistungen hinaus verweist diese Perspektive auf die Leistungsfähigkeit des ÖPNV in der Region und lenkt den Blick auf Subknoten als Element im Geflecht des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Eine verbesserte Anbindung der Subknoten an einen Hauptknoten des TEN-V wertet einerseits die Region auf, andererseits entfalten die Korridore ihre Wirkung in die Fläche. Wie diese wechselseitige Beziehung für die Raumplanung strategisch gefasst werden können, ist Ziel dieses Beitrages. Transeuropäische Verkehrsnetze Die Europäische Union (EU) hat bereits 1996 die Schaffung hochwertiger Verkehrsinfrastruktur beschlossen. In den Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes von 2013 definiert die EU die Ziele für alle Verkehrsträger und führt unter anderem aus, dass der territoriale Zusammenhalt gestärkt werden soll, und zwar durch „die Anbindung der Verkehrsinfrastrukturen einerseits des Fernverkehrs und andererseits des Regional- und Nahverkehrs.“ [1, S. 8] Eine nahtlose Verbindung zwischen der Infrastruktur des Gesamtnetzes und der Infrastruktur für den Regional- und Nahverkehr soll dieses Ziel erreichen - dafür definiert die EU Städte als Hauptknoten im Verkehrsnetz. Die Bemühungen zum Aufbau des TEN-V konzentrieren sich seither auf die schnellen, internationalen Schienenverkehrswege mit ihren Hauptknoten als zentralen Zugangspunkten. Nachdem der Ausbauzustand vorangeschritten ist, richtet sich der Blick nunmehr verstärkt auf die Fläche und die Bedeutung des TEN-V für das Hinterland. Hierbei stellt sich die Frage, wie die Peripherie - also jene Regionen und Menschen, die nicht unmittelbar im Einzugsbereich eines Hauptknotens liegen - vom hochwertigen Fernverkehr profitieren können. Subknoten - vorgelagerte Zugangspunkte Das Interreg-Projekt „SubNodes - Connecting Hinterlands“ [2] hat eine Strategie für Nebenknoten entworfen, die den Blick für die Fläche aus Perspektive der überregionalen Verkehrsplanung schärft. Die Sub-Nodes-Strategie bedient sich eines gängigen Ansatzes der regionalen Verkehrsplanung und geht von der hierarchischen Gliederung des öffentlichen Verkehrssystems aus, bezieht allerdings konsequent die Anbindung zu einem TEN-V-Hauptzugangsknoten ein. Der Ansatz verweist auf die Bedeutung kleinerer und mittlerer Städte, die, am Rande der TEN-V-Korridore liegend, zu Subknoten in einem erweiterten Einflussbereich von Hauptzugangsknoten weiterentwickelt werden können. Die TEN-V-Leitlinien definieren einen städtischen Knoten als „ein städtisches Gebiet, in dem die Verkehrsinfrastruktur des transeuropäischen Netzes, wie beispielsweise Häfen einschließlich Passagierterminals, Flughäfen, Bahnhöfe, Logistikplattformen und Güterterminals, die innerhalb oder in der Nähe städtischer Gebiete liegen, mit anderen Teilen dieser Infrastruktur und mit der Infrastruktur für den Nah- und Regionalverkehr verbunden ist.“ [1, S. 7] Damit verstehen sich Hauptknoten als direkte Zugangspunkte zum Schienenfernverkehrsnetz. Hauptknoten sind zumeist größere Städte Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 27 Wissenschaft INFRASTRUKTUR entlang der Schienenwege, die regelmäßig im überregionalen Schienenpersonenverkehr bedient werden. Dem folgend, können als Subknoten jene Städte gelten, die sich innerhalb eines erweiterten Einzugsbereich zum Hauptknoten befinden und eine Anbindung der Region an der Hauptknoten mittels hochwertiger Nahverkehrsleistung gewährleisten können. Der Subknoten ist als ein vorgelagerter Zugangspunkt zum TEN-V zu verstehen - in einem idealtypischen Zustand wäre das Geflecht aus Hauptknoten, Subknoten und dem Nahverkehrssystem im Sinne eines „Hub-and-Spoke“-Konzeptes aufzufassen. [vgl. 3] Die Betrachtung von Subknoten erfolgt aus zwei Perspektiven: (a) die Anbindung von Subknoten an die Zugangspunkte der TEN-V-Schiene sowie (b) die Erreichbarkeit des Subknotens aus dessen engerem Einzugsbereich (Bild 1). Verbesserte Anbindung Eine verbesserte Anbindung von Subknoten an das TEN- V dient der Region, und die Korridore entfalten eine Wirkung in die Fläche. Den ÖPNV in einer Region insgesamt zu stärken und die Erreichbarkeit von Zentralen Orten im ÖPNV zu verbessern, ist ein erklärtes Ziel der Raumplanung und hat zunächst auf lokaler Ebene weniger mit der Erreichbarkeit von Zugangspunkten im europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr zu tun. Berücksichtigt die Verkehrsplanung die Erreichbarkeit von Hauptknoten des TEN-V und damit den Zugang zum internationalen Schienenfernverkehr, erhält der ÖPNV eine erweiterte Funktion, der über die Gewährleistung von Verkehrsdienstleistungen für die Bevölkerung hinausgeht. Damit werden Subknoten für die Raumplanung als Elemente im Geflecht des transeuropäischen Verkehrsnetzes greifbar. [4] Kriterien von Subknoten und Abgrenzung von Einzugsgebieten In der Hierarchie der Verkehrsnetze sind Subknoten mehr als regionale Verknüpfungspunkte: Sie ermöglichen den Übergang vom Regionalverkehr aus der Fläche idealerweise zum Schienenpersonenverkehr, der wiederum den Subknoten mit dem Hauptknoten und darüber mit dem Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr verbindet. Die Kriterien, die einen Subknoten auszeichnen, richten sich nach dessen Lage und Vernetzung im regionalen Verkehrssystem sowie dessen Bedeutung für die Region. Folgende Eigenschaften dienen als erste Annäherung zur Bestimmung eines Subknotens (Bild 2): 1. Die Stadt fungiert als ein Zentraler Ort in der Region, ist somit ein regionaler Kern und Anlaufpunkt für die Bevölkerung im Einzugsbereich. 2. Die Stadt verfügt über einen Zugangspunkt zum SPNV, der idealerweise bereits als intermodaler Verknüpfungspunkt ausgebaut ist oder aber zu einem solchen aufgewertet werden kann. 3. Die Verbindungsqualität und die Zuverlässigkeit des ÖPNV sind so ausgestaltet, dass das Angebot sowohl in der Erschließung des Einzugsbereiches als auch in der Verknüpfung zwischen Subknoten und Hauptknoten den Anforderungen einer attraktiven, durchgängigen Reisekette entspricht. Zur Abgrenzung von Subknoten können weitere Kriterien herangezogen werden, wie die Entfernung zum Hauptknoten oder Indikatoren, die sich auf die Eigenschaften des Verkehrssystems und des Knotens an sich beziehen (Bild 2). Bild 1: Zwei Perspektiven: Subknoten-Hub und Subknoten-Fläche Alle Darstellungen: Autor Bild 2: Sub-Knoten - Kriterien und Abgrenzung Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 28 INFRASTRUKTUR Wissenschaft Die Abgrenzung des Einzugsgebietes kann sich am System der Zentralen Orte oder der administrativen Grenzen orientieren. Sie kann aber auch an einem davon unabhängigen Verflechtungsraum ausgerichtet sein, wie ihn etwa Pendlerverflechtungen aufzeigen. An der sich danach ergebenen funktionalen Subknoten-Raumeinheit richtet sich idealerweise das nachgeordnete Verkehrssystem zur Erschließung der Fläche aus. Überführung in Planungsinstrumente Der hierarchische Planungsansatz und die damit verbundene Abstimmung der Verkehrsdienstleistungen von überregional bedeutsamen Schienenpersonenfernverkehr bis hin zur Flächenerschließung sollte gängige Praxis der Verkehrsentwicklungsplanung sein. Darauf aufbauend, erweitert der Sub-Nodes-Ansatz aus Perspektive der Landesplanung den Blick für die Relevanz nachgeordneter Verkehrsnetze im Zugangsnetz des TEN-V. Allzu oft ist die Abstimmung des regionalen Nahverkehrs mit dem Schienenpersonenfernverkehr auf den Verflechtungsraum des direkten Zugangspunktes beschränkt. In der Fläche stellt sich vermehrt das Problem der Aufrechterhaltung öffentlicher Verkehrsangebote, so dass man sich auf die originären Aufgaben der Nahverkehrsplanung konzentriert. Dieser Dualismus kann überwunden werden, wenn die Knotenentwicklung kleine und mittlere Städte als Subknoten auffasst und sie als vorgelagerte Zugangspunkte aufwertet (vgl. [5]). Umsetzung über die Planungsebenen hinweg Um Raumentwicklung und Verkehrsplanung über die verschiedenen Ebenen zusammenzubringen, beschreiben Perec et al. [6] ein integriertes, kooperatives Vorgehen. Der Ansatz geht davon aus, dass die politischen Ziele auf der jeweils eigenen Planungsebene sich an dem kooperativen Ansatz orientieren. Wesentliche Voraussetzung ist die Durchdringung einer einheitlichen Agenda, welche sich in den jeweiligen Dokumenten zur Regional- und Verkehrsentwicklung wiederfinden (Bild 3). Auch wenn dieser kooperative Planungsansatz zunächst einmal einer verkürzten Darstellung des komplexen Zusammenwirkens der Raumplanung in der EU und auf den Ebenen der Länder wie auch nachgeordneten Gebietskörperschaften gleichkommt, verweist er doch auf die Notwendigkeit, wie über die Ebenen hinweg das Thema der verbesserten Anbindung von Subknoten an den TEN-V in eine Agenda gefasst werden sollte. Damit stellen sich Subknoten in der erweiterten Auffassung der TEN-V-Schiene als kein regionales Thema, das allein von den nachgeordneten Gebietskörperschaften angegangen werden müsste, dar, sondern als ein Baustein in der Realisierung der übergeordneten Ziele wie dem territorialen Zusammenhalt und einer ausgewogeneren Raumentwicklung. [7] Ausblick Die Definition von Subknoten sowie deren verbesserte Anbindung zu den Hauptzugangspunkten des TEN-V erweitern die Einflussbereiche der Korridore in die Peripherie und stärken darüber nicht zuletzt den territorialen Zusammenhalt. Dafür ist es erforderlich, dass die regionale Verkehrsplanung neben ihrer Kernaufgabe, der Sicherung der Daseinsvorsorge, die öffentlichen Verkehrsangebote auch auf die Erschließung des Hauptknotens ausrichtet. Voraussetzung ist, dass der Subknoten als vorgelagerter Zugangspunkt in der Region zum TEN-V verstanden wird. In diesem Sinne ist es erforderlich, öffentliche Verkehrsangebote aufeinander abzustimmen, und zwar zum einen aus dem Erschließungsbereich eines Subknotens, zum anderen zwischen Subknoten und den Hauptknoten des TEN-V. ■ LITERATUR/ ANMERKUNGEN [1] Europäisches Parlament und Rat (Hrsg.) (2013): Verordnung (EU) Nr. 1315/ 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/ 2010/ EU. Amtsblatt der Europäischen Union [2] SubNodes - Connecting the hinterland via sub-nodes to the TEN-T core network, Interreg Central Europe Project, https: / / www.interreg-central.eu/ Content.Node/ subnodes.html [3] Scholl, B.; et al. (2019): Spatial and Transport Development in European Corridors - Example Corridor: Orient/ East-Med, Connecting and Competing in Spaces of European Importance. Hannover: Akademie für Raumforschung und Landesplanung. (= Position Paper of the ARL) [4] Braun, C.; Perić, A. (2017): Integrated Spatial and Transport Development along European Corridors: A Look through the Lens of Stakeholder Cooperation. In: Schrenk, M., et al. (Hrsg.): Proceedings of 22nd International Conference on Urban Planning, Regional Development and Information Society. Wien. S. 291-299 [5] Lüer, C.; Schürmann, C. (2018): Städtische Knoten im transnationalen Verkehr, Dokumentation des Workshops. Berlin [6] Perić, A. (2016): Integrated Spatial and Transport Development: A Multilevel Perspektive. In: Scholl, B., et al. (Hrsg.): CODE: Athens! Railway and City Development in Athens. Zürich: ETH Zurich. S. 37-47 [7] Grzelakowski, A. (2017): European Added Value of the TEN-T Corridors. Basic Research Needs and Challenges. In: International Journal on Marine Navigation and Safety of Sea Transportation 11, S. 123-128 Mathias Wilde, Prof. Dr. Fakultät Maschinenbau und Automobiltechnik, Hochschule für angewandte Wissenschaften, Coburg mathias.wilde@hs-coburg.de Bild 3: Einbindung der SubNodes-Strategie in EU Planungsebenen (verändert nach [6, S. 38])
