Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0045
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Digitalisierungshürden bei KMU schlau überwinden
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Andreas Wierse
Digitalisierungsprojekte sind für große Unternehmen längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Trotz nachgewiesener (Wettbewerbs-) Vorteile sind kleine und mittlere Unternehmen aber oft noch zurückhaltend, wenn es um das Anstoßen und Umsetzen von Digitalisierungsvorhaben geht. Häufig fehlen ihnen Knowhow und Ressourcen, um den richtigen Zugang zu finden. Aber: Mit externer Hilfe können sie das eigene Potential erschließen und gewinnbringende Projekte initiieren. So geschehen bei der Hectronic GmbH, einem Lösungsanbieter für das Parkraum- und Tankstellenmanagement.
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Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 52 Digitalisierungshürden bei-KMU schlau überwinden Hectronic als Lösungsanbieter für Parkraum- und Tankstellenmanagement setzt auf Data Analytics Digitalsierung, Data Analytics, KMU, Smart Data, Big Data, Tankinhalts-Management Digitalisierungsprojekte sind für große Unternehmen längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Trotz nachgewiesener (Wettbewerbs-) Vorteile sind kleine und mittlere Unternehmen aber oft noch zurückhaltend, wenn es um das Anstoßen und Umsetzen von Digitalisierungsvorhaben geht. Häufig fehlen ihnen Knowhow und Ressourcen, um den richtigen Zugang zu finden. Aber: Mit externer Hilfe können sie das eigene Potential erschließen und gewinnbringende Projekte initiieren. So geschehen bei der Hectronic GmbH, einem Lösungsanbieter für das Parkraum- und Tankstellenmanagement. Andreas Wierse V erfügen wirklich nur große Unternehmen über das erforderliche Datenvolumen, um erfolgreiche Digitalisierungsprojekte umzusetzen? Das ist ein Irrglaube, denn auch wenn die Begrifflichkeit „Big Data“ es suggeriert, ist nicht allein die Menge der Daten entscheidend. Auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) besitzen ausreichend Daten, die in Kombination mit weiteren externen Daten oder Informationen gewinnbringend sein können. Die Daten müssen lediglich eine gewisse Qualität und Varianz aufweisen. Sie sind zum Beispiel interessant, wenn sich Muster oder Verbindungen in ihnen erkennen lassen, die Erkenntnisse für die Prozessoptimierung liefern. Bei Smart-Data-Analysen geht es deshalb nicht nur um die mittels IT erfassten Datenmengen, sondern auch um die Zusammenführung mit weiteren Informationen - wie etwa die Erfahrungswerte von Technikern oder die Materialbeschaffenheit. Auf diese Weise können auch KMU aus ihren kleineren Datenmengen wertvolle Erkenntnisse ziehen und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Neutrale und kostenfreie Beratung Problematisch für KMU: Ob, wann und wie Big-/ Smart-Data-Technologien für das eigene Unternehmen lohnenswert sind, können sie oft schlecht einschätzen. Intern verfügen KMU selten über das erforderliche Fachwissen und/ oder die notwendigen Ressourcen - und bleiben so lieber auf vertrautem Terrain, anstatt Digitalisierungsvorhaben anzustoßen. Externe Unterstützung kann helfen, derartige Hürden zu überwinden und den Weg für die Digitalisierung zu ebnen. Mittlerweile existieren in den einzelnen Bundesländern zahlreiche Initiativen, Förderprogramme und Kompetenzzentren, die den ansässigen Unternehmen bei Bedarf Standortvorteile bieten - auch beim Einsatz von Industrie 4.0-Technologien. So berät beispielsweise das Smart Data Solution Center Baden-Württemberg (SDSC- BW, www.sdsc-bw.de) neutral und unabhängig zu Smart-Data-Technologien, mit finanzieller Unterstützung durch das Landesmi- Foto: Hectronic TECHNOLOGIE Digitalisierung Internationales Verkehrswesen (72) 2 | 2020 53 Digitalisierung TECHNOLOGIE nisterium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK). 2014 von der Stuttgarter Sicos BW GmbH und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gestartet, bietet das Solution Center insbesondere eine kostenfreie Potentialanalyse. Diese Analyse wird von den Data-Analytics-Experten des KIT durchgeführt (Bild 1) und erlaubt den Unternehmen einen ersten Einblick in die Welt der Datenanalyse; sie lernen dabei erste Smart-Data-Technologien kennen und können anschließend besser einschätzen, wie sich Big und Smart Data auch in ihrem Unternehmensumfeld einsetzen lassen. Einzige Voraussetzung hierfür: Das interessierte Unternehmen muss die Daten zusammenstellen, den Experten übergeben und interne Anwendungsexperten für den Austausch mit den Data-Analytics-Experten benennen. Auf Basis der Analyse-Ergebnisse geben die SDSC-BW-Experten dann Handlungsempfehlungen hinsichtlich weiterer konkreter Schritte, benennen mögliche Einsatzfelder und stehen - wo erforderlich - als Begleiter bei der Umsetzung eines tiefergehenden Projekts zur Verfügung. Dass dies funktioniert, zeigt das Beispiel der Hectronic GmbH, die ein gemeinsames Projekt mit dem SDSC-BW durchgeführt hat. Praxisbeispiel: Hectronic GmbH Die Hectronic GmbH mit Hauptsitz im süddeutschen Bonndorf hat sich auf die Entwicklung intelligenter Systemlösungen für die Bereiche Parkraum-, Tankstellen- und Tankinhalts-Management spezialisiert. Die smarten Software-Lösungen des Mittelständlers ergänzen die bewährten Hardware-Komponenten und eröffnen neue Möglichkeiten hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Benutzerfreundlichkeit. Die intelligenten und aufeinander abgestimmten Hectronic-Systemlösungen für das Tankinhalts-Management ermöglichen beispielsweise die Überwachung der Tankfüllstände oder den Schutz der Lagertanks vor Leerlauf oder Überfüllung. Innerhalb der Systemlösungen werden viele verschiedene Sensordaten, wie beispielsweise Füllstand, Temperatur oder Druck (Dichte), aufgenommen. Für die Potentialanalyse mit dem SDSC-BW stellte Hectronic die Sensordaten verschiedener Füllmedien (Diesel, Benzin, E10) über einen Zeitraum von mehreren Monaten zur Verfügung. Die Motivation dahinter: Werden beim Auffüllen von Lagertanks zwei Medienarten, beispielsweise Diesel und Benzin, versehentlich vermischt, entsteht dem Tankstellenbetreiber ein großer Schaden. Aber auch andere Verunreinigungen, wie zum Beispiel Wasserablagerungen in den Tanks, müssen unter Qualitätsgesichtspunkten möglichst früh erkannt werden. Solide Informationen über den Zustand des eingelagerten Mediums sind von entsprechend großem Wert. Die Smart-Data-Analyse sollte deshalb Aufschluss geben, inwiefern eine Aussage über verschiedene Verunreinigungen auf der gegebenen Datenbasis möglich ist. Dazu mussten physikalische Abhängigkeiten (wie Verwirbelungen bei Betankungs- und Entleerungsvorgängen) sowie mögliche Vermischungen der Medien berücksichtigt werden. Darüber hinaus war von Interesse, inwieweit die aufgenommenen Messgrößen mit äußeren Einflüssen, wie beispielsweise der Temperatur, zusammenhängen. Das Vorgehen: Im Rahmen der Potentialanalyse verglichen die Experten des SDSC- BW die Datenqualität der verschiedenen Sensordaten untereinander. Auf Grundlage der am besten verwertbaren Daten überprüften sie dann die korrekte Kalibrierung der Füllstandniveaus bei Nutzung der neuen Sensorgeneration. Im Anschluss fertigte das Team ein Modell an, das die Abhängigkeit der Messgrößen von statistischen Störgrößen (wie Temperaturgradienten) eliminiert. Mithilfe des umfassend gewonnenen Datenverständnisses entwickelten die Experten auf Basis dieses Modells dann eine Methode, die den Typ des Füllmediums zuverlässig über die Sensordaten bestimmen kann. Die Potentialanalyse brachte in diesem Beispielfall zwei wesentliche Fortschritte: Zum einen gelang es dem Expertenteam des SDSC-BW, den Qualitätsindex, der die Reinheit und Qualität des Mediums misst, statistisch robuster zu machen. Zum anderen entwickelte es eine Methode, mit deren Hilfe eine Verunreinigung des Füllmediums bereits zu einem am Markt einzigartig frühen Zeitpunkt erfasst werden kann. Diese Methode kann zu einem zuverlässigen Frühwarnsystem ausgebaut werden, das der neuen Sensorgeneration von Hectronic einen entscheidenden, datengetriebenen Verkaufsvorteil schafft. Anliegen von Hectronic ist es nun, die Arbeit des SDSC-BW nachzuvollziehen und auf einer breiteren Datenbasis eigenständig nachzubauen. Außerdem möchte das Unternehmen in einem Folgeprojekt ein Frühwarnsystem für Medienverunreinigungen entwickeln - mit dem Ziel, Tankstellen künftig früher als bisher möglich vor einer möglichen Verunreinigung ihrer Lagertanks zu warnen. Internes Knowhow aufbauen Projekte wie dieses zeigen, dass es sich für KMU lohnt, Digitalisierungsvorhaben in Angriff zu nehmen. KMU sollten deshalb - unabhängig von möglicher externer Unterstützung - (auch) das notwendige interne Knowhow auf- und ausbauen. Rund um das Thema Data Analytics gibt es inzwischen zahlreiche KMU-spezifische Weiterbildungsprogramme, wie beispielsweise das Projekt „Data Literacy und Data Science für den Mittelstand“ oder das Projekt „Digital Mountains“. • Projekt „Data Literacy und Data Science für den Mittelstand: Weiterbildung und Qualifizierung“ Das Projekt (www.dataakademie.de) stärkt die Kompetenzen kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Erfassung und Auswertung massiver Datenmengen. Im Rahmen des Projekts gibt es zahlreiche praxisbezogene Schulungs- und Qualifizierungsangebote; bald auch in einem Blended-Learning-Format. • Projekt „Digital Mountains“ Dieses Projekt (www.digital-mountainshub.de) begleitet Gründer und Entscheider aus Industrie, Gesundheits-, Bildungssowie Feuerwehr- und Rettungswesen bei der digitalen Transformation ihres Unternehmens oder Bereiches. Im Rahmen des Handlungsfelds „Aus- und Weiterbildung“ bereitet es Beschäftigte auf die notwendigen Veränderungen vor; konkret vermittelt das KIT Wissen aus den Bereichen Data Analytics und Künstliche Intelligenz (KI). Externe Hilfestellung und zielgruppengerechte Weiterbildungsprogramme (bestenfalls die Kombination aus beidem) ebnen KMU den Weg, um eigene Digitalisierungsvorhaben zu entwickeln und umzusetzen - und von den entsprechenden Wettbewerbsvorteilen zu profitieren. ■ Andreas Wierse, Dr. Geschäftsführer Sicos BW GmbH, Stuttgart info@sicos-bw.de Bild 1: Zusammenschluss von Rechnern mit heterogenen Architekturen zu einem Verbund: Für den Benutzer stellt sich dieser Verbund wie ein einziger Superrechner dar. Foto: Forschungszentrum Karlsruhe
