Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0064
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CO2-Ausstoß auf See: Sind genauere Schätzungen möglich?
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Clemens Aipperspach
Jan Gertheiss
Carlos Jahn
Die internationale Schifffahrt verursacht durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe aktuellen Hochrechnungen zufolge 2 bis 3 % der globalen Treibhausgas-Emissionen. Bisherige Schätzungen basieren jedoch weitgehend auf Annahmen, nur eingeschränkt auf echten Verbrauchsdaten. EU und IMO wollen dies durch neue Berichtspflichten für Schiffsbetreiber ändern. Der Beitrag zeigt in kompakter Form Möglichkeiten, wie bereits anhand kleiner Stichproben die Verbräuche der Hauptmaschinen von Frachtschiffen zuverlässiger als bisher abgeschätzt bzw. Angaben auf Plausibilität geprüft werden können. Die ausführliche Langfassung der Arbeit ist über einen Web-Link auf Seite 71 verfügbar.
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Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 65 Wissenschaft LOGISTIK CO 2 -Ausstoß auf See: Sind genauere Schätzungen möglich? Potentiale eines stichproben-basierten Modells Seeverkehr, CO 2 -Emissionen, Treibstoffverbrauch, Antrieb, Prognosemodell, Berichtspflicht Die internationale Schifffahrt verursacht durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe aktuellen Hochrechnungen zufolge 2 bis 3 % der globalen Treibhausgas-Emissionen. Bisherige Schätzungen basieren jedoch weitgehend auf Annahmen, nur eingeschränkt auf echten Verbrauchsdaten. EU und IMO wollen dies durch neue Berichtspflichten für Schiffsbetreiber ändern. Der Beitrag zeigt in kompakter Form Möglichkeiten, wie bereits anhand kleiner Stichproben die Verbräuche der Hauptmaschinen von Frachtschiffen zuverlässiger als bisher abgeschätzt bzw. Angaben auf Plausibilität geprüft werden können. Die ausführliche Langfassung der Arbeit ist über einen Web-Link auf Seite 71 verfügbar. Clemens Aipperspach, Jan Gertheiss, Carlos Jahn W arentransport im internationalen Seeverkehr verursacht deutlich weniger spezifische CO 2 -Emissionen als im Straßen- und Flugverkehr [1]. Dennoch wird intensiv nach Reduktionsmöglichkeiten gesucht, denn rund 90 % des Welthandels greift auf Schiffe als Transportmittel in mindestens einem Teil der Wertschöpfungskette zurück [2]. Auf der 72. Sitzung des Marine Environment Protection Committee (MEPC) im April 2018 beschloss die International Maritime Organization (IMO) eine 50-%-ige Reduktion des absoluten maritimen CO 2 -Ausstoßes bis 2050 (gegenüber 2008) als Ziel ihrer Treibhausgas-Strategie [3]. Ein Meilenstein: Quantitative Emissionsminderungsziele für den maritimen Sektor waren weder im Kyoto-Protokoll 1997 noch im Paris Agreement 2015 definiert worden. Erkenntnisse über absolute Treibhausgasemissionen der internationalen Schifffahrt basieren aber weitgehend auf Schätzungen, deren Ergebnisse sich je nach Annahmengerüst wesentlich unterscheiden können [2, 4] (siehe auch Vergleich der Top-down- und Bottom-up-Methode in der Langfassung der Arbeit 1 ). Eine differenzierte und zuverlässige Erfassung tatsächlicher Emissionen - zu denen neben Handelsschiffen auch Fischerei-, Marinesowie Fähr-/ Passagier- und Freizeitschiffe beitragen - ist daher Voraussetzung für die Definition konkreter Schritte zur Einsparung von CO 2 -Emissionen. Im Folgenden werden zunächst aktuelle Vorschriften zur Datenerfassung und Problemstellung bei Ermittlung bzw. Überprüfung der Emissionen aus Sicht verschiedener Akteure skizziert. Aufbauend auf der Identifikation relevanter Einflussgrößen für den Treibstoff-Verbrauch wird ein neues stichproben-basiertes Schätzmodell vorgestellt und mit bisherigen Modellen verglichen, die Emissionen von Schiffen auf der Grundlage gängiger Annahmen herleiten. Neben einer Bewertung der Schätzergebnisse befasst sich der Beitrag damit, für welche Schiffs- und Routentypen der neue Ansatz anwendbar ist und inwiefern er für verschiedene Interessensgruppen von Nutzen sein kann. Hintergrund und Problematik der Emissionsermittlung Neue Vorschriften zur Datenerfassung Mit IMO, EU sowie einzelnen Nationalstaaten existieren konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen, die bislang unzureichend harmonisiert sind [5, 6]. Vor kurzem wurden folgende Berichtspflichten eingeführt: 1. Die EU-Kommission erließ die sog. Monitoring, Reporting and Verification (MRV) Regulation. Demnach müssen seit 01.01.2018 alle Schiffe mit >5.000 BRZ für jeden Reiseabschnitt von, zu oder zwischen EU-Häfen Daten zu den tatsächlichen Emissionen und zur Transportleistung erheben und jährlich an eine EU- Datenbank melden. Eine jährliche Zusammenfassung der CO 2 -Emissionsdaten jedes Schiffes wird auf einer Website der EU-Kommission veröffentlicht [7, 8]. Verfahren zur Datensammlung, -übermittlung und -veri- PEER REVIEW - BEGUTACHTET Eingereicht: 02.04.2020 Endfassung: 22.07.2020 Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 66 LOGISTIK Wissenschaft fikation sind klar definiert. Darüber, wie verlässlich die übermittelten Werte sind, ist bisher wenig bekannt. Ein umfassender Ersatz von Schätzungen globaler Emissionen können die gesammelten Daten aufgrund ihrer regionalen Beschränkung nicht sein [9]. 2. Die IMO beschloss auf der 70. Sitzung des MEPC 2016 die Einführung eines verpflichtenden Fuel Oil Data Collection System (DCS) ebenfalls für alle Schiffe mit >5.000 BRZ. Ab 01.01.2019 sind für jeden Reiseabschnitt eines Schiffes Daten zu Treibstoff-Verbrauch, zurückgelegter Distanz und Fahrtdauer (keine Ladungsdaten) zu erfassen. Diese werden jährlich an die Flaggenstaat-Administrationen übermittelt, von diesen überprüft und in eine zentrale IMO-Datenbank eingespeist. Die Vorschrift ist global gültig. Verbrauchsbzw. Emissionsdaten der weltweiten Flotte werden ab 2020 jährlich in aggregierter Form veröffentlicht, Verbräuche aber nicht einzelnen Schiffen zuzuordnen sein. Die weitgehend digitalisierte Datenübermittlung bedeutet indes nicht, dass Verbrauchsdaten an Bord immer vollautomatisch richtig erfasst und unverfälscht versendet werden. „[…] Identifying and eliminating data errors are major concerns for the effective implementation of MRV“ [10]. Unklar ist, wie zuverlässig die Plausibilität der Berichtsdaten geprüft werden kann. Bedenken werden auch von Vertretern europäischer Reedereien und Logistikdienstleister geäußert [11]. Es wird z. T. befürchtet, dass Flaggenstaaten - oder von ihnen beauftragte Authorized Organizations - verschiedene Standards für Datenprüfungen anwenden, also ein Level Playing Field nicht gewährleistet ist. Auch hilft zumindest das DCS Importeuren, Speditionen oder Großhändlern kaum: Diese haben Interesse daran, die CO 2 -Emissionen des konkreten von ihnen in Anspruch genommenen Transportwegs zu erfahren, ohne sich auf die kaum standardisierten bzw. überprüfbaren „CO 2 -Rechner“ auf Websites globaler Schifffahrtsunternehmen verlassen zu müssen [12]. Wegen der Aggregierung der veröffentlichten Daten wird diesem Interesse im neu eingeführten DCS nicht entsprochen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob der vielfach kritisierte große Aufwand für Erhebung, Übermittlung, Prüfung und Auswertung sämtlicher Treibstoffverbräuche aller Reisen [13] überhaupt notwendig ist - oder maritime Treibhausgase auch durch ein auf Stichproben gestütztes Schätzmodell ausreichend genau zu ermitteln wären. Kernproblem: Schätzung bei limitierter Datenverfügbarkeit Reedereien und Charterer kennen den Treibstoffverbrauch ihrer eigenen Flotte, der mit bis zu 50 % den größten Teil der Schiffsbetriebskosten ausmacht [14] und auch Gegenstand von Charterverträgen ist. Sie überwachen ihn immer systematischer; komplexe Auswertungs- und Simulationsinstrumente unterstützen die Steuerung eines möglichst flexiblen, effizienten und umweltfreundlichen Schiffsbetriebs [15]. Doch basieren diese Instrumente auf Betriebsdaten, die von Außenstehenden weder erfasst noch überprüft werden können. Berechnungsmodelle, die auf Annahmen zurückgreifen (müssen), liefern dagegen oft Ergebnisse, die unzureichend empirisch fundiert oder zu undifferenziert sind: „The impact […] on global GHG emissions is difficult to assess […] without empirical evidence. So far such evidence has been only partially available“ [16] (vgl. auch Langfassung 1 ). Nur vereinzelt wurden Emissionsschätzungen veröffentlicht, die auf Messungen „echter“ Treibstoffverbräuche beruhen. Meist sind Untersuchungsumfang oder -zeitraum begrenzt und ermöglichen keine solide statistische Ableitung allgemeiner Schätzmodelle (vgl. z. B. [17] und Langfassung). Entsprechend variieren die Angaben zu durchschnittlichen spezifischen Emissionen (beispielhaft für Kühlschiffe: 67,1 g CO 2 / tkm in [18], 23,7-g CO 2 / tkm in [19]). Dieser Beitrag widmet sich daher im Kern der Frage: Wie könnte ein Näherungsmodell aussehen, das • trotz begrenzter Verfügbarkeit echter Betriebsdaten gute Abschätzungen liefert, • sich damit als Kontrollinstrument oder sogar als Ersatz für die o. g. Berichtsdaten eignet und • für die genannten Zielgruppen (IMO/ EU sowie z. B. Importeure und Speditionen) einfach anwendbar ist? Er geht dabei nur auf den von Hauptmaschinen verursachten CO 2 -Ausstoß ein, der bei den meisten Schiffstypen ein Mehrfaches der Emissionen von Hilfsmaschinen und Kesseln ausmacht. Anwendung einer stichproben-basierten Schätzmethode Einflussgrößen Bei der Verbrennung von Alkanen als Treibstoff in Motoren reagieren die in den Kohlenwasserstoffen gebundenen CH 2 -Gruppen mit Sauerstoff aus der Verbrennungsluft zu Kohlendioxid. Hieraus lassen sich recht exakte Treibstoffverbrauch / CO 2 -Emissionen Hauptmaschine Gewählte Geschwindigkeit Tiefgang, Trimm Rumpf Strömung, Welle, Wind Ström.widerstand / (Teil-)Last Antrieb Nenndaten / Spezif . Verbrauch Verwendeter Brennstoff Masse Ladung Wetter Gewählte Route / Reiseabschnitte Rumpfform (Wartungs-)Zustand Propeller Propellerform (Wartungs-)Zustand (Wartungs-)Zustand Hauptmaschine Betriebs-Parameter Design-Parameter Externe Parameter Bild 1: Mögliche Einflussfaktoren für die spezifischen Emissionen der Hauptmaschine eines Handelsschiffes Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 67 Wissenschaft LOGISTIK Emissionsfaktoren zur Umrechnung von Treibstoffverbrauch in CO 2 -Emissionen ableiten: 3,114 kg/ kg für Schweröle (HFO, IFO-180/ 380) und 3,206 kg/ kg für Dieselöle (MDO, MGO) [2]. Diese sind weitgehend unabhängig vom Schwefelanteil oder anderen Eigenschaften der Treibstoffe. Doch welche Parameter beeinflussen den Treibstoff- Verbrauch? Grundsätzlich können solche, die durch technische Eigenschaften (Spezifikationen) des Schiffs bzw. verbauter Komponenten festgelegt sind („Design- Parameter“), von operationalen (Einfluss des Schiffsbetriebs) und externen (von außen auf das Schiff einwirkenden) unterschieden werden. Teilweise beeinflussen sich die Parameter auch gegenseitig. Zur Identifizierung der relevantesten Einflussgrößen - die idealerweise auch öffentlich verfügbar sind - konnten echte Betriebsdaten einer aus zwölf Kühlschiffen bestehenden Flotte von insgesamt 769 Rundreisen mit knapp 5.600 einzelnen Reiseabschnitten gesammelt und ausgewertet werden. Die Schiffe gehören zu drei Klassen (im Folgenden zur Anonymisierung mit „L“, „C“ und „S“ abgekürzt) mit jeweils vier baugleichen Schwesterschiffen; neben dem eigentlichen (gekühlten) Laderaum verfügen sie jeweils über 100 bis 200 zusätzliche Kühlcontainer-Stellplätze an Deck (für Details zu Eigenschaften der Schiffe siehe Langfassung). Regressionsanalysen für die spezifischen Hauptmaschinen-Emissionen (g CO 2 / km) als Zielvariable ergaben zwei signifikante und relevante Regressoren: die Durchschnittsgeschwindigkeit als metrische Variable (mit Exponent 2) sowie den Reiseabschnitt - d. h. die durch einen Abfahrts- und einen Zielhafen bezeichnete Teilstrecke - als nominalskalierte Variable. Modelle Nach der Identifikation der beiden relevantesten Einflussgrößen mittels Regression ist für die skizzierte Fragestellung interessant, inwiefern sich Schätzergebnisse eines neuartigen, auf geringer Anzahl Stichproben fußenden Prognosemodells von bisherigen, annahmen-basierten Methoden unterscheiden. Hierzu wurden zunächst drei Modelle definiert, die auf gängigen Annahmen von Frachtschiffen beruhen: 1. Schätzung durch Näherungsgleichung allein auf Basis der Schiffsgröße (für verschiedene Schiffstypen) 2. Schätzung auf Basis gängiger Annahmen zu Kennwerten wie Betriebszeit, Antriebsleistung, spezifischem Verbrauch und durchschnittlicher Geschwindigkeit 3. Schätzung auf Basis von Annahmen zu den o. g. Kennwerten und Integration echter (AIS-)Reisedaten Die Modelle 2 und 3 bilden in den jeweiligen Sub- Modellen a) bis d) verschiedene in der Literatur beschriebene Detaillierungsgrade in Annahmengerüst und Berechnungsansatz ab (Berücksichtigung von Schiffstyp, -größe und/ oder konkreten Spezifikationen); Details sind der Langfassung zu entnehmen. In Abgrenzung dazu basiert ein viertes Modell auf der Entwicklung eines einfachen Algorithmus‘ zur Prognose des Treibstoffverbrauchs durch Regression anhand weniger Trainingsdaten (Stichproben). Es wird also simuliert, dass für ein bis drei Rundreisen eines Schiffes jeweils Reiseabschnitte, Durchschnittsgeschwindigkeiten (oder Distanzen) und Treibstoffverbräuche erhoben werden - unabhängig von den o. a. Berichtspflichten. Dabei wurde u. a. eine einfache lineare Modellierung sowie die sog. Random Forest-Funktion der Programmierumgebung R verwendet [20]. Methodik des Modellvergleichs Die gesamten gesammelten Betriebsdaten (siehe oben) wurden zunächst anhand der Schiffsklassen in drei Teildatensätze unterteilt. Reisen mit sehr selten befahrenen Abschnitten wurden ausgeschlossen. Jede in einem der Teildatensätze enthaltene Rundreise wurde je einmal als „Haupt-Trainingsreise“ festgelegt. Um im 4. Modell auch die Ziehung von zwei bzw. drei Stichproben simulieren zu können, wurden jeder Haupt-Trainingsreise per Zufallsauswahl zwei weitere Trainingsreisen aus dem Teildatensatz hinzugefügt, die jeweils verbleibenden Rundreisen als „Testreisen“ definiert. Insgesamt ergaben sich so 253 Haupt-Trainingsreisen für die Klasse L, 175 für die Klasse C und 98 für die Klasse S mit je zwei weiteren dazugehörenden Trainingsreisen sowie eine bis 86 Testreisen. Zunächst wurden die Modelle 1 bis 3 auf jeden einzelnen Testdatensatz angewendet und ihre Prognosegüte ermittelt. Je nachdem, ob beim 4. Modell die Ziehung von einer, zwei oder drei Stichproben simuliert werden sollte, wurde der Algorithmus in jedem Durchlauf anhand des aus ein, zwei oder drei Trainingsreisen bestehenden Trainingsdatensatzes gebildet und dann auf denselben Testdatensatz (die zur jeweiligen Haupt- Trainingsreise gehörenden Testreisen) angewendet. So arbeiteten alle Modelle mit denselben, zufällig ausgewählten Testdaten. Ergebnisse Ein Vergleich der Modelle ist durch Beurteilung ihrer Prognosegüte möglich. Bild 2 und Bild 3 zeigen die für jedes Modell und jede Klasse in einem Boxplot dargestellte Verteilung der Ergebnisse aller Durchläufe (prognostizierter Treibstoffverbrauch) durch folgende Parameter: • Relative Abweichung (BIAS, auch „Verzerrung“ genannt): Dieser Prozentwert erlaubt Aussagen u. a. darüber, ob ein Modell über- oder unterschätzt (Erwartungstreue). • Wurzel der mittleren Fehlerquadratsumme (RMSE), angegeben in der Einheit der untersuchten Verteilung (hier also Tonnen Treibstoff): Diese - immer positive - Maßzahl für die Genauigkeit einer Schätzung ist die Wurzel der mittleren quadrierten Differenz zwischen Schätz- und echten Werten. Auf der vertikalen Achse sind die (Sub-)Modelle aufgetragen, wobei die erste Ziffer das Modell, der folgende Buchstabe das Sub-Modell kennzeichnet. IM (Including Manoeuvring) bedeutet, dass die Geschwindigkeit über die gesamte Strecke zwischen zwei Häfen gemittelt wurde, während bei OGSP (Over Ground Sea Passage) die Revierfahrt für die Geschwindigkeit unberücksichtigt blieb. Im oberen Teil der Grafiken sind die annahmen-basierten Modelle 1 bis 3 dargestellt (mit nach unten hin wachsendem Komplexitätsgrad). Die unteren zwei Blöcke zeigen die Ergebnisse des auf linearer Regression (LM) Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 68 LOGISTIK Wissenschaft bzw. Random Forest-Regression (RF) beruhenden stichproben-basierten Modells, wobei die zweite Ziffer in der Bezeichnung die Anzahl der als Trainingsdaten verwendeten Rundreisen (Stichproben) anzeigt. Die jeweils drei farblich unterschiedenen Boxplots beschreiben die für die Schiffsklassen L, C und S gefundenen Abweichungen. Die farbig gedruckten Zahlen geben die Mediane der Abweichungen (Lage der Mitte eines Boxplots) an. Der Unterschied zwischen den Ergebnissen annahmen- und stichproben-basierter Schätzungen ist deutlich: Das 1. Modell basiert auf einem sehr simplen Ansatz und liefert dafür überraschend geringe Abweichungen im Bereich von bis zu ca. ±15 %. Werden allerdings als Näherung statt der Parameter für RoRo-Schiffe diejenigen für den Typ „Containerschiff“ gewählt (hier ebenso denkbar), sind die Abweichungen sehr groß. Das 2. Modell liefert in keiner Variante eine für alle drei untersuchten Klassen erwartungstreue Schätzung. Auch ist kein Zusammenhang zwischen Komplexitätsgrad des Modells und Prognosegüte erkennbar. Der Eingang echter Reisedaten im 3. Modell verbessert die Prognosegüte insgesamt nicht. In den Modellvarianten b) und c) führt die Verknüpfung Schiffstyp-spezifischer Annahmen mit echten Reisedaten zu extremen Überschätzungen. Der Grund für die verhältnismäßig schlechte Prognosegüte der annahmen-basierten Modelle liegt insbeson- Bild 2: Verteilung der Schätzergebnisse aller Durchläufe (relative Abweichung Treibstoffverbrauch in %) im Modellvergleich; links neben den Boxplots stehen die jeweiligen Medianwerte. -50 0 50 100 150 1 2a 2b 2c 2d1 2d2 3a.IM 3a.OGSP 3b.IM 3b.OGSP 3c.IM 3c.OGSP 3d1.IM 3d1.OGSP 3d2.IM 3d2.OGSP 4LM_1.IM 4LM_1.OGSP 4LM_2.IM 4LM_2.OGSP 4LM_3.IM 4LM_3.OGSP 4RF_1.IM 4RF_1.OGSP 4RF_2.IM 4RF_2.OGSP 4RF_3.IM 4RF_3.OGSP -50 0 50 100 150 -50 0 50 100 150 -0.1 15.6 -8.8 -18.1 -21.1 -35.7 20.2 15.8 -5.6 -2.6 30.6 -7.8 -11.3 -5.8 -6.5 -30.4 -20.9 -16.4 -23 -37.4 -24.7 -6.4 -23.4 -14.9 98.7 61.5 94.3 141.4 97.5 119.6 60.9 81.9 89.7 95.4 123 114.4 -7.9 -8.3 14.9 9.4 14.1 32.7 -27.7 -22.9 2.7 -14.2 -4.5 18.6 0.3 -0.2 -0.2 0.3 -0.2 -0.2 -0.2 -0.1 1.1 0.2 -0.5 0 -0.3 -1 0 0 -1.3 1.3 2.9 3.8 3.3 3 4.1 2.5 3.4 5.4 4.8 3.5 4.2 5.2 4 5.6 5.8 3.7 5 5.8 Nur Größe Annahmenbasiert ohne Reisedaten Annahmenbasiert plus Reisedaten (Einfluss Geschwindigkeit) Lineare Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. 'Random Forest'-Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. Klasse L Klasse C Klasse S % BIAS Schätzmodell 0 200 400 600 800 1000 1200 1 2a 2b 2c 2d1 2d2 3a.IM 3a.OGSP 3b.IM 3b.OGSP 3c.IM 3c.OGSP 3d1.IM 3d1.OGSP 3d2.IM 3d2.OGSP 4LM_1.IM 4LM_1.OGSP 4LM_2.IM 4LM_2.OGSP 4LM_3.IM 4LM_3.OGSP 4RF_1.IM 4RF_1.OGSP 4RF_2.IM 4RF_2.OGSP 4RF_3.IM 4RF_3.OGSP 0 200 400 600 800 1000 1200 0 200 400 600 800 1000 1200 42.8 137.2 115 136.7 178.7 361.5 150.9 139.7 93.6 46.1 250.2 108.1 91.6 72.7 99.4 222 174.7 179.8 165.1 312.6 258.2 60.5 206.9 164.4 702 483.1 942.5 1016 840.2 1189.5 435 638.6 897.5 686.9 1046.2 1138.4 69.4 134.4 173.4 78.9 132.4 334.2 197.3 192.1 91.8 108.7 87.2 200.5 49.9 69.6 90.8 49.9 69.6 90.8 55.9 82.7 95.1 54.3 87.7 103.6 46.5 62.1 86.7 43.3 66 92.4 54.2 74.5 98.3 54.8 71.2 92.7 50.8 75.6 93.5 49.3 68.9 90.8 51.5 76 96.1 47.6 67.1 94.8 Nur Größe Annahmenbasiert ohne Reisedaten Annahmenbasiert plus Reisedaten (Einfluss Geschwindigkeit) Lineare Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. 'Random Forest'-Regression 3 Stichpr. 2 Stichpr. 1 Stichpr. Klasse L Klasse C Klasse S RMSE [t] Schätzmodell Bild 3: Schätzergebnisse aller Durchläufe (RMSE des Treibstoffverbrauchs in [t]) im Modellvergleich; rechts neben den Boxplots sind die jeweiligen Medianwerte eingetragen. Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 69 Wissenschaft LOGISTIK dere darin, dass im tatsächlichen Betrieb der untersuchten Flotte a) die Betriebszeiten der Hauptmaschinen länger, b) ihre Antriebsleistung größer, c) der durchschnittliche Teillastfaktor niedriger, d) der spezifische Treibstoffverbrauch höher, e) die Schiffe im Mittel schneller sind als die Literaturwerte für diesen Schiffstyp ausweisen; auch weicht der tatsächliche spezifische Treibstoffverbrauch teilweise stark von den Hersteller- Spezifikationen ab. Das 4. Modell erzielt insbesondere bei linearer Regression trotz der sehr kleinen Zahl an Stichproben und Variablen überraschend gute Ergebnisse: Die Schätzungen sind näherungsweise erwartungstreu mit relativen Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Treibstoffverbrauch je Rundreise fast ausschließlich im Bereich von +/ - 15 %. Insgesamt ist die Variante, die auf einfacher linearer Regression beruht, aufgrund der weniger verzerrten Schätzung geeigneter. Kaum relevant ist, ob für die Berechnung der Durchschnittsgeschwindigkeit die Revierfahrt ausgeklammert wird oder nicht Dieses Ergebnis ist wie folgt erklärbar: Zum einen sind die Schätzungen im 4. Modell unabhängig von Verfügbarkeit und Güte gewählter Annahmen zu Schiffen. Zum anderen werden durch die Stichprobe(n) indirekt zahlreiche, von außen kaum messbare Einflussgrößen berücksichtigt (routenspezifische Einflüsse etwa durch Heranziehen der befahrenen Reiseabschnitte als kategoriale Variablen). Eine detailliertere Einschätzung der Ergebnisse und Nutzbarkeit von Literaturwerten ist der Langfassung zu entnehmen. Einordnung der Erkenntnisse und Ausblick Die Untersuchung zeigt deutlich die Grenzen annahmen-basierter Schätzungen. Konkret lassen sich drei wichtige Erkenntnisse dazu festhalten: 1. Annahmen zu technischen und betrieblichen Charakteristika, die der Fachliteratur als „typisch“ für bestimmte Schiffstypen zu entnehmen sind, können im Einzelfall deutlich von der Realität abweichen. Dasselbe gilt für Herstellerangaben oder für spezifische Nennverbräuche von Hauptmaschinen. 2. Zwar ist denkbar, dass sich die Abweichungen im Rahmen globaler Emissionsschätzungen für den gesamten maritimen Sektor (teilweise) ausgleichen. Für die zuverlässige Herleitung von Emissionen einzelner Transportrouten bzw. Schiffe sind sie aber nicht geeignet - und dementsprechend auch nicht zur Plausibilitätskontrolle der im Rahmen neuer Berichtspflichten an IMO und EU übermittelten Daten. 3. Dass Modelle desto bessere Schätzungen liefern, je differenzierter und komplexer die Annahmen sind bzw. je mehr echte Reisedaten (AIS) berücksichtigt werden, kann nicht bestätigt werden. Eine klare Verbesserung hinsichtlich Verzerrung und Streuung der Schätzergebnisse liefert für die untersuchten Schiffe der vorgestellte stichproben-basierte Ansatz. Er beruht allein auf a) der Auswertung echter Verbrauchsdaten mindestens einer Rundreise als Stichprobe, b) der Schätzung des Treibstoffverbrauchs zukünftiger Reisen auf Basis dieser Auswertung und öffentlich verfügbarer Reisedaten. Auch wenn nur eine einzige Stichprobe gezogen wird, liegt die Abweichung zwischen geschätztem und echtem Hauptmaschinenverbrauch bei ca. 50 bis 60 % aller Reisen innerhalb eines Toleranzbereiches von nur ± 5 %, bei > 95 % der Rundreisen innerhalb von ± 15 %. Können drei unabhängige Rundreisen als Stichproben herangezogen werden, weichen die Ergebnisse für 65 bis 80 % aller geschätzten Reisen ( je nach Klasse) um maximal ± 5 % von den echten Werten ab, und für 95 % aller Reisen um höchstens ca. ± 11 bis 12 %. Abweichungen von über 20 % bzw. 15 % sind bei einer bzw. drei Stichproben praktisch ausgeschlossen (Bild 4). Da die Schätzungen durchgehend erwartungstreu sind, scheint das skizzierte Modell selbst bei nur einer zufällig gezogenen Stichprobe je Schiffsklasse und Reiseroute gut geeignet zum Abbau von Unsicherheiten in 0 5 10 15 20 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 %BIAS Betrag Anteil Verteilung der Ergebnisse: Prognosegüte (BIAS in %) Modell mit linearer Regression (inkl. Manövr.) | 1 Stichprobe Klasse L Klasse C Klasse S 0 5 10 15 20 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0 %BIAS Betrag Anteil Verteilung der Ergebnisse: Prognosegüte (BIAS in %) Modell mit linearer Regression (inkl. Manövr.) | 3 Stichproben Klasse L Klasse C Klasse S Bild 4: Verteilungsfunktionen der Schätzergebnisse (betragsmäßige relative Abweichung des echten vom geschätzten Treibstoffverbrauch in %) beim Modell mit linearer Regression Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 70 LOGISTIK Wissenschaft der Quantifizierung globaler Emissionen - bei gleichzeitig begrenztem, kalkulierbarem Erhebungsaufwand. Der Ansatz ist verhältnismäßig einfach in der Handhabung: Anhand der Stichprobe(n) ist eine schlichte lineare Regression durchzuführen, wobei der Treibstoffverbrauch pro Streckeneinheit die Zielgröße und die befahrenen Reiseabschnitte sowie die durchschnittlichen Geschwindigkeiten die einzigen Einflussgrößen sind. Der dafür benötigte Rechenaufwand ist extrem gering. Wurden auf diese Weise die Koeffizienten der linearen Gleichung bestimmt, sind die Verbräuche zukünftiger Reisen einfach zu ermitteln, indem die jeweiligen Reiseabschnitte und Durchschnittsgeschwindigkeiten in die Gleichung eingegeben und mit der zurückgelegten Strecke multipliziert werden (die Anwendung von Statistik-Software ist unnötig). Folgende weitere Schlüsse lassen sich aus der Untersuchung ziehen: • Als relevante Regressoren für die Auswertung der Stichproben - und gleichzeitig als Input-Parameter für die späteren Schätzungen - muss nur der Reiseabschnitt mit der zurückgelegte Strecke und Fahrzeit herangezogen werden. Beide sind in AIS-Datenbanken heute öffentlich verfügbar. • Bei nur ein bis zwei Stichproben stellte sich selbst die Einbindung der Geschwindigkeit als Regressor als unnötig heraus, d. h. das Modell kann dann ohne Qualitätsverlust noch weiter vereinfacht werden. • Schätzungen, die auf einer einfachen linearen Regression des spezifischen Treibstoffverbrauchs aufbauen, sind kaum verzerrt und komplexeren Methoden wie dem Random Forest-Verfahren damit vorzuziehen. • Nicht nötig ist die gesonderte Betrachtung baugleicher Schwesterschiffe innerhalb eines Linienverkehrs. Anwendbarkeit des stichproben-basierten Modells für weitere Schiffstypen Die Bedeutung der Containerschiffe nimmt gerade im Kühltransport weiter zu, und der Transport in Kühlschiffen „wandelt sich daher von der Spezialzur Nischenschifffahrt“ [21]. Es stellt sich die Frage, ob die dargestellten Auswertungsergebnisse und das darauf aufbauende Prognosemodell anwendbar ist für a) andere Schiffe desselben Typs (Kühlschiffe mit Kühlcontainerstellplätzen an Deck) sowie b) andere Schiffstypen und -größen. Alle zwölf hier betrachteten Kühlschiffe gehören zu den größten und neuesten ihrer Kategorie. Das Verhältnis von installierter Hauptmaschinenleistung, Tragfähigkeit und Ladekapazität kann als repräsentativ für die Kühlschiffsflotte angesehen werden [2]. Die Ladekapazität der untersuchten Schiffe entspricht ca. 570 bis 810 der bei Containerschiffen gängigen TEU-Äquivalente (Annahme: 25 t Ladung je 40-Fuß-Container). Gemäß [2] gehören 59 % aller Containerschiffe zur Größenklasse von bis zu 3.000 TEU (geschätzter Anteil von 50 % auch noch im Jahr 2050), darunter zahlreiche Schiffe mit 500 bis 1.000 TEU. Konstruktive Eigenschaften, die unabhängig von der Größe des Schiffes den Verbrauch der Hauptmaschinen bestimmen - etwa die Rumpfform -, dürften sich bei Kühl- und Containerschiffen strukturell kaum unterscheiden. Auch das im vorliegenden Fall untersuchte Fahrtprofil ist durchaus typisch für den Betrieb von Containerschiffen bei Linienreedern. Die ermittelten Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren und Verbrauch gelten daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für Containerschiffe. Aufgrund des schlichten statistischen Modelldesigns, das keinerlei schiffsspezifische technische Kennwerte erfordert, ist zu vermuten, dass das Modell auch für weitere Schiffstypen geeignet ist. Das trifft insbesondere auf solche mit vergleichbaren Fahrtprofilen (Rundreisen mit mehreren Häfen) zu, also z. B. Linienverkehre von Container- oder RoRo-Schiffen. Wegen des großen Einflusses des Reiseabschnitts als kategorialer Variable ist das Modell dennoch auch auf anderen globalen Handelsrouten mit verschiedenen Strömungs-, Wellen- und Windverhältnissen zu testen. Vermutlich ungeeignet ist es für die Trampschifffahrt (typisch für z. B. Massengutfrachter), wo die Routen bzw. Anlaufhäfen ständig wechseln und das Ziehen weniger Stichproben für eine repräsentative Rundreise nicht möglich ist, sowie für Zweipunktverkehre, da der Reiseabschnitt hier nicht variiert. Außerhalb der Handelsschifffahrt scheint das Modell generell auch z. B. für Kreuzfahrtschiffe geeignet, die Linien mit festen Routen bzw. sich wiederholenden Reiseabschnitten befahren. Allerdings kommen Routenänderungen, unregelmäßige Geschwindigkeiten bzw. Verlangsamung oder Stopps auf See hier ggf. häufiger vor; dies könnte zur Verzerrung von Schätzungen führen, die auf nur sehr wenigen Rundreisen als Stichproben beruhen. Auch spielt der Verbrauch der Hilfsmaschinen (für den Hotelbetrieb), den dieser Beitrag nicht behandelt, bei Kreuzfahrtschiffen eine viel größere Rolle als bei Handelsschiffen. In jedem Fall ist analog ein stichproben-basiertes Modell für die Schätzung der Verbräuche von Hilfsmaschinen auf Fracht- und Passagierschiffen noch gesondert zu entwickeln. Nutzen für verschiedene Akteure Sollte das vorgestellte Schätzmodell an weiteren Schiffstypen und Handelsrouten erfolgreich getestet werden, ergeben sich mögliche Vorteile für unterschiedliche Interessensgruppen: • Internationale Institutionen (IMO/ EU) Zur Plausibilitätskontrolle insbesondere der seit Anfang 2019 an die IMO zu berichtenden Verbrauchsdaten ist der Ansatz vielversprechend: Werden z. B. für drei Rundreisen einer Reiseroute und Schiffsklasse Daten erhoben (unabhängig von den berichteten Werten) und daran das Schätzmodell „trainiert“, empfiehlt sich eine Überprüfung der Berichtsdaten in dem Fall, dass > 10 % der gemeldeten Verbrauchswerte um > 10 % von den Schätzwerten abweichen. Dann liegt nach den vorliegenden Erkenntnissen ein Hinweis auf einen systematischen Fehler bei Dateneingabe oder -übermittlung vor. Es bietet sich also die Möglichkeit einer effektiven und mit begrenztem Aufwand durchführbaren Überprüfung der übermittelten Verbrauchsbzw. Emissionsdaten - und damit u. a. einer Verbesserung der Hochrechnung globaler Emissionen). Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 71 Wissenschaft LOGISTIK • Schifffahrtsunternehmen Für den Fall, dass es im Laufe der o. g. Plausibilitätskontrolle nur geringfügige Abweichungen geben sollte, wäre denkbar, diejenigen Schiffsbetreiber von den Berichtspflichten zu befreien, bei denen die auf Basis der Stichproben geschätzten Daten nicht auffällig von den gemeldeten abweichen. Das Modell könnte mittelfristig also die aktuellen Emissionsberichte ggf. ersetzen. Bedenken wegen der Veröffentlichung vertraulicher Daten und des Zusatzaufwands für das Berichtswesen - gerade angesichts der nach wie vor nicht absehbaren Vereinheitlichung von EU MRV und IMO DCS - würde abgeholfen: Je Linienverkehr und Schiff bzw. Klasse müssten Verbrauchsdaten nur von einem Bruchteil aller Rundreisen offengelegt werden. Ob die skizzierten geringen Abweichungen der auf Stichproben zurückgehenden Schätzwerte von echten Verbräuchen tolerabel sind, ist hier eine Abwägungsfrage. • „Dritte“ wie z.B. Spediteure oder Importeure/ Großhändler Sie erhalten durch den neuen Ansatz Zugang zu deutlich realitätsnäheren Informationen über CO 2 -Emissionen der von ihnen beauftragen Seetransporte, sofern diese regelmäßig mit demselben Linienverkehr abgewickelt werden und für mindestens eine Rundreise die „echten“ Verbrauchswerte des/ der eingesetzten Schiffe(s) eingeholt werden können. Die einfache Anwendbarkeit des (linearen) stichproben-basierten Modells ist für diese Gruppe ein weiterer Vorteil gegenüber annahmen-basierten Ansätzen, die die Kenntnis aktueller Literaturwerte voraussetzen. ■ 1 Die ausführliche Fassung dieses Beitrages ist verfügbar unter www.iv-dok.de/ dok44-2010.pdf LITERATUR [1] Europäisches Parlament (2019): CO 2 -Emissionen von Autos: Zahlen und Fakten. URL: http: / / www.europarl.europa.eu/ news/ de/ headlines/ society/ 20190313STO31218/ co2emissionen-von-autos-zahlen-und-fakten-infografik/ . 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Leiter Institut für Maritime Logistik, Technische Universität Hamburg; Leiter Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen carlos.jahn@tuhh.de
