Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0077
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Der schwierige Weg zum Treibstoff der Zukunft
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Frank Hütten
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Internationales Verkehrswesen (72) 3 | 2020 15 A lle suchen nach dem Treibstoff der Zukunft. Wissenschaftler ebenso wie Transportunternehmen, die sich fragen, wie eine ökologisch nachhaltige und für ihren Betrieb wirtschaftliche Lösung aussehen kann. Die Politik hat die Aufgabe, die Suche nach solchen Lösungen zu erleichtern und zu unterstützen durch die richtigen Anreize. In Brüssel wartet man deshalb gespannt auf die für das Jahresende angekündigte „Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität“ der EU-Kommission. Sie soll Hinweise enthalten, wie der Verkehr umweltverträglicher werden kann. Zur Vorbereitung hat die EU-Kommission bei Verkehrswirtschaft und Öffentlichkeit gerade Meinungen dazu eingesammelt, welche alternativen Kraftstoffe für den Straßen-, den Schiffsverkehr und für die Luftfahrt gefördert werden sollen und wie sich das am besten machen lässt. Wie schwierig das mit dem Setzen der richtigen Anreize ist, zeigt die aktuelle Diskussion zwischen Kommission und Bundesregierung über die deutsche Befreiung von Gas- und E-LKW von der Maut. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer begründet die Entscheidung, E-LKW bis auf weiteres und die mit dem Flüssigerdgas LNG oder dem komprimierten Erdgas CNG betriebenen Fahrzeuge bis 2023 von der Mautpflicht auszunehmen, mit mangelnden Alternativen an Wasserstoff- oder Elektro-LKW. Gas hält Scheuer sowohl im Straßenals auch im Schiffsverkehr für eine wichtige „Brückentechnologie“. Sicher seien LNG und CNG fossile Kraftstoffe, doch klimafreundlicher als Diesel. Außerdem können sie später durch Biogas oder andere synthetische Kraftstoffe ersetzt werden, ohne dass grundlegend neue Motoren nötig werden, so die Hoffnung des Ministers. Die EU-Kommission dagegen will die deutsche Förderung von Gas- und E-LKW über die Mautbefreiung stoppen. Die geltende EU-Wegekostenrichtlinie („Eurovignette“) erlaube das nicht, lautet das Hauptargument. Außerdem solle das Umsteigen auf sauberere Verkehrsträger in „technologieneutraler Weise“ gefördert werden. Das „Nein“ der Kommission zu fortgesetzten deutschen Mautausnahmen setzt die Bundesregierung unter Druck, bei der sich seit über drei Jahren dahinschleppenden Reform der EU-Wegekostenrichtlinie Gas zu geben. Die Überarbeitung der „Eurovignette“ ist wohl das wichtigste „harte“ Gesetzgebungsvorhaben, das derzeit auf dem Tisch der EU- Verkehrsminister liegt. Eine stärker vom Treibhausgasausstoß abhängige LKW-Maut kann entscheidende Anreize sowohl für den Einsatz umweltfreundlicherer LKW als auch für Transportverlagerungen auf Schiene und Binnenschiff geben. Scheuer hat zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft einen „mutigen Vorstoß“ für einen Kompromiss angekündigt. Doch passiert ist seither nichts. Stattdessen sorgte Scheuer Ende Juli mit seiner Ankündigung, auf einmal auch wieder PKW in das EU-Mautreglement einbeziehen zu wollen, bei anderen Mitgliedstaaten für Verwunderung. Im Rat gibt es derzeit dafür keine Mehrheit, auch das Europäische Parlament will das nicht. Der offizielle Vorschlag kam aber gar nicht bis Brüssel. Er stieß schon innerhalb der Bundesregierung auf Widerstand und verschwand in Berliner Schubladen. Es ist der lange Schatten der innenpolitischen Diskussion über die PKW-Maut. Einen neuen Kompromissvorschlag hat es seitdem nicht gegeben. Diplomaten in Brüssel berichten, sie tappten im Dunkel, wie es mit dem wichtigen Thema Eurovignette weitergehen soll. Angesichts des Streits mit der EU-Kommission wegen der LKW- Maut und nachdem ihn Amtskollegen im Ministerrat aufgefordert haben, einen Kompromissvorschlag zu machen, hat Scheuer angekündigt, ein solcher Vorschlag werde vorbereitet. Offenbar will er auch die Pläne auf Eis legen, die PKW-Maut in die Wegekostenrichtlinie einzubeziehen. Wichtige Weichen für die Förderung eines nachhaltigeren Verkehrs werden derzeit außerhalb des EU-Verkehrsministerrates gestellt. Da ist zum einen der mittelfristige EU-Finanzrahmen (MFR) bis 2027 und der 750 Mrd. EUR schwere Corona-Wiederaufbaufonds. Die deutsche Ratspräsidentschaft verhandelt mit dem Europäischen Parlament über das Riesenbudget. Damit das Geld zügig fließen kann, muss bis Jahresende ein Kompromiss her. Ziel der Bundesregierung ist es auch, das EU-Klimagesetz bis Dezember zu beschließen. Mit diesem Gesetz soll festgeschrieben werden, dass die EU bis 2050 „klimaneutral“ wird. Es enthält außerdem neue Klimaschutzziele für 2030 und würde wichtige Rahmenbedingungen für den Verkehr der Zukunft festlegen. Auf diese Verhandlungen wird die Branche wohl interessierter schauen als auf die Verkehrsminister - falls man nicht doch noch Neues von der Eurovignette hört. ■ Frank Hütten EU-Korrespondent der DVZ Deutsche Verkehrs-Zeitung B E R I C H T A U S B R Ü S S E L VON FRANK HÜTTEN Der schwierige Weg zum Treibstoff der Zukunft
