eJournals Internationales Verkehrswesen 72/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0080
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2020
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Das Auto im städtischen Straßenraum

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2020
Mathhias Kuhnt
Das Automobil – kaum eine andere technische Entwicklung hat die Mobilität der Menschheit so stark verändert und vorangebracht. Die Fahrzeugentwicklung schreitet stetig voran, damit einhergehend wachsen einzelne Fahrzeugabmessungen mit. Wie verhält es sich mit teilweise immer größer werdenden Fahrzeugmodellen auf der nicht mitwachsenden Straßeninfrastruktur? Eine Definition des „Autos“ und eine Antwort auf die Frage, ob moderne Fahrzeuge noch auf die vorherrschende Infrastruktur passen.
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Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 24 INFRASTRUKTUR Verkehrsflächenplanung Das Auto im städtischen Straßenraum Vernünftig oder unvernünftig - welche Fahrzeuggröße ist-vernünftig? Stadtplanung, Verkehrsrecht, Infrastruktur, Verkehrsanlagen, Ruhender Verkehr, Straße, MIV, KFZ, PKW,-Automobil Das Automobil - kaum eine andere technische Entwicklung hat die Mobilität der Menschheit so stark verändert und vorangebracht. Die Fahrzeugentwicklung schreitet stetig voran, damit einhergehend wachsen einzelne Fahrzeugabmessungen mit. Wie verhält es sich mit teilweise immer größer werdenden Fahrzeugmodellen auf der nicht mitwachsenden Straßeninfrastruktur? Eine Definition des „Autos“ und eine Antwort auf die Frage, ob moderne Fahrzeuge noch auf die vorherrschende Infrastruktur passen. Matthias Kuhnt D ie heutige Bedeutung der Straße hat sich in den meisten Ländern erst im Laufe der Vollmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Vorher stand für nahezu 100 Jahre die Eisenbahn im Zentrum des Verkehrsgeschehens und überließ dem Straßenverkehr die Zubringer- und Verteilerfunktion. Seitdem stieg der Anteil des motorisierten Individualverkehrs an der gesamten Beförderungsleistung stetig an und erreicht heute in Deutschland etwa 80 % im Personenverkehr, im Güterverkehr werden 70 % der Beförderungsleistung über den Straßenverkehr abgewickelt [1]. Gleichermaßen wurden auch die Fahrzeuge selbst weiterentwickelt. Ein modernes Kraftfahrzeug hat kaum noch etwas mit einem Fahrzeug aus der Pionierzeit des Automobils gemeinsam. Der erste Motorwagen von Daimler aus dem Jahr 1886 glich noch mehr einer Kutsche, was nicht verwundert, denn diese war das Vorbild für den Motorwagen. Der große Durchbruch zur Verbreitung des Automobils kam mit der konsequenten Perfektionierung der Fließbandfertigung durch Henry Ford und der damit möglichen Großserienproduktion in den USA ab 1913. Damit konnten die Produktionskosten drastisch gesenkt werden, der Grundstein zur Vollmotorisierung der Bevölkerung war gelegt [2]. Die Fahrzeuge wurden weiterentwickelt und die Straßeninfrastruktur zunehmend ausgebaut. Heute ist jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland mittelbar oder unmittelbar vom Auto tangiert. Fast 80 % der privaten Haushalte in Deutschland besitzen mindestens ein Auto. Seit 2005 gibt es mehr Autos als Haushalte in Deutschland [3]. Der vorliegende Artikel gibt eine Übersicht über die Definition von Personenkraftwagen sowie einen Einblick in die Entwicklung der Fahrzeugabmessungen. Es wird auf das Zusammenspiel zwischen Fahrzeug und Infrastruktur eingegangen und aufgezeigt, dass der durchschnittliche PKW europäischer Automobilhersteller entgegen der landläufigen Meinung auch heute noch auf die vorherrschende Straßeninfrastruktur passt. Die im Stadtverkehr vorherrschenden Probleme zwischen Kraftfahrzeugen und den schwächeren Verkehrsteilnehmern begründen sich nicht auf den teilweise gewachsenen Abmessungen der Fahrzeuge, sondern haben im Wesentlichen eine ganz andere Ursache. Bemessungsfahrzeuge und Personenkraftwagen Bereits im römischen Straßenbau gab es für die Gestaltung des Straßenquerschnitts Bemessungsgrößen, die eine Hierarchie des Straßennetzes festlegten. Die Hauptdurchgangsstraßen einer Stadt mussten so breit sein, dass zwei beladene Kamele passieren konnten (4 bis 8 m), die internen Verbindungswege orientierten sich an der Breite von einem Lastkamel bzw. von zwei beladenen Eseln (2 bis 4 m) und die Anliegerstraßen an der Breite von einem Esel nebst Fußgänger (1 bis 1,50 m) [4]. Heutzutage liegen den straßenbautechnischen Regelwerken die so genannten Bemessungsfahrzeuge zugrunde, aufgestellt durch die Arbeitsgruppe Straßenentwurf der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen sowie eingeführt durch das Bundesverkehrsministerium durch Allgemeines Rundschreiben [5]. Die Abmessungen der verschiedenen Fahrzeuge können Bild 1 entnommen werden. Als Bemessungsfahrzeuge innerhalb der einzelnen Gruppen wurden aus dem Kollektiv der Kraftfahrzeuge einer Gruppe diejenigen Fahrzeuge ausgewählt, die in ihren Abmessungen annähernd einem sogenannten „85-%-Fahrzeug“ entsprechen. Durch die Auswahl dieser Kraftfahrzeuge ist gewährleistet, dass Anlagen für den fließenden und den ruhenden Verkehr nicht mit einem selten auftretenden Maximalfahrzeug bemessen werden. Dass die Definition der Größe von Personenkraftwagen regelmäßig von subjektivem Einfluss geprägt wird und häufig auch marketingtechnischen Gründen unterliegt, zeigt beispielhaft die Kategorisierung der Fahrzeuge des Carsharing-Anbieters stadtmobil Karlsruhe (Tabelle 1). Die Übersicht legt dar, dass die Einteilung der Fahrzeuge in die einzelnen Kategorien eben gerade nicht hauptsächlich anhand der Fahrzeugabmessungen erfolgt, sondern vielmehr anhand der Preisklasse. Eine solch verzerrte Darstellung festigt den subjektiven Eindruck der Fahrzeugnutzer. Beispielsweise erweckt allein die Bezeichnung der Kategorie den Eindruck, der Nutzer fahre ein „Maxi-“großes Fahrzeug, wenn er einen BMW X1 gebucht hat, welcher Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 25 Verkehrsflächenplanung INFRASTRUKTUR amtlich als SUV (Sport Utility Vehicle), bezogen auf die Fahrzeuggröße jedoch am ehesten als Kompaktklasse, höchstens als Mittelklasse akzeptiert werden kann. Weiter wird ein VW Beetle als „Kombi“ kategorisiert. Ob dieses Fahrzeug wohl für einen größeren Einkauf im Baumarkt oder einen kleineren Möbeleinkauf tauglich ist, was man unter dem Titel dieser Kategorie durchaus verstehen kann, ist fraglich. Dieses Beispiel soll aufzeigen, dass bei der Fahrzeugkategorisierung oftmals die Objektivität außer Acht bleibt. Gemeinhin werden unter anderem auch aus diesem Grund jegliche Fahrzeuge des Segments „SUV“ als klimaschädlich und pauschal als „politisch unkorrekt“ betrachtet, wider besseren Wissens, dass dieses Segment eben gerade nicht auf den Fahrzeugabmessungen sondern vielmehr auf der Art der Verwendung beruht. So existieren durchaus sehr viele PKW des Segments SUV, welche bei alleiniger Betrachtung der Fahrzeugabmessungen durchaus als „Kompaktklasse“ durchgehen würden: 37 von insgesamt 58 PKW-Modellen des Segments SUV haben eine maximale Länge von gerade einmal 4,50 m, was wiederum der Kompaktklasse bzw. höchstens der Mittelklasse entspricht-[7]. Fahrzeugklassen Aus amtlicher Sicht werden Kraftfahrzeuge durch die Europäische Union in verschiedene Klassen, Typen und Varianten unterteilt [8] (Bild 2), u. a.: • Klasse M: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern. • Klasse M1: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz. • Klasse M2: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 5 t. • Klasse M3: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 5 t. Fahrzeugtypen Für die Fahrzeugklasse M1 gilt: Ein Typ umfasst Fahrzeuge, die sich zumindest hinsichtlich der folgenden wesentlichen Merkmale nicht unterscheiden: • Hersteller, • Typbezeichnung des Herstellers, • wesentliche Bau- und Konstruktionsmerkmale von Fahrgestell/ Bodengruppe (offensichtliche und grundlegende Unterschiede), • Antriebsmaschine (Verbrennungsmotor/ Elektromotor/ Hybridantrieb). Varianten Die Variante eines Typs umfasst Fahrzeuge innerhalb eines Typs, die sich zumindest hinsichtlich der folgenden wesentlichen Merkmale nicht unterscheiden: • Art des Aufbaus (z. B. Stufenhecklimousine, Schräghecklimousine, Coupé, Kabrio-Limousine, Kombilimousine, Mehrzweckfahrzeug), • Antriebsmaschine: Arbeitsverfahren, Anzahl und Anordnung der Zylinder, Unterschiede in der Motorleistung von mehr als 30 %, Unterschiede im Hubraum von mehr als 20 %, Antriebsachsen, gelenkte Achsen. Segmente Personenkraftwagen werden durch das Kraftfahrt-Bundesamt entsprechend Tabelle-2 in verschiedene Segmente unterteilt. Bild 1: Geometrische Kenngrößen der Bemessungsfahrzeuge [5] Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 26 INFRASTRUKTUR Verkehrsflächenplanung Die Eingruppierung von Modellreihen in Segmente ist oft ein Kompromiss und nicht immer eindeutig, was zu strittigen Ergebnissen führen kann. Zu den Geländewagen zählen alle PKW-Modelle, sobald sie gemäß EU- Richtlinie 2007/ 46/ EG als M1G-Fahrzeug typgenehmigt wurden. Ohne eine entsprechende Typgenehmigung werden PKW-Modelle mit „Offroad-Charakter“ im Segment SUV ausgewiesen [3]. Das Kraftfahrt-Bundesamt nimmt eine marktorientierte Segmentierung der Neu- Kategorie Carsharing Beispiele Länge [mm] Breite [mm] Fahrzeugsegment gemäß Kraftfahrt-Bundesamt Mini Seat Mii 3.557 1.645 Mini Toyota Aygo 3.465 1.615 Mini Smart Fiat 500 3.546 1.627 Mini Opel Karl 3.675 1.604 Mini Renault Twingo 3.595 1.647 Mini Smart ForTwo 2.695 1.663 Mini VW Up 3.540 1.645 Mini Klein Ford Fiesta 3.969 1.722 Kleinwagen Opel Corsa 4.021 1.736 Kleinwagen Renault Zoe 4.087 1.787 Kleinwagen Seat Ibiza 4.082 1.693 Kleinwagen Toyota Yaris 3.945 1.695 Kleinwagen VW Polo 3.970 1.682 Kleinwagen Mittel Audi A1 3.973 1.740 Kleinwagen VW Golf 4.255 1.799 Kompaktklasse Mazda MX5 3.970 1.675 Kompaktklasse Mini Cooper 3.821 1.727 Kleinwagen Renault Captur 4.122 1.778 SUV Renault Kangoo 4.282 1.829 Utility Toyota Auris 4.275 - 4.560 1.760 Kompaktklasse VW Caddy 4.406 1.794 Utility Kombi Audi A3 4.237 1.777 Kompaktklasse BMW 1er 4.324 1.765 Kompaktklasse BMW i3 3.999 1.775 Kleinwagen Ford Focus Kombi 4.560 1.823 Kompaktklasse Mercedes A-Klasse 4.292 1.780 Kompaktklasse Opel Astra Kombi 4.698 1.814 Kompaktklasse Seat Ateca 4.376 1.841 SUV VW Beetle 4.278 1.808 Kompaktklasse Groß Audi A3 Cabrio 4.421 1.793 Kompaktklasse Audi A4 Kombi 4.699 1.826 Mittelklasse BMW 2er Cabrio 4.432 1.774 Kompaktklasse BMW 3er Kombi 4.624 1.811 Mittelklasse Ford Kuga 4.524 1.838 SUV Opel Zafira 4.656 1.928 Großraum-Van VW Passat 4.767 1.832 Mittelklasse Maxi BMW 5er Kombi 4.907 1.860 Obere Mittelklasse BMW X1 4.477 1.798 SUV Ford Transit 4.863 - 6.474 1.974 Utility Mercedes Vito 5.140 1.928 Utility Opel Vivaro 4.999 1.956 Utility Seat Alhambra 4.854 1.904 Großraum-Van Transport Ford Transit 4.863 - 6.474 1.974 Utility Mercedes Sprinter 5.245 - 7.345 1.993 Utility Tabelle 1: Gegenüberstellung der in Teilen „falschen“ Kategorisierung der Carsharing-Fahrzeuge des Anbieters stadtmobil Karlsruhe [6] mit der korrekten Kategorisierung gemäß amtlichen Vorgaben des Kraftfahrt-Bundesamts [7]; rot = nicht zutreffend; grün = zutreffend Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 27 Verkehrsflächenplanung INFRASTRUKTUR wagen seit 1999 vor. Etwas später wurde dies auch für den PKW-Bestand eingeführt. In den Segmenten spiegeln sich unterschiedliche Größenklassen und Verwendungsarten der Fahrzeuge wider. Diese „künstliche“ Kategorisierung dient primär der Vergleichbarkeit des Fahrzeugmarktes. Das Zentrale Fahrzeugregister (ZFZR) weist keine Merkmale auf, die eine automatische Segmentzuordnung ermöglichen. Daher werden neue Modelle nach erfolgter Typgenehmigung unter Einbeziehung diverser Daten klassifiziert. Dies geschieht in enger Abstimmung mit den Automobilverbänden VDA (Verband der Automobilindustrie e. V.) und VDIK (Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller e. V.). Eine verbindliche „Formel“ für die Zuordnung der Segmente gibt es nicht. Neben dem optischen Erscheinungsbild dienen diverse Merkmale als Abgrenzungskriterien, die gegebenenfalls mit herangezogen werden: • Größe (Länge, Höhe) • Gewicht (zulässige Gesamtmasse) • Motorisierung (Hubraum) • Leistung (Höchstgeschwindigkeit) • Gepäckraum (Zuladung, Variabilität) • Sitzplätze (Anzahl) • Sitzhöhe (vorn) • Allrad (angetriebene Achsen) • Heckform (Varianten) • Fahrzeugklasse (bei Wohnmobilen) • Grundpreis Bei den ersten sechs Segmenten aus Tabelle 2 handelt es sich um reine Größenklassen. Die Zuordnung neuer Modelle ist dort unproblematisch. Bei den restlichen Kategorien steht hingegen nicht die Größe, sondern die Verwendungsart bzw. Fahrzeugart und -aufbau im Vordergrund. Insbesondere die Abgrenzung von Vans, Gelände- und Kompaktwagen ist nicht immer eindeutig. Zumal zunehmend Nischenfahrzeuge (für mehrere Zwecke) auf den Markt gebracht werden, mit welchen ein größeres Käuferpotential angesprochen werden soll [3]. Eine Übersicht der Anteile der jeweiligen Segmente an der Gesamtanzahl der vorhandenen PKW ist in Bild 3 aufgeführt. Nach landläufiger Bezeichnung fahren im heutigen Stadtverkehr zunehmend „Geländewagen“ durch die Straßen. Dies ist insofern falsch, dass die Bezeichnung Geländewagen entsprechend der Einteilung der Segmente oftmals falsch angewendet wird. Da ein Großteil der heutigen PKW, auch solche der Kategorie SUV, nicht alle erforderlichen Anforderungen erfüllt, handelt es sich in den meisten Fällen um reine „Allradfahrzeuge“, d. h. meist SUV, jedoch nicht um Geländefahrzeuge. Ob die Zunahme des Anteils an Allradfahrzeugen gerechtfertigt ist, ist fraglich. Neben dem Einsatz im gewerblichen Be- Segment Variante Typ Klasse M1* VW Golf Limousine Kompaktklasse Variant Kompaktklasse Cabrio Kompaktklasse Mercedes S-Klasse kurzer Radstand Oberklasse langer Radstand Oberklasse VW Tiguan -- Geländewagen * Klasse M1: Für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz Als Beispiel wird jeweils der Personenkraftwagen mit dem größten Anteil an Neuzulassungen seines Segments im Mai 2020 aufgeführt. gemäß EU-Richtlinie 2007/ 46/ EG gemäß Kraftfahrtbundesamt Bild 2: Einteilung von PKW in Klasse, Typ, Variante und Segment 7,0% 18,7% 25,1% 13,2% 4,0% 0,6% 7,9% 5,4% 1,9% 4,2% 4,2% 4,0% 1,2% 2,4% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% Bild 3: Anteile der Segmente am PKW-Bestand zum 01.01.2020 [9] Nr. Segment Beispiel Einteilung nach Größe 1 Minis Fiat 500 2 Kleinwagen Opel Corsa 3 Kompaktklasse VW Golf 4 Mittelklasse Mercedes C-Klasse 5 Obere Mittelklasse Audi A6 6 Oberklasse Mercedes S-Klasse Einteilung nach Verwendungsart 7 SUVs VW T-Roc 8 Geländewagen VW Tiguan 9 Sportwagen Porsche 911 10 Mini-Vans Mercedes B-Klasse 11 Großraum-Vans VW Touran 12 Utilities VW Caddy 13 Wohnmobile Fiat Ducato Tabelle 2: Einteilung der Fahrzeugsegmente. Als Beispiel wird jeweils der Personenkraftwagen mit dem größten Anteil an Neuzulassungen seines Segments im Mai 2020 aufgeführt [7]. Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 28 INFRASTRUKTUR Verkehrsflächenplanung reich gibt es jedoch auch im privaten Umfeld Anwendungsfälle, welche dies rechtfertigen. Zu nennen sind hier ein regelmäßiger Gespannbetrieb, ein regelmäßiger Einsatz bei winterlichen Bedingungen im Bergland oder ein regelmäßiger Einsatz im land- oder forstwirtschaftlichen Bereich abseits befestigter Wege. Ein Allradantrieb ist hinsichtlich der Traktion einem reinen Front- oder Heckantrieb stets überlegen. Für den üblichen Einsatz auf befestigten Wegen des mitteleuropäischen Straßennetzes darf die Notwendigkeit dazu jedoch durchaus angezweifelt werden. Entwicklung der Fahrzeugabmessungen Bei einem Vergleich der Maße aktueller PKW-Modelle europäischer Automobilhersteller ist festzustellen, dass diese im Mittel noch immer den Maßen des Bemessungsfahrzeugs entsprechen (Tabelle 3). Es fällt auf, dass die aktuellen PKW-Modelle im Mittel lediglich eine um 4 % vergrößerte Breite gegenüber dem Bemessungsfahrzeug aufweisen. Woraus resultiert diese Mehrbreite? Die Ursache liegt zum einen in Komfortgründen, sind moderne PKW aufgrund größerem und damit komfortablerem Innenraum heute auch in den äußeren Abmessungen größer. Zum anderen führten gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Sicherheit und des Insassenschutzes zu größeren Breiten. Die Breite eines VW Golf I aus dem Jahr 1974 betrug 161 cm, ein VW Golf VII aus dem Jahr 2015 hat eine Breite von 180 cm, das entspricht einer Mehrbreite von 19 cm bzw. 12 %. 7,5 cm bzw. 40 % dieser Mehrbreite, wurden jedoch nicht dem Innenraum, sondern der Konstruktion der Fahrzeugkarosserie zugeschlagen (Bild 4). In der Vergangenheit wurden bei der Fahrzeugkonzeption in Bezug auf die Insassensicherheit große Fortschritte erreicht, welche zur Verringerung der Zahl der Menschen beigetragen haben, die im Straßenverkehr verletzt oder getötet worden sind. Dazu gehören neben den elektronischen Assistenzsystemen wie zum Beispiel dem Antiblockiersystem (ABS) oder dem elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) vor allem Airbags, welche die Folgen eines Aufpralls für die Fahrzeuginsassen mindern sollen. Diese sind in modernen Fahrzeugen nicht nur in Lenkrad und Armaturenbrett verbaut, sondern auch in den Fahrzeugseiten. Erst ab 1996 entschied sich das europäische Parlament einstimmig für die Einführung einer Seitencrashpflicht mit einer Barriere 30 cm über dem Boden, welche wiederum erst ab dem Jahr 2000 auf eine Seitencrashpflicht auf einen Pfahl erweitert wurde-[10]. Diese zusätzliche Sicherheitsausstattung kann jedoch nur unter einer Vergrößerung der Aufbaubreiten eingebaut werden. Damit ist ein Vergleich der äußeren Fahrzeugbreite eines modernen PKW mit der Breite eines älteren PKW oftmals verzerrt, denn für einen korrekten Vergleich muss (auch) die Breite des Innenraums der Fahrgastzelle verglichen werden. Dass viele SUV gar nicht so groß sind, wie sie erscheinen, zeigt folgendes Beispiel. Ein VW Tiguan ist lediglich um 1 cm breiter und gleichzeitig kürzer, nimmt also weniger Grundfläche in Anspruch, als ein VW Golf Variant: VW Tiguan I: Länge: 4.426 bis 4.457 mm Breite: 1.809 mm Höhe: 1.686 bis 1.703 mm VW Golf VI/ VII: Länge: 4.255 mm/ Variant: 4.534 bis 4.631 mm Breite: 1.799 mm Höhe: 1.452 mm In der Regel wird ein VW Golf Variant, offiziell im Segment Kompaktklasse angesiedelt, nicht als überdurchschnittlich groß bezeichnet, wohingegen der VW Tiguan (Segment Geländewagen) oftmals als Negativ-Beispiel für ein (vermeintlich) zu großes Fahrzeug aufgeführt wird. Aus welchem Grund? Das Fahrzeug wirkt insgesamt nur größer, und dies lediglich aufgrund der größeren Höhe. Dabei erscheint es sinnvoll, gerade die Höhe eines PKW mehr auszunutzen bzw. ist gerade diese Dimension der Faktor, weshalb diese Fahrzeugkategorie aktuell so beliebt ist und weiterhin an Beliebtheit zunehmen wird. Das vielfach angeführte Argument, ein SUV biete aufgrund der hohen Sitzposition eine verbesserte Übersicht und unterstütze damit das vorausschauende Fahren, wird mit zunehmender Anzahl dieser Art von Fahrzeugen zwar relativ schnell entkräftet. Dennoch bieten die höhere Sitzposition und damit ein komfortablerer Ein- und Ausstieg besonders der zunehmend alternden Gesellschaft weitere praktische Vorteile. Entweder also leisten die Vermarkter der Automobilbranche eine sehr gute Arbeit oder aber die überalternde Gesellschaft sorgt mehr oder weniger von selbst für die stetig zunehmende Anzahl an PKW des Segments SUV. Teilnahme am Straßenverkehr (ruhender Verkehr) Auf den fließenden Verkehr wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen, da die verhältnismäßig geringe Mehrbreite des durchschnittlichen PKW aufgrund der bei Planung von Straßenverkehrsanlagen zugrunde liegenden Bewegungsspielräume kaum bzw. nur unwesentliche Auswirkungen hat. Anders im ruhenden Verkehr: Für die Geometrie der Verkehrsflächen des ruhenden Verkehrs stellen die Empfehlungen für die Anlagen des ruhenden Verkehrs (EAR) den allgemeingültigen Stand der Technik dar [11]. Die darin enthaltenen Mindestanforderungen an die Abmessung von Parkständen und erforderlichen Fahrgassen stellen eine wirtschaftliche Nutzung dieser Flächen sicher. Weiter existieren die Garagen- Länge [mm] Breite [mm] (ohne Spiegel) Höhe [mm] Bemessungsfahrzeug: 4.740 1.760 1.510 Mittelwert*: 4.550 1.834 1.577 Abweichung: -4% 4% 4% * Mittelwert aus 302 PKW-Modellen folgender Hersteller: Alfa Romeo, Aston Martin, Audi, BMW, Bentley, Bugatti, Citroen, Ferrari, Fiat, Ford, Lancia, Land Rover, Lamborghini, Maserati, Mercedes-Benz, Mini, Opel, Peugeot, Porsche, Renault, Rolls-Royce, Seat, Skoda, Smart, Volkswagen, Volvo Tabelle 3: Vergleich des Mittelwerts der Abmessungen aller PKW-Modelle europäischer Automobilhersteller, Stand 05/ 2015 (Quelle: eigene Statistik) Bild 4: Entwicklung der Fahrzeugabmessungen am Beispiel eines VW Golf von 1974 bis 2015 (Innenraumbreite: lichter Abstand zwischen den Vordertüren unterhalb der Fenster) Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 29 Verkehrsflächenplanung INFRASTRUKTUR verordnungen (GaVO) der Bundesländer, welche Vorschriften für den Bau und den Betrieb von Garagen und Stellplätzen enthalten [12]. Eine Auswahl an Mindestanforderungen aus EAR und GaVO ist in Tabelle 4 aufgeführt. Die Tabelle 4 zeigt auf, dass sich die im Allgemeinen vielfach kritisierte Garagenverordnung in weiten Teilen mit den EAR, welche den Stand der Technik darstellen, deckt. Bei beispielhafter Zugrundelegung einer Tür-Aufbaubreite von 19 cm (Bild 4) sowie 1-cm Mindestabstand zum nebenan parkenden PKW verbleiben bei Stellplatzbreiten von 2,30 m beim Bemessungsfahrzeug lediglich 34 cm Durchgangsbreite zum Ein- und Aussteigen - unter beengten Verhältnissen kann dies ausreichen, wird jedoch als unkomfortabel wahrgenommen (Bild 5). Bei einer Stellplatzbreite von 2,50 m hingegen verbleiben beim Bemessungsfahrzeug 54 cm Durchgangsbreite zum Ein- und Aussteigen, was als ausreichend bezeichnet werden kann. Bei der durchschnittlichen Fahrzeugbreite von 1,85 m verbleiben immerhin 45- cm Durchgangsbreite, was dem sogenannten „Quetschmaß“ (erforderlich bei Unterbrechung von Sicherheitsräumen durch Einbauten bei Straßenbahnen) entspricht, d. h. einer gesetzlich verankerten Breite, welche Personen grundsätzlich einen Durchgang ermöglicht [13]. Für die „Maximalbreite“ von PKW in der Größenordnung von 2,00 m sind selbst Stellplatzbreiten von 2,50 m problematisch, zumindest beim nebeneinander Parken mehrerer Fahrzeuge dieser Breite. Da Verkehrsanlagen jedoch grundsätzlich nicht vollständig auf Grundlage der größten zum Einsatz kommenden Fahrzeuge dimensioniert werden und im üblichen Verkehrsgeschehen ein Mix aus unterschiedlichsten Fahrzeugen zum Einsatz kommt, funktioniert das Parken in der Regel auch mit verhältnismäßig breiten PKW. Gerade für die Nutzung von Parkbauten ist nicht allein die Stellplatzbreite der maßgebende Faktor, sondern ebenso die bauliche Gestaltung der gesamten Anlage selbst. Damit ein Stellplatz bequem angefahren werden kann, bedarf es im Wesentlichen zwei Bedingungen: Die Fahrgasse muss ausreichend breit ausgebildet sein, und notwendige Einbauten wie Stützen an den Seiten der Parkstände dürfen nicht unmittelbar am Fahrbahnrand angeordnet, sondern müssen um ein entsprechendes Maß davon abgerückt werden. Die Mindestbreite einer Fahrgasse zur Erschließung von Senkrechtparkständen muss 6,00 m betragen, um Parkvorgänge ohne besondere Umstände zu ermöglichen. Nicht zu vermeidende Stützen oder Wände zwischen den Parkständen sind dann jedoch um mindestens 0,75 m vom Fahrgassenrand abzusetzen [11], andernfalls stehen sie beim Ein- oder Ausparken in der für die Kurvenfahrt benötigten Fläche - ein regelmäßig vorkommender Fehler in Parkbauten (Bild 6). Eine Optimierung von bestehenden Parkbauten im Hinblick auf die empfohlenen Mindestparkstandbreiten ist grundsätzlich unter Inkaufnahme einer (geringfügig) verringerten Kapazität möglich. Aus Betreibersicht spielt hier jedoch die Gesamtkapazität eine deutlich größere Rolle als eine möglichst komfortable Nutzbarkeit [14]. Umsetzung in der Planung Bei der Planung einer Straßenverkehrsanlage ist die Dimensionierung der erforderlichen Querschnitte und damit der Aufteilung des zur Verfügung stehenden Raums ein wesentlicher Bestandteil. Dies erfolgt zum einen über das technische Regelwerk der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, welches in den einschlägigen Richtlinien Vorgaben zu den erforderlichen Geometrien macht. Darüber hinaus Verkehrsfläche/ Bauteil EAR [11] GaVO [12] Parkstandbreite (Ausnahme) 2,30 m 2,30 m Parkstandbreite (Regelbreite) 2,50 m -- Parkstandbreite (Rollstuhlnutzer) 3,50 m 3,50 m Fahrbahnbreite, auch im Bereich von Zu- und Abfahrt 3,00 m 2,75 m Fahrbahnbreite mit Gegenverkehr 4,50 m 5,00 m Fahrbahnbreite im Bereich von Einfahrtkontrollen 2,30 m 2,30 m Fahrbahnen auf geraden Rampen 2,75 m 2,75 m Fahrbahnen auf gewendelten Rampen (Mindest-Innenradius 5,00 m) 3,70 m 3,50 m Fahrbahnen die unmittelbar der Zu- oder Abfahrt von Stellplätzen dienen (Aufstellwinkel 90° und Stellplatzbreite 2,50 m) 6,00 m 5,50 m Fahrbahnen die unmittelbar der Zu- oder Abfahrt von Stellplätzen dienen (Aufstellwinkel 75° und Stellplatzbreite 2,50 m) 4,50 m 5,00 m Fahrbahnen die unmittelbar der Zu- oder Abfahrt von Stellplätzen dienen (Aufstellwinkel 60° und Stellplatzbreite 2,50 m) 4,00 m 4,00 m Fahrbahnen die unmittelbar der Zu- oder Abfahrt von Stellplätzen dienen (Aufstellwinkel 45° und Stellplatzbreite 2,50 m) 3,00 m 3,00 m Fahrbahnen die unmittelbar der Zu- oder Abfahrt von Stellplätzen dienen (Aufstellwinkel ≤ 30° und Stellplatzbreite 2,50 m) 3,00 m 3,00 m Lichte Höhe 2,10 m 2,00 m Bei Abweichungen zwischen EAR und GaVO ist der günstigere Wert in grüner Farbe, der ungünstigere Wert in roter Farbe hervorgehoben. Tabelle 4: Anforderungen an die Geometrie von Anlagen des ruhenden Verkehrs für Senkrechtparkstände (Auszug) 2,50 2,50 2,30 2,30 1,76 1,76 0,74 1,76 1,76 0,54 1,85 1,85 0,65 1,85 1,85 0,45 2,00 2,00 0,50 2,00 2,00 0,30 Bemessungsfahrzeug Durchschnitt „Maximalbreite“ PKW Bild 5: Vergleich unterschiedlicher Stellplatzbreiten Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 30 INFRASTRUKTUR Verkehrsflächenplanung bieten Schleppkurvenschablonen, besser jedoch eine EDV-gestützte Schleppkurvensimulation, eine gute und zuverlässige Möglichkeit zur Überprüfung einer geplanten Anlage. Weitergehende Untersuchungen wie z. B. satellitengestützte Fahrversuche [15] stellen zwar vermeintlich noch genauere Ergebnisse in Aussicht, sind jedoch für den Praxisgebrauch völlig unverhältnismäßig, da zu aufwändig. Die erforderliche Genauigkeit einer Überprüfung der Befahrbarkeit einer Straßenverkehrsanlage ist mittels EDV-gestützter Schleppkurvensimulation in einem für die Praxis ausreichenden Maß gegeben [16]. Auswirkungen auf den Stadtverkehr Fahrzeuge gehören auf die Fahrbahn sowie auf besonders ausgewiesene Parkflächen, grundsätzlich nicht und nur in bestimmten Ausnahmefällen auf den Gehweg. Dass sich bei weitem nicht alle PKW-Fahrer an diese Grundregel halten, ist hinreichend bekannt. Dass jedoch eine Kommune die Verkehrsteilnehmer förmlich dazu animiert, ist schon sehr unkonventionell und ganz und gar nicht beispielhaft. Auf der Internetseite der Stadt Karlsruhe war bis Anfang Januar 2013 eine schriftliche Duldung zum Parken auf Gehwegen erlassen: „Das Parken mit zwei Rädern auf dem Gehweg kann nur dort geduldet werden, wo dies zur Aufrechterhaltung des fließenden Verkehrs erforderlich ist. Insofern ist auf den baulichen Ausbauzustand und Querschnitt der Straße abzuheben. In älteren Stadtbezirken würde beim Parken am rechten Fahrbahnrand keine Mindestdurchfahrtsbreite von 3 m verbleiben, die erforderlich ist, damit Rettungsfahrzeuge durchkommen. Die Straßenverhältnisse sind im Stadtgebiet hinsichtlich der Fahrbahnbreite unterschiedlich. Parken „ohne Not“ auf dem Gehweg ist somit nicht erlaubt.“ „Sofern unter o. g. Voraussetzungen das Parken auf dem Gehweg mit zwei Rädern geduldet wird, muss für Fußgänger/ -innen, Rollstuhlfahrer/ -innen, Kinderwagen u. a. eine Mindestrestbreite der Gehwegfläche von 1,20 m frei bleiben. Andere gesetzliche Haltverbote bleiben von dieser Regelung unberührt.“ [17] Dass im zweiten Halbsatz der Duldung eine entsprechende Bedingung in Form einer freizuhaltenden Mindestbreite, welche zudem den gesetzlichen Regelungen widerspricht, aufgeführt wird, ist zynisch. Denn allein aus dem Grund, dass die Einhaltung eines bestimmten Abstands im Alltag nicht ohne weiteres kontrolliert werden kann, wird sich kaum ein Autofahrer bewusst an diese Bedingung halten. Einen größeren Fehler im Hinblick auf eine fußgängerfreundliche Stadt kann eine Verwaltung wohl nicht begehen. Es gibt keinerlei Rechtsgrundlage, auf welcher sich eine Kommune großflächig und allgemeingültig derart über das gültige Straßenverkehrsrecht hinwegsetzen kann. Ganz im Gegenteil, räumt die Straßenverkehrsordnung in § 46 (1) den Straßenverkehrsbehörden die Erteilung von Ausnahmen ausschließlich für bestimmte Antragsteller ein [18]. Die Erteilung unterliegt engen Grenzen und keinesfalls dürfen massenhaft erteilte Ausnahmen, wie im Karlsruher Fall geschehen, zum Aushebeln der allgemeinen Verkehrsregeln führen [19]. Abgesehen von der zweifelhaften Sinnhaftigkeit dieser Duldung würde mit einem solchen Vorgehen das verfassungsrechtliche Verbot des Artikels 31 des deutschen Grundgesetzes, Bundesrecht bricht Landesrecht, berührt [20]. Durch die „Karlsruher Duldungsregel“ hat sich ein verbotswidriges Verhalten der Straßenverkehrsteilnehmer etabliert (Bild-7), von dem selbst Fahrschullehrer rege Gebrauch machen. Zu einem Umdenken der Verantwortlichen in der Karlsruher Stadtverwaltung hat schließlich erst eine Ermahnung durch das zuständige Regierungspräsidium als höhere Verwaltungsbehörde geführt [21]. Für die daraufhin umgesetzte Aktion „Legalisierung des Gehwegparkens“ wurde das gültige Verkehrsrecht leider erneut unterwandert: Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung legt fest, dass das Parken auf Gehwegen u. a. nur zugelassen werden darf, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt [22]. Die für den unbehinderten Verkehr von Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr erforderliche Mindestbreite wird wiederum durch die DIN 18040-3 unmissverständlich mit dem Maß von 1,80 m definiert [23]. Auf welcher Grundlage die Stadt Karlsruhe hiervon abweichend nun eine zu geringe Mindestbreite von 1,60 m definiert, bleibt ungeklärt [21, 24]. Das vorrangige Problem im ruhenden Verkehr sind nicht die vermeintlich zu großen Fahrzeuge, sondern die zunehmend steigende Gesamtzahl an PKW, nicht allein in den Städten sondern auch im ländlichen Raum. Die Kommunen „drücken beim Falschparken gerne ein Auge zu“, schließlich sollen die eigenen Bürger nicht über Gebühr strapaziert werden. Da jedoch durch verbotswidriges Parken auf Geh- und Radwegen gerade die schwächeren Verkehrsteilnehmer direkt behindert und oftmals auch gefährdet werden, bedarf es einer strikten Regelung. Ein Problem bei der Duldung von Falschparkern ist auch, dass jedes (falsch) parkende Fahrzeug weiteren Parkverkehr „anlockt“ (Bild 7). Bild 6: Regelmäßiger Fehler in Parkbauten: Anordnung von Stützen unmittelbar am Fahrgassenrand Bild 7: Und alle folgen dem Herdentrieb. Selbst eine unterstützende Fahrbahnmarkierung reicht zur Erklärung nicht aus. Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 31 Verkehrsflächenplanung INFRASTRUKTUR Ausblick Fakt ist: Wo Menschen leben und arbeiten, muss es auch Parkraum geben. Es bedarf keiner wissenschaftlichen Studie, dass auf nicht absehbare Zeit hin zumindest im größeren Stil keine autofreien Innenstädte existieren werden, sondern lediglich der Tatsache, dass die Bevölkerung zunehmend überaltert. In jungen Jahren mag es einfach erscheinen, auf einen (eigenen) PKW zu verzichten. Mit zunehmendem Alter steigt jedoch der Bedarf: Eine pflegebedürftige Person wird heute häufig zwischen fünf- und zehnmal am Tag mit einem PKW bedient. Zu nennen sind hier ambulante Pflegedienste, Notfallversorgung durch das Deutsche Rote Kreuz, der mobile Mittagstisch, die Versorgung mit Einkäufen und sonstigen Erledigungen. All dies erfordert eine Erreichbarkeit, welche zwar nicht zwangsweise mit einem PKW erfolgen muss, jedoch kaum vollständig mittels alternativer Verkehrsmittel bewerkstelligt werden kann. So gesehen mag es in Zukunft „vom motorisierten Individualverkehr befreite“ Innenstädte geben, irgendeine Art von motorisierten Fahrzeugen wird jedoch in den Innenstädten weiterhin erhalten bleiben, und zwar weit über die allgemeine öffentliche Daseinsvorsorge hinaus. Ob mit der Novellierung der Landesbauordnung Baden-Württemberg im Jahr 2014 diesbezüglich der richtige Weg eingeschlagen wurde, ist zu bezweifeln. Es ist positiv hervorzuheben, dass mit dieser u. a. höhere Anforderungen an notwendige Fahrradabstellplätze eingegangen sind. Ob jedoch mit Fahrradabstellplätzen tatsächlich auch notwendige PKW-Stellplätze ersetzt werden können, ist fraglich. Weiter soll das nun gegebene kommunale Satzungsrecht, welches Kommunen dazu ermächtigt, weniger als den nach § 37 der Landesbauordnung vorgeschriebenen einen Stellplatz pro Wohneinheit festzulegen, dazu dienen, den motorisierten Individualverkehr zu beschränken [25]. Vielmehr besteht aufgrund dieser Möglichkeit jedoch die Gefahr, dass der Parkdruck innerhalb bebauter Gebiete weiter verschärft wird. Auch heute schon verlangen viele Verkehrsteilnehmer „im bellenden Befehlston, ihre Belange an erste Stelle zu setzen, worunter vor allem der Privatparkplatz vor der Haustür und dort die Abschirmung von Lärm und Abgasen, andernorts aber unbehindertes Fahren und Parken verstanden wird“ [19]. Diesen Herausforderungen muss mit einer verantwortungsvollen Stadtplanung Rechnung getragen werden. Fazit Das Auto - welche Größe ist vernünftig? Auf diese Frage kann keine allgemeingültige Antwort gegeben werden. Die vielfach geführten Diskussionen zur richtigen oder falschen Größe eines Personenkraftwagens sind in der Regel von subjektivem Eindruck beeinflusst. Eine ökologische Auswirkung resultiert dabei, abgesehen von der Herstellung, nicht durch das reine Vorhandensein eines Fahrzeugs, mag es auch einen noch so hohen Energiebedarf während seines Einsatzes aufweisen: Weshalb sollte die Nutzung eines relativ sparsamen Kleinwagens für die tägliche Fahrt zur Arbeitsstelle insgesamt betrachtet besser bewertet werden als die Nutzung eines großen Allradfahrzeugs mit überdurchschnittlich hohem Energiebedarf, welches im Gegensatz zum genannten Kleinwagen nur sporadisch und insgesamt mit einer wesentlich geringeren jährlichen Fahrleistung eingesetzt wird? Relevant ist vielmehr der Umfang des Einsatzes. Allein der individuelle Gesamtenergiebedarf, also das Produkt aus Fahrleistung und Verbrauch des zum Einsatz kommenden Fahrzeugs innerhalb eines definierten Zeitraums, stellt einen vergleichbaren und damit diskussionswürdigen Wert dar. Auf jeden Fall jedoch passt der durchschnittliche PKW europäischer Automobilhersteller auch nach heutigem Stand auf die vorherrschende Straßeninfrastruktur. Aktuelle Probleme im Verkehrsalltag resultieren im Wesentlichen nicht aus den gewachsenen Abmessungen der PKW, sondern vielmehr aus der Missachtung der Straßenverkehrsordnung und mangelnden Respekts von Kraftfahrern gegenüber den schwächeren Verkehrsteilnehmern. Ein nachlässiger Umgang der Behörden hinsichtlich des verbotswidrigen Verhaltens vieler Verkehrsteilnehmer, insbesondere im Hinblick auf den ruhenden Verkehr, verstärkt die Konflikte. Dies kann durchaus als gesellschaftliches Problem betrachtet werden, welches nur mit einem allgemeinen Umdenken reguliert werden kann. Ein Ansatzpunkt wäre, einen deutlich größeren Wert auf das Thema Verkehrserziehung zu legen, d. h. bereits zu einem früheren Zeitpunkt damit zu beginnen und deutlich intensiver darin zu schulen. ■ QUELLEN [1] Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2019. Wiesbaden, 2019 [2] Die freie Enzyklopädie Wikipedia zu „Henry Ford“, 2015. www.wikipedia.de (Zugriff am 21.09.2020) [3] Kraftfahrt-Bundesamt: Marken und Modelle. Kraftfahrt-Bundesamt, Flensburg, 2011 [4] Nuhn, H.; Hesse, M. (2006): Verkehrsgeographie. Paderborn: Schöningh Verlag, 2006 [5] Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen. Köln: FGSV-Verlag, 2001 [6] Stadtmobil CarSharing GmbH & Co. KG: stadtmobil Karlsruhe. https: / / karlsruhe.stadtmobil.de (Zugriff am 08.11.2018) [7] Kraftfahrt-Bundesamt: Neuzulassungen von Personenkraftwagen im Mai 2020 nach Segmenten und Modellreihen. Kraftfahrt-Bundesamt, Flensburg, 2020 [8] Europäische Union: Richtlinie 2007/ 46/ EG zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, Brüssel: Amtsblatt der Europäischen Union, 2007 [9] Kraftfahrt-Bundesamt: Fahrzeugzulassungen (FZ) Bestand an Personenkraftwagen nach Segmenten und Modellreihen am 1. Januar 2020 gegenüber 1. Januar 2019. 2020 [10] Depner, L.; Müller, V.: Seitenaufprall. In: Physik-Journal [11] Empfehlungen für die Anlagen des ruhenden Verkehrs. Köln: FGSV Verlag, 2005 [12] B.-W. Ministerium für Verkehr und Infrastruktur: Garagenverordnung GaVO. 2012 [13] Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) [14] Westdeutsche Zeitung: Parkplatzbreite: Wenn Geländewagen Parkplätze fressen. 30.06.2016 [15] Wirth, W. (2001): Fahrkurven ja, aber die richtigen. In: Internationales Verkehrswesen, Bd. 53, Nr. 6, 2001 [16] Schnüll, R.; Hoffmann, S.; Kölle, M.; Engelmann, F. (2002): Aktualisierte Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven für den Straßenentwurf. In: Straße und Autobahn, Bd. 53, Nr. 2, 2002 [17] Stadtverwaltung Karlsruhe, Stellungnahme zur Anfrage vom 19.10.2010: Illegales Parken auf Geh- und Radwegen, Vorlage Nr. 568, Top 23, Karlsruhe: Dezernat 2, 16.11.2010 [18] Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), 06.03.2013 (BGBl. I S. 367), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 20.04.2020 (BGBl. I S.-814) [19] Schurig, R.: StVO Kommentar zur Straßenverkehrs-Ordnung mit VwV-StVO. Bonn: Kirschbaum Verlag, 17. Auflage, 2020 [20] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 23.05.1949, zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 geändert [21] Stadtverwaltung Karlsruhe: Gehwegparken nur noch auf legal ausgewiesenen Flächen, Karlsruhe: Presse- und Informationsamt, 16.07.2015 [22] Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) [23] DIN 18040-3 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum, 2014 [24] Stadt Karlsruhe; Stadtplanungsamt; Ordnungs- und Bürgeramt: Faires Parken in Karlsruhe. 2016 [25] Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO), 05.03.2010, mehrfach geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11.11.2014 (GBl. S. 501) Matthias Kuhnt, Dipl.-Ing. (FH) DB Engineering & Consulting GmbH, Karlsruhe matthias.kuhnt@deutschebahn.com