eJournals Internationales Verkehrswesen 72/4

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2020-0090
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2020
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Voraussetzungen für zukünftige Mobilitätstechnologien

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2020
Michael Husemann
Julia Streitz
Um ein nachhaltiges und innovatives Mobilitätssystem zu gestalten, müssen geeignete Mobilitätstechnologien identifiziert und bewertet werden. In der vorgestellten Untersuchung werden die inter- und transdisziplinären Kompetenzen des Forschungskollegs ACCESS! der RWTH Aachen University genutzt. Mittels der Befragung von Experten aus verschiedenen Disziplinen wurden mögliche Transformationspfade sowie Bedingungen für eine erfolgreiche nationale Umsetzung identifiziert und graphisch dargestellt, um Verkehrsgestalter bei der Entwicklung von Mobilitätsstrategien zu unterstützen.
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Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 68 TECHNOLOGIE Wissenschaft Voraussetzungen für-zukünftige Mobilitätstechnologien Interdisziplinäre Analyse der Transformation zukünftiger Mobilitätstechnologien in Stadt und Land Interdisziplinäre Mobilitätsforschung, Zukünftige Mobilitätstechnologien, Delphi-Studie Um ein nachhaltiges und innovatives Mobilitätssystem zu gestalten, müssen geeignete Mobilitätstechnologien identifiziert und bewertet werden. In der vorgestellten Untersuchung werden die inter- und transdisziplinären Kompetenzen des Forschungskollegs ACCESS! der RWTH Aachen University genutzt. Mittels der Befragung von Experten aus verschiedenen Disziplinen wurden mögliche Transformationspfade sowie Bedingungen für eine erfolgreiche nationale Umsetzung identifiziert und graphisch dargestellt, um Verkehrsgestalter bei der Entwicklung von Mobilitätsstrategien zu unterstützen. Michael Husemann, Julia Streitz D ie Erarbeitung und Umsetzung neuer, zukünftiger Mobilitätskonzepte stellt eine Herausforderung mit großer gesellschaftlicher Tragweite dar und bedarf der Einbindung eines breiten Spektrums von Fachdisziplinen. Solche Konzepte sollen nicht nur gesellschaftlichen Anforderungen genügen, sie müssen auch die von der Politik zunehmend schärfer formulierten Umweltauflagen erfüllen. Das Zusammenspiel aus sozial-gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Faktoren wird als Nachhaltigkeit definiert und soll einen Kompromiss aus der Nutzung begrenzter Ressourcen sowie der daraus gewonnenen (Transport-) Leistung finden [1]. Zur Etablierung dieser Zielsetzungen trägt neben einer effizienten Planung auch der Einsatz moderner Technologien bei, die beide in Kombination einen möglichst hohen Gesamtnutzen realisieren. Bei der Konzeptionierung neuer Mobilitätssysteme sollte der Fokus nicht nur auf die Fortentwicklung bereits bekannter Technologieansätze, sondern auch auf die Entwicklung neuer und ggf. unkonventioneller Mobilitätsansätze gerichtet werden. Hierfür relevant sind neben praktikablen und effizienten Antriebskonzepten wie zum Beispiel Elektromotoren und Brennstoffzellen auch ganzheitliche Lösungen, die ein intermodales Transportnetz und somit nutzbringende Mobilitätsangebote gestatten. Demnach ist für die Realisierung eines zukunftsfähigen und effizienten Transportsystems eine Identifizierung von potentiellen Mobilitätstechnologien erforderlich. Für eine erste Einschätzung benötigter Technologien führte das Forschungskolleg ACCESS! [2] der RWTH Aachen University eine Delphi-Studie mit Experten 1 aus relevanten Fachbereichen durch. Die Studienergebnisse wurden anschließend in Form einer Dringlichkeit-Relevanz-Matrix für zukünftige Mobilitätstechnologien zusammengefasst dargestellt. Das Forschungskolleg Gemeinsam mit elf Lehrstühlen und Instituten verschiedener Fachdisziplinen der RWTH Aachen University bezweckt das Forschungskolleg ACCESS! die Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen an Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Bürger auf dem Weg zur Beantwortung der Leitfrage: „Welche Mobilität werden wir uns zukünftig leisten? “. Hierzu erfolgt die Untersuchung zukünftiger technischer und infrastruktureller Optionen („Welche Mobilität können wir uns leisten? “) sowie individueller Mobilitätsbedarfe von Nachfragern und Anbietern („Welche Mobilität wollen wir uns leisten? “) mit gesellschaftlichen Ansprüchen („Welche Mobilität müssen wir uns leisten? “) und globalen, nationalen und lokalen Umweltzielen („Welche Mobilität dürfen wir uns leisten? “). Über zwei Praxisprojekte wird den Herausforderungen in Großstädten (Metropole Ruhr) ebenso Rechnung getragen wie dem ländlichen Raum (Kreis Heinsberg). Für eine erfolgreiche Umsetzung des Projektziels- werden Forschungsergebnisse sowie zentrale Erkenntnisse fortlaufend beteiligten transdisziplinären Partnern, wie gesellschaftlichen Anspruchsgruppen, Verkehrsverbänden und Mobilitätsdienstleistern, vorgestellt. Methodisches Vorgehen und Aufbau der-Studie Um die oben beschriebenen Fragestellungen zu analysieren, wurde eine „Mixed-Methods“-Studie durchgeführt: PEER REVIEW - BEGUTACHTET Eingereicht: 04.09.2020 Endfassung: 21.10.2020 Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 69 Wissenschaft TECHNOLOGIE Zu Beginn der Studie wurden drei Themenschwerpunkte auf Grundlage der im Kolleg vertretenen Fachbereiche getroffen: Lufttaxi-Transportsysteme, Antriebe für den städtischen Verkehr und nachhaltige und innovative Mobilität im ländlichen Raum (der Fokus dieses Berichtes wird auf den ersten beiden Schwerpunkten liegen). Es folgten zwei telefonische qualitative Experteninterviews, um je Schwerpunkt ein Szenario zu formulieren. Diese dienten als Grundlage für das weitere iterativen Verfahren zur anonymen Ermittlung der Expertenurteile, das sich an dem Delphi-Verfahren [2] orientiert. In einem Online-Fragebogen wurden vollstrukturierte schriftliche (quantitativ) und halbstrukturierte schriftliche (qualitative) Fragen verknüpft. Das Erkenntnisinteresse ist sowohl explorativ als auch explanativ [4]. Ziel der ersten Befragung war es, eine Einschätzung der Experten zum Realitätsgrad der zuvor aufgestellten Szenarien sowie eine Auflistung von Voraussetzungen zu erhalten, die erfüllt sein müssen, um die Szenarioziele erreichen zu können. An dieser Befragung nahmen 33 Experten teil. Nach einer Aufbereitung der Ergebnisse wurde erneut ein Fragebogen erstellt, der unter anderem quantitativ die Relevanz (4er-Skala: „ist gar nicht relevant“ bis „ist sehr relevant“) und Dringlichkeit (4er-Skala: „sofort (weniger als fünf Jahre), mittelfristig (in fünf bis zehn Jahren), mittelfristig (in zehn bis20 Jahren) und langfristig (mehr als 20 Jahre)) der formulierten Voraussetzungen abfragt. Dieser zweite Fragebogen richtete sich an dieselbe Expertengruppe wie in der ersten Befragungsrunde, wobei insgesamt 19 Experten teilnahmen. Auf Grundlage dieser Einschätzungen wurde eine Transformationsmatrix erstellt, die die Relevanz über die Dringlichkeit analog zu den Skalen des Fragebogens aufträgt und somit mögliche Umsetzungspfade aufzeigt. Zu Beginn beider Befragungsrunden wurde eine Einschätzung der eigenen Kompetenzen auf einer 5er-Skala („keine Kompetenz“ bis „sehr hohe Kompetenz“) erhoben. Damit soll ermöglicht werden, die späteren Ergebnisse in einen fachlichen Kontext zu setzen und Antworten von ggf. weniger fachlich geeigneten Experten filtern zu können. Es wurden folgende Kompetenzbereiche abgefragt: • Luftfahrt (K1) • ÖPNV (K2) • Energieversorgung und -verteilung (K3) • (Bio-)Kraftstoffe und alternative Antriebe (z. B. Elektromobilität, Brennstoffzellen) (K4) • Soziodemographie (K5) • Fahrrad- und Pedelec-Verkehr (K6) • Raum-, Regional- und Stadtentwicklung (K7) • (Zukünftige) Mobilitätskonzepte (z.B. autonomes Fahren) (K8) • Emissionen, Umweltbewertung und Life Cycle ssessment (K9) Im Folgenden werden einige ausgewählte Punkte diskutiert. Auswertung der Studienergebnisse Teilgenommen haben Experten verschiedener Disziplinen und Fachbereiche, wobei es sich um eine nicht repräsentative Stichprobe handelt. In Bild 1 wird die absolute Häufigkeitsverteilung der einzelnen Fachbereiche dargestellt. Insgesamt fällt eine Häufung aus dem soziologischen und umwelttechnischen Bereich auf. Die Teilnehmer zeichneten sich durch einen hohen Bildungsabschluss (Master, Diplom, Magister oder höher) aus. Szenario 1: Lufttaxi-Transportsysteme Das entwickelte Szenario beschreibt ein Lufttaxi-Personentransportsystem als zusätzliche Alternative zu konventionellen Transportkonzepten. Hierzu wird von einer rein innerstädtischen Nutzung senkrechtstartender Lufttaxis ausgegangen. Als Antrieb wird ein Elektromotor vorausgesetzt. Das autonom fliegende Lufttaxi bietet Platz für vier Passagiere und verfügt über eine Reichweite von ca. 50 km. Im Folgenden werden ausschließlich solche Datensätze berücksichtigt, bei denen die von den Experten selbsteingeschätzten Kompetenzen K1, K2 oder K4 höher oder gleich 60 % lagen. Im Durchschnitt schätzten die Experten die Eintrittswahrscheinlichkeit des beschriebenen Szenarios in der ersten Befragungsrunde auf 45 % und in der zweiten Befragungsrunde auf 35 % ein. Als Umsetzungszeitraum wurde zunächst im Durchschnitt das Jahr 2037, anschließend 2040 angegeben. Eine weitere statistische Auswertung wurde hier nicht vorgenommen, da die Änderungen nur in kleinem Ausmaß auftraten. Es könnte jedoch darauf schließen lassen, dass nach Einschätzung der Experten von einem unrealistischeren bzw. einer erschwerten Einführung eines solchen Transportsystems ausgegangen. Zudem wurden die Experten nach Voraussetzungen befragt, die aktuell fehlen, um dieses Szenario erfolgreich umzusetzen. In Bild 2 sind die in diesem Szenario betrachteten Voraussetzungen in der oben beschriebenen Matrix dargestellt. Die einzelnen Punkte ergeben sich jeweils aus dem Durchschnitt der Angaben. Die in Bild 2 aufgeführten Voraussetzungen wurden von den Teilnehmern alle als relevant oder sehr relevant eingeschätzt, doch lässt sich bezüglich der Dringlichkeit der Umsetzung eine Streuung feststellen. Sicherheitsrelevante Aspekte, beispielsweise die Sicherheit der Passagie- IT Bild 1: Aufteilung der vertretenden Disziplinen und Fachbereiche unter Angabe der absoluten Häufigkeitsverteilung Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 70 TECHNOLOGIE Wissenschaft re oder unbeteiligter Passanten, werden als äußerst dringlich eingeschätzt und sollten demnach bei Einführung eines Lufttaxi-Transportsystems möglichst frühzeitig umgesetzt bzw. sichergestellt werden. Damit einhergehend wird auch die Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit als Voraussetzung einer ausreichenden Akzeptanz für wichtig erachtet. Weniger dringlich scheinen Faktoren wie akzeptable Ticketpreise oder ausreichende Transportkapazitäten zu sein. So könnte zunächst ein spezifischer Einsatz von urbanen Lufttaxis und eine exklusive Nutzung weniger Passagiergruppen vorgenommen werden. Die Antworten der Teilnehmer lassen eine eher misstrauische Nutzung und Umsetzung eines Lufttaxi-Transportsystems erkennen. Aus einigen weiteren Freitext- Kommentaren geht hervor, dass ein Teil der Experten die Idee grundsätzlich für unausgewogen und wenig sinnvoll hält. Andere betonen hingegen den noch ausstehenden Forschungsbedarf. Szenario 2: Antriebe für den städtischen Verkehr In diesem Szenario wird eine durch Elektromobilität (batterieelektrische und Brennstoffzellen-Fahrzeuge) emissionsreduzierte städtische Mobilität beschrieben. Der Fokus wurde auf den Personentransport gelegt. Relevante Meilensteine dafür sind der flächendeckende Infrastrukturausbau von Ladesäulen und Wasserstofftankstellen, ein Verbot von Verbrennungsmotoren nach einem Übergangszeitraum und der Einsatz von automatisiert fahrenden Carsharing-Flotten. Der dafür notwendige Strom wird vollständig aus erneuerbaren Energien gewonnen und kann über eine Kombination aus Batteriespeichern und chemischen Energieträgern (z. B. Wasserstoff) gespeichert werden. Biokraftstoffkapazitäten können somit im Flug- oder Schiffsverkehr eingesetzt werden. Im Folgenden werden nur solche Datensätze berücksichtigt, bei denen die von den teilnehmenden Experten eingeschätzten Kompetenzen K3 oder K4 höher oder gleich 60 % lagen. In der ersten Befragungsrunde schätzten die Experten die Eintrittswahrscheinlichkeit des beschriebenen Szenarios durchschnittlich auf 64 % sowie 2040 als möglichen Umsetzungszeitraum ein. In der zweiten Befragung erhöhte sich die Eintrittswahrscheinlichkeit auf 71 % und als Umsetzungszeitraum wurde durchschnittlich 2037 genannt. Im Vergleich zur ersten Befragungsgrunde verschob sich die Einschätzung der Experten demnach zu einem etwas früheren und wahrscheinlicheren Eintreten. Da die Änderung nur in kleinem Ausmaß auftrat, wurde auch hier keine weitere statistische Auswertung vorgenommen. Im Gegensatz zum ersten Szenario könnte dies jedoch auf eine optimistischere Einschätzung der Experten hindeuten. In Bild 3 sind die untersuchten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung dargestellt. Zur besseren Übersicht wurden diese thematisch unterteilt in technische (schwarz) und gesellschaftliche Voraussetzungen (rot). Die einzelnen Punkte ergeben sich jeweils aus dem Durchschnitt der Angaben. Es fällt auf, dass keine der genannten Voraussetzungen als dringend, also mit einer erforderlichen, sofortigen Umsetzung eingeschätzt wurde. Hier könnte eine weitere Untersuchung Aufschluss über die Gründe liefern: Sind Experten beispielsweise der Meinung, dass die Entwicklung aktuell in die richtige Richtung läuft? Sind bereits genügend Maßnahmen für die kommenden fünf Jahre umgesetzt oder wurde ggf. sogar berücksichtigt, ob eine kurzfristige Umsetzung realistisch ist? Die technischen Voraussetzungen wurden insgesamt mit einer niedrigeren Dringlichkeit als die gesellschaftlichen Aspekte bewertet. Bis auf die Punkte 7 und 12 wurden alle Voraussetzungen in die mittelfristige Dinglichkeitskategorie eingeordnet. Alle anderen genannten Technologien scheinen somit dringlicher als die Fahrzeugtechnologie, die für autonomes Fahren benötigt wird. Besonders dringlich wurde der politische Wille, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, eingeschätzt. Dieser wiederum würde die Umsetzung der anderen Aspekte erleichtern bzw. beschleunigen können. Bei allen Aspekten lag die Standardabweichung unter 1, bei Punkt 14 leicht darüber (1,033). Insgesamt wurden alle Voraussetzungen mit einer hohen bis sogar sehr hohen Relevanz eingeschätzt. Dabei lagen die Standardabweichungen (Quadratwurzel der Varianz) um das arithmetische Mittel überall unter 1; die Experten gaben also sehr ähnliche Einschätzungen ab. Insgesamt waren die Abweichungen bei den gesellschaftlichen Voraussetzungen sowohl bei der Dringlichkeit als auch der Relevanz etwas höher. Dies könnte sich auf die unterschiedlichen fachlichen Expertisen der Experten zurückführen lassen. Bild 2: Voraussetzungen für die Umsetzung von Szenario 1 1 Sicherheit von Passagieren 2 Sicherheit von Anwohnern und Passanten 3 Lärmbelästigung 4 Missachtung der Privatsphäre von Unbeteiligten 5 tragfähige Geschäftsmodelle 6 akzeptable Ticketpreise 7 Antriebseffizienz steigern 8 Öffentlichkeitsarbeit für eine hohe Akzeptanz 9 Überzeugungsarbeit gegen Misstrauen leisten 10 intelligente Flugführung (Effizienzsteigerung) 11 intelligente Flugführung (Sicherheitsniveau) 12 intelligente Flugführung (Vermeidung eines „schwarzen Himmels“) 13 Bereitschaft für technische Neuerungen 14 Platzierung der Terminals für eine gute Erreichbarkeit und Zugang 15 Transportkapazitäten erhöhen Internationales Verkehrswesen (72) 4 | 2020 71 Wissenschaft TECHNOLOGIE Diskussion und Ausblick Das methodische Vorgehen erlaubte die individuelle Abfrage der Expertenmeinungen aus verschiedenen Fachbereichen. Jedoch müssen folgende Defizite bei der Betrachtung der Ergebnisse berücksichtigt werden: Da die Teilnehmerzahl gering ist, sind statistische Auswertungen wie in den vorgestellten Matrizen eher als qualitative Betrachtung zu verstehen. Insbesondere die geringen Abweichungen und das Fehlen von Extrema zwischen den Datenpunkten machen eine detaillierte Auswertung schwierig. In der zweiten Befragungsrunde wurde dieselbe Expertengruppe um Teilnahme gebeten. Durch die Anonymisierung der Antworten ist nicht im Detail nachvollziehbar, ob die gleichen Experten erneut teilgenommen haben. Wie Bild 1 zeigt, ist eine leichte Verschiebung des thematischen Schwerpunktes der Gruppe aufgetreten. Das Ziel dieses Projekts war die Identifizierung potentieller Defizite heutiger Mobilitätssysteme sowie die Entwicklung eines Transformationspfades für zukünftige Mobilitätskonzepte in Abhängigkeit systemrelevanter Anforderungen und Barrieren. Die Auswertung der Expertenbeiträge beider Befragungsrunden (vgl. Bild 2 und Bild 3) zeigen eine Matrix aus Dringlichkeit und Relevanz zur Gestaltung eines innovativen und somit nachhaltigen Mobilitätssystems in urbanen Anwendungsfeldern. Modernen Technologien wie dem Elektroantrieb oder der Brennstoffzelle stehen die meisten Experten offen gegenüber. Dem innovativen Mobilitätssystem Lufttaxi wird dagegen überwiegend Skepsis entgegengebracht. Im Wesentlichen können folgende allgemeine Erkenntnisse aus der Expertenbefragung gezogen werden, die als Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft verstanden werden können: • Technologischer Fortschritt ist ein wesentlicher Baustein zur erfolgreichen Umsetzung zukünftiger Mobilitätskonzepte und somit zur Erreichung gesetzter Ziele. • Dem Konzept eines Lufttransportes in urbanen Einsatzgebieten, beispielsweise in Form von Lufttaxis, wird als weniger erfolgsversprechend erachtet. Gleichzeitig werden Sicherheitsbedenken erkenntlich. • Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen alle genannten Voraussetzungen weiter beachtet und erforscht werden. • Die für die Konzeptumsetzung erforderliche technische Entwicklung scheint auf einem guten Weg zu sein, muss jedoch kontinuierlich vorangetrieben werden. (Politische) Entscheidungsträger sollten ihren Fokus mehr auf gesellschaftliche Barrieren legen, wie z. B. Preisgestaltung, rechtliche Bevorzugung von erneuerbaren Alternativen gegenüber fossilen Energieträgern. ■ Die Autoren sind Teil des Forschungskollegs „ACCESS! “, gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. 1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Artikel die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. LITERATUR [1] Intergovernmental Panel on Climate Change (1992): Climate Change. The 1990 and 1992 IPCC Assessments. Canada, 1992 [2] Walther, G.: Forschungskolleg ACCESS! . www.accessnrw.rwth-aachen.de (Aufruf: Mai-2020) [3] Niederberger, M.; Renn, O. (2018): Das klassische Delphi-Verfahren: Konzept und Vorgehensweise, Wiesbaden: Springer VS [4] Döring, N.; Bortz, J. (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften- Berlin, Heidelberg: Springer Bild 3: Voraussetzungen für die Umsetzung von Szenario 2 Michael Husemann Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme, RWTH Aachen husemann@ilr.rwth-aachen.de Julia Streitz Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe, RWTH Aachen streitz@teer.rwth-aachen.de 1 Fflächendeckende Ladeinfrastruktur (allgemein) 2 flächendeckende Ladeinfrastruktur (Fokus Elektromobilität) 3 flächendeckende Ladeinfrastruktur (Fokus Wasserstoffmobilität) 4 ausreichende Versorgung mit erneuerbarer Energie (Strom, Wasserstoff) 5 große Speichermöglichkeiten für erneuerbare Energien 6 sichere Fahrzeugtechnologien (Serienreife von Brennstoffzellen) 7 sichere Fahrzeugtechnologien (autonome Verkehrssysteme) 8 energiereiche Biokraftstoffe für Flugverkehr 9 energiereiche Biokraftstoffe für Schiffsverkehr 10 Umrüstbarkeit vorhandener Schiffs- und Flugzeugflotten auf Biokraftstoffe 11 flächendeckender Ausbau von sicheren Kommunikationswegen mit ausreichend Bandbreite 12 politischer Wille, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen 13 Verbote/ Versteuerung fossiler Energien 14 politische Unabhängigkeit von Produzenten fossiler Energieträger 15 weltweite Regulierung 16 Subventionierung der Kraftstoffarten (Biokraftstoffe) analog zu heutiger Kerosinsubventionierung 17 Möglichkeiten zum Nachhaltigkeitsnachweis von Kraftstoffen/ Antrieben 18 preiswerte erneuerbare Energien 19 preiswerte „grüne“ Antriebe 20 vor allem Ausbau von Sonnen- und Windenergie, da diese ökonomisch am sinnvollsten sind