eJournals Internationales Verkehrswesen 73/3

Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
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Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 6 IM FOKUS Anflugmanagement von Großflughäfen: Mit Sicherheitskennzahlen Kapazitäten steigern I n den vergangenen 75 Jahren hat sich der Luftverkehr enorm verdichtet und pendelt aktuell um die drei Millionen kontrollierte Flüge pro Jahr allein über Deutschland und mehr als zehn Millionen Flüge über Europa. Die heutige Anflugsteuerung an (Groß-)Flughäfen unterliegt im operationellen Betrieb steten Schwankungen, bedingt durch Wetter und Verkehrszusammensetzung. Dabei werden derzeit nur betriebliche Leistungsindikatoren erfasst, abgesichert durch konservative - und damit kapazitätsrestriktive - Regeln zu Separationswerten zwischen den Luftfahrzeugen. Das System arbeitet dadurch zwar stets in einem sicheren, aber eben nicht gesamtoptimalen Betriebszustand. Prof. Hartmut Fricke und sein Team von der Professur für Technologie und Logistik des Luftverkehrs an der Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“ der TU Dresden wollen dies jedoch im Förderprojekt „Sicherheitsoptimierte Anflugsteuerung auf große Flughäfen“ erreichen. Die aktuelle kapazitätskritische Anflugsteuerung wird mittels an der Professur entwickelter Sicherheitsanalyseverfahren in einen Gesamtprozess als Online-Verfahren integriert. So soll eine taktische Ebene erreicht werden, auf der Sicherheitsanalysen ständig in die Leistungsbewertung einfließen - und diese erhöhte Sicherheit soll die Nutzung zusätzlicher Luftraum- und Pistenkapazitäten im Betrieb erlauben. Zudem soll auch erforscht werden, wie sich durch Einsatz eines solchen Verfahrens der Automatisierungsgrad in der Flugsicherung erhöhen lässt und wie diese zunehmende Automatisierung auf die Verkehrssicherheit wirkt. Das konzipierte Sicherheits-/ Leistungsanalysemodell soll mithilfe von Methoden des maschinellen Lernens und Verfahren der Systemmodellierung schließlich prognosefähig gemacht werden, um die erforderliche Voraussicht auf die kommende Verkehrslage zu ermöglichen. www.tu-dresden.de/ bu/ verkehr Foto: Lars Nissen / pixabay Elektro-Carsharing: Das Dorfauto zieht Kreise F ür eine nachhaltige Verkehrswende wird neben der Abkehr vom Verbrennungsmotor auch ein anderes Verhältnis zum Auto-Besitzen notwendig sein. In einigen Dörfern des Landkreises Rhein-Hunsrück wächst nun die Erkenntnis, dass der Alltag auch ohne den eigenen Zweitwagen ganz gut funktioniert: Teilen schont die Umwelt und entlastet zugleich die privaten Haushaltskassen. In dem auf drei Jahre angelegten Modellprojekt „E-Dorfauto“ sind seit Dezember 2019 acht Elektroautos reihum im Landkreis unterwegs, jedes dieser Fahrzeuge kann von den Bürgerinnen und Bürgern des jeweiligen Standort-Dorfes kostenfrei genutzt werden. Registrierung und Nutzungsvertrag sind Voraussetzung, dann wird ein kleiner Chip auf den Führerschein geklebt, mit dem sich das Auto öffnen lässt. Gebucht wird über eine eigene Software im Internet. Zur Projekt-Halbzeit haben sich mehr als 600 Interessierte als Nutzer registrieren lassen, um von dem Schnupper-Angebot Gebrauch zu machen. Durchschnittlich rund 35.000 Kilometer ist jedes Dorfauto in eineinhalb Jahren emissionsfrei gelaufen - weit mehr als das Doppelte dessen, was Car- Sharing-Betreiber üblicherweise erwarten. Nun hat der Rhein-Hunsrück-Kreis für Gemeinden, die in Eigenregie ein Dorfauto unterhalten wollen, einen monatlichen Zuschuss von 250 Euro ausgelobt. Eine Reihe von Folgeprojekten zeichnet sich schon ab, und auch außerhalb des Landkreises gibt es Nachahmer. Die Dörfer Staudt im Westerwald und Illerich in der Eifel haben je ein Elektro-Dorfauto angeschafft. Der benachbarte Landkreis Mayen-Koblenz hat das komplette Modell aus dem Hunsrück übernommen und stellt demnächst zehn Fahrzeuge für seine Gebietskörperschaften bereit. www. energieagentur.rlp.de Foto: Werner Dupuis Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 7 IM FOKUS Software für die Mobilität von morgen E-Mobilität Personaldisposition, Depot- und Lademanagement für E-Busse aus einer Hand www.moveo-software.com Internationales Verkehrswesen 2021-05-12 102 x139mm unten rechts PSI Moveo.indd 1 Internationales Verkehrswesen 2021-05-12 102 x139mm unten rechts PSI Moveo.indd 1 16.04.2021 16: 04: 13 16.04.2021 16: 04: 13 Adsorptionskältemaschine kühlt mit Abwärme des-Schiffmotors I m Rahmen des Forschungsprojekts Engimmonia wird das Münchener Unternehmen Fahrenheit für die Mittelmeerfähre „F/ B Elyros“ der griechischen Reederei Anek Lines eine optimierte Adsorptionskältemaschine entwickeln, welche die Abwärme des Schiffmotors für die Kühlung des Passagierbereichs nutzt. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) will die globalen Netto- Treibhausgas-Emissionen der Schifffahrt bis 2050 um mindestens 50 Prozent senken, bis 2030 bereits um mindestens 40 Prozent. Zum Ende des Jahrhunderts soll die internationale Schifffahrt vollständig dekarbonisiert sein. Am 1. Mai 2021 startete daher das auf vier Jahre angelegte EU-Forschungsprojekt Engimmonia, das die weltweite Einführung alternativer Kraftstoffe wie Ammoniak fördern und bereits an Land bewährte saubere Energietechnologien auf den maritimen Sektor übertragen soll. Die auf nachhaltige Energielösungen spezialisierte Fahrenheit GmbH wird in dem Projekt optimierte Kühllösungen mit Adsorptionskältemaschinen speziell für den Einsatz auf Schiffen entwickeln, unterstützt von Forschern des Instituts für fortgeschrittene Energietechnologie „Nicola Giordano“ ITAE (CNR). Eine Adsorptionskältemaschine kühlt Wasser ab, das anschließend dazu dient, Räume zu klimatisieren oder beispielsweise Maschinen, Server oder andere Prozesse zu kühlen. Die Besonderheit der Adsorptionskälte ist, dass sie Wärme, wie zum Beispiel Fernwärme oder Maschinenabwärme, anstatt Strom als Hauptantriebsenergie nutzt. Im ersten Schritt geht es darum, das beste Materialpaar aus Sorptions- und Kältemittel zu identifizieren. Auf dem Weg zum endgültigen Prototyp wird das ITAE verschiedene Konfigurationen von Adsorptionsmodulen und Wärmetauschern testen, die Fahrenheit anschließend optimiert. Der endgültige Prototyp geht anschließend auf der Fähre der griechischen Reederei Anek Lines, in Probebetrieb. Das Konsortium des Forschungsprojekts Engimmonia setzt sich aus 21 Partnern aus 9 Ländern zusammen. Darunter sind Unternehmen aus der Schiff- Industrie sowie Universitäten und Forschungsinstitute. Engimmonia hat Fördermittel aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union erhalten. www.fahrenheit.cool Bild: Anek Lines Strom laden mit Quittung - überall B isher konnte Autostrom an privaten und quasi-privaten Ladesäulen wie etwa im Einzelhandel, bei Dienstleistern oder bei Nachbarn nur kostenlos angeboten werden - der Abrechnungs- und Belegvorgang war einfach zu kompliziert. Unternehmen können zwar die abgegebene Energie als Werbungskosten steuerlich absetzen, doch so bezahlen unter dem Strich alle, was wenige nutzen. Das Energie-Start-Up Stromdao aus Baden-Württemberg will nun eine steuerrechtlich saubere Lösung für geteiltes Laden anbieten, die laut eigener Aussage von allen Instanzen der Finanzbehörden geprüft und freigegeben wurde. Der rechtskonforme Beleg zur Abrechnung weniger Kilowattstunden enthält sowohl die Pflichtvorgaben für Finanz- und Wirtschaftsministerium als auch alle notwendigen Angaben, die den Ladekunden die Zusammensetzung des Ladestrompreises transparent machen. Die Quittung fürs Autostrom tanken ist in Verbindung mit dem Corrently Autostromtarif für privaten und geschäftlichen Einsatz verfügbar und soll entspanntes, sauberes „Umherstromern“ mit dezentralem, regionalem Ökostrom ermöglichen. www.stromdao.de Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 8 IM FOKUS EnaBle-Projekt: Wasserstoff-elektrische Antriebe für-die-Luftfahrt A uch der Luftverkehr muss in Zukunft sauberer werden. Besonders vielversprechend für umweltfreundliche Flugantriebe sind Hybridsysteme, die Brennstoffzellen und Batterien vereinen. Um den Weg bis zur industriellen Herstellung und gewerblichen Verwertung dieser Technologie zu beschleunigen, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den Forschungsverbund EnaBle. Dabei geht es um die Weiterentwicklung und Optimierung eines hoch innovativen Hybridantriebssystems für den Flugverkehr, das Brennstoffzellen und Batteriesysteme vereint. Herzstück ist ein elektrisches 250 kW Antriebsstrangmodul mit Druckluft-gespeisten Brennstoffzellen. Beteiligt an dem Konsortium sind die Firmen Diehl Aerospace und MTU Aero Engines, zwei führende Industrieunternehmen aus dem Luftfahrtbereich, sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die DLR-Ausgründung H2Fly und die Universität Ulm. An der Uni Ulm soll unter anderem das Luftversorgungsmodul für die Brennstoffzellen entwickelt werden. Druck-Aufladung macht Brennstoffzellen effizienter und ermöglicht höhere Leistungen. Dies ist besonders wichtig in Flugzeugen, die in großer Höhe und damit im Unterdruckbereich unterwegs sind. In der Ulmer Verantwortung liegt auch die Entwicklung und Optimierung des Leistungsmanagement-Systems, das präzise, schnell und ausfallsicher dafür sorgt, dass die Batterie bei hohem Leistungsbedarf zusätzliche Energie für den Antrieb zur Verfügung stellt und während des Fluges wieder geladen werden kann. Alleinstellungsmerkmal am Brennstoffzellen-Forschungsstandort Ulm ist ein Teststand, der in eine klimatisierte Unterdruckkammer integriert ist. So können ganze Antriebsstrangsysteme unter realistischen, flugrelevanten Bedingungen charakterisiert und getestet werden. Das Institut für Technische Thermodynamik am DLR kümmert sich speziell um die Entwicklung des Brennstoffzellen- und Batteriesystems. Triebwerkhersteller MTU Aero Engines arbeitet an der Gesamtintegration des Entwicklungskonzepts für Flugzeuge aus der Klasse der 19bis 80-Sitzer. Die DLR-Ausgründung H2Fly widmet sich im Rahmen von EnaBle insbesondere der Klärung sicherheitstechnischer Anforderungen und Fragen der Zulassung. Und Diehl Aerospace stellt eine sogenannte Integrierte Modulare Avionik (IMA) zur Verfügung, eine modulare rechnergestützte Elektronikeinheit aus standardisierten Komponenten und Schnittstellen, die im Flugzeug dafür sorgt, dass die verschiedenen Systeme miteinander kommunizieren können. www.uni-ulm.de Neuer Tunnel für die Hermann-Hesse-Bahn M it dem Tunnelanstich für den 498 Meter langen Neubautunnel Ostelsheim startet die größte Einzelmaßnahme im Rahmen des Projektes Hermann-Hesse-Bahn und Kernstück der reaktivierten Strecke westlich der baden-württembergischen Landeshauptadt Stuttgart. Die Hermann-Hesse- Bahn verbindet künftig Calw (Nagoldtalbahn) mit Renningen und bietet dort Umsteigemöglichkeiten in die S-Bahn S6 nach Stuttgart sowie die S60 nach Sindelfingen mit dem Daimler-Werk und weiter nach Böblingen. Das Reaktivierungprojekt soll die ÖPNV-Anbindung aus dem Nordschwarzwald in den hoch industrialisierten Ballungsraum Stuttgart deutlich verbessern und den klimafreundlichen Umstieg vom eigenen Auto auf die Bahn attraktiver machen. Auf der Hermann-Hesse-Bahn werden lokal emissionsfreie Züge mit kombiniertem Oberleitungs-/ Akku-Betrieb vom Typ Siemens Mireo Plus B eingesetzt. Auf dem Abschnitt Renningen - Weil der Stadt werden die Züge über die vorhandene Oberleitung aufgeladen, um dann auf dem Abschnitt Weil der Stadt - Calw im Akkubetrieb zu fahren. Dazu Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): „Das Projekt Hermann-Hesse-Bahn mit dem tatkräftigen Engagement aus der Region kann etlichen anderen Vorhaben in Baden-Württemberg zur Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken als Vorbild und Ansporn dienen. Durch die Wiederinbetriebnahme der ehemaligen Württembergischen Schwarzwaldbahn entsteht ein attraktives Angebot klimafreundlicher Mobilität, das wir von Landesebene aus voller Überzeugung unterstützen und fördern.“ Die Klimaziele seien nur durch eine Verkehrswende zu erreichen. „Die Reaktivierung von Bahnstrecken ist dazu ein wichtiger Baustein.“ www.hermann-hesse-bahn.de       Neubau Haltepunkt Calw ZOB Barrierefreier Haltepunkt oberhalb des bestehenden Haltepunktes an der Nagoldtalbahn. Mit Aufzug, Treppenturm und Fußgängersteig Zugang zur Stadtmitte sowie in Richtung Kreiskrankenhaus.  Neuer Haltepunkt Calw-Heumaden Verlegung in Richtung des Ortsteils Heumaden geplant, um eine bessere Erreichbarkeit zu gewährleisten.  Neubau einer Eisenbahnüberführung in Calw-Heumaden Durch die Verlegung der B295 (2004) wurde der Bahndamm der „Württembergischen Schwarzwaldbahn“ abgetragen. Schließung der Lücke mit einer ca. 40 m langen und 7 m breiten Eisenbahnbrücke.  Ersatz für Bahnhof Althengstett Neuer Haltepunkt an der Eugen-Zeyher- Straße. Dadurch Verkürzung der Wege zum Ortskern, Schulzentrum und Rathaus.  Zweigleisiger Ausbau zwischen Ostelsheim und dem Hacksberg Zweigleisiger, 1,8 km langer Ausbau der Strecke. Züge der Hermann-Hesse-Bahn können sich somit auf der sonst eingleisigen Strecke im 30 Minuten-Takt begegnen.  Tunnel-Neubau am Hacksberg Abkürzung der Hacksbergschleife mit einer 820 m langen Neubaustrecke (davon 410 m als Tunnel). Das spart vier Minuten Fahrzeit und mehr als 2 km Wegstrecke pro Richtung. Die Erschließung des Bahnhofs Schafhausen und der Bau eines Haltepunktes in Dätzingen sind wegen deren Lage abseits der Ortskerne wenig sinnvoll.  Neubau einer Eisenbahnüberführung in Weil der Stadt Neubau einer Eisenbahnbrücke über die B295. Damit wird die Lücke, die durch den Abbau des Bahndamms beim Bau der Umgehungsstraße entstanden ist, geschlossen.  Neubau eines Bahnsteiges am Bahnhof Renningen Anschluss zur S6 Richtung Stuttgart und S60 Richtung Sindelfingen/ Böblingen. Geplante Infrastrukturmaßnahmen Das Zukunftsprojekt im Landkreis Calw  Grafik: Hermann-Hesse-Bahn Foto: Uni Ulm