Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2021-0048
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Keolis startet in den Verkehr der Zukunft
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Jost Geweke
Der französische Busbetreiber Keolis SA setzt voll und ganz auf E-Mobilität. Auf der Strecke von Vélizy nach Versailles kommen bereits 50 Elektrobusse zum Einsatz. Den Kern bildet die Depot- und Lademanagementsoftware PSIebus.
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Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 24 INFRASTRUKTUR Elektromobilität Keolis startet in den Verkehr der Zukunft Wegen Corona-Lockdown PSIebus-Einführung remote Elektrifizierung, E-Bus, Ladestrategie, ÖPNV Der französische Busbetreiber Keolis SA setzt voll und ganz auf E-Mobilität. Auf der Strecke von Vélizy nach Versailles kommen bereits 50 Elektrobusse zum Einsatz. Den Kern bildet die Depot- und Lademanagementsoftware PSIebus. Jost Geweke D ie französischen Ambitionen in der Region um Paris sind anspruchsvoll: Bis 2025 sollen 5.000 elektrobetriebene Großbusse den öffentlichen Verkehr der Hauptstadt und den sieben angrenzenden Départements prägen. Ziel ist es, den Schadstoffausstoß auf Null zu bringen und die Lärmpegel spürbar abzusenken. Ein Projekt dieser Dimension bedarf europaweiter Ausschreibungen. Île-de-France Mobilité als federführende Verkehrsbehörde entschied sich schließlich für drei Unternehmen, um das Busdepot in Vélizy elektrofit zu machen. Aus Frankreich sind das Unternehmen Spie batignolles énergie sowohl für die Trafos als auch für die baulichen Umgestaltungen und der Produzent IES Synergy für die 50 Ladestationen zuständig. Für die Überwachung und Steuerung der Fahrzeuge machte die PSI Transcom GmbH mit dem Depot- und Lademanagementsystem PSIebus das Rennen. Die Berliner Software vereint das Depotmanagement (PSIeDMS) mit der Ladeoptimierung bzw. -disponierung (PSIsmartcharging). Auf dieser Grundlage setzt Keolis SA inzwischen 50 E-Busse ein. Lediglich 36 verbleiben bisher noch dieselbetrieben. Unfreiwillig, aber mit Gewinn über alle Grenzen hinweg Bis zur Einführung war es ein steiniger Weg, wie sich der bei Keolis zuständige Projektbeauftragte besinnt: „Zunächst machten uns die Generalstreiks in Frankreich Ende 2019/ Anfang 2020 das Leben schwer“. Und dann unterbrach Covid 19 im März 2020 das gesamte Vorhaben. Die Umbauarbeiten auf dem Depot Vélizy lagen still. Zudem kam es zu zeitlichen Engpässen bezüglich der Fertigung und Auslieferung der Elektrofahrzeuge und Ladestationen. Auf der Softwareseite stellte sich darüber hinaus das Problem, dass europaweit Geschäftsreisen auf längere Sicht stark limitiert oder ausgeschlossen waren. In der Folge konnten die Fachleute von PSI Transcom die Implementierung des Depot- und Lademanagementsystems nicht vor Ort durchführen. So entschlossen sich die Verantwortlichen bei Keolis, den Prozess komplett auf remote zu stellen. „Hier haben sich alle Beteiligten nach und nach immer besser zurechtgefunden. Aus meiner Sicht ist das für zahlreiche Projektschritte auch unabhängig von der Pandemie ein Zukunftsmodell - gerade, wenn verschiedene europäische oder internationale Lieferanten involviert sind,“ resümiert der Projektleiter. Exakte und flexible Steuerung durch digitale Plattform In Frankreich gibt es einige nationale Besonderheiten im Bustransport. Ein Beispiel ist, dass sämtliche Routenpläne in Papierform in den Bussen einsehbar sein müssen. Aus diesem Grund werden Busse fix für bestimmte Strecken disponiert. Dies geschieht bei Keolis jeweils am Tag zuvor über das Planungssystem OKAPI. PSIebus erhält diese Daten gemeinsam mit den Fahrplaninformationen der HASTUS-Software automatisch und kombiniert diese dann, um das optimale Ladevolumen der Busse zu erfassen. Gleichzeitig gehen die aktuellen Wetter- und Witterungsfaktoren in die Rechnung mit ein, da auch sie die Energie- und Ladelevel beeinflussen. Das Depot Vélizy verfügt über insgesamt 50 Ladestationen. Davon 32 mit 50 kW und 18 mit 100 kW Ladeleistung. Ein Ortungssystem identifiziert die ankommenden Fahrzeuge. Dieselbusse werden an ihre festen Stationen geleitet. Bei den Elektrobussen entscheidet einerseits der Ladestand (State-of-Charge, SoC) und andererseits der kommende Umlauf die Zuweisung zu einer Ladesäule. PSIebus koordiniert hier vielfältige Daten. Basis ist eine Prognose über den Ladezustand eines Busses, da dieser über die Reichweite entscheidet. Mit der Verkabelung an eine Ladestation erhält die Software dann die exakten Daten und errechnet den Energiebedarf. Gleichzeitig ist der Status einer Batterie zu berücksichtigen. Dafür gibt es ein Managementsystem, welches in Kontakt mit einer Ladestation den Prozess fallgenau steuert. Ein Beispiel: Batterien können stark erhitzen. Der Ladeprozess zielt dann auf Abkühlung durch weniger Kilowatt. Diesen gesamten Vorgang beobachtet das System. Je nach Verlauf erfolgt eine Veränderung in der Planung der Umläufe. Zudem ist ein Frühwarnsystem installiert. Ist es nicht möglich, ein Fahrzeug gemäß den Vorgaben rechtzeitig zu laden, schlägt das System zeitlich versetzt Alarm. Erst eine Stunde vor der avisierten Ausfahrt und dann noch einmal zehn Minuten davor. Der Bus kann dann durch den Disponenten durch einen anderen ausgetauscht werden. Module haben das System fest im-Blick Das integrierte Lademanagementsystem PSIsmartcharging überwacht fortlaufend die elektrische Ladeinfrastruktur auf dem Betriebshof und steuert die Ladevorgänge unter Berücksichtigung der Grenzwerte der elektrischen Betriebsmittel sowie der betrieblichen Anforderungen. Diese übermittelt das Modul PSIeDMS in Form von Prioritätenlisten. Die Stärke von PSIebus liegt in der Kombination von Informationen sowohl aus Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 25 Elektromobilität INFRASTRUKTUR dem Bereich der Energieversorgung als auch über die Anforderungen des ÖPNV. Zudem ist es - vorsorglich gedacht - konform zu allen KRITIS-Infrastrukturen. In der Praxis bedeutet das ganz konkret: PSIsmartcharging erfasst digital alle ausschlaggebenden Daten. Also etwa, in welcher Stellung sind bestimmte Schalter, oder die Messwerte der Energieversorgung an betrieblich erforderlichen Stellen. So ist das Lastmanagement in der Lage frühzeitig einzugreifen, wenn zum Beispiel die Energieversorgung durch einen Transformator oder den Zustand einer Leitung nicht mehr gewährleistet ist. In diesem Fall greift es je nach Priorisierung direkt in den Ladeprozess ein, indem es etwa einen Vorgang herunterfährt, oder einen in der Nähe befindlichen aussetzt, um wieder mehr Energie zu gewinnen. Das hat auch Auswirkungen auf die gesamte Betriebsinfrastruktur. Die bisherige Netzleistung des Depots erhielt eine Aufstockung. 3.000 kVA stehen nun bereit, die gesamte elektrische Flotte mit Energie zu beliefern. Darüber hinaus versorgt ein ringförmiges Mittelspannungsnetz zusätzlich zu dem gesamten Verwaltungstrakt drei frisch eingerichtete Stationen mit je zwei 1.600-kVA-Transformatoren (Bild 1), die wiederum für die Energie der 50 Ladesäulen Verantwortung übernehmen. Hohe Usability für die Mitarbeiter Die Software überwacht zudem die gesamte Versorgungseinheit. Sobald die Ladesäulen angeschlossen sind, bekommen die Mitarbeiter durch das Modul über Default-Profile das Level jeder Station optisch aufgearbeitet dargestellt. Automatisch gelangen die Informationen dann an das Managementsystem für das Depot (Bild 2). Fehler oder Störungen bei der Kommunikation erkennt das System unmittelbar und zeigt sie an. Disponenten sind in der Lage, zeitnah und angemessen zu agieren. Zum Beispiel: Sinkt ein Wert einer Ladesäule unter eine definierte Schwelle, geben alle Einheiten des Ladesystems Energie frei, um dies auszugleichen. Die Sicherheit der Versorgung bleibt gewährleistet. E-Mobilität als Modell für Stadt und-Land Die Zukunft des ÖPNV in der Region um Paris liegt in der E-Mobilität. Schritt für Schritt rüsten die Betreiber hierfür ihre Fahrzeugflotten um. Im Depot Vélizy reduziert der Einsatz von 50 Elektrobussen schon heute schädliche Emissionen und vermeidet Fahrzeuglärm. Für die Disposition der Busse hat Keolis SA eine Datendrehscheibe mit ganzheitlichem Ansatz gewählt. Die Depot- und Lademanagementplattform PSIebus garantiert den verlässlichen und störungsfreien Betrieb der elektrischen Flotte - mit einem durchgängigen Lösungskonzept und einer hohen Usability. ■ Jost Geweke Business Development Manager, PSI Transcom GmbH, Berlin jgeweke@psi.de Bild 2: Betriebsbild Depot Vélizy Bild 1: Elektrische Versorgung im Depot Vélizy
