Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2021-0049
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Wasserstoffbedarfsprognose für die Region Frankfurt
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Kristian Junger
Janina Erb
Roman Flatau
Thorsten Sickenberger
Anwendungsfelder im Bereich Transportlogistik, ÖPNV und Binnenschifffahrt sowie energieintensiver Spezialanwendungen bieten Potential für den Einsatz wasserstoffbetriebener Nutzfahrzeuge. Für den
Aufbau der benötigten Infrastruktur ist eine standortbezogene Bedarfsabschätzung erforderlich. Das vom Bund geförderte Projekt MH2Regio der Stadt Frankfurt am Main liefert diese als erstes Zwischenergebnis für die Region Frankfurt. Auf dieser Basis können besonders geeignete Standorte für erste Wasserstofftankstellen im Rhein-Main-Gebiet ermittelt werden.
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Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 26 Wasserstoffbedarfsprognose für die Region Frankfurt Potentiale im Bereich Transportlogistik, ÖPNV und Binnenschifffahrt sowie für Spezialfahrzeuge Wasserstoff, Transportlogistik, ÖPNV, Binnenschifffahrt, Alternative Kraftstoffe, Standortanalyse für Infrastruktur Anwendungsfelder im Bereich Transportlogistik, ÖPNV und Binnenschifffahrt sowie energieintensiver Spezialanwendungen bieten Potential für den Einsatz wasserstoffbetriebener Nutzfahrzeuge. Für den Aufbau der benötigten Infrastruktur ist eine standortbezogene Bedarfsabschätzung erforderlich. Das vom Bund geförderte Projekt MH2Regio der Stadt Frankfurt am Main liefert diese als erstes Zwischenergebnis für die Region Frankfurt. Auf dieser Basis können besonders geeignete Standorte für erste Wasserstofftankstellen im Rhein-Main-Gebiet ermittelt werden. Kristian Junker, Janina Erb, Roman Flatau, Thorsten Sickenberger D as Klimaschutzprogramm 2050 sowie der kürzlich auf EU-Ebene vereinbarte Green Deal 2030 sind nur zwei Beispiele für politische Rahmenbedingungen, die in den nächsten Jahren zu grundlegenden Änderungen in energieintensiven Sektoren führen werden. Davon sind auch die Akteure im Bereich Güter- und Personentransport betroffen, die sich ihrerseits ambitionierte Ziele für eine kurzfristige CO 2 -Emissionsreduktion gesetzt haben und langfristig Emissionsfreiheit anstreben. Dabei können Wasserstoff als Energieträger und entsprechende Technologien für Erzeugung, Transport und Verteilung eine entscheidende Rolle im Energiemix der Zukunft spielen. Aus biogenen oder regenerativen Quellen erzeugter sogenannter grüner Wasserstoff ist ein derzeit viel diskutierter Hoffnungsträger für die Dekarbonisierung zahlreicher Sektoren und soll als Energieträger zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende dienen. Durch den Einsatz von Wasserstoff in verschiedenen Wirtschaftsbereichen soll ein sektorenübergreifender Markthochlauf initiiert und somit Emissionen reduziert werden. Bereits heute bildet Wasserstoff in einigen Sektoren wie der Industrie und Mobilität eine Alternative zu bisherigen fossilen Energieträgern. Die Elemente einer Wasserstoffwirtschaft und die zentrale Rolle der Abnehmerseite Die Wasserstoffwirtschaft und der damit neu entstehende Markt sind geprägt von drei zentralen Wertschöpfungsstufen: Wasserstofferzeugung, -verteilung und -anwendung. Die größte Unsicherheit in dem neu entstehenden Markt für Wasserstoff ist auf der Anwenderseite zu erkennen, z. B. kurz- Foto: Projekt MH2Regio / Mainova AG INFRASTRUKTUR Wasserstoff Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 27 Wasserstoff INFRASTRUKTUR fristig Redundanz in der Verteilung, mittelfristig in der Restwertkalkulation von Fahrzeugen oder langfristig in der Versorgungssicherheit. Die Umstellung von etablierten Energieträgern auf neuartige ist aufgrund langer Investitionszyklen oftmals ein zeitlich gestreckter Prozess, der von externen Einflussfaktoren abhängt. Hierzu zählen insbesondere Förderprogramme für Investitionen, regulatorische Rahmenbedingungen oder auch die Wettbewerbsfähigkeit. Hinzukommen technologiebedingte Unsicherheiten mangels Erfahrung, Marktdurchdringung und langfristige Betriebssicherheit. Um einen erfolgreichen Markthochlauf zu fördern, ist es daher entscheidend, an welchen Standorten Infrastrukturelemente entstehen. Die Anforderungen an diese sind vielfältig und orientieren sich an den Bedürfnissen des Zielmarkts. Um die Anlaufphase bestmöglich zu unterstützen, muss der zunächst geringe Bedarf bedient werden, und mit steigendem Hochlauf des Wasserstoffs müssen die Standorte expansionsfähig sein. Die Anwenderseite, also die Wasserstoffverbraucher, bildet hierbei den zentralen Ausgangspunkt für die Standortanalyse: Die ersten Infrastrukturelemente müssen so positioniert werden, dass möglichst viele entstehende Wasserstoffpotentiale bedient werden können. Das Projekt MH2Regio - Wasserstoffkonzept für die Stadt Frankfurt am Main Im Projekt „MH2Regio“ werden Partner aus Logistik, öffentlichen Personennah- und -fernverkehr, Luft- und Binnenschifffahrt sowie städtischen Versorgungsunternehmen hinsichtlich einer gemeinsamen Nutzung von Wasserstoff als Energieträger für alternative Antriebskonzepte identifiziert und bezüglich ihrer spezifischen Anforderungen vernetzt. Ziel ist die Entwicklung eines Konzepts zur gemeinschaftlichen Nutzung einer regionalen Wasserstoffversorgungsinfrastruktur, welche alle Bestandteile der Wasserstoff-Wertschöpfungskette in der Region Frankfurt/ Rhein-Main abbildet und sowohl technisch als auch ökonomisch bewertet. Das zu erstellende Gesamtsystem soll durch gemeinsam genutzte Infrastrukturelemente kosteneffizienter und leistungsfähiger als individuell erstellte Einzellösungen werden. Gleichzeitig kann es den zukünftigen Wasserstoffverbrauchern durch eine partnerschaftliche Nutzung Investitionssicherheit bieten. Das Projekt „MH2Regio“ wird im Rahmen des vom BMVI ausgelobten HyLand- Förderprogramms im Modul HyExperts (https: / / www.now-gmbh.de/ sektoren-themen/ sektorenkopplung/ ) gefördert. Zielsetzung und Rahmenbedingungen für die Wasserstoffpotentialanalyse In der ersten Projektphase wird zur Unterstützung der Konzeptionierung der Tankinfrastruktur eine Umfeldanalyse für den Energieträger Wasserstoff in der Region Frankfurt/ Rhein-Main durchgeführt. Die Umfeldanalyse setzt sich aus zwei Schritten zusammen: In der ersten Phase werden potentielle Wasserstoffverbraucher im Bereich der ansässigen Unternehmen aus Logistik, öffentlichem Personennah- und -fernverkehr und Binnenschifffahrt identifiziert und deren Bedarf vor Ort abgeschätzt. In einer zweiten Phase wird ergänzend das Schwerlastverkehrsaufkommen auf den Hauptverkehrsachsen im Rhein-Main-Gebiet analysiert. Die Ergebnisse werden abschließend in einer gemeinsamen Karte zur Standortsuche für Infrastrukturelemente - wie Tankstellen und Distributionsstützpunkte - visualisiert. Die Bedarfsanalyse der lokal ansässigen Unternehmen ist auf die Region Frankfurt/ Rhein-Main, d. h. die räumliche Fläche zwischen Wiesbaden, Rüsselsheim, Darmstadt, Hanau und Bad Homburg, begrenzt. In der ergänzenden Analyse des Schwerlastverkehrsaufkommens werden insbesondere die Hauptverkehrsachsen der Autobahnen A3, A5 und A661, der Bereich des Flughafens sowie die Zubringerstraßen zum umschlossenen Stadtgebiet Frankfurts berücksichtigt. In der Periode von 2025 bis 2040 werden vier äquidistante Stützjahre betrachtet, und der Wasserstoffbedarf pro Jahr in Kilogramm bzw. Tonnen wird jeweils ermittelt. Die Unsicherheit in der Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie und somit auch von Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeuge bedingt die Betrachtung verschiedener Hochlaufszenarien - es werden ein konservatives sowie ein optimistisches betrachtet. Modellierung des Wasserstoffbedarfs und betrachtete Hochlaufszenarien Zur Quantifizierung des Wasserstoffbedarfs sowie des Schwerlastverkehrsaufkommens in der Region Frankfurt/ Rhein-Main werden datenbasierte Ansätze verwendet. In der Wasserstoffbedarfsanalyse werden die folgenden Mobilitäts- und Transportbereiche berücksichtigt: ÖPNV, Fernbusverkehr, Logistik, Binnenschifffahrt und Spezialanwendungen. Im ÖPNV wird der lokale Bestand an Busdepots betrachtet und aufgrund des abweichenden Kraftstoffverbrauchs nach Solo- und Gelenkbus unterschieden. Für den Fernbusverkehr wird der Bedarf von Reisebussen am städtischen Busbahnhof ZOB abgeschätzt. Im Bereich der Logistik wird aufgrund des unterschiedlichen Einsatzgebietes der Flotten und der damit einhergehenden Betankungsstruktur zwischen Auslieferzentren auf der einen Seite und Verteilzentren bzw. Standorten mit Warenein- und -ausgang auf der anderen Seite unterschieden. Hier werden Lieferfahrzeuge, LKWs und Zugmaschinen berücksichtigt. In der Binnenschifffahrt werden Güter- und Fahrgastschiffe unterschieden und deren Bedarf an Güterbinnenhäfen bzw. Anlagestellen für Personenbinnenschifffahrt ermittelt. Im Bereich der Spezialanwendungen werden zudem Abfallsammel- und Betonmischfahrzeuge sowie Frachtschlepper betrachtet. Ermittlung des standortbezogenen Wasserstoffbedarfs Zur Schaffung einer Datengrundlage werden zunächst relevante Parameter zu Flottengröße und -betrieb bei den projektassoziierten Partnerunternehmen abgefragt. Der fahrzeugspezifische Wasserstoffstoffverbrauch wird durch eine Auswertung von Studien und Herstellerangaben ermittelt. Die Annahmen zu Fahrleistung und Betankungsmuster pro Standort basieren vorrangig auf den detaillierten Angaben der Partnerunternehmen und werden durch eine umfangreiche Literatur- und Studienrecherche ergänzt. Zur standortgenauen Quantifizierung des Wasserstoffbedarfs wird dann die folgende Berechnungslogik verwendet: Pro Standort wird die Flottengröße differenziert nach Fahrzeugtypen ermittelt. Diese wird mit dem fahrzeugspezifischen Wasserstoffverbrauch, der jährlichen Laufleistung sowie dem fahrzeugspezifischen Flottenanteil von Brennstoffzellenfahrzeugen unter den Szenarien multipliziert. Die Aggregation über die Fahrzeugtypen und Skalierung mit einem anwendungsspezifischen Betankungsfaktor liefert dann den lokalen Jahreswasserstoffbedarf. Der Betankungsfaktor beschreibt dabei den Anteil des Kraftstoffs, der im Rhein-Main-Gebiet getankt wird. Nicht weiter berücksichtigt werden Veränderungen in den Geschäftsmodellen, steigende Personenmobilität, verstärktes Frachtaufkommen oder auch Effizienzsteigerungen im Brennstoffzellenantrieb. Analyse des Schwerlastverkehrsaufkommens auf den Hauptverkehrsachsen Auf Basis von Daten zum Verkehrsaufkommen wird die durchschnittliche Verkehrsstärke pro Streckenabschnitt und Fahrzeugtyp - darunter Lieferfahrzeug, LKW, Zug- Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 28 INFRASTRUKTUR Wasserstoff maschine und Bus - bestimmt. Ähnlich zur Berechnungslogik für die standortgenaue Wasserstoffnachfrage wird für jeden Streckenabschnitt der Bedarf ermittelt, wobei im letzten Schritt anhand von anwendungsspezifischen Betankungsfaktoren der durch den Schwerlastverkehr entstehende Bedarf für die Region Frankfurt/ Rhein-Main abgeleitet wird. Annahmen zur Herleitung fahrzeugspezifischer Hochlaufszenarien bis 2040 Die Szenarien für den Hochlauf des Kraftstoffs Wasserstoff werden auf Basis der projektassoziierten Partnerunternehmen und regulatorischer Vorgaben zu Flottenemissionswerten im ÖPNV als Anteil von Brennstoffzellenfahrzeugen an den Fahrzeugneuanschaffungen definiert. Treiber sind vor allem die Marktverfügbarkeit der Fahrzeuge, der Ausbau der Betankungsinfrastruktur sowie der Wettbewerb mit batteriebetriebenen Fahrzeugen. Differenziert nach Anwendungsbereich und Fahrzeugtyp werden die im Folgenden beschriebenen konsolidierten Annahmen zur Definition der Szenarien verwendet. Um das Investitionsverhalten des jeweiligen Unternehmens bzw. die Altersstruktur der Flotte zu berücksichtigen, geht in die anschließende Berechnung des Anteils von Brennstoffzellenfahrzeugen an der gesamten Flotte zudem die prognostizierte Anzahl an Neuanschaffungen in den folgenden Jahren ein. Im öffentlichen Personennahverkehr wird in der Vergabe von Buslinien ab 2023 bereits ein Anteil von 30 % an Zero-Emissions-Fahrzeugen vorgeschrieben. Aufgrund des Wettbewerbs mit Batterieantrieb und der derzeit geringeren Marktverfügbarkeit von Brennstoffzellenbussen werden diese kurzfristig nur einen geringen Anteil der Neuanschaffungen darstellen. Langfristig bleibt der Wettbewerb mit batteriebetriebenen Bussen bestehen, sodass der Wasserstoffantrieb bei maximal der Hälfte der Busse zum Einsatz kommen wird. Für Fernbusse hingegen wird nur vereinzelt auf kürzeren Strecken der Wettbewerb zu batteriebetriebenen Fahrzeugen angenommen, sodass der Wasserstoffantrieb langfristig die dominierende Antriebsform sein- kann. Kurzbis mittelfristig ist der Einsatz jedoch von der Entwicklung der zurzeit nicht vorhandenen Marktverfügbarkeit und der Wirtschaftlichkeit abhängig. Im Bereich der Transportlogistik können auf der durch LKW und Zugmaschinen bedienten Langstrecke aufgrund der benötigten Reichweite Brennstoffzellenfahrzeuge zur Erreichung der Emissionsfreiheit notwendig sein. Die im Lieferverkehr eingesetzten Lieferfahrzeuge haben hingegen sehr geringe tägliche Umläufe sowie hohe Standzeiten, sodass mittelbis langfristig der Batterieantrieb die wirtschaftlichere Alternative sein wird. In der Binnenschifffahrt kann der Wasserstoffantrieb langfristig für den emissionsfreien Betrieb notwendig sein, kurzfristig ist die Marktverfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Antriebsart jedoch nicht gegeben. Durch Förderprogramme kann es mittelfristig zur Umrüstung bzw. Austausch einzelner Diesel-Schiffe kommen. Im Bereich der Spezialfahrzeuge wird die Annahme getroffen, dass der Wasserstoffantrieb langfristig aufgrund hoher benötigter Leistungen durch die Zusatzanwendungen der Fahrzeuge dominiert, kurzfristig besteht aufgrund der begrenzten Absatzanzahl jedoch nur eine sehr geringe Marktverfügbarkeit. Ergebnisse der Umfeldanalyse für die Region Frankfurt/ Rhein-Main Die Ergebnisse der durchgeführten Analysen umfassen fahrzeugspezifische Hochlaufkurven bis 2040 sowie den standortgenauen absoluten Jahreswasserstoffbedarf für die ausgewählten Anwendungsbereiche. H 2 -Hochlaufkurve pro Fahrzeugtyp und Szenario (Flottenanteile) Für die betrachteten Fahrzeugtypen in den ausgewählten Anwendungsbereichen ergeben sich anhand der definierten Szenarien und der Berechnungslogik folgende Hochlaufkurven für Wasserstoff als Kraftstoff (Bild 1): •• Im ÖPNV besteht auch langfristig eine große Konkurrenz durch den Batterieantrieb. Der Hochlauf wird daher abgebremst und erreicht bis 2040 ein Niveau von ca. 25 % (konservativ) bis ca. 35 % (optimistisch). •• Fernbusse erreichen aufgrund ihrer geringen Lebensdauer und dem damit verbundenen schnellen Austausch einen zügigen Hochlauf: Ihr Anteil liegt 2040 bei 40 % bis 55 %. •• Der Anteil von wasserstoffbetriebenen LKW und Spezialfahrzeugen wächst überproportional. Ihr Anteil erreicht bis 2040 ca. 30 % bis 45 %. •• Für Lieferfahrzeuge ist aufgrund des dominierenden Einsatzes von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen nur ein Anteil von bis zu 10 % (optimistisches Szenario) realistisch - im konservativen Szenario kommt es nicht zum Einsatz wasserstoffbetriebener Lieferfahrzeuge. •• Schiffe verzeichnen aufgrund ihrer hohen Lebensdauer und dem damit verbundenen langsamen Austausch der Flotte einen sehr langsamen Hochlauf und erreichen bis 2040 nur einen Anteil von bis zu 15 % (optimistisches Szenario). Für die Partnerunternehmen ergeben sich spezifische Hochlaufkurven, die die partnerspezifischen Angaben zu Flottenalter und zur durchschnittlichen Lebensdauer berücksichtigen. Wasserstoffbedarf in absoluten Zahlen Die Wasserstoffbedarfsanalyse für das Rhein-Main-Gebiet zeigt kurz- und mittelfristig einen ausgewogenen Bedarf in den Bereichen Mobilität, Logistik und Spezialanwendungen, welcher durch die im Vergleich geringere Nachfrage in der Binnenschifffahrt ergänzt wird. Der jährliche Wasserstoffbedarf erreicht 2025 einen Wert zwischen 500 t und 1.000 t (konservatives bzw. optimistisches Szenario). Langfristig dominiert der Wasserstoffbedarf im Bereich der Transportlogistik. Für das Jahr 2040 wird insgesamt ein Bedarf von 9.000 t bis Bild 1: Entwicklung des Flottenanteils der wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge im konservativen (links) und optimistischen (rechts) Szenario Quelle Darstellungen: Projekt MH2Regio Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 29 Wasserstoff INFRASTRUKTUR 13.000 t (konservatives bzw. optimistisches Szenario) berechnet (Bild 2). Konservatives Szenario Sogar unter der Annahme des konservativen Szenarios wird für das Jahr 2025 bereits ein nicht zu vernachlässigender Bedarf an Wasserstoff prognostiziert, welcher sich bis in das Jahr 2040 fast verzwanzigfacht. Dieser entsteht nach einem kurzfristig ähnlich großen Anteil von Mobilität und Transport und einem mittelfristigen Anstieg der Spezialanwendungen vor allem durch die im zukünftigen Verlauf dominierenden Anwendungen im Transport (Bild 3). Optimistisches Szenario Der im optimistischen Szenario ermittelte Bedarf an Wasserstoff im Jahr 2025 ist doppelt so hoch im Vergleich zum konservativen Szenario und steigt bis in das Jahr 2040 auf 13.000 t an (Bild 4). Auch in diesem Szenario machen die Anteile für Transportanwendungen in der Logistik bereits kurzfristig 50 % des Wasserstoffbedarfs aus und dominieren langfristig (Bild 5). Die weitere Detailanalyse des Schwerlastverkehrs zeigt, dass unter den Hauptverkehrsachsen im Rhein-Main-Gebiet vor allem die im Frankfurter Süden verlaufende Autobahn A3 auf der Ost-West-Achse sowie die A5 auf der Nord-Süd-Achse den größten Wasserstoffbedarf aufweisen (Bild-6). Die gemeinschaftliche Visualisierung des standortgenauen Wasserstoffbedarfs und der Hauptverkehrsachsen in einer Heatmap ermöglicht die Identifikation geeigneter Standorte für Wasserstofftankstellen in der Region Frankfurt/ Rhein-Main. Durch die Betrachtung über die Stützjahre 2025, 2030, 2035 und 2040 kann eine skalierbare und nachhaltige Infrastruktur konzeptioniert werden, die bereits in einer ersten Hochlaufphase eine gewisse Auslastung sicherstellt und auch langfristig bei steigendem Bedarf effizient und ausbaufähig ist (Bild 7). Zusammenfassung und Ausblick Die Ergebnisse der Umfeldanalyse zeigen, dass in der Region Frankfurt/ Rhein-Main bereits kurzfristig in den betrachteten Anwendungsfeldern Logistik, ÖPNV und Binnenschifffahrt sowie Spezialanwendungen im Transport ein Bedarf an Wasserstoff als Kraftstoff für Fahrzeuge entsteht. Dieser verspricht bis 2040 ein großes Wachstum und bietet somit Potential für eine regionale Wasserstoffinfrastruktur. In der zweiten Phase des Projekts MH2Regio dienen die Ergebnisse der Umfeldanalyse zur Standortkonzeption der Bild 2: Die Entwicklung des Wasserstoffbedarfs im Gebiet Frankfurt/ Rhein-Main aufgeteilt nach den jeweiligen Verbrauchssektoren in Mobilität und Transport im konservativen Szenario Bild 3: Entwicklung des Wasserstoffbedarfs nach Verbrauchssektoren im konservativen Szenario Bild 4: Der Wasserstoffbedarf im Gebiet Frankfurt/ Rhein-Main aufgeteilt nach den jeweiligen Verbrauchssektoren in Mobilität und Transport im optimistischen Szenario Bild 5: Entwicklung des Wasserstoffbedarfs nach Verbrauchssektoren im optimistischen Szenario Internationales Verkehrswesen (73) 3 | 2021 30 INFRASTRUKTUR Wasserstoff Infrastrukturelemente - darunter vor allem öffentliche Wasserstofftankstellen und Distributionsstützpunkte - des Gesamtsystems. Durch die Betrachtung verschiedener Szenarien bezüglich des Wasserstoffhochlaufs kann eine skalierbare und nachhaltige Wasserstoffinfrastruktur konzeptioniert werden. ■ REFERENZEN [1] BASt. (2018): Automatische Verkehrszählung 2018. Abgerufen am 8. Januar 2021 von www.bast.de/ BASt_2017/ DE/ Verkehrstechnik/ Fachthemen/ v2-verkehrszaehlung/ Aktuell/ zaehl_aktuell_node. html [2] Now GmbH (2019): Strombasierte Kraftstoffe für Brennstoffzellen in der Binnenschifffahrt, Studie i.A. des BMVI. Abgerufen am 4. Februar 2021 von www.lbst.de/ ressources/ docs2019/ LBST-DNVGL- IfS_2019_ShipFuel_Hintergrundbericht_NOW.pdf [3] Bund der deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB). (2020): Daten & Fakten 2019/ 2020. Abgerufen am 4. Februar 2021 von www.binnenschiff.de/ wp-content/ uploads/ 2020/ 11/ Daten-Fakten_2019-20_final.pdf [4] NOW GmbH (2018): Einführung von Wasserstoffbussen im ÖPNV. [5] WaterstofNet (6/ 2020): Global overview fuel cell powered electric trucks. Abgerufen am 4. Februar 2021 von www.fuelcelltrucks.eu Dr. Roman Flatau, Dr.-Ing. Senior Consultant im Bereich Energie, d-fine GmbH, Frankfurt Roman.Flatau@d-fine.de Dr. Thorsten Sickenberger, Dr. rer. nat. Senior Manager im Bereich Mobilität und Transport, d-fine GmbH, Frankfurt Thorsten.Sickenberger@d-fine.de Janina Erb Consultant im Bereich Mobilität und Transport, d-fine GmbH, Frankfurt Janina.Erb@d-fine.de Kristian Junker Projektleiter MH2Regio und Projektingenieur im Bereich Grundsatzplanung und Innovation Erzeugung, Mainova AG, Frankfurt Kristian.Junker@mainova.de Bild 7: Visualisierung des Wasserstoffbedarfs in der Heatmap von 2025 (l.o.) bis 2040 (r.u.) im konservativen Szenario Bild 6: Wasserstoffbedarf in der Region Frankfurt/ Rhein-Main im Jahr 2030 unter dem konservativen Szenario
