Internationales Verkehrswesen
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expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2021-0068
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Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 6 IM FOKUS Vorlaufbetrieb auf der NBS Wendlingen - Ulm beginnt I m Dezember 2022 wird mit der vorzeitigen Inbetriebnahme der Neubaustrecke Wendlingen - Ulm ein wichtiger Meilenstein für den Schienenverkehr in Baden- Württemberg erreicht. Drei Jahre vor der Fertigstellung des Projekts Stuttgart21 verkürzt sich im Fernverkehr die Fahrzeit um bis zu 15 Minuten, im Regionalverkehr wird zum ersten Mal ein Zug im neuen Regionalbahnhof in Merklingen halten. Im Regionalverkehr wird die Strecke Wendlingen - Merklingen - Ulm ab Dezember 2022 in einem sogenannten Vorlaufbetrieb bedient. Der Vertrag läuft bis Dezember 2027, ab Dezember 2025 besteht ein jährliches Kündigungsrecht seitens des Landes. Nach der erfolgten Auswertung der eingegangenen Angebote beabsichtigt das Ministerium für Verkehr, der DB Regio AG Region Baden-Württemberg den Zuschlag zu erteilen. Der unterlegene Bieter hat allerdings noch die Möglichkeit, einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer einzureichen. Bei den Zügen handelt es sich um ein komplett neues und zusätzliches Angebot. Die Interregio-Express-Züge werden im Stundentakt von Wendlingen nach Ulm verkehren und immer am neuen Regionalbahnhof in Merklingen halten. Aufgrund der hohen Streckenbelastung zwischen Wendlingen, Plochingen und Stuttgart können die Züge zwar nicht in die Landeshauptstadt durchgebunden werden. In Wendlingen sind allerdings gute Anschlüsse an die Neckar-Alb-Bahn nach Stuttgart sichergestellt. Die Reisezeit auf dem Korridor Ulm - Stuttgart verkürzt sich um vier bis sieben Minuten, für Reisende von Ulm in die Universitätsstadt Tübingen sogar wegen der günstigeren Umsteigemöglichkeit um 30 bis 40 Minuten. DB Regio wird die Verkehrsleistungen für den Übergangszeitraum des Vorlaufbetriebs mit lokbespannten Zügen und Reisezugwagen auf Fernverkehrsniveau erbringen. Die Fahrzeuge halten die hohen Anforderungen für den Betrieb auf der neuen Schnellfahrstrecke ein, sind also mit dem neuen Zugbeeinflussungssystem ETCS ausgerüstet, druckertüchtigt und für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/ h zugelassen. Mit der Inbetriebnahme des Projektes Stuttgart 21 werden dann schnelle Expressverkehre mit neuen Doppelstocktriebzügen des Landes stündlich von Stuttgart via Wendlingen und Ulm bis an den Bodensee durchgebunden. www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de Symbolbild: Erich Westendarp / pixabay Autos abonnieren statt kaufen D ie Sparkassen DirektVersicherung wendet sich jedes Jahr mit mehreren Umfragen an Verbraucherinnen und Verbraucher, um ein Stimmungsbild zu Mobilitätsthemen zu erheben. Aktuell wurde gefragt, wie Privatnutzer die neuartigen Auto- Abos einschätzen. Während die Auto-Branche selbst nach einer anderen aktuellen Umfrage anscheinend nicht glaubt, dass sich Auto-Abos hierzulande durchsetzen werden, scheint diese neue Möglichkeit, ein Fahrzeug zu nutzen, für die Menschen sehr spannend zu sein: 46 % der Teilnehmenden an der S-Direkt-Umfrage können sich gut vorstellen, künftig mit dem Erst- oder Zweitfahrzeug via Auto-Abo unterwegs zu sein. „Das Auto-Abo. Was denken Sie darüber? “ fragten die Versicherer auf ihrer Website. Nur 11 % der Teilnehmenden hatten vom Auto-Abo noch nichts gehört und brauchten weitere Informationen. Insgesamt zeigten sich 46 % der Befragten interessiert: 40 von 100 meinten „Das kann ich mir gut vorstellen“ und etwa 6 % fanden die Möglichkeit denkbar für ihr Zweitfahrzeug. Bei den verbleibenden beiden Optionen gaben 19 % der Befragten an, noch nicht überzeugt zu sein und die Entwicklung abwarten zu wollen. Nur knapp ein Viertel (23 %) war sich sicher, kein Auto-Abo zu brauchen. Ein Vorteil eines Auto-Abos ist der verhältnismäßig moderate Preis, da die üblichen Fixkosten der großen Autohäuser sowie Verkaufsprovisionen entfallen. In der monatlichen Rate sind im Rahmen eines Kilometer-Kontingents sämtliche Nebenkosten wie Versicherung, Steuern, Verschleiß und TÜV enthalten; nur Sprit oder Strom muss selbst bezahlt werden. Das macht die Kosten transparent. Der Abo-Anbieter bleibt Eigentümer des Fahrzeugs. Vorteilhaft ist außerdem, dass das Abo nach relativ kurzer Zeit wieder gekündigt werden kann. Die Mindestlaufzeit beginnt je nach Anbieter schon bei einem Monat. www.sparkassen-direkt.de Foto: Tumisu / pixabay Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 7 IM FOKUS Projekt „Initiative“ - Künstliche Intelligenz für das Fahrzeug der Zukunft D as vom BMWi geförderte Projekt „Initiative“ verfolgt das Ziel, eine KI-gestützte adaptive Kommunikation für die Integration automatisierter Fahrzeuge in gemischten Verkehrsszenarien zu erarbeiten. Dazu muss das automatisierte Fahrzeug entsprechende Kommunikationsschnittstellen für außenstehende Verkehrsteilnehmer (externe Mensch-Maschine-Schnittstellen) und für Insassen des Fahrzeuges (interne Mensch-Maschine-Schnittstellen) bereitstellen. Diese sollen im Projekt unter Berücksichtigung einer winkel- und tageszeitabhängigen Erkennbarkeit entwickelt und validiert werden. Darüber hinaus soll mittels kamerabasierter Verfahren die Intention der Kommunikationsteilnehmer im Straßenverkehr erfasst und bei der Kommunikation untereinander KI-basiert berücksichtigt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Botschaften der verschiedenen Systeme situativ angepasst übermittelt werden. Um Missverständnisse der Teilnehmer zu vermeiden, müssen die Nachrichten der externen und internen Interaktionsschnittstellen entsprechend synchronisiert werden. Die Funktion der Systeme und der Sensorik wird zudem projektübergreifend evaluiert. Für die Identifikation relevanter Teilnehmer einer Kommunikation wird auf Metadaten aus einer vernetzten Infrastruktur (externe Sensorik), die mittels C2X-Kommunikation übertragen werden, zurückgegriffen. Im Gesamtkontext eines gemischten Verkehrsszenarios eignen sich Methoden der KI dabei für die Synchronisation der Nachrichten, die Intentionserkennung der Kommunikationsteilnehmer und die Vorauswahl relevanter Verkehrsteilnehmer. Das Fraunhofer IOSB kümmert sich hierbei um die kamerabasierte Erfassung der Fahrzeuginsassen und schwächeren Verkehrsteilnehmer (z. B. Fußgänger) im direkten Umfeld des Fahrzeugs. Die Erfassung erfolgt mit Hilfe maschineller Lernverfahren, u. a. Deep Learning. www.iosb.fraunhofer.de Bild: Fraunhofer IOSB Wachsendes Frachtgeschäft am BER erwartet D er Flughafen Berlin Brandenburg ersetzt als zentraler Airport seine Vorgänger Tegel und Schönefeld auch als neues Luftfrachtzentrum der deutschen Hauptstadt. Laut Patrick Muller, Chief Operation Officer des BER, verlief das erste Fracht- Betriebsjahr seit Eröffnung am 31. Oktober 2020 trotz Corona-Krise zufriedenstellend. Gegenüber dem Jahr 2020 erwartet der Flughafen Berlin Brandenburg für 2021 bereits ein Wachstum von rund 20 %, erklärte Muller jetzt bei einer Veranstaltung des Aircargo Club Deutschland (ACD). Damit liege der BER bei der Fracht im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 nur noch 25 % zurück. Im vergangenen Jahr sei es gelungen, die Verladung von Fracht auf reine Cargo-Flugzeuge in Berlin um rund 50 % zu erhöhen. Die Tonnage der mit reinen Frachtern geflogenen Güter sei somit von wöchentlich 1.000 t auf 1.500 t angestiegen. Mehrere Express-Fracht-Airlines fliegen die Hauptstadtregion hierfür mittlerweile mit größeren Flugzeugen an: Mit dem kommenden Winterflugplan setzt beispielsweise Fedex Mittelstreckenfrachter vom Typ Boeing 757F zum BER ein. Zuvor waren es kleinere Schmalrumpf-Frachter vom Typ Boeing 737F. UPS fliegt währenddessen mit Großraumfrachtern des Typs Boeing 767F zur deutschen Hauptstadt. „Wir rechnen auch weiterhin mit einem Anstieg der reinen Frachtflugzeuge am BER. Beispielsweise zeigt der anstehende Produktionsbeginn der neuen Tesla-Fabrik in der nahen liegenden märkischen Heide, dass die Region als Produktionsstandort immer mehr an Bedeutung gewinnt. Besonders beim Transport von hoch technologisierten und eiligen Gütern ist ein naher Flughafen mit zuverlässigen Frachtkapazitäten essenziell“, erklärte Muller. Das Cargo Center des BER mit über 12.000 m 2 Umschlagsfläche wird von den Abfertigungsdienstleistern Wisag und Swissport genutzt. Auf der direkt östlich anschließenden Fläche kann ein weiteres Cargo Center mit jährlich bis zu 150.000 t Umschlagskapazität errichtet werden, erste Güter könnten hier bereits ab dem Jahr 2025 umgeschlagen werden. Höhere Tonnagen erwartet der Flughafen Berlin Brandenburg auch bei der Beiladefracht in Passagierflugzeugen. Besonders der zurückkommende Interkontinental- Verkehr, der vor der Corona-Krise mit zwei Dritteln den Hauptteil der Berliner Luftfracht ausmachte, wird hier als Treiber erwartet. Gleich mehrere neue Langstreckenverbindungen konnte die Betreibergesellschaft kürzlich vermelden: Im Oktober erweitert Scoot seine bestehenden Verbindungen mit Zwischenstopp in Athen um drei wöchentliche Nonstop-Flüge nach Singapur. Ab März 2022 verbinden United Airlines den BER mit New York-Newark und ab Mai 2022 mit Washington-Dulles. www.berlin-airport.de Foto: Flughafen Berlin Brandenburg / Günter Wicker Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 8 IM FOKUS Entwicklung und Zulassung einer automatischen GoA4-Abdrücklok D er Einzelwagenverkehr auf der Schiene ist geprägt vom Kuppeln und Entkuppeln einzelner Wagen oder Wagengruppen an Knotenpunkten, den Zugbildungsanlagen (ZBA). Mehrere Maßnahmen sollen in ihrem Zusammenwirken den Gütertransport auf der Schiene konkurrenzfähiger machen. Beispielsweise sollen in den ZBA von DB Cargo die Tätigkeiten der Abdrücklokomotiven vollständig automatisiert werden. Zu diesem Zweck müssen die bisher vorhandenen Abdrückbefehle aus dem Ablaufstellwerk auf benachbarte Prozessschritte ausgeweitet werden. Dazu gehören weitere einfache Tätigkeiten rund um das Rangieren - so etwa das Beidrücken, das Räumen stehengebliebener Wagen, das erneute Hochziehen von Falschläufern am Ablaufberg oder Rangierfahrten am Berg vorbei. Auch ist das Fahrzeug mit Sensor- und Sicherheitstechnik auszustatten, die eine zusätzliche Gefährdung für Menschen und Betriebsmittel verhindern muss. Das Unternehmen Railergy aus Augsburg soll im Auftrag der DB Cargo ein Grade of Automation-System (GoA4) als Nachrüstlösung entwickeln, damit die Voraussetzungen für eine Installation auf verschiedenen Lokbaureihen erfüllt und spätere Erweiterungen etwa in Terminals und Häfen möglich sind. Die wichtigsten Funktionen der Lokkomponente sind die Ermittlung der Position der Lok im Rangierbahnhof, die präzise Steuerung von Antrieb und Bremsen, die sichere Überwachung von Geschwindigkeit und Einsatzbereich sowie die sichere Erkennung von Hindernissen und Signalen. Für die Positionsbestimmung der Lok kommt ein innovatives System zum Einsatz, welches ohne streckenseitige Installationen wie Balisen auskommt. Durch einen ständigen Abgleich der Positionsänderungen des Fahrzeuges, die durch eine IMU ermittelt werden, mit der präzisen Infrastrukturkarte und bekannten „Landmarks“ (wie Signalen und Bauwerken) wird eine relativ grobe (ca. 3 m), aber sichere Positionsbestimmung erreicht. Ergänzt wird das System durch eine genaue Positionierung über GNSS (Genauigkeit ca. 0,5 m). Während die sichere Position der Zugsicherung dient, wird die genaue Position zur Feinsteuerung genutzt. Die Hindernis- und Signalerkennung arbeitet nach dem gleichen Konzept: Mit sicheren und zulassungsfähigen Mess- und Auswertungsverfahren (ohne Künstliche Intelligenz) lassen sich Objekte zuverlässig erkennen. Damit wird stets ein sicherer Betrieb gewährleistet. Zur Erhöhung der Produktivität wird parallel ein KI-basiertes System eingesetzt. Durch das kontinuierliche Überwachen der KI-basierten Funktionalität über die sichere Objekterkennung wird die Zulassungsfähigkeit erreicht - bislang stehen für solche Anwendungen keine anerkannten Zulassungsprozesse zur Verfügung. Die Erprobung erfolgt zunächst auf einer Bestandslokomotive der Baureihe 296. Die Zulassung für den GoA4-Betrieb ist voraussichtlich auf einer modernen Hybridlok umzusetzen. Bis Ende 2024 sollen die kommerzielle Betriebserprobung und die Zulassung in der ZBA München-Nord erreicht werden. www.railergy.com Baureihe 296 im ZBA München-Nord. Quelle: DB Cargo Logistik-Plattform für nachhaltige Lieferketten D as Start-up Waves mit Wurzeln in Luxemburg hat eine ganzheitliche Sustainability Management Platform (SMP) entwickelt, die es zukünftig ermöglichen soll, Fußabdrücke für Transporte, Produkte und Unternehmen, inklusive ihrer Standorte, zu berechnen und miteinander in Verbindung zu bringen. Es geht darum, Nachhaltigkeit sichtbar zu machen und größtmögliche Transparenz zu schaffen. Die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Treibhausgasreduktion und Circular Economy spielen in allen Branchen eine zunehmend wichtige Rolle und werden noch an Bedeutung gewinnen. Auch fordern Endverbraucher immer häufiger Transparenz und genaue Angaben zum CO 2 -Fußabdruck. Um nachhaltiger werden zu können, müssen Unternehmen aber zunächst ihre eigene CO 2 -Bilanz und weitere Werte, aus denen sich ein ökologischer Fußabdruck zusammensetzt, kennen. Genau hier setzt Waves mit seiner „Platform as a Service“- Lösung an. Weil im Verkehrssektor das CO 2 - Einsparpotenzial besonders hoch ist, hat Waves sein erstes Produkt speziell für die Speditions-, Transport- und Logistikbranche entwickelt. Im Mittelpunkt steht zunächst der „Carbon Footprint“ von Transporten, der bis auf die Sendungsebene ganz genau berechnet werden kann. Dabei werden die CO 2 -Emissionen der gesamten Lieferkette einbezogen. Statt mit generischen Daten soll die Sustainability Management Platform (SMP) mithilfe von Cloud-Technologie und Echtzeitdaten, die aus den jeweiligen Unternehmen in die SMP eingespielt werden können, verlässliche Informationen generieren und detaillierte Auswertungen vornehmen. Ist das IT-System des Unternehmens - in der Regel ist es ein Transportmanagement-System - über eine Schnittstelle mit der Plattform verbunden, ist ein automatisierter, komfortabler Datenupload möglich. Die Ergebnisse können sich Kunden anschließend im eigenen System anzeigen lassen oder auf dem von Waves entwickelten Dashboard zur Steuerung nutzbar machen. Die Berechnung und Auswertung von CO 2 -Emissionen bei Transporten soll aber nur der erste Schritt auf einer modular konzipierten Plattform sein. Geplant sind weitere Nachhaltigkeitsmanagement-Tools, die kundenorientiert hohe Datenqualität bei geringstem Aufwand sichern. www.waves.lu Foto: Waves
