eJournals Internationales Verkehrswesen 73/4

Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2021-0086
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2021
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Parksuchverkehr - ein über- oder unterschätztes Phänomen?

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2021
Tobias Hagen
Siavash Saki
Sabine Scheel-Kopeinig
Der Beitrag präsentiert methodische Ansätze und erste Ergebnisse des Forschungsprojekts start2park. Es wird erstmalig die Parksuchdauer individuell und exakt erhoben. Die Messung erfolgt dabei über die eigens entwickelte start2park-App, über die Wegund Zeitpunkte von Autofahrten, der Parkplatzsuche und des Fußweges vom Parkstand bis zum Zielort getrackt und weitere Einflussfaktoren ermittelt werden. Forschungsziele sind die Entwicklung eines Modells zur Erklärung der Parksuchdauer, um Einflussmöglichkeiten für die Verkehrsplanung zu identifizieren. Zudem wird ein Modell entwickelt, um Prognosen der Parksuchdauer in Navigations-Apps zu implementieren.
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Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 79 Wissenschaft TECHNOLOGIE Parksuchverkehr - ein über- oder unterschätztes Phänomen? Das Forschungsprojekt start2park analysiert den Parksuchverkehr und entwickelt Lösungsansätze Parksuchverkehr, Parksuchzeit, Parksuchwege, Parksuchdauer Der Beitrag präsentiert methodische Ansätze und erste Ergebnisse des Forschungsprojekts start2park. Es wird erstmalig die Parksuchdauer individuell und exakt erhoben. Die-Messung erfolgt dabei über die eigens entwickelte start2park-App, über die Weg- und Zeitpunkte von Autofahrten, der Parkplatzsuche und des Fußweges vom Parkstand bis zum Zielort getrackt und weitere Einflussfaktoren ermittelt werden. Forschungsziele sind die Entwicklung eines Modells zur Erklärung der Parksuchdauer, um Einflussmöglichkeiten für die Verkehrsplanung zu identifizieren. Zudem wird ein Modell entwickelt, um Prognosen der Parksuchdauer in Navigations-Apps zu implementieren. Tobias Hagen, Siavash Saki, Sabine Scheel-Kopeinig P arksuchverkehr ist der Verkehr, der sich daraus ergibt, dass Autofahrer*innen einen freien Parkstand im öffentlichen oder bewirtschafteten Straßenraum suchen, welcher ihren Erwar-tungen in Bezug auf Attribute wie die Nähe zum Zielort und Kosten (Gebühren) entspricht Shoup [1]. Selbst wenn jedoch die Attribute aller Parkstände identisch wären und die Parknachfrage exakt dem Angebot an Parkraum entsprechen würde, ergäbe sich Parksuche dadurch, dass Fahrer*innen nicht (vollständig) über die Orte freier Parkstände informiert sind (vgl. bspw. Arnott und Rowse [2]). Parksuchverkehr verursacht externe Kosten in Form von Emissionen und Staus (Inci et al. [3]) und verkehrliche Maßnahmen sollten daher so konzipiert werden, dass unnötiger Parksuchverkehr reduziert wird. Idealerweise ist die kommunale Parkraumbewirtschaftung so ausgestaltet, dass sich das Suchen nach preisgünstigeren Parkständen nicht lohnt (Sieg [4]). Arnott und Inci finden basierend auf einer Modellierung für ein Stadtzentrum, dass die Erhöhung der Parkgebühren für On-street-Parkstände eine effektive Methode sei, um Parksuchverkehr zu reduzieren [5]. Bei gegebenen, suboptimalen Parkgebühren sei die Erhöhung des On-street-Parkangebotes die zweitbeste Möglichkeit zur Reduktion. 1 Bislang gibt es in der empirischen Literatur kein einheitliches Konzept zur Messung der Parksuchzeit bzw. Parksuchdauer. Wie Rikus et al. (2015 b, S. 4 [6]) betonen, ist „…die wohl wichtigste Frage bei der Untersuchung des Parksuchverkehrs (…) die Frage danach, wann bei einer Fahrt die Suche nach einem Parkplatz konkret beginnt. Bereits ab Fahrtbeginn? Ab Einfahrt in das Zielgebiet? Ab Erreichen des ursprünglich festgelegten Zielorts? Oder ab Überschreitung der Ankunftszeit am Zielort um eine gewisse Zeit? “. In der bisherigen Forschung, welche nicht auf direkten Befragungen von Fahrer*innen basiert, wurde der Beginn der Parksuche willkürlich von den Forschenden festgelegt. Bspw. definieren Weinberger et al. [7] bzw. Montini et al. [8] einen Radius bei 400 bzw. 800 Metern um den letzten GPS-Punkt. Forschungsprojekt start2park Im vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geförderten Forschungsprojekt start2park wird erstmalig der Beginn der Parksuche direkt erhoben. 2 Die Messung der Parksuche erfolgt dabei über die start2park-App, welche für diesen Zweck entwickelt wurde. Über die start2park-App werden seit Ende August 2021 und über einen Zeitraum von einem Jahr europaweit die Koordinaten und Zeitpunkte von Autofahrten, insbesondere der Parkstandsuche und des Fußweges vom Parkstand bis zum Zielort getrackt. Erstmalig wird der exakte Weg- und Zeitstempel des Beginns der Parksuche erhoben, indem die Fahrer*innen diese explizit angeben. Es müssen also keine Annahmen über den Beginn der Parksuche getroffen werden, wie zum Beispiel das Festlegen eines Radius um den Zielort (vgl. Bild 1). Die über die start2park-App erhobenen Parksuchzeiten und -wege sowie Einflussfaktoren auf die Parksuchzeit werden mit bestehenden Floating Car Daten kombiniert und im weiteren Verlauf des Projektes dazu genutzt, Parksuchdauer nach urbanen Gebietstypen und Tageszeiten zu ermitteln. Schließlich wird ein Prognosemodell entwickelt, mit dem für geplante Fahrten Vorhersagen bzgl. der Parksuchdauer gemacht werden können. Diese können Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 80 TECHNOLOGIE Wissenschaft dann in Navi-Apps zu der erwarteten Reisedauer addiert werden. Mit dieser Information würden vielleicht alternative Verkehrsmittel als attraktiver wahrgenommen werden. Unnötiger Parksuchverkehr könnte so reduziert werden. Ein weiterer Aspekt wurde in der bisherigen Forschung weitgehend vernachlässigt. Für Autofahrer*innen und die Gesellschaft stellt sich im Wesentlichen die Frage, wie sich die Reisedauer (Fahrtdauer zuzüglich Dauer des Fußweges vom Parkplatz zum Zielort), die Fahrtdauer und das Verkehrsaufkommen aufgrund des Phänomens der Parkplatzsuche im Vergleich zur so genannten „kontrafaktischen Situation“, in der überhaupt keine Parkplatzsuche stattfindet („perfekte Welt“), verändern. Eine solche kontrafaktische Situation ist natürlich nicht beobachtbar und muss mit geeigneten Methoden geschätzt oder simuliert werden. Die Schätzung der kontrafaktischen Situation für die Fahrtdauer kann eine Anfrage an eine Navi-App sein, die die Parkplatzsuche nicht einschließt. Im Projekt wird die Vorhersage von Google Maps für die Fahrt- und Gehzeiten genutzt. Die Navigation von Google Maps führt die Nutzenden zu der befahrbaren Straße, die dem endgültigen Ziel am nächsten liegt, unabhängig davon, ob Parken möglich ist oder nicht. Bild 2 zeigt einen stilisierten Vergleich zwischen einer tatsächlichen und einer kontrafaktischen Fahrtdauer. Die Differenz aus der mittels der start2park-App ermittelten Reisedauer (Fahrtdauer) und der mittels Google Maps prognostizierten kontrafaktischen Reisedauer (Fahrtdauer) wird im Folgenden als „Effekt der Parksuche auf die Reisedauer“ (oder Nettosuchdauer) bzw. „Effekt der Parksuche auf die Fahrtdauer“ bezeichnet. Während der Effekt der Parksuche auf die Reisedauer immer ≥ 0 sein muss, ist es durchaus möglich, dass der Effekt der Parksuche auf die Fahrtdauer auch < 0 sein kann. Dies könnte der Fall sein, wenn aufgrund der Parksuche ein Parkplatz vor Erreichen des Zielortes gewählt wird. Dieser aus ökologischer Sicht wahrscheinlich vorteilhafte Effekt wurde bislang in der Literatur nicht erwähnt und empirisch nicht erfasst. Die direkte messbare Parksuchdauer (oder Bruttosuchdauer) ist Gegenstand bisheriger empirischer Studien. Weinberger et al. [7], Montini et al. [8] sowie Dalla Chiara und Goodchild [9] für Gewerbe- und Lieferfahrzeuge stellen zwar in gewisser Weise (z. B. kürzest mögliche Strecken) Vergleiche an. Kausale Effekte der Parksuche auf Reise- und Fahrtdauern können aber nicht ermittelt werden, da Informationen zum finalen Zielort fehlen. Bisherige empirische Studien zum Parksuchverkehr In bisherigen empirischen Studien werden unterschiedliche Ergebnisvariablen analysiert, nämlich der Anteil des Parksuchverkehrs am Gesamtverkehr, die mittlere Parksuchzeit sowie die durchschnittlichen zurückgelegten Parksuchwege. Hierbei handelt es sich bei der mittleren Parksuchzeit sowie den durchschnittlichen Parksuchwegen in der Regel um „Bruttogrößen“, d. h. ein Vergleich mit einer kontrafaktischen Situation findet nicht statt. Die Ergebnisse in Bezug auf alle drei Ergebnisvariablen gehen in den vorliegen Studien weit auseinander. Ist Parksuchverkehr also nur ein geringes, punktuelles Problem in größeren Städten (Sieg [4]) oder beträgt die jährliche Parksuchzeit in deutschen Städten 560 Millionen Stunden (Rikus et al. [10])? Der Anteil des Parksuchverkehrs am Gesamtverkehr in ausgewerteten Studien liegt zwischen 1 % und 15 %. Hampshire und Shoup [11] ermitteln für die Stadt Stuttgart beispielsweise einen Anteil des Parksuchverkehrs von 15 % am Gesamtverkehr im Jahr 2017. Weinberger et al. [7] kommen dagegen zum Ergebnis, dass der Parksuchverkehr weniger als 1 % des Fahrzeugverkehrs in den untersuchten Städten ausmacht. Hampshire und Shoup [11] fassen empirische „cruising“-Studien der Jahre 1927 bis 2015 zusammen. Im Mittel beträgt der Anteil am städtischen Gesamtverkehr in dieser Meta-Analyse bei 34 % Prozent. Die mittlere Parksuchdauer liegt in dieser Meta- Analyse bei 8 Minuten. In der empirischen Literatur wird diese Dauer der Parksuchzeit teilweise bestätigt. So berechnen Cookson und Pishue [12] die mittlere Parksuchzeit mit 9 Minuten bzw. Lee et al. [13] mit 13,4 (on-street) bzw. 15,7 (off-street) Minuten. Allerdings finden sich auch empirische Studien mit deutlich geringeren Werten. Brooke et al. [14] beispielsweise berechnen diese mit 1,7 Minuten im Mittel und van Ommeren et al. [15] für die Niederlande mit durchschnittlich nur 36 Sekunden. Es lässt sich also feststellen, dass die Ergebnisse hinsichtlich der mittleren Bruttoparksuchzeiten kein einheitliches Bild ergeben und sehr stark variieren. Die Auswahl des Untersuchungsgebietes, beispielsweise urbane Gebietstypen mit hohem oder geringem Parkdruck, sowie des Untersuchungszeitpunktes und -zeitraums (Tageszeit, Wochentage, saisonale Effekte) spielen eine zentrale Rolle (Barter [16]). Wird der Parksuchverkehr in Gebieten mit hohem Parkdruck untersucht, ergeben sich zwangsläufig höhere Parksuchzeiten als in Gebieten mit geringem Parkdruck. Es liegt also auf der Hand, dass die in den empirischen Studien ermittelten Ergebnisse aufgrund der unterschiedlichen räumlichen Dimensionen, urbanen Gebietstypen sowie Strukturen in den Untersuchungsgebieten nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Die bisherigen Ergebnisse variieren außerdem aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsmethoden stark. Die Parksuchzeit wird beispielsweise erhoben, indem Autofahrer*innen im Anschluss an den Parkvorgang direkt befragt oder Fahrzeuge beobachtet werden. Bei Park-and-Visit-Tests wird die Zeit, die man benötigt, um Bild 1: Reise, welche über die start2park-App aufgezeichnet wird Eigene Darstellung Bild 2: Aufgezeichnete und kontrafaktische Reisedauer Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 81 Wissenschaft TECHNOLOGIE ab dem Erreichen eines vorgegebenen Zielortes einen Parkplatz zu finden, aufgezeichnet. Aktuellere Studien nutzen zunehmend auch GPS-Daten für die Ermittlung des Parksuchverkehrs. Beispielsweise nutzen Weinberger et al. [7] GPS-Daten und ermitteln die Bruttosuchdauer als Differenz zwischen der tatsächlichen und der kürzest möglichen Fahrtroute zum Zielort, sobald das Fahrzeug in einen vorher festgelegten Radius rund um den Zielort einfährt. Der Start der Parksuche ist also von den Forschenden einheitlich für alle Parkenden festgelegt. Dalla Chiara und Goodchild [9] verwenden GPS- Daten von Nutzfahrzeugen, um die Parksuchdauer zu schätzen. Sie definieren eine hypothetische Situation, in der die Fahrer im Voraus wissen, wo die verfügbaren Parkplätze sind. Es wird angenommen, dass Google Maps gute Schätzungen für diese unbeobachteten Fahrtdauern liefert. Die Differenz zwischen der tatsächlichen Fahrtdauer und der Google-Maps-Schätzung wird als Parksuchdauer definiert. Tabelle 1 fasst die unterschiedlichen Erhebungsmethoden sowie die Berücksichtigung der kontrafaktischen Situation zusammen. Des Weiteren lag der Fokus einiger empirischen Studien auf der Ermittlung von Einflussfaktoren auf die Parksuchzeit. Analysiert wurden Einflussfaktoren auf die Bruttoparksuchzeit (zum Beispiel Assemi et al. [17]) bzw. auf den Prozess der Parkstandsuche (Qin et al. [18]). Eine zusammenfassende Übersicht der Studien findet sich in Tabelle 2. (Erste) Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt Im Forschungsprojekt start2park wurden im Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 Pre-Testfahrten durchgeführt. Diese Pre-Testfahrten sind im Forschungsprojekt der Datenerhebung mittels der start2park-App vorgeschaltet und dienen einem vertiefenden Verständnis des Parksuchprozesses. Die meisten der 205 Pre-Testfahrten fanden in Rostock und Frankfurt am Main statt. Dabei wurden die Dauern der Fahrt, der Parksuche und des Fußweges zum Zielort gemessen. Zudem wurden GPS- Tracking-Daten mit Smartphones aufgezeichnet und auch andere Faktoren erhoben, wie fahrtenbezogene Faktoren (z. B. Fahrtzweck), fahrerbezogene Faktoren (z. B. Geschlecht), Fahrzeugtyp, regionale Faktoren (Stadtgröße), parkraumbezogene (z. B. Parkgebühren), situative Faktoren (z. B. Wetterverhältnisse) und zeitliche Faktoren (z. B. geplante Dauer des Parkvorganges). Zusätzlich wurde die kontrafaktische Reisedauer (wie lange würde die Reise ohne Parksuche dauern? ) mittels Google Maps erhoben, um durch Differenzenbildung die Nettoparksuchzeit ermitteln zu können. Der Median (das arithmetische Mittel) der Bruttoparksuchzeit aller Testfahrten beträgt 30 Sekunden (1-Minute und 15 Sekunden). Bei 33 % der Fahrten war es nicht nötig, einen Parkplatz zu suchen, da am Zielort freie Parkplätze vorhanden waren, was einer Suchdauer von Null entspricht. Bei 34 % der Fahrten ist die Bruttoparksuchzeit positiv, aber kürzer als 1 Minute. Bei 30 % der Fahrten liegt die Bruttoparksuchzeit zwischen 1 Minute und 5 Minuten und bei 3 % der Fahrten ist sie größer als 5 Minuten. Der Median (das arithmetische Mittel) der Bruttoparksuchzeit der Fahrten, bei denen eine Parkplatzsuche erfolgte, beträgt 1 Minute 2 Sekunden (1- Minute 52 Sekunden). Im Durchschnitt starten Fahrer*innen mit der Suche nach einem Parkstand 91-Meter (Luftstrecke) vom Zielort entfernt. Navi-Apps vernachlässigen die Parksuchzeit (Assemi et al. [17]). Um herauszufinden, inwieweit die Schätzung von Navigations-Apps von der realen Reisedauer inklusive der Parksuchzeit abweicht, wurde die von Google Maps prognostizierte Reisedauer beim Fahrtantritt notiert, wodurch die aktuelle Verkehrssituation berücksichtigt wurde. Dieser Vergleich, der der der Schätzung der Nettoparksuchdauer entspricht, konnte nur für 192-Fahrten (der 205 Fahrten) durchgeführt werden. Der Median (das arithmetische Mittel) liegt bei 1 Minute 23-Sekunden (2 Minuten 5 Sekunden). Dieses Ergebnis zeigt nicht nur, dass Google Maps die Fahrtdauer unterschätzt, sondern auch, dass es notwendig ist, den Effekt der Parkplatzsuche auf die individuelle Reise- und Fahrdauer vorherzusagen und in Navi-Apps zu implementieren. Zu betonen ist, dass die Daten nicht repräsentativ und stark von der Pandemie beeinflusst sind, was die relativ geringe Parksuchdauer erklären kann. Diese Datenerfassung und -analyse dient aber dem vertiefenden Verständnis des Prozesses der Parksuche. Die Ergebnisse fanden bei der Entwicklung und Gestaltung der start- 2park-App Berücksichtigung. Die start2park-App Die start2park-App kann seit Ende August 2021 in den App Stores heruntergeladen werden. Bild 3 zeigt beispielhaft die mit der start2park-App gesammelten Daten für eine Testfahrt. Die blauen Punkte Methoden, um Parksuch-verkehr zu messen Erläuterung Berücksichtigung der kontrafaktische Situation JA NEIN Beobachtung von Fahrzeugen im Verkehrsfluss PSV liegt vor, wenn Beobachtungspunkt wiederholt passiert wird. nur Anteil des PSV ermittelbar Befragung von Autofahrer*innen Befragung nach dem Parkvorgang oder Abfrage von Durchschnittswerten Nur Ermittlung von Bruttowerten möglich Park-and-Visit- Tests: Messung der Zeit, die benötigt wird, um ab Erreichen eines Zielortes einen Parkstand zu finden Annahme: PSV beginnt erst am Zielort. Ermittlung von Bruttowerten Nutzung von GPS-Daten Annahme über Beginn der Parksuche nötig (Radius um den Zielort) Direktes Tracking von PSV (Projekt start2park) Exakte Messung: Beginn der Parksuche, Weg- und Zeitpunkte der Parksuche Nettowerte über z. B. Google Maps Abfragen möglich Ermittlung von Bruttowerten Die Typologie der Methoden folgt Hampshire und Shoup [11]. PSV = Parksuchverkehr; PV = Parkvorgang Tabelle 1: Erhebungsmethoden Parksuchverkehr Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 82 TECHNOLOGIE Wissenschaft Autoren (Jahr) Wichtigste Ergebnisse Methode, Daten, Untersuchungsgebiet, -zeitraum und -zeitpunkt Ergebnis-Variable Potentielle Einflussfaktoren Assemi et al. (2020) [17] Beobachtung, Befragung, n=598 Fahrzeuge bzw. n=138, 3 Straßen in Brisbane, 2019 PSZ (kategoriale Größe) Ankunftszeit, Fahrtzweck, Parkdauer, Fahrtdauer, Parkhäufigkeit, Navi-App, Geschlecht, Gebühren, Verkehr, Parkumschlag, Auslastungsgrad Ankunftszeit hat signifikanten Einfluss auf PSZ. Fahrer*innen, welche nur gelegentlich im Untersuchungsgebiet parken, brauchen signifikant länger für das Finden eines Parkstandes. Parkgebühren nahegelegener off-Street-PP haben einen positiven Effekt auf PSZ. Fahrer*innen mit Fahrtzweck „Arbeit“ suchen häufiger einen Parkplatz. Belloche (2015) [20] Park-and-visit-Erhebung, n=896 Fahrten 10 Stadtteile in Lyon, 2008 PSZ PP-Standort, Parkdauer, -gebühren, Belegungsbzw. Überlastungsgrad, Stauquote Mit Erreichen des Zielortes wird erhoben, wie lange es dauert einen freien Parkstand zu finden. Durchschnittliche Parksuchgeschwindigkeit: 9,9 km/ h. Mittlere Parksuchzeiten variieren in den 10 Stadteilen zwischen 50 und 666 Sek. Abbruch nach 20 Minuten = max. PSZ. Brooke et al. (2018) [14] Befragung, Nottingham, Leicester, Derby and Lincoln, März - Juni 2014, n=1.002 PSZ Parkgebühren, Gebietstyp, Fahrtzweck, Uhrzeit, Park-, Fahrtdauer, Wetter, Parkpräferenzen, Fahrzeugtyp Wenn Autofahrender Parkgebühren akzeptiert, sinkt die PSZ um 42 Sekunden (Mittlere PSZ 93 Sekunden). Je länger die Parkdauer, desto länger die PSZ. PSZ wird signifikant beeinflusst durch: Uhrzeit des PV, Fußweg zum endgültigen Zielort, Fahrtdauer. Cookson und Pishue (2017) [12] Kombination INRIX Parking Datenbank & Umfragedaten, n=18.000 Autofahrende in 30 Städten in GB, USA und Deutschland, 2016 PSZ, Kosten der Parksuche Suchzeit: Die durchschnittliche Zeit (Minuten pro Fahrt), die die Fahrer in jeder Stadt nach ihren Angaben benötigten, um einen Parkplatz zu finden Die mittlere PSZ beträgt 9 Minuten. Im Bericht werden durchschnittliche Werte für die PSZ (on-street vs. off-street) sowie die durchschnittlichen PV pro Woche und der Anteil des On-street-Parkens in großen Städte in den USA, GB, D angegeben. Gantelet und Lefauconnier (2006) [19] Anwohnerbefragung, Frankreich (Grenoble, Lyon, Paris) PSZ Mittlere PSZ: Grenoble 3,3 min, Lyon 11,8 min, Paris (Geschäftsviertel) 10 min und Paris-(St. Germain) 7,7 min; Unter 15 min PSZ beträgt die durchschnittliche Entfernung zum Zielort weniger als 200 m, Entfernung steigt mit zunehmender PSZ; Reaktionen der Autofahrenden, wenn Parksuche erfolglos (z.B. Off-street-Parken, Falschparken). Hampshire und Shoup (2018) [11] Beobachtung, n=876 Straßenparkplätze, Stuttgart- Mitte, 2 Tage Sept. 2017 (9-18.30 Uhr) Anteil des PSV am Gesamtverkehr Wie viele Autos fahren an einem frei gewordenen PP vorbei, bevor ein Fahrzeug einparkt. 15 % am GV ist PSV. Inci et al. (2017) [3] Daten Parkraumbewirtschaftung, n=191.771 PV, Geschäftsstraße Istanbul, 1.2010 bis 3.2013 Zusätzlicher PSV, durch ein weiteres geparktes Auto Zuflussrate und Belegungsgrad Ein zusätzlich geparktes Auto verursacht einen um 3,6 Fahrzeuge reduzierten stündlichen Zufluss in den Parkraum. Qin et al. (2020) [18] Befragung im Anschluss an das Parken, n=173, Geschäftsbereich in Peking, April/ Mai 2016 PSZ, Entscheidung pro/ contra PP weitersuchen. Soziodemographie, Fahrtweck, Mitfahrer, Eigenschaften des PP Mittlere Parksuchzeit ca. 1 min (Distanz 103 Meter). 5-17 % würden auch illegal parken, wenn kein anderer PP am Zielort verfügbar. Die Wahrscheinlichkeit einen weiter entfernten On-street-PP zu wählen und damit die Parksuche zu beenden, steigt mit höherer Belegungsrate, weiterem Parksuchweg und Fußweg. Informationen über freie Parkplätze führen zu geringerer PSZ. Lee et al. (2017) [13] Befragung, Mai-Juni 2013 u. April-Mai 2015, 17-20 Uhr, freitags und samstags, n=100 (50 Onu. 50-Offstreet-Parkende) South Bank (Brisbane) PSZ Parkdauer, Fahrtzweck hier: Freizeit, Kenntnis über Parksituation vor Ort, Präferenzen on/ off-street, Parkgebühr Fehlende Kenntnis über Parkgebühren erhöht PSZ. Je besser die Ortskenntnis und Kenntnis über die Parksituation, desto geringer die Zeit des PSV. Je höher die erwarteten Parkgebühren, desto höher die PSZ. Montini et al. (2012) [8] Personenbezogene GPS-Daten, 2004-2006 Zentrum in Genf und Zürich; Nordost- und West.- Schweiz PSV: Wege u. Zeiten (Netto), Fußweg zum Zielort Aus den personenbezogenen GPS-Daten werden Autofahrten ermittelt. Der letzte GPS-Punkt einer Fahrt wird mit Informationen aus Daten der Parkraumbewirtschaftung einem PP (Typ) zugeordnet. Annahme: PSZ beginnt mit Einfahren in einen 800m-Radius rund um den Parkstand. PSV (Zeit und Wege) ist die Differenz zwischen der tatsächlichen und kürzesten Route (Dijkstra’s Algorithmus) zum PP. Detaillierte Analyse für Zürich-City: 80 % des PSV hat eine Distanz <500 Meter. PSV variiert stark in den einzelnen Stadtteilen. Dalla Chiara und Goodchild (2020) [9] GPS-Daten von Nutzfahrzeugen, Oktober und November 2018, n=2894 Fahrten, Innenstadt von Seattle, USA PSZ, Anteil des PSV am Gesamtverkehr Fahrtdauer, Georäumliche Objekte, Abfahrtszeit und Tag Die PSZ wird geschätzt als die Abweichung zwischen der tatsächlichen Fahrtdauer und der Google-Maps-Schätzung der unbeobachteten Fahrt, bei der der Fahrer den verfügbaren Parkplatz am Zielort im Voraus kennt und den schnellsten Weg dorthin nimmt. Der Median der PSZ beträgt 2,3 Minuten. Die PSZ wird durch die am Reiseziel verfügbare Parkinfrastruktur beeinflusst. Die PSZ macht im Durchschnitt 28 % der Gesamtreisezeit aus. van Ommeren et al. (2012) [15] Niederländische Reiseerhebung (MON), Befragung, 2005-2007, n=11.425 (7.081 on-street, 4.344 off-street) PSZ Alter, Geschlecht, Einkommen | Mitfahrer, Fahrtdauer, Ankunftszeit, Fahrtzweck, Durchschnittliche PSZ nur 36 Sekunden. Interpretation: Off- und On-street-Parkgebühren sind in den Niederlanden nahezu identisch. PSZ höher bei Fahrtzwecken Einkaufen und Freizeit sowie in großen Städten. PSZ umso höher, je länger die Fahrt- und Parkdauer. Muster über den Tag ist erkennbar mit Spitzen am Morgen. Je höher das Einkommen und damit der Zeitwert, desto geringer PSZ. Weinberger et al. (2020) [7] GPS-basierte Haushaltsbefragung + Videos, San Francisco und Ann Arbor PSV: Anteil, Zeiten, Wege (Netto) PSZ beginnt mit Einfahren in einen 400m-Radius rund um letzten GPS-Punkt = Zielort = PP. PSV (Zeit und Wege) ist die Differenz zwischen der tatsächlichen und kürzesten Route zum Parkstand. PSV ist nur an einigen Orten der untersuchten Städte problematisch, im Mittel weniger als 5-6 % der Fahrten; weniger als 1 % des GV. Durchschnittlicher Weg im PSV: 547 m (Ann Arbor), 660 m (San Francisco). Mittlere PSZ 2 bis 3 Minuten (= Differenz tatsächlicher und kürzester Weg), Durchschnittsgeschwindigkeit 11 bis 14 mph (= 17,7 - 22,5 km/ h). Anmerkungen: PP = Parkplatz; PV = Parkvorgang; PSZ = Parksuchzeit; PSV = Parksuchverkehr; GV=Gesamtverkehr Tabelle 2: Übersicht - Studien zur Parksuche Eigene Darstellung Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 83 Wissenschaft TECHNOLOGIE auf der Karte zeigen die Fahrtroute bis zum Start der Parkplatzsuche. Rote Punkte zeigen die Parkplatzsuche, bis ein Parkplatz gefunden ist. Grüne Punkte zeigen den Fußweg zum Zielort. ■ 1 Ausgehend von Parkgebühren in Höhe von 1 $/ h, einem Parkstandangebot von 50 % möglicher On-street-Parkstände und einem Anteil des Parksuchverkehrs von 30 % am Gesamtverkehr führt eine Erhöhung der Park-gebühren auf 6,37 $/ h bei unveränderter Anzahl an On-street-Parkständen zu einem Parksuchverkehrsanteil von 0 %. Dies wird auch bei Gebühren in Höhe von 0,74 $/ h und einer Erhöhung der On-street-Parkstände auf 65,2 % erreicht. 2 Das Forschungsprojekt wird im Rahmen der Förderrichtlinie Modernitätsfonds („mFUND“) durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Kooperationspartner der Frankfurt UAS in diesem Forschungsprojekt sind zwei Partner aus der Wirtschaft, die Fluxguide Austellungssysteme GmbH und die Bliq GmbH. LITERATUR [1] Shoup, D. (2006): Cruising for parking. In: Transport Policy 13, S. 479-486. [2] Arnott, R.; Rowse, J. (1999): Modeling Parking. In: Journal of Urban Economics 45 (1), S. 97-124. 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Bei der Akquise von Testfahrer*innen wird das Forschungsprojekt neben dem ADAC Hessen- Thüringen auch von zahlreichen Städten und dem Bundesverband Parken e.V. unterstützt. Weitere Informationen sowie regelmäßige Updates zu Ergebnissen aus dem Forschungsprojekt sind zu finden unter www.start2park.com. Siavash Saki, M. Eng. Wissenschaftlicher Mitarbeiter (ReLUT), Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt siavash.saki@fb3.fra-uas.de Sabine Scheel-Kopeinig, Dr. Senior Researcher (ReLUT), Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt s.scheel-kopeinig@fb3.fra-uas.de Tobias Hagen, Prof. Dr. Direktor Research Lab for Urban Transport (ReLUT) Frankfurt University of Applied Sciences, Frankfurt thagen@fb3.fra-uas.de Bild 3: Visualisierung einer mit der start2park-App durchgeführten Testfahrt. Quelle: Eigene Erhebung; Kartenmaterial: © OpenStreetMap-Mitwirkende, www.openstreetmap.org/ copyright