Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2021-0087
111
2021
734
Ermittlung der Belastungen auf die Struktur eines Forschungsfahrzeugs in Sandwichbauweise
111
2021
Michael Kriescher
Georg Seidel
Sebastian Scheibe
Am Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde im Rahmen des Verbundforschungsprojektes Next Generation Car (NGC) ein sehr leichtes Fahrzeugkonzept der L7e-Klasse als Forschungsdemonstrator entwickelt, das trotz geringem Gewicht sehr gute Crasheigenschaften aufweist. Das Strukturkonzept beinhaltet die konsequente Anwendung von Hybrid-Werkstoffen in einer Sandwichbauweise, so dass sich eine leichte Struktur ergibt, die aus vergleichsweise wenigen, einfach geformten Bauteilen besteht. Aufbauend auf diese Struktur wurde ein Forschungsfahrzeug entwickelt und aufgebaut, mit dem Versuchsfahrten durchgeführt werden. Ein wichtiges Ziel dieser Versuchsfahrten ist die Ermittlung der Belastungen, die während der Fahrt auf die Struktur des Fahrzeugs wirken.
iv7340084
Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 84 Ermittlung der Belastungen auf die Struktur eines Forschungsfahrzeugs in Sandwichbauweise Versuchsfahrten, Strukturbelastungen, Messdatenermittlung, Forschungsfahrzeug, Sandwichbauweise Am Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde im Rahmen des Verbundforschungsprojektes Next Generation Car (NGC) ein sehr leichtes Fahrzeugkonzept der L7e-Klasse als Forschungsdemonstrator entwickelt, das trotz geringem Gewicht sehr gute Crasheigenschaften aufweist. Das Strukturkonzept beinhaltet die konsequente Anwendung von Hybrid-Werkstoffen in einer Sandwichbauweise, so dass sich eine leichte Struktur ergibt, die aus vergleichsweise wenigen, einfach geformten Bauteilen besteht. Aufbauend auf diese Struktur wurde ein Forschungsfahrzeug entwickelt und aufgebaut, mit dem Versuchsfahrten durchgeführt werden. Ein wichtiges Ziel dieser Versuchsfahrten ist die Ermittlung der Belastungen, die während der Fahrt auf die Struktur des Fahrzeugs wirken. Michael Kriescher, Georg Seidel, Sebastian Scheibe D as Forschungsfahrzeug Safe Light Regional Vehicle (SLRV) (Bild 1) ist als sehr leichtes, aerodynamisch günstiges Fahrzeug der L7e-Klasse konzipiert, das geringe Fahrwiderstände und damit einen geringen Energiebedarf aufweist. Da bis zu 2/ 3 des Energiebedarfs gewichtsabhängig sind [1], ist ein geringes Fahrzeuggewicht ein wesentlicher Faktor für die Reduzierung des Energiebedarfs. Um trotz des geringen Gewichtes eine Reichweite von 400 km zu erzielen, wird das Fahrzeug als Zweisitzer mit Brennstoffzellen-Batterie-Hybrid-Antrieb ausgelegt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 120-km/ h. Ein wesentliches Projektziel war es, trotz des sehr geringen Karosseriegewichtes von nur 90 kg, eine Crashsicherheit zu erreichen, die weitgehend dem Stand der Technik in der M1-Klasse entspricht. Dabei sollen die Kosten für die Herstellung der Karosserie durch die Verwendung weniger, relativ einfach geformter Bauteile aus konventionellen Werkstoffen gering gehalten werden. Struktur des SLRV Um die Projektziele zu erreichen, wird eine sehr leichte Karosseriestruktur entwickelt, die nahezu vollständig aus Sandwichelementen besteht. Die Verwendung teurer Werkstoffe wie CFK wird möglichst vermieden. Stattdessen werden Sandwichstrukturen mit metallischen Decklagen für die wesentlichen Strukturbauteile verwendet. Solche Sandwichbauteile wurden bislang selten im Automobilbau eingesetzt, da sie normalerweise nur für kastenförmige Strukturen mit geraden Wänden angewandt werden [2]. Bild 1: Forschungsfahrzeug SLRV während einer Versuchsfahrt Darstellungen: DLR TECHNOLOGIE Fahrzeugbau Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 85 Fahrzeugbau TECHNOLOGIE Das Konzept des SLRV verwendet hingegen im Bereich der Bodenwanne dreidimensional geformte Sandwichbauteile, die im oberen Teil mit einer mit Schaum gefüllte Ringstruktur schließen, so dass eine metallische Monocoque-Struktur entsteht. Im Bereich von Vorder- und Hinterwagen werden dagegen kastenförmige Strukturen aus geraden Platten verwendet (Bild 2). Die Karosserie ist so gestaltet, dass ihre Herstellung nur wenige Werkzeuge und damit vergleichsweise geringe Investitionskosten erfordert, was eine Produktion schon bei geringen bis mittleren Stückzahlen profitabel macht. Untersuchungen der Crasheigenschaften der Karosserie wurden am DLR an Proben, einzelnen Bauteilen und kompletten Karosserien durchgeführt [3]. Die hohe Eigensteifigkeit von Sandwichbauteilen bewirkt dabei, dass ein großflächiges Beulen oder Knicken der Teile weitgehend verhindert wird, was zu einem günstigen Verhältnis von Gewicht und passiver Sicherheit führt. Um ein geringes Gewicht zu erzielen, sind die Sandwichbauteile des SLRV dünnwandig ausgeführt. Je nach Bauteil beträgt die Wandstärke 0,5 bis 1 mm. Das Verhalten der Bauteile im Fahrbetrieb ist daher von Interesse, und wird durch Fahrversuche mit dem Forschungsfahrzeug untersucht, bei denen die Belastungen auf die Karosserie mit Kraftmesselementen aufgezeichnet werden. Zusätzlich werden die beim Fahren auftretenden Dehnungen an ausgewählten Stellen der Karosserie ermittelt. Messmethoden Kräfte mechanisch bekannter Objekte können über die von ihnen verursachte Verformung gemessen werden. Die resultierende Dehnung wird mit Hilfe von Dehnungsmessstreifen, kurz DMS, elektrisch gemessen [4]. Das SLRV wurde so konzipiert, dass sich der Vorder- und Hinterwagen jeweils komplett von der Fahrgastzelle abschrauben lassen. Die Möglichkeit des Abschraubens erleichtert die Erreichbarkeit bei etwaigen Reparaturen. Um die Kräfte an den Vorder- und Hinterwagenanbindungen zu messen, wurden spezielle DMS in Schrauben appliziert. Hierfür wurden Löcher im dehnbaren Teil längs der Schraube gebohrt und die DMS eingeklebt. Anschließend wurden die Schrauben jeweils eingespannt und eine Sensorkennlinie bei mehreren Kraftniveaus bei einer quasi-statischen Prüfung erstellt. Im Vorfeld wurden mit Hilfe von Finiter Elemente Methode bei zwei Fahrmanövern die Anbindungspunkte mit der höchsten Belastung definiert und diese mit Schrauben mit DMS verschraubt. Die Fahrgastzelle des SLRV besteht aus einer Wanne in Sandwichbauweise mit einer aufgesetzten ausgeschäumten Stahl- Ringstruktur. Um an der Wanne Spannungen zu berechnen, wurden Dehnungen mit Hilfe von fünf unidirektionalen DMS gemessen. Wie in Bild 3 gezeigt, wurde an der Unterseite der Wanne jeweils ein DMS im vorderen, linken, rechten, mittleren, und hinteren Bereich angeklebt. Um Dehnungen an der Struktur am Vorderwagen zu messen, wurden DMS an der Sandwichdeckschicht angebracht. Bei vorherigen Simulationen [5] der SLRV-Struktur sind bei unterschiedlichen Belastungszuständen Bereiche mit den potentiell höchsten Spannungen definiert worden. An einem dieser Bereiche wurden, wie in Bild 4 zu erkennen, zwei sogenannte Rosetten- DMS angebracht. Wenn zwei oder mehr Dehnungsmessstreifen nahe beieinander positioniert werden, ist von einer Rosetten- DMS zu sprechen. Im dargestellten Fall sind drei DMS jeweils im 45°-Winkel zueinander auf einer Trägerfolie angeordnet. An den Dämpferaufnahmen sind Kraftmessbolzen und Seilzugwegaufnehmer angebracht, um die Belastungen auf das Fahrwerk und auf die Struktur zu messen. Die entstehenden Kräfte, die vom Fahrwerk auf die Vorder- und Hinterwagenstruktur wirken, werden durch Kraftmessbolzen an der Federbeinaufnahme gemessen. In Bild 5 ist eine Zeichnung des Kraftmessbolzen in grau mit einer Federbeinaufnahme in grün und einem Dämpferauge in braun vereinfacht dargestellt. Auf den Kraftmessbolzen sollten nur in einer vorgeschriebenen Einwirkungsrichtung Kräfte wirken. Durch die in den Kraftmessbolzen entstehenden Scherkräfte können Zug- und Druckkräfte der damit verbundenen Bauteile bestimmt werden, welche wie bei herkömmlichen flachen DMS, durch die Widerstandsände- Bild 2: Struktur des SLRV. Vorder- und Hinterwagen aus Sandwichbauteilen in Plattenbauweise; Ringstruktur aus Stahl; Bodenwanne in dreidimensional geformter Sandwichbauweise Bild 3: Unteransicht des SLRV mit angebrachten DMS an Wanne Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 86 TECHNOLOGIE Fahrzeugbau rungen des Messgitters gemessen werden können. Als Temperatursensoren werden im SLRV Pt100-, d. h. 100- Ω -Platinwiderstände, eingesetzt. Temperatursensoren wurden beim SLRV an sechs unterschiedlichen Stellen befestigt. Es wurden jeweils zwei Temperatursensoren im Vorderwagen an der Brennstoffzelle sowie im Fahrgastraum am Gleichspannungswandler hinter dem Beifahrersitz angebracht. Im Hinterwagen wurden ein Temperatur-Sensor hinter der Batterie und ein weiterer hinter den Motoren angebracht. Zusätzlich misst ein Laser die Bodenfreiheit. Des Weiteren wurden zur Messung der Fahrdynamik Beschleunigungssensoren angebracht. Ein GPS (Global Positioning System)-Empfänger bestimmt die Geschwindigkeit und gibt Auskunft über das gefahrene Höhenprofil. Für die Überwachung des Betriebszustandes und der Funktionstauglichkeit werden die Spannung sowie der Strom an der Brennstoffzelle und dem Akkupack gemessen. In diesem Beitrag wird eine Auswahl der ermittelten Daten vorgestellt und mit Materialkennwerten verglichen. Lastfälle bei Simulationen Bei vorherigen Simulationen [5] wurden unterschiedliche Lastfälle, welche für die Fahrzeugstruktur eine hohe Belastung oder Versagen verursachen, untersucht. Für die in diesem Bericht beschriebenen Versuchsfahrten sind drei Lastfälle relevant. Für die Radlasten wurde zum einen für extreme Kurvenfahrten nach links und rechts und zum anderen bei extremem Bremsen jeweils konservativ die zweifache Radlast angenommen und die dabei entstehenden Spannungen auf die Struktur ermittelt. Zusätzlich wurde als dritter Lastfall ein vertikaler Stoß, wie er beim Überfahren einer Bodenwelle entstehen kann, untersucht. Dabei wurde die dreifache Radlast berücksichtigt. Lastfälle im Versuch Da das SLRV als Demonstrator ein Einzelstück ist und ein Folgebetrieb geplant war, wurden die Versuchsfahrten so durchgeführt, dass das SLRV nicht über strukturelle Grenzen belastet wurde. In den Fahrversuchen wurden Kreisfahrten nach links und rechts durchgeführt sowie stark abgebremst. Bei den Kreisfahrten wurden maximal 0,43 g nach links und 0,57 g nach rechts gemessen. Bei Bremsversuchen wurden maximal 0,58 g aufgezeichnet. Ergebnisse der Fahrversuche Bei Kreisfahrten zeigt sich, wie bei einer Kreisfahrt nach links in Bild 6 zu sehen, dass Bild 5: Kraftmessbolzen an der Federbeinaufnahme, Kraftmessbolzen in Grau mit einer Federbeinaufnahme in Grün und einem Dämpferauge in Braun vereinfacht dargestellt Quelle links: Datenblatt Messbolzen, Batarow Sensorik GmbH; rechts: www.batarow.com/ messbolzen-wiki -250 -200 -150 -100 -50 0 50 100 150 200 250 300 Beschleunigung-[g] 5.2 5.4 5.6 5.8 6.0 6.2 6.4 6.6 6.8 7.0 Kraft-[kN] 130 140 150 160 Zeit-[s] Beschleunigung-vorne Beschleunigung-hinten Bolzen-vorne-links-+-hinten-links Bolzen-vorne-rechts-+-hinten-rechts Bild 6: Kraftverlauf der Kraftmessbolzen bei einer Kreisfahrt nach links; zeigt höhere Belastung auf kurvenäußerer Fahrzeugseite und niedrigere Belastungen auf die Struktur auf der Kurveninnenseite Bild 4: Zwei Rosetten-DMS an Vorderwagenstruktur zur Messung erwarteter Spannungsspitzen in diesen Bereichen Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 87 Fahrzeugbau TECHNOLOGIE die Kräfte an der kurvenäußeren Fahrzeugseite steigen und an der Fahrzeuginneren sinken. Der Schwerpunkt des Fahrzeugs verschiebt sich bei der Kurvenfahrt nach außen und die kurvenäußere Seite wird, wie in Bild 6 zu erkennen, stärker belastet. In einer Kreisfahrt steigen die Kräfte auf die Struktur um bis zu 0,625 kN. Die Kraft an den Dämpfern verteilt sich jeweils auf an der Vorder- und Hinterwagenstruktur aufgeklebte und angeschraubte Platten. Wirkt die gemessene Kraft dabei- ideal auf die gesamte Fläche von 5.000- mm 2 , entspricht das einer Spannung von 0,125- MPa und ist niedriger als der Streckgrenze der 0,5 mm dicken Aluminium-Deckschicht, EN-AW6082-T6, und unter der Druckfestigkeit von 0,8 MPa des 20- mm dicken Kernmaterials. Bei einer lokalen Spannungsspitze, zum Beispiel an der Kante der Anbindungsplatte, verteilt sich die Kraft ausschließlich auf eine kleine Fläche und erzeugt somit deutlich höhere Spannung und wäre deutlich kritischer. Daher sind eine komplett flächige Verklebung und eine gleich feste Verschraubung wichtig, um Spannungsspitzen bei der Anbindung zu verhindern. Rosetten-DMS am Vorderwagen Die höchsten Spannungen, welche bei den Rosetten-DMS gemessen wurden, waren bei einer Kreisfahrt nach rechts und sind in Bild- 7 dargestellt. Die Messstelle der DMS war dabei auf der kurvenäußeren Seite. Die maximale Hauptspannung wird bei der oberen DMS-Rosette mit 5,5 MPa gemessen. Dies ist deutlich unterhalb der Streckgrenze von 260 MPa der Deckschicht. Eine Spannungsmessung zwischen Deckschicht und Kern wäre an dieser Stelle hilfreich, um eine Beschädigung des Kerns oder eine Delamination des Sandwichverbunds auszuschließen. Eine Sichtprüfung wäre nur nach Zerstören der Deckschichten möglich. Von außen erscheinen die Sandwichplatten auch nach mehreren Testfahrten unverändert. Aufgrund des deutlich niedrigeren E-Moduls ist davon auszugehen, dass die Spannungen am Kern deutlich niedriger als die an der Außenseite der Deckschicht gemessenen 5,5 MPa sind. DMS unten an der Wanne Bei allen Fahrmanövern waren die berechneten Spannungen an den Messstellen an der Unterseite der Wanne im niedrigen einstelligen Bereich. Die größte Dehnungsänderung wurde bei einer Kreisfahrt nach rechts, in Bild 8 gezeigt, gemessen. Auf der linken, kurvenäußeren Seite sinkt dabei die Spannung um 1,2 MPa, während sie auf der rechten, kurveninneren Seite um knapp 0,9-MPa steigt. Bei einer Kreisfahrt in Fahrtrichtung links sinkt ebenfalls die Spannungen an der kurvenäußeren und steigt an der kurveninneren Seite. In Hinblick auf die Zugfestigkeit von 190 MPa der 0,9 mm dicken Deckschicht aus Aluminium EN- AW6016-T6 sind die Spannungen vernachlässigbar klein. Bei dieser Klebverbindung wurde der Zweikomponentenklebstoff Betamate 2096 mit einer Scherfestigkeit von 18 MPa verwendet. Da der E-Modul des Kernmaterials deutlich niedriger ist als das der Aluminiumdeckschicht, ist auch hier zu erwarten, dass die Spannungen im Kern deutlich abfallen. Jedoch wären auch an dieser Stelle der Struktur Spannungswerte an der Innenseite des Sandwichs hilfreich, um den Zustand der Struktur besser beurteilen zu können. Auch ein Versagen der Klebverbindung kann dadurch ausgeschlossen werden. DMS in Schrauben In Bild 9 sind Kraft-Zeit-Verläufe bei Kurvenfahrten aus DMS-Messungen an einer Vorderwagenanbindung auf der rechten Seite und einer Hinterwagenanbindung auf der linken Seite in Fahrtrichtung dargestellt. Bei einer Kurvenfahrt wirken die Kräfte vorne rechts und hinten links an den Anbindungen in gegensätzliche Richtungen. Bei einer Rechtskurve entstehen bei Anbindung hinten links Zugkräfte und bei der Anbindung vorne rechts Druckkräfte in der Schraube. Die Kräfte sind vorne wie hinten jedoch nicht über 250 N und sehr niedrig. Die Anbindungsplatte, die an der Innenseite der Fahrgastwanne zum Verschrauben verwendet wird, hat eine Fläche von 3.689,1 mm 2 . Daraus ergibt sich eine Spannung bei optimaler Verteilung der 250- N auf die gesamte Fläche der Anbindungsplatte von 0,07 MPa. Auf der Außenseite der Wanne sind der Vorder- und Hinterwagen mit an der Struktur verklebten Einsätzen aus Alumnium mit der Wanne verschraubt. Die Einsätze haben eine Kontaktfläche von 1.551,19 mm 2 mit der Wanne. Bei den gemessenen 250 N ergibt sich bei einer gleichmäßigen Verteilung der Kraft auf die gesamte Fläche eine Spannung von 0,16 MPa. Die Spannung liegt deutlich unter der Druckfestigkeit des an der Wanne verwendeten Epoxid-Schaums von 2 MPa. -2.0 -1.5 -1.0 -0.5 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0 5.5 6.0 6.5 Spannung-[MPa] 186 188 190 192 194 Zeit-[s] Haupt1_oben Haupt1_unten Haupt2_oben Haupt2_unten vonMises_oben vonMises_unten Bild 7: Änderungen der Hauptspannung und Von-Mises-Vergleichsspannung beider Rosetten-DMS am Vorderwagen bei einer Kreisfahrt nach rechts 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 2.0 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 3.0 Spannung-[MPa] 186 188 190 192 194 Zeit-[s] DMS_Wanne_links DMS_Wanne_rechts DMS_Wanne_mitte Bild 8: Spannungs-Zeit-Diagramm der DMS unten an der Wanne bei einer Kreisfahrt nach rechts Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 88 TECHNOLOGIE Fahrzeugbau An der Innen- und Außenseite sind die Spannungen an den Anbindungsteilen ausreichend niedrig, um die Struktur nicht zu beschädigen. Die niedrigen gemessenen Kräfte deuten darauf hin, dass bei der Auslegung des SLRV ausreichend viele Anbindungspunkte bei der Vorder- und Hinterwagenanbindung gewählt wurden. Temperatursensoren In Rot und in Grün sind in Bild 10 die zwei Temperaturen, welche an der Brennstoffzelle gemessen wurden, dargestellt. Ein Lüfter zieht frische Luft durch den Kühler der Brennstoffzelle. Er schaltet sich ab einer Kühlmitteltemperatur von 35 °C automatisch an und erreicht seine Höchstdrehzahl bei 45 °C. Durch den Luftstrom wir außerdem die Brennstoffzelle selbst umströmt und warme Luft wegbefördert. Die Temperaturen steigen bei sinkender Fahrgeschwindigkeit und sinken bei steigender Fahrgeschwindigkeit jedoch deutlich stärker, sodass die anströmende Luft durch den Fahrtwind den größten Temperaturunterschied verursacht. Die höchsten Temperaturen entstanden bei Fahrzeugstillstand und einer mittleren Leistungsabgabe der Brennstoffzelle. Dabei sind die Temperaturen jedoch nie über 50 °C unmittelbar an der Vorderwagenstruktur gestiegen. Der 20 mm dicke Polyethylenterephthalat (PET)-Schaum im Kern der Sandwichstruktur hat eine Glasübergangstemperatur von 100 °C und wird daher nicht durch zu hohen Temperaturen an der Brennstoffzelle beschädigt. Auch die Temperaturen an der Struktur hinter den Batterien und Motoren (Bild 11) übersteigen nie 50 °C, obwohl die Motoren selber deutlich heißer werden. Im Hinterwagen wird die warme Luft zum Teil mit Hilfe der Lüfter der vor den Motoren liegenden Batterie und dem seitlich an Löchern in der Struktur eintretenden Fahrtwind nach hinten raus aus der Struktur befördert. Die Temperaturen am Gleichspannungswandler sind in Bild 12 dargestellt und sind abhängig von dem Betriebszustand der Brennstoffzelle. Bei Stillstand des Fahrzeugs und maximaler Leistung der Brennstoffzelle pendelt sich die Temperatur bei maximal 51,3 °C ein. Der Gleichspannungswandler wurde, um die Temperaturen an der Struk- -200 -150 -100 -50 0 50 100 150 Kraft-[N] -400 -350 -300 -250 -200 -150 -100 -50 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Beschleunigung-[mg] 120 140 160 180 200 Zeit-[s] Linkskurve Linkskurve Rechtskurve Rechtskurve Rechtskurve DMS_Schraube_vorne_rechts DMS_Schraube_hinten_links Beschl_V_X Bild 9: Kraft-Zeit-Verläufe bei den DMS an der Vorder- und Hinterwagenanbindung 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 2.6 2.8 3.0 Leistung [kW] 39.4 39.6 39.8 40.0 40.2 40.4 40.6 40.8 41.0 41.2 Temperatur [°C] 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Geschwindigkeit [km/ h] 400 450 500 Zeit [s] Leistung Brennstoffzelle Temperatur an der Brennstoffzelle links Temperatur an der Brennstoffzelle mitte GPS Geschwindigkeit Bild 10: Temperaturen links und mittig an der Brennstoffzelle, Geschwindigkeit, und die Leistung der Brennstoffzelle über die Zeit -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 Leistung [kW] 33.6 33.8 34.0 34.2 34.4 34.6 34.8 35.0 35.2 35.4 35.6 35.8 36.0 Temperatur [°C] 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Geschwindigkeit [km/ h] 100 200 300 400 500 600 700 Zeit [s] Leistung Brennstoffzelle Temperatur hinter Motor GPS Geschwindigkeit Bild 11: Temperatur hinter einem Motor, Geschwindigkeit, und die Leistung der Brennstoffzelle über die Zeit -0.2 0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 Leistung [kW] 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 Temperatur [°C] 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Geschwindigkeit [km/ h] 100 200 300 400 500 600 700 Zeit [s] 51.323 °C Leistung Brennstoffzelle Temperatur Gleichspannungswandler GPS Geschwindigkeit Bild 12: Temperatur am Gleichspannungswandler, Geschwindigkeit, und die Leistung der Brennstoffzelle über die Zeit Internationales Verkehrswesen (73) 4 | 2021 89 Fahrzeugbau TECHNOLOGIE Georg Seidel, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DLR Institut für Fahrzeugkonzepte, Stuttgart g.seidel@dlr.de Sebastian Scheibe, M.Sc. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DLR Institut für Fahrzeugkonzepte, Stuttgart sebastian.scheibe@dlr.de Michael Kriescher, Dipl.-Ing. Wissenschaftlicher Mitarbeiter, DLR Institut für Fahrzeugkonzepte, Stuttgart michael.kriescher@dlr.de tur niedrig zu halten und mehr Abstand zwischen Struktur und Gleichspannungswandler zu bekommen, auf zwei Aluminiumblöcke geschraubt. Zusätzlich wurde um den Gleichspannungswandler eine Box aus Kunststoff gebaut. Ein Lüfter am Gleichspannungswandler bläst warme Luft aus der Box weg von der Struktur. Zusammenfassung In mehreren Fahrversuchen wurden die auftretenden Belastungen im Fahrbetrieb des SLRV ermittelt. Im Fokus standen dabei die neuartigen Sandwichmaterialien, aus denen die Struktur des SLRV zu einem großen Teil besteht. Es konnte gezeigt werden, dass die Belastungen aller untersuchten Sandwichbauteile jeweils deutlich unter ihren jeweiligen Maximalwerten lagen. Das verwendete Sandwichmaterial eignet sich somit sehr gut als Werkstoff für die Fahrzeugstruktur. Durch die verwendeten zerstörungsfreien Testmethoden im Fahrbetrieb konnte die äußere Struktur optimal untersucht werden. Die innere Struktur, d. h. der Kern des Sandwichmaterials, konnte damit leider nicht untersucht werden. Hier kann nur durch Messwerte der Decklagen und Berechnungen auf die Belastung im Kern geschlossen werden. Obwohl der verwendete PET-Schaum als Thermoplast empfindlich gegenüber Wärme ist, konnte gezeigt werden, dass die entstandene Wärme im Fahrzeug nicht zu einer Schwächung der Struktur führt. Sämtliche Wärmeerzeuger wie Brennstoffzelle, Gleichspannungswandler und Motoren werden somit ausreichend gekühlt. Am Beispiel des SLRV konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, die komplette tragende Fahrzeugstruktur aus einem Sandwichmaterial herzustellen, welche die notwendige Stabilität für die untersuchten Lastfälle bietet und außerdem eine hohe Crashsicherheit aufweist. ■ LITERATUR [1] Friedrich, H. E.; Hülsebusch, D. (2009): Elektro-Fahrzeugkonzepte und Leichtbau: Anforderungen für neue Werkstoffe 1. Internationaler eCarTec Kongress für individuelle Elektromobilität, München [2] Davies, H. C.; Bryant, M.; et al. (2011). Design, development and manufacture of an aluminium honeycomb sandwich panel monocoque chassis for Formula Student competition. In: Journal of Automobile Engineering [3] Kriescher, M.; et al.: Development of the Safe Light Regional Vehicle (SLRV) vehicle concept within the DLR Next Generation Car (NGC) project [4] Parthier, R. (2016): Messtechnik, Grundlagen und Anwendungen der elektrischen Messtechnik, Springer Vieweg, 2016 [5] Seidel, G. (2019): Funktionsabsicherung von leichten Strukturbauteilen in Metall-Sandwichbauweise für ein Forschungsfahrzeug. Masterarbeit, Institut für Flugzeugbau, Universität Stuttgart, Institut für Fahrzeugkonzepte, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., April 2019 [6] Reif, K. (2010): Sensoren im Kraftfahrzeug. Vieweg Teubner, 2010 [7] Hering, E.; Schönfelder, G. (2018): Sensoren in Wissenschaft und Technik, Funktionsweise und Einsatzgebiete. Springer Vieweg, 2018 WISSEN WAS MORGEN BEWEGT Schiene, Straße, Luft und Wasser, globale Verbindungen und urbane Mobilität: Viermal im Jahr bringt Internationales Verkehrswesen fundierte Experten- Beiträge zu Hintergründen, Entwicklungen und Perspektiven der gesamten Verkehrsbranche - verkehrsträgerübergreifend und zukunftsorientiert. Ergänzt werden die deutschen Ausgaben durch die englischsprachige Themen-Ausgabe International Transportation. Mehr dazu unter www.internationales-verkehrswesen.de Internationales Verkehrswesen gehört seit 1949 zu den führenden europäischen Verkehrsfachzeitschriften. Der wissenschaftliche Herausgeberkreis und ein Beirat aus Professoren, Vorständen, Geschäftsführern und Managern der ganzen Verkehrsbranche verankern das Magazin gleichermaßen in Wissenschaft und Praxis. Das technisch-wissenschaftliche Fachmagazin ist zudem Wissens-Partner des VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. - Fachbereich Verkehr und Umfeld. INTERNATIONALES VERKEHRSWESEN - DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN »Internationales Verkehrswesen« und »International Transportation« erscheinen bei der Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, www.trialog-publishers.de IV_Image_halb_quer.indd 1 IV_Image_halb_quer.indd 1 04.04.2018 12: 03: 35 04.04.2018 12: 03: 35
