Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2022-0008
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Zero Waste World
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Katrin Zeller
Die Art und Weise, wie die Welt Waren herstellt, transportiert und verkauft, verändert sich. Eine intelligentere und nachhaltigere Lieferkette zu entwickeln und dadurch die Umweltauswirkungen zu reduzieren, ist Ziel des Kooperationsprogramms Zero Waste World (ZWW), das das Logistik-Unternehmen CHEP im Jahr 2019 ins Leben gerufen hat. Katrin Zeiler, Senior Director Zero Waste World und Customer Innovation & Solutions Europa, über Nachhaltigkeit in der Logistik und den Weg dorthin.
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Internationales Verkehrswesen (74) 1 | 2022 28 Zero Waste World Mit zirkulären Supply Chains Abfall reduzieren und Lieferketten dekarbonisieren Die Art und Weise, wie die Welt Waren herstellt, transportiert und verkauft, verändert sich. Eine intelligentere und nachhaltigere Lieferkette zu entwickeln und dadurch die Umweltauswirkungen zu reduzieren, ist Ziel des Kooperationsprogramms Zero Waste World (ZWW), das das Logistik-Unternehmen CHEP im Jahr 2019 ins Leben gerufen hat. Katrin Zeiler, Senior Director Zero Waste World und Customer Innovation & Solutions Europa, über Nachhaltigkeit in der Logistik und den Weg dorthin. J edes einzelne Land der Welt ist vom Klimawandel betroffen. Er stört Volkswirtschaften und wirkt sich auf das Leben der Menschen aus. Laut Copernicus-Klimawandeldienst der Europäischen Union gehörte 2021 weltweit zu den sieben wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Kohlenstoffdioxid- und Methankonzentrationen stiegen auch 2021 weiter an. Für viele Unternehmen stehen die Beseitigung von Abfällen und die Dekarbonisierung von Supply Chains ganz oben auf der Agenda. Die Industrie muss sich der Herausforderung stellen, die Nachhaltigkeitsagenda zu erfüllen und gleichzeitig auf die stetig wachsende Nachfrage der Verbraucher zu reagieren. CHEP als Logistik-Unternehmen, das sich auf das Pooling von Ladungsträgern spezialisiert hat, nimmt sich dieser zu lösenden Aufgabe seit über 70 Jahren an. Das als Pooling bekannte Geschäftsmodell baut auf dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft auf. Produzenten und Hersteller teilen und wiederverwenden dabei kontinuierlich die ihnen zur Verfügung gestellten Paletten und Behälter in der globalen Supply Chain. Dieses System verlängert den Lebensdauerzyklus der Paletten im Vergleich zu Einwegplattformen und verbraucht daher weniger Ressourcen und produziert weniger Abfall. Die Herausforderung unserer Zukunft: mit weniger Abfall und Verschwendung mehr bewegen Um die Vision einer abfallfreien Lieferkette mit null Emissionen schneller zu verwirklichen und auf eine breite Basis zu stellen, wurde 2019 das Zero Waste World Programm (ZWW) ins Leben geru- Foto: Hans Braxmeier / pixabay LOGISTIK Standpunkt Internationales Verkehrswesen (74) 1 | 2022 29 Standpunkt LOGISTIK fen: Ein Kooperationsprogramm für Hersteller und Einzelhändler, dessen Ziel gemeinsame Innovationen und neue, skalierbare Lösungen sind. Im Mittelpunkt stehen die Herausforderungen, Abfall abzubauen, Leertransporte zu vermeiden und Ineffizienzen zu beseitigen. Zudem adressiert ZWW die weltweit dringende Frage: Wie lässt sich die ständig wachsende Nachfrage bewältigen und gleichzeitig die Umweltbelastung reduzieren? Verpackungsabfall eliminieren: Einwegverpackungen sind sichtbare Ressourcenverschwendung Da die Weltbevölkerung wächst und auch unser Verlangen zu kaufen und zu konsumieren zunimmt, entwickelt sich die Produktion von Verpackungsmaterial weiterhin exponentiell. Ein großer Teil dieses Materials ist allein dafür konzipiert, Produkte bis ins Verkaufsregal oder in das Zuhause der Verbraucher zu bringen. Es ist also von vornherein für den einmaligen Gebrauch bestimmt und wird danach überflüssig. Da eine ausreichende und kosteneffektive Infrastruktur für die Abholung und das Recycling dieses Materials fehlt, ergeben sich unweigerlich enorme Abfallmengen, die zum Großteil auf der Mülldeponie landen. Viele Jahre lang wurden Verpackungssysteme so entworfen, dass möglichst geringe Kosten anfielen, ohne auf die unbeabsichtigten Folgen für die Umwelt zu achten. So kann es nicht weitergehen. Teilbare und wiederverwendbare Sekundär- und Tertiärverpackungen sind die Lösung, um mit weniger mehr zu bewegen. Unternehmen sind mehr denn je gefordert, die Ergonomie ihrer Produkte zu verbessern, um den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu minimieren und die Produktlebensdauer zu verlängern. Sie müssen Innovationen vorantreiben, um die Menge von Verpackungszubehör zu verringern, das zur Transportsicherung verwendet wird. Einwegverpackungen sind generell durch Rationalisierung und Wiederverwendung zu beseitigen. Als ein weiterer Schritt können neue Logistikplattformen dazu beitragen, „Zero Packaging“-Initiativen zu unterstützen. Leertransporte vermeiden Der Straßengüterverkehr ist momentan der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen in Europa. Dennoch sind 25 % der europäischen Lastkraftwagen immer noch nicht effizient beladen. Das führt dazu, dass Streckenkilometer, Kapazität, Kosten und schädliche Emissionen verschwendet werden. Mit dem europäischen Green Deal ist der Industrie auferlegt worden, ihre CO 2 - Emissionen bis 2030 um 50-% zu senken und bis 2050 vollkommen dekarbonisiert zu sein. Dank der einzigartigen Transparenz über Tausende von Bewegungen in den europäischen Lieferketten und dem Einsatz fortschrittlicher Datenanalysen kann CHEP gemeinsame Transportflüsse seiner Kunden identifizieren und Transportkooperationen schmieden. Auf diese Weise lassen sich ineffiziente Teilladungen und verschwendete Kilometer fast komplett beseitigen. Die Collaborative Transport Solutions, die seit über sieben Jahren in ganz Europa im Einsatz sind, zählen mehr als 240 Kooperationen in der Region. Diese Lösungen haben Unternehmen geholfen, weltweit mehr als 87,3 Mio. Leerkilometer und 112 Kilotonnen CO 2 einzusparen. Betriebliche Ineffizienzen beseitigen Supply Chains sind derzeit großen Belastungen ausgesetzt. Nicht nur durch die kurz- und langfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, sondern auch durch die Abkehr von Antrieben mit CO 2 -Emission, die steigende Zahl der Umweltgesetze und die Folgen von politischen Ereignissen wie dem Brexit. Solch wechselnde und komplexe Dynamiken setzen die Fähigkeit voraus, mit Ungewissheit und Veränderung im Prozess umgehen zu können. Nur so lässt sich die Verbrauchernachfrage weiterhin wettbewerbsfähig erfüllen - ohne unnötigen Abfall, Kosten und Ineffizienzen zu verursachen. Die Verpackung und der Transport von Waren sind ein Schlüsselbereich in diesen voneinander abhängigen Supply Chains. Die richtige Verpackung muss jederzeit verfügbar sein, wenn die Nachfrage nicht prognostizierbar ist. Produktschäden und Rückgaben müssen durch gleichbleibend hohe Verpackungsqualität und maximale Transporteffizienz reduziert werden, damit die Waren unter allen Umständen pünktlich geliefert werden. Indem physische Paletten und Behälter mit digitaler Intelligenz kombiniert werden, kann die Sichtbarkeit in der Supply Chain drastisch erhöht werden. Brambles, Mutterkonzern von CHEP, gründete 2016 BXB Digital, um genau dies zu erreichen: Das Unternehmen setzt innovative digitale und IdD-Technologien für eine datengestützte End-to-End-Transparenz in der Lieferkette ein. Dies ermöglicht es, weltweit Supply-Chain-Kooperationen aufzubauen. Die Digitalisierung der Lieferkette erhöht die Sichtbarkeit und Rückverfolgbarkeit der Produkte. Das bedeutet, Engpässe zu vermeiden, eine volatile Verbrauchernachfrage besser zu prognostizieren, die Sicherheit der Lebensmittellieferungen zu verbessern und letztlich die Lieferketten der Kunden schlanker, effizienter und zirkulärer zu gestalten. Die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch geschieht dabei nicht von selbst und nicht von heute auf- morgen. Es wird Unternehmen und Regierungen Mut kosten, das lineare Supply-Chain-Modell „Take, Make, Waste“ zu überdenken und auf eine Kreislaufwirtschaft überzugehen. Es erfordert ein Umdenken, neue Verhaltensweisen und neue Wege der Zusammenarbeit - kurzum, eine Revolution. Denn eine sinnvolle nachhaltige Entwicklung lässt sich letztendlich nur durch die Zusammenarbeit aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Akteure umsetzen. ■ Katrin Zeiler , Senior Director Zero Waste World und Customer Innovation & Solutions in Europa, verantwortet seit 2020 den Ausbau der 2019 von CHEP gegründeten Initiative ZWW. Zuvor war sie in verschiedenen leitenden Funktionen globaler Innovationsinitiativen in der Logistikbranche tätig, unter anderem als Program Director Innovation Centre Americas und Head of Customer Engagement im Innovation Centre in Deutschland für DHL. Ihre Expertise umfasst die Bereiche Big Data, Augmented Reality (AR), Künstliche Intelligenz (KI), Internet der Dinge (IoT), Robotik und nachhaltige Logistiklösungen. Der Commonwealth Handling Equipment Pool (CHEP) wurde 1945 von der australischen Commonwealth-Regierung gegründet, um die vom U.S.-Militär zurückgelassenen Frachtpaletten einzusammeln, und gehört heute zum australisch-britischen Dienstleistungsanbieter Brambles. www.brambles.com/ zero-waste-world ZUR PERSON
