Internationales Verkehrswesen
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Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 6 IM FOKUS Haifa mit neuer Seilbahn zur Universität I n Haifa können täglich rund 20.000 Studenten und Pendler mit einer Seilbahn zur Universität fahren. Die neue 10er-Gondelbahn „Rakavlit“ führt vom zentral gelegenen Bahn- und Busterminal HaMiFratz zum Technion, dem größten Forschungszentrum Israels, und weiter bis zum Campus der Universität Haifa. Die neue Seilbahn ist die erste urbane Gondelbahn in Israel und integrierter Bestandteil des öffentlichen Verkehrsnetzes. Sie umfasst sechs Stationen - zu Beginn werden drei davon als Ein- und Ausstiegsstationen genutzt. Die Fahrgäste legen die etwa vier Kilometer lange Strecke hoch auf den Mount Carmel in knapp 20 Minuten zurück - ohne Stau und mit einzigartigem Ausblick auf das Meer. Mit der Seilbahn ergeben sich Zeitersparnisse von bis zu 25 Minuten je Richtung, sie ist von morgens bis abends bis zu 19 Stunden in Betrieb. Die Talstation der Seilbahn ist Teil des multimodalen Verkehrsknotenpunkts „HaMiFratz“. Lokalbusse, Fernbusse, der Busschnellverkehr (BRT) „Metronit“ sowie Züge kommen hier zusammen. Bis 2018 wurde HaMiFratz mit dem Ziel modernisiert, den Betrieb effektiver zu gestalten und Umsteigevorgänge für die Fahrgäste zu vereinfachen. Die Seilbahn ist integrierter Bestandteil des städtischen ÖPNV und ein weiterer Schritt in Richtung multimodales, barrierefreies Verkehrssystem in Haifa. Die Fahrgäste können also mit ihrem ÖV-Ticket auch Seilbahn fahren. Der Moblitätshub HaMiFratz bietet den Fahrgästen nicht nur multimodale Verkehrsangebote mit Bahn, Bus und Seilbahn, auch eines der größten Einkaufszentren von Haifa, die meist Cinemall genannte „Lev Hamifratz Mall“, ist hier zu finden. Haifa hat die Seilbahn als öffentliches Verkehrsmittel schon früh entdeckt. Die Standseilbahn Carmelit-Haifa wurde ursprünglich bereits in den 1950er-Jahren erbaut und 2018 nach einem Brand runderneuert. Sie verläuft komplett unterirdisch und wird deshalb auch gerne als Haifas U- Bahn bezeichnet. Die 1,8 Kilometer lange Anlage hat insgesamt sechs Stationen, auch sie ist Teil des städtischen Verkehrsnetzes und in den Tarifverbund integriert. www.doppelmayr.com Foto: Doppelmayr Garaventa Reformieren Mietmodelle der Elektromobilität den KFZ-Markt? O b Kurzzeitmiete, Sharing, Langzeitmiete oder Abonnement - die Mietmodelle der Elektromobilität werden nach Ansicht des Bundesverbandes eMobilität e.V. (BEM) auf Dauer den KFZ-Markt reformieren. Schon heute setzen viele Hersteller auf Leasing-Angebote. Im Jahr 2021 wurden nach Angaben des Statischen Bundesamtes rund 36 Prozent aller privaten PKW in Deutschland per Kredit oder Leasing finanziert. Bei Neuwagen beträgt der Finanzierungsanteil etwa 46 Prozent, bei Gebrauchtwagen ca. 27 Prozent. Immer mehr Firmen entwickeln ihre Geschäftsmodelle weg vom Besitz hin zur Miete: Hersteller, Energieanbieter oder Autovermieter - die Elektromobilität belebt den Mobilitätsmarkt. Das bekräftigt BEM-Präsident Kurt Sigl: „Wer sich nicht mehr um Kauf, Versicherung, Energiekosten und Reparaturen kümmern will, erlebt mit Mietmodellen der Elektromobilität eine völlig neue Service-Kategorie, welche die bisherige Fahrzeugnutzung deutlich in Frage stellen wird.“ Auch BEM-Mitglied Starcar, einer der größten Autovermieter in Deutschland, investiert in die Vermietung elektrischer Fahrzeuge. Diese können insbesondere für die schnelle Verfügbarkeit online gebucht werden; im Paket sind dann jeweils eine Ladekarte und auch die Ladekosten enthalten. „Als Teil der Autovermieterbranche sind wir mehr als bereit, den Ausbau von Elektromobilität mitzugestalten. Dafür bedarf es jedoch in Sachen Anschaffung und vor allem Betrieb der Fahrzeuge einer anfänglichen, aber umfassenden Unterstützung seitens der Politik“, sagte Sören Wohler, Geschäftsführer bei Starcar GmbH Kraftfahrzeugvermietung, und verwies auf die hohen CO 2 - Einsparungen sowie den hohen Marketing- Effekt der eFahrzeuge auf bisherige Verbrenner-Auto-Nutzer. www.bem-ev.de Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 7 IM FOKUS PendelLabor: Perspektiven des Pendelns erforscht D er Pendelverkehr in Deutschland ging im Zuge der Corona-Pandemie deutlich zurück. Doch mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht könnte sich der ursprüngliche Trend fortsetzen: Das Pendelaufkommen hatte sich zuletzt stetig erhöht. Wie eine nachhaltige Stadt-Umland-Mobilität zwischen Wohn- und Arbeitsort zukünftig aussehen kann, wird im Forschungsprojekt „PendelLabor“ am Beispiel der Region Frankfurt Rhein-Main untersucht. Das Projektteam unter der Leitung des ISOE - Institut für sozial-ökologische Forschung hat einen Report erstellt, der den Forschungsstand und Perspektiven zum Pendeln zusammenfasst. Der Report ist in der ISOE-Publikationsreihe „Materialien Soziale Ökologie“ erschienen. Das Forschungsteam aus Forschung und Praxis hat die Datenlage zur Pendelmobilität für die Region Frankfurt und Umland ausgewertet und einen Forschungsansatz entwickelt, der es - auch für andere Regionen - ermöglicht, Pendeln ganzheitlich zu betrachten und die komplexen Wegeketten, Aktivitäten und Motive der Pendelnden zu erfassen. Die Publikation stellt auch Szenarien für mögliche Entwicklungen vor. Die Forschenden haben hierfür eine weitreichende Literaturrecherche und Experten-Workshops durchgeführt. Der Ansatz, den das Autorenteam verfolgt, geht davon aus, dass Pendeln weit mehr ist, als die herkömmliche Definition suggeriert. Demnach gelten lediglich Beschäftigte, die für ihren Arbeitsweg zwischen Wohnung und Arbeitsort die Grenze der Wohngemeinde überschreiten, als pendelnd. Bei dieser Engführung der Definition werden Selbstständige, Beamte, Schüler und Studierende jedoch nicht berücksichtigt. Zudem fallen Wege, die innerhalb einer Gemeinde verlaufen, nicht unter diese Definition. Dies bilde das Geschehen vor allem in Großstädten aus Sicht der Mobilitätsexpertinnen und Mobilitätsexperten unzureichend ab. Für nachhaltige Lösungsansätze, die die Verkehrswende weiter voranbringen, sei ein vollständiges Bild von der komplexen Pendelmobilität notwendig. Der integrierte Blick auf die verschiedenen Einflüsse auf das Pendeln und die Wirkungen, die davon ausgehen, ermöglicht es den Forschenden, Zusammenhänge zwischen Pendelverkehr, Individuum und Haushalt, Erwerbsarbeit und Unternehmen sowie Siedlungs- und Raumstruktur zu ermitteln. Das sei eine wichtige Voraussetzung, um passende Maßnahmen für Pendler, Kommunen und Unternehmen zu entwickeln und Pendeln künftig sozial- und umweltverträglicher zu gestalten. Im transdisziplinären Forschungsprojekt PendelLabor werden solche Maßnahmen in einem nächsten Schritt auf der Grundlage von sozialempirischen Ergebnissen in einem Realexperiment entwickelt. ww.isoe-publikationen.de Foto: MentatDgt / Pexels Wasserstoff-Großprojekt mit 600 MW in Schweden D ie Projektgesellschaft Storgrundet Offshore AB der Windpark-Entwicklungsgesellschaft WPD und der französische Full- Service-Anbieter von grünem Wasserstoff Lhyfe installieren gemeinsam eine 600 MW- Wasserstoff-Produktionsanlage in Schweden. In Zukunft können vor Ort so täglich bis zu 240 t Grüner Wasserstoff produziert werden, die Anwendung in der Industrie als auch im Verkehrssektor finden sollen. Die Anlage soll ab 2025 im Zuge mehrerer Projektphasen errichtet werden und gehört nach Fertigstellung zu einer der größten Wasserstoff-Produktionsstätten Europas. Um die energieintensiven Branchen in Europa in der Umstellung auf klimafreundliche und heimische Energieversorgung zu unterstützen, setzen beide Unternehmen auf 100% Grünen Wasserstoff. Die Produktionsanlage wird in unmittelbarer Nähe zum Offshore-Windpark Storgrundet im Industriegebiet der Gemeinde Söderhamm, rund 250 km nördlich der Hauptstadt Stockholm, errichtet, die installierte Leistung des Windparks soll künftig auf 1 GW ausgebaut werden. Eine Direktverbindung der Wasserstoff-Produktion zum Windpark gewährleistet so den Bezug ausschließlich erneuerbarer Energie. „Die Bedingungen in Schweden sind optimal“, sagt Luc Graré, Head of International Business von Lhyfe. „Die sehr guten Windverhältnisse sowie die ehrgeizigen Klimaziele des Landes bieten sehr gute Voraussetzungen für den Erfolg unseres gemeinsamen Projekts. Die Zusammenarbeit mit WPD und die Anbindung an das Windprojekt Storgrundet schaffen großes Potenzial für die Dekarbonisierung entsprechender Industrien und des Verkehrssektors. Unsere Projektbeteiligungen in den nordischen Ländern setzen ein ambitioniertes Zeichen an diese wachsende Wasserstoffbranche und gehen so mit gutem Beispiel voran.“ Die enorme Leistung des Windparks verhilft den Projektpartnern außerdem dazu, das Kostenniveau des Grünen Wasserstoffs langfristig zu senken. Interessant ist dies vor allem für alle Abnehmer, die in der unmittelbaren Umgebung des Projektes niedergelassen sind. Zudem bietet das Großprojekt das Potenzial, an das Nordic Hydrogen Backbone angebunden zu werden. WPD, 1996 in Bremen gegründet, ist weltweit agierender Entwickler und Betreiber von Windparks und Solarprojekten. Lhyfe bietet eine große Vielzahl an Projektbeteiligungen in ganz Europa. Das Unternehmen nahm 2021 die weltweit erste Wasserstoff-Produktionsanlage in Betrieb, die durch eine Direktanbindung an Onshore- Windenergie Grünen Wasserstoff in industriellem Maßstab herstellt. www.wpd.de, www.lhyfe.com Foto: Maria Kray / pixabay Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 8 IM FOKUS KI-Lösung zur automatisierten Echtzeit-Erkennung von-Cyber-Angriffen T rotz hoher Anforderungen im Rahmen gesetzlicher Vorgaben wie dem IT-Sicherheitsgesetz oder der Einführung von IT- Sicherheits -Mana g ements y stemen (ISMS) bleiben Energieversorger - und damit auch die von sicherer Energieversorgung abhängigen Betriebe und Kommunen - im Fokus von Cyber-Angriffen. Besonders sensibel sind dabei die für einen sicheren Netzbetrieb zuständigen Netzleitwarten. In ihnen werden täglich tausende Daten und Messwerte analysiert, daraus kritische Betriebssituationen erkannt und entsprechende Schalt- und Regelvorgänge abgeleitet. Verschafft sich ein Angreifer hier von außen Zugriff und werden z.B. Messwerte absichtlich manipuliert, kann das zu falschen Schalthandlungen bis hin zum Blackout als Worst-Case-Szenario führen. Für einen sicheren Netzbetrieb sind daher neue Ansätze notwendig, die automatisiert und in Echtzeit sämtliche Netzwerk- und Prozessinformationen zwischen Netz- und Leitsystem überwachen und auf Manipulationen prüfen. Im vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Forschungsprojekt „Digital-Twin-zentrische Dienste und Applikationen für den dynamischen Betrieb und den Schutz des zukünftigen Energieversorgungssystems“ (HyLITE) haben Forschende des Fraunhofer IOSB-AST nun eine passende Lösung entwickelt. Das Ergebnis ist eine KI-unterstützte, intelligente Überwachungslösung für Netzleitsysteme, welche zunächst das Normalverhalten auf Mess- und Kommunikationsebene automatisch anlernt. Die Software kann dabei nicht nur die aktuelle Betriebssituation sowie technische Ausfälle oder Störungen, sondern auch Anomalien in den Messwerten bzw. im Datenverkehr zwischen elektrischem Netz und Leitsystem erkennen. Damit ist eine ganzheitliche Überwachung des Netzbetriebs und der eingesetzten Kommunikationsmittel für den verantwortlichen Operator in Echtzeit möglich. Der Zugang erfolgt über eine webbasierte Echtzeitvisualisierung, die einen schnellen Überblick über die KI-gestützte Anomaliebewertungen ermöglicht. Die KI-Lösung soll nun potenziellen Kunden zur Integration in den Netzbetrieb zur Verfügung gestellt werden. www.iosb-ast.fraunhofer.de Rangierbahnhof München-Nord: Zugbildungsanlage wird erneuert D ie Anlagen des 1991 in Betrieb genommenen Rangierbahnhofs München- Nord sind veraltet und wartungsintensiv und sollen nun modernisiert werden. Im Rahmen einer Ingenieurgemeinschaft übernimmt Sweco bei dem Projekt die Leistungen der Bauüberwachung. Diese umfasst die leitende Bauüberwachung der Gesamtmaßnahme, die Bauüberwachung in den Bereichen des Oberbaus sowie des konstruktiven Ingenieurbaus, die Schweißüberwachung sowie in einem anderen Los die Bauüberwachung der Leit- und Sicherungstechnik. Neben der technischen Erneuerung soll auch die Optimierung des Ablaufbetriebes im Fokus stehen. Am Münchner Rangierbahnhof findet der Güterwagen-Umschlag für ganz Südbayern statt. Die Güterwagen werden hier zu Zügen zusammengestellt und fahren anschließend unter anderem nach Österreich oder Italien. Auch Güterzüge aus den deutschen Seehäfen fahren den Bahnhof an. Um die Verfügbarkeit sicherzustellen und die Instandhaltungskosten zu minimieren, müssen sowohl die Ablaufsteuerung als auch die Rangiertechnik erneuert werden. Mithilfe der sogenannten Laufzielbremsung wird außerdem die Wirtschaftlichkeit und Rangierqualität des rangiertechnischen Verfahrens auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Gleichzeitig erfolgt die Erneuerung des kompletten Oberbaus der Richtungsgruppen 2 bis 4. Das Gefälle der Gleisanlagen wird vereinheitlicht und angepasst. Zusätzlich werden abgängige Weichen erneuert. Um Synergieeffekte zu nutzen, werden die Maßnahmen gemeinsam umgesetzt. Insgesamt müssen rund 21 Kilometer Gleise umgebaut sowie rund 50 Weichen und 25 Richtungsgleisbremsen erneuert werden. Auch Kabeltiefbau-Erneuerungen und Kabelverlegearbeiten mit Querungen von Gleisen oder Schächten müssen durchgeführt werden. Ziel ist es, die Zugabfertigung zu automatisieren, die Kapazität des Rangierbahnhofs München-Nord zu steigern und so dafür zu sorgen, dass Güterzüge künftig schneller, flexibler und häufiger abfahren können, wesentliche Voraussetzung für eine umweltfreundliche Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene. Die aktuell geplanten Umbauarbeiten am Rangierbahnhof München-Nord sollen Ende 2023 abgeschlossen werden. www.sweco-gmbh.de Foto: Miguel á Padriñán / Pexels Foto: Christian Leisch / Sweco GmbH Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 9 IM FOKUS Open-B2B-Sharing für Kleinunternehmen in Logistik und-Verkehr D ie Sharing Economy hat sich zu einem bedeutsamen Treiber für Wachstum und Nachhaltigkeit im Konsumentensektor (B2C) entwickelt. Sie beruht auf dem Prinzip des Teilens und bietet Zugang zu Ressourcen, ohne dabei finanzielle oder soziale Kosten des Eigentums beanspruchen zu müssen. Dadurch können Wirtschaftsgüter effizienter und nachhaltiger genutzt werden. Besonders für kleine Unternehmen ist es jedoch nicht immer leicht, geeignete Sharing-Strukturen aufzubauen. Im Forschungsprojekt Open-B2B-Sharing sollen die Chancen und Risiken zur Nutzung der Sharing Economy speziell für diese Unternehmen untersucht werden. Beteiligt an dem Vorhaben sind Forschende der Hochschule RheinMain in Kooperation mit der Frankfurt University of Applied Sciences, der Mewa Textil-Service AG und Co. Management OHG, der Handwerkskammer Wiesbaden sowie der IHK Wiesbaden. Im Fokus stehen geeignete Geschäftsmodelle für Kleinunternehmen, umgesetzt durch spezielle Logistiklösungen. Die im Projekt untersuchten Sharing-Konzepte zielen auf institutionelle Abwicklungen, also Geschäfte zwischen Unternehmen (B2B). Zunächst soll eine explorative Studie durchgeführt werden, um die Wirkungszusammenhänge gewerblichen Teilens zu verstehen. In einer Feldstudie werden dann die Ergebnisse empirisch und sachlogisch validiert und das institutionelle Teilen über ausgesuchte Logistiklösungen im urbanen Umfeld realisiert. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, den idealen Ort „asynchroner Warenübergaben“ zu finden und städtische Verkehrsströme umweltgerecht zu bündeln. Eine geeignete Plattform wiederum soll die physischen Austauschprozesse zwischen Sharing-Anbieter und Sharing-Nutzer systematisch ermöglichen. Wenn zum Beispiel ein Handwerksbetrieb seine Arbeitskleidung nicht länger kauft, sondern von einem Textildienstleister mietet, wird verschmutzte Kleidung normalerweise vom Dienstleister eingesammelt, gereinigt und wieder ausgeliefert. Das Forschungsvorhaben untersucht nun, ob dieser Vorgang statt mittels klassischem Direkttransport über moderne Logistik-Hubs wie etwa Packstationen abgewickelt werden kann - rund um die Uhr, jedoch mit aktiver Teilnahme beider Seiten. Erforscht wird also unter anderem, ob Textildienstleister und Handwerksbetriebe überhaupt Interesse daran haben, ein solches Verfahren durchzuführen. Gespannt sind die Forschenden auch, inwieweit clever positionierte Umschlagsplätze den innerstädtischen Verkehr entlasten, welche elektrifizierten Transportmittel wie etwa Lastenräder sinnvoll auf der Letzten Meile einzusetzen sind und wie einfach Ideen zur Sharing-Economy im institutionellen Kontext (B2B) überhaupt umsetzbar sind. Das Projekt wird aus Mitteln des Landes Hessen und der HOLM-Förderung im Rahmen der Maßnahme „Innovationen im Bereich Logistik und Mobilität“ des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen gefördert. www.hs-rm.de Foto: Ismael Paramo / Unsplash German Airways und Wingcopter forcieren Offshore-Lieferungen mit Drohnen D ie Zeitfracht-Gruppe und German Airways werden Drohnen in der Logistik kommerziell einsetzen: Sie vereinbarten mit dem deutschen Hersteller Wingcopter jetzt den Kauf von 17 Transportdrohnen vom Typ Wingcopter 198 und Bestelloptionen auf 115 zusätzliche Fluggeräte in zwei weiteren Tranchen bis Ende 2023. Das Fluggerät soll ab dem zweiten Halbjahr 2024 eingesetzt werden - zunächst offshore etwa für Ersatzteillieferungen in Windparks. In diesem Geschäft ist die Zeitfracht- Gruppe bereits mit ihrer Spezialreederei Opus Marine erfolgreich tätig. Entsprechend technisch anspruchsvoll ist der Einsatz der Lieferdrohnen: Sie müssen auch auf einem fahrenden Schiff punktgenau landen können. German Airways und Wingcopter werden bei der Entwicklung dieses Features eng zusammenarbeiten. German Airways erfüllt als Unternehmen mit einem Luftverkehrsbetreiber-Zeugnis (AOC) bereits wesentliche Voraussetzungen, um die Wingcopter-Lieferdrohnen in der „specific category“ und später auch in der „certified category“ betreiben zu können. Zudem ist German Airways IOSA zertifiziert und arbeitet damit nach den höchsten international vereinbarten Standards der internationalen Luftfahrtbehörde IATA. Die Wingcopter werden vom Flughafen Rostock-Laage aus starten, der seit Jahresbeginn ebenfalls zur Zeitfracht- Gruppe gehört und dem Entwicklungsteam von Wingcopter ein ideales Umfeld für ausgedehnte Testflüge sowie Räumlichkeiten für Messungen und die Auswertung der dabei gesammelten Daten bietet. Die von Wingcopter entwickelten Drohnen können mit einer Nutzlast von bis zu fünf Kilogramm beladen werden und schaffen - je nach Zuladung - eine Strecke zwischen 75 und 110 Kilometern. Die Fluggeräte des im südhessischen Weiterstadt ansässigen Unternehmens wurden von German Airways ausgewählt, weil sie besonders wind- und wetterstabil fliegen können und in Hinsicht auf das Verhältnis von Zuladung und Reichweite weltweit führend sind. Sie starten senkrecht, ohne zusätzliche Infrastruktur zu benötigen, und bewegen sich anschließend im Flug wie ein normales Flugzeug horizontal vorwärts. Durch ihren rein elektrischen Antrieb leisten die Wingcopter-Lieferdrohnen auch einen Beitrag zu einer emissionsfreien Logistik. www.zeitfracht.de, www.wingcopter.com Foto: Wingcopter Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 10 IM FOKUS Komplette LKW-Disposition in der Cloud O pheo Solutions verfügt mit Opheo 7.0 über eine neue Version des Transportleitstands, der jetzt erstmals auch als Cloud-Lösung angeboten wird. Außerdem soll die neue Version eine bessere Integration der vor- und nachgelagerten Prozesse wie zum Beispiel der Kommissionierung ermöglichen. Die ebenfalls weiterentwickelte automatische Pausenplanung, die auch den Abgleich von Plan- und Ist-Pausen umfasst, sorgt für einen optimierten Einsatz der Fahrer und entlastet die Disponenten. Hohe Zeiteinsparungen gewährleistet auch die automatische Benachrichtigungsfunktion (siehe Bild), mit der alle Prozessbeteiligten vom Auftraggeber bis zum Fahrer über Pläne, Verschiebungen und den aktuellen Lieferstatus informiert werden. Eine verbesserte Visualisierung und Standort-Lokalisierung durch den Einsatz von Satellitenkarten rundet das Neuheiten- Spektrum ab. Die neue Opheo-Version ist neben der neuen SaaS-Lösung (Software as a Service) in der Cloud weiterhin als On- Premise-Lösung erhältlich. In beiden System-Varianten ist der komplette Leistungsumfang identisch enthalten. Ermöglicht wird dies durch den Einsatz der Virtual Desktop Technologie der von Microsoft bereitgestellten Azure Cloud, bei der Kunden ohne kostenintensive Investition in eigene Serverinfrastruktur und IT- Personal auskommen. Dazu lässt sie sich im Fall eines veränderten Nutzungsumfangs nahezu beliebig skalieren - neue Standorte und Nutzer werden ad hoc freigeschaltet und sind sofort einsatzbereit. Die seit der Corona-Pandemie deutlich gestiegenen Anforderungen an mobiles Arbeiten werden durch die Cloud-basierte Lösung nun komplett abgebildet, sodass die Disposition nicht mehr ortsgebunden, sondern auch aus dem Homeoffice vollumfänglich arbeiten kann. Auch in Sachen Systemaktualität, Backups und Ausfallsicherheit bietet die Cloudbasierte Lösung eine Betriebsqualität, die On-Premise nur mit hohen Kosten realisiert werden kann. So garantiert Microsoft eine qualitative Verfügbarkeit der Infrastruktur bei Nutzung der Azure Cloud Services von 99,95 Prozent. Daten und Anwendungen werden dabei ausschließlich in Europa gespeichert. Zudem werden die Implementationszeiten bei der Software-Einführung mit der Cloud-basierten Lösung deutlich reduziert. Weitere Neuerung ist die stärkere Integration der vor- und nachgelagerten Prozesse des Kunden. Der Transportleitstand kann mit fast allen Warenwirtschafts- oder Lagerverwaltungssystemen Bewegungsdaten laufender und geplanter Aufträge austauschen. Damit lässt sich zum Beispiel der aktuelle Kommissionier-Fortschritt mit der tatsächlichen Anzahl der benötigten Paletten feststellen und in der Tourenplanung mit aktualisierten Frachtraum-Kapazitäten berücksichtigen. Zudem sieht der Disponent permanent, wann welche Waren zum Beladen bereitstehen, und wird bei Problemen gewarnt. Zeitaufwändige Rücksprachen sind nicht mehr erforderlich. Auch die Rampenzuweisung kann auf diese Weise optimiert werden. www.opheo.com Foto: Opheo Auswirkungen autonomer Mobilitätsdienste auf den öffentlichen Verkehr W ie werden sich das Aufkommen autonomer Fahrzeuge und neue Mobilitätsdienste auf öffentliche Verkehrssysteme und die Verkehrssituation in Städten auswirken? Eine aktuelle Studie untersuchte, welche Potenziale und Risiken in der schwedischen Stadt Göteborg durch elektrische, fahrerlose Sharing-Dienste entstehen. Ziel des Forschungsprojekts war es, mögliche Auswirkungen des autonomen Fahrens auf die Stadt zu analysieren. Dafür wurden verschiedene Zukunftsszenarien mithilfe der multimodalen Modellierungsplattform von Göteborg auf Basis der Software PTV Visum modelliert. In der virtuellen Umgebung der Plattform untersuchten die Forschenden zahlreiche Entwicklungen und konzentrierten sich dabei auf zwei Ausprägungen: Carsharing, bei dem reisende Personen die autonomen Fahrzeuge wie Privatautos nutzen, und Ridesharing, bei dem selbstfahrende Busse oder Shuttles mit anderen Fahrgästen geteilt werden. Das Projektteam untersuchte verschiedene Szenarien: Was passiert zum Beispiel, wenn ein Drittel der heutigen Autofahrten per autonomem Ridesharing absolviert werden? Wie wirkt es sich aus, wenn alle Menschen vom privaten PKW und von öffentlichen Verkehrsmitteln auf Carsharing oder auf gemeinsam genutzte, selbstfahrende Dienste wechseln? Das Projektteam analysierte verschiedene Parameter wie Reisezeiten, die Anzahl der Fahrzeuge und die pro Fahrzeug zurückgelegten Kilometer. Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die vermehrte Nutzung selbstfahrender Fahrzeuge nicht automatisch weniger Verkehr bedeutet. Die Gesamtzahl der Fahrzeuge im Verkehrsnetz kann variieren, ohne dass sich das Verkehrsaufkommen verringert. Zum Beispiel, weil durch autonome Dienste zwar weniger Fahrzeuge unterwegs sind, diese aber mehr fahren. So führten mehrere der simulierten Szenarien zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen. Auf Schwedisch steht die Studie zum Download bereit: www.drivesweden.net/ sites/ default/ files/ content/ bilder/ slutrapport_eldsjal_k8.pdf www.ptvgroup.com
