Internationales Verkehrswesen
iv
0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/IV-2022-0037
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2022
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Potenzialanalyse vernetzter multimodaler Mobilität in der Schweiz
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2022
Ueli Haefeli
Frank Bruns
Tobias Arnold
Ralph Straumann
Die Vernetzung multimodaler Mobilitätsdienstleistungen aufgrund technologischer Entwicklungen und neuer Angebotsformen bietet vielfältige Chancen, aber auch Risiken für eine nachhaltigere Mobilität. Im Rahmen der im Artikel vorgestellten Studie wurden die Potenziale in der Schweiz mit Blick auf das Jahr 2030 behandelt. Die Verlagerungswirkung beläuft sich auf 0,8 % der Personenkilometer. Durch den
Einsatz von App-basierten Technologien sowie Plattformen mit MaaS-Angeboten eröffnen sich der Bildung von Fahrgemeinschaften neue Optionen. Für 2030 resultierte eine Reduktion von 0,82 % der
gesamten Fahrleistungen.
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Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 50 Potenzialanalyse vernetzter multimodaler Mobilität in der Schweiz Verlagerungswirkungen, Erhöhung des Fahrzeugbesetzungsgrades sowie Reduktion Organisationsaufwand für Reisende im ÖV Multimodalität, Mobility as a Service, Potenzialanalyse, Verlagerungswirkungen, Schweiz, Verkehrspolitik Die Vernetzung multimodaler Mobilitätsdienstleistungen aufgrund technologischer Entwicklungen und neuer Angebotsformen bietet vielfältige Chancen, aber auch Risiken für eine nachhaltigere Mobilität. Im Rahmen der im Artikel vorgestellten Studie wurden die Potenziale in der Schweiz mit Blick auf das Jahr 2030 behandelt. Die Verlagerungswirkung beläuft sich auf 0,8 % der Personenkilometer. Durch den Einsatz von App-basierten Technologien sowie Plattformen mit MaaS-Angeboten eröffnen sich der Bildung von Fahrgemeinschaften neue Optionen. Für 2030 resultierte eine Reduktion von 0,82 % der gesamten Fahrleistungen. Ueli Haefeli, Frank Bruns, Tobias Arnold, Ralph Straumann D ie Vernetzung multimodaler Mobilitätsdienstleistungen aufgrund technologischer Entwicklungen und neuer Angebotsformen bietet vielfältige Chancen, aber auch Risiken für eine nachhaltigere Abwicklung der Mobilität. Bei der Weiterentwicklung der Multimodalität dürften solche Dienstleistungen eine zentrale Rolle spielen. Im Rahmen der hier vorgestellten zwei Studien aus der Schweiz wurden die verkehrlichen Potenziale und volkswirtschaftlichen Auswirkungen von vernetzten multimodalen Mobilitätsdienstleistungen (VMM) mit Blick auf das Zieljahr 2030 behandelt. 1 Die Untersuchung fokussierte dabei auf die folgenden Aspekte von VMM: •• Welche Verlagerungswirkungen vom motorisierten Individualverkehr (MIV) auf den ÖV (Öffentlicher Verkehr) sind zu erwarten? •• Wie können VMM zur Erhöhung des Fahrzeugbesetzungsgrads im MIV beitragen? •• Welche volkswirtschaftlichen Nutzen durch VMM sind zu erwarten? Foto: Ernesto Velázquez / pixabay MOBILITÄT Mobilitätsdienstleistung Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 51 Mobilitätsdienstleistung MOBILITÄT •• Welche Umweltwirkungen erzielt VMM? •• Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus unterschiedlichen Regulierungsszenarien? Damit sind selbstverständlich nicht alle denkbaren Wirkungen von VMM abgedeckt, aber aus Sicht der Autoren die bezüglich Verkehrsleistungen wichtigsten. 2 Angesichts rasanter Technologieentwicklung ist der Prognosehorizont 2030 verhältnismäßig lang, die Ergebnisse sind deshalb mit einer gewissen Vorsicht aufzufassen. Wichtiger als exakte Zahlen scheinen die Größenordnungen und die Einschätzungen der Wirkungen auf die Marktakteure sowie die Überlegungen zur Steuerung durch die öffentliche Hand. Das in Bild 1 dargestellte Wirkungsmodell gibt eine Übersicht über die unterstellten Wirkungszusammenhänge. Wirkungen von VMM auf die Verkehrsverlagerungen Verlagerungspotenzial vom MIV auf den ÖV ergibt sich unter anderem aufgrund einer Reduktion des Organisationsaufwandes für intermodale Fahrten durch VMM. Auf Basis des Mikrozensus Mobilität und Verkehr 3 wurden 15 Anwendungsfälle eruiert, bei denen das größte Verlagerungspotenzial zu erwarten ist. Diese Anwendungsfälle decken alle Verkehrsmittel, Zwecke und Räume ab und machen in der Summe etwa rund drei Viertel der in der Schweiz zurückgelegten Personenkilometer (Pkm) aus. Die ermittelte Verlagerungswirkung beläuft sich auf 0,8 % der Personenkilometer (Bandbreite 0,5 bis 1,1 %). Auf dieser Basis werden im Zieljahr 2030 aufgrund von VMM etwa 1,13- Mrd. Pkm oder etwa 0,68 Mrd. Fahrzeugkilometer (Fzkm) vom MIV auf den ÖV verlagert. Wie lassen sich diese Ergebnisse einordnen? Ein Blick auf die langfristige Entwicklung des Modal Splits in der Schweiz zeigt, dass sich dieser in den letzten 50 Jahren als sehr stabil erwiesen hat, obwohl unter anderem seit 1970 die staatlichen Investitionen in den öffentlichen Verkehr massiv zugenommen haben. Eine Modal-Split-Verschiebung von 0,8 % fällt deshalb ins Gewicht. Die Verkehrsverlagerung durch VMM erzeugt einen volkswirtschaftlichen Nutzen in Höhe von rund 580 Mio. CHF pro Jahr. Dabei sind keine allfälligen Zusatzkosten von Mobilitätsanbietern (z. B. längere Züge, mehr Buskurse usw.) enthalten. Den höchsten Nutzenanteil generieren mit rund 64 % die Umsteigenden und die Erträge der Verkehrsunternehmen. Erhöhung des PW-Besetzungsgrades VMM können neben der Verlagerungswirkung auch einen Beitrag zur Erhöhung des Besetzungsgrades im MIV leisten. 4 Durch den Einsatz von App-basierten Technologien sowie Plattformen mit MaaS-Angeboten (MaaS = Mobility as a Service 5 ) eröffnen sich der Bildung von Fahrgemeinschaften allerdings vielversprechende neue Optionen. Für das Zieljahr 2030 resultierte aufgrund der Erhöhung des Besetzungsgrades eine Reduktion von 360 Mio. Fzkm, was 0,66 % der gesamten Fahrleistungen entspricht (Bandbreite 0,44 bis 0,89 %). Die Erhöhung des PW-Besetzungsgrades durch VMM erzeugt einen volkswirtschaftlichen Nutzen in Höhe von rund 165 Mio. CHF je Jahr. Der Nutzen resultiert vor allem aus der Reduktion der PW-Betriebskosten durch vermiedene PW-Fahrten (Nutzenanteil: 44 %) und der Erhöhung der Verkehrssicherheit (Nutzenanteil: 36 %). Die Verbesserungen für die Umwelt tragen zu rund 20 % an den Nutzen bei. Weitere volkswirtschaftliche Nutzen und Gesamtnutzen Auch Reisende im ÖV können durch multimodale Anwendungen zusätzlichen Nutzen erzielen, so beispielsweise durch verbesserte Informationen zur Sitzplatzverfügbarkeit oder durch einen verbesserten Zu- und Abgang zum ÖV. Unter der Annahme, dass VMM dank den vorgängig beschriebenen Verbesserungen den Organisationsaufwand für jeden Weg im Durchschnitt um eine Minute senkt, ergibt sich ein Nutzen gemäß dem Bewertungsverfahren NISTRA (Nachhaltigkeitsindikatoren für Straßeninfrastrukturprojekte) 6 in Höhe von 593 Mio. CHF. Input (Konzept, Umsetzung, Output) Rahmenbedingungen für inter- und multimodale Mobilität (Typologien von Instrumenten gemäss Kaufmann-Hayoz 2006) Mobilitätsnachfrager: Erkennen das Potenzial der mmM und verändern entsprechend ihr Mobilitätsverhalten bezüglich - Verkehrsmittelwahl - Besitz Mobilitätswerkzeuge - Zielwahl neue Fahrten - … Die Veränderungen können je nach Zielgruppe sehr unterschiedlich sein. - Gebote und Verbote: z.B. Anpassungen des Personenbeförderungsgesetzes, Regulierung von Datenschutzfragen - Marktwirtschaftliche Instrumente: z.B. Verteuerung bzw. Vergünstigung von Verkehrsmitteln, Flatrate-Ansatz - Serviceinstrumente: z.B. Dateninfrastruktur für multimodale Reiseinformationen, Plattformen für den Austausch von Geo-, Betriebs-, Vertriebs- und Preisdaten - Infrastrukturinstrumente: z.B. Park&Ride, Mobility Hubs - Vereinbarungen: z.B. Internationale Standardisierungen/ Harmonisierungen (z.B. mit EU-Richtlinien) - Kommunikations- und Diffusionsinstrumente: z.B. Sensibilisierungskampagnen, gemeinsames Zielbild innerhalb der Verwaltung Outcome Verhaltensänderungen bei Zielgruppen Impact Volkswirtschaftliche Effekte und Ressourcenschonung Mobilitätsanbieter: Betreiber und Beförderer erkennen die Potenziale der mmM, adaptieren bisherige und entwickeln neue Geschäftsmodelle Vermittler: Mobilitätsdienstleister entwickeln neue Angebote der mmM und fungieren als Schnittstelle zwischen Mobilitätsanbietern und Mobilitätsnachfragern Volkswirtschaftliche Effekte: - Erhöhung des Marktanteils der mmM - Innovationen in einzelnen Branchen - Vermiedene direkte bzw. externe Kosten - Einsparungen bzw. Kosten der öffentlichen Hand - Kaufkraftgewinn aufgrund der Veränderung der Mobilitätswerkzeuge in den Haushalten Effekte hinsichtlich Ressourcenschonung: - Verringerung des Energieverbrauchs - Verringerung des CO 2 -Ausstosses - Verbesserung der Luftqualität - Verringerung des Landverbrauchs - Verringerung der Lärmbelastung - Rebound Effekte? Weitere Effekte: - Internationale Vernetzung - Lebens- und Erschliessungsqualität von Agglomerationen Digitale Angebote zur Förderung der mmM: Mobility as a Service (MaaS) Anwendungsfälle in der mmM: Verkehrliche Effekte: - Veränderung des Verkehrsaufkommens: global und bezogen auf einzelne Verkehrsmittel (Reduktion? Induzierter Verkehr? ) - Veränderung der Mobilitätswerkzeuge in den Haushalten (z.B. Reduktion des Autobesitzes) - Effekte auf die Infrastrukturauslastung Bild 1: Wirkungsmodell Quelle: Autoren Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 52 MOBILITÄT Mobilitätsdienstleistung Dieser Nutzen entsteht vollumfänglich bei den Reisenden. Insgesamt beträgt der Nutzen von VMM aus Verlagerung, Erhöhung des PW-Besetzungsgrades und sinkendem Organisationsaufwand der ÖV-Reisenden in der Summe 1,338 Mrd. CHF je Jahr (inkl. Umweltwirkungen). Zusatzkosten für Mobilitätsanbieter (ÖV-Anbieter und Verkehrsunternehmen Erste/ Letzte Meile) aufgrund der Verlagerung konnten hier nicht ermittelt werden. Es sollte den Mobilitätsanbietern möglich sein, die Zusatzkosten deutlich niedriger als den Nutzen zu halten. Im Rahmen der volkswirtschaftlichen Analysen wurde auch die Wertschöpfung durch VMM betrachtet. Die Wertschöpfung entspricht im Wesentlichen der Summe der Gehälter und dem erzielten Gewinn in einer Volkswirtschaft. Mit der Reduktion der PW-Fahrleistungen durch Verlagerung von MIV auf den ÖV und der Erhöhung des Besetzungsgrades der Fahrzeuge erhöht sich per Saldo die Wertschöpfung in der Schweiz je nach Betrachtungsansatz um 20 bis 105 Mio. CHF je Jahr. Dies entspricht circa 250 bis 1.300-zusätzlichen Vollzeit-Beschäftigten. Umweltwirkungen Die Umweltwirkungen von vernetzter (multimodaler) Mobilität sind gemäß unseren Ergebnissen immer positiv, auch wenn mit induziertem Neuverkehr 7 zu rechnen ist (vgl. dazu Bild 2). 8 Vernetzte (multimodale) Mobilität ist also nicht nur aus einer übergreifenden volkswirtschaftlichen Perspektive, sondern auch spezifisch bezogen auf die Umweltbilanz im Interesse der Allgemeinheit. Die Bandbreiten reflektieren, dass zehnjährige Prognosen immer mit beträchtlichen Unsicherheiten verbunden sind. Die in Prozent ausgedrückten Verlagerungen vom MIV auf den ÖV respektive die Erhöhung des Besetzungsgrads mögen klein wirken. Die in absoluten Zahlen ausgedrückten Umweltwirkungen sowie der damit einhergehende volkwirtschaftliche Nutzen zeigen jedoch, dass vernetzte (multimodale) Mobilität für die zukünftige Entwicklung eines nachhaltigen Verkehrssystems keineswegs zu vernachlässigen ist. Drei Regulierungsszenarien der Marktentwicklung In der Studie wurden drei Szenarien zur Akteursstruktur erstellt und bezüglich Chancen und Risiken für die Marktakteure und die öffentliche Hand analysiert. Szenario Closed: Da der Vertrieb der Mobilitätsanbieter und ihre relevanten Daten (Betriebs-, Preis, Geo- und Vertriebsdaten) für Akteure ausserhalb des ÖV nicht zugänglich sind, werden klassische ÖV-Transportunternehmen in diesem Szenario zu dominanten Mobilitätsvermittlern. Die Integration der verschiedenen Angebotsteile für die Mobilitätsvermittlung erfolgt durch die Erweiterung klassischer ÖV-Plattformen. Im Szenario Middle ist der Vertrieb der ÖV-Mobilitätsanbieter offen, der Vertrieb anderer Mobilitätsanbieter wenig bis teilweise offen, und es gibt Ansätze von Datenaustausch zwischen den Akteuren. Es ist denkbar, dass für den Datenaustausch eine freiwillig nutzbare, zentrale Dateninfrastruktur bereitgestellt wird. In diesem Setting etablieren sich klassische Transportunternehmen und spezialisierte MaaS-Firmen als dominante Mobilitätsvermittler. Im Szenario Open sind der Vertrieb sowie alle relevanten Daten aller Mobilitätsanbieter für alle anderen Akteure offen nutzbar. Dieses Szenario ist nicht zu verwechseln mit einem Laissez-Faire-Szenario, da das Szenario Open unter anderem eine proaktive und eher stark regulierende öffentliche Hand benötigt. Als dominante Mobilitätsvermittler etablieren sich in diesem Szenario Tourismus-, Event- und Marketingfirmen, spezialisierte MaaS-Anbieter und eventuell Technologieunternehmen. Dabei handelt es sich unter anderem um Akteure, die sich die Öffnung von Daten- und Vertriebsschnittstellen gut zunutze machen können und die darauf aufbauend innovative Bündelangebote konzipieren und im Markt positionieren können. Daneben sind die Aggregation von Daten in datenbezogene, kommerziell verwertbare Mehrwertdienste sowie der Verkauf von zielgruppengerechter Werbung weitere Erlösquellen. Die Chancen und Risiken für die öffentliche Hand variieren von Szenario zu Szenario hinsichtlich der Stärke der Wirkung stark, aber nicht hinsichtlich der Vorzeichen. Das Szenario Open bietet die größten Chancen, hat aber auch die größten Risiken. Beim Szenario Closed sind Chancen und Risiken am geringste. Folgende Chancen und Risiken stehen im Vordergrund: •• Chance 1: Realisierung zusätzlicher verkehrlicher Verlagerungspotenziale •• Chance 2: Reduktion des Ausstoßes klimaschädlicher Substanzen •• Chance 3: Zunehmende Wertschöpfung und Steuersubstrat durch in der Schweiz tätige Unternehmen •• Chance 4: Enabling und Aufbau eines innovativen Schweizer Sektors rund um multimodale Mobilität, MaaS und verwandte Themen •• Chance 5: Preisgünstige Mobilität für bisher weniger gut versorgte Bevölkerungsschichten CO 2 (Reduktion in Tonnen CO 2 ) 90’163 Untere Bandbreite 135’776 Mittelwert 183’082 Obere Bandbreite 6229 4588 3049 Energie (Reduktion in Tonnen pro Jahr) Untere Bandbreite Mittelwert Obere Bandbreite Lärm (Reduktion PW-Fahrleistungen in Mrd. Fahrzeugkilometer) 0,69 Untere Bandbreite 1,04 Mittelwert 1,40 Obere Bandbreite Luftqualität (Reduktion Feinstaub in Tonnen PM10) 27,0 Untere Bandbreite 40,7 Mittelwert 54,9 Obere Bandbreite Bandbreiten zu den Umweltwirkungen pro Jahr (Zieljahr 2030) Basis: NISTRA / mobitool.ch Bild 2: Umweltwirkungen Quelle: Autoren Internationales Verkehrswesen (74) 2 | 2022 53 Mobilitätsdienstleistung MOBILITÄT •• Chance 6: Sinkender Abgeltungsbedarf für die öffentliche Hand •• Risiko 1: Anheizen der Verkehrsnachfrage durch günstige Fahrpreise •• Risiko 2: Abnahme des Bewusstseins für Kosten der Mobilität bei der Endkundschaft •• Risiko 3: Verlust der Fähigkeit zur Verkehrssteuerung und -lenkung •• Risiko 4: Verlust der Fähigkeit zur Angebotsbeeinflussung und der Garantie der bedarfsgerechten Raumerschließung •• Risiko 5: Innovationstätigkeit im Bereich VMM und MaaS ausschlißslich bei globalen Großfirmen Fazit: Handlungsbedarf für die öffentliche Hand Die Studie belegt, dass vernetzte multimodale Mobilitätsdienstleistungen einen wichtigen Beitrag zu einer Entwicklung der Mobilität in Richtung Nachhaltigkeit leisten können. Ihr Nutzen wird sich jedoch nur realisieren lassen, wenn es der öffentlichen Hand gelingt, die Entwicklung frühzeitig im gewünschten Sinn zu steuern. Gerade die großen Unterschiede zwischen den Szenarien weisen auf den großen und dringlichen Bedarf an staatlicher Steuerung hin. Die internationale Entwicklung determiniert die nationale Politik in diesem Politikfeld aus unserer Sicht keineswegs vollständig; sie kann aber im Sinne der Stimulierung von Innovationen durchaus positive Wirkungen haben. ■ 1 Der Artikel basiert auf den folgenden beiden Studien: Haefeli, U.; Bruns, F.; Arnold, T.; Straumann, R. (2020): Potenzialanalyse multimodale Mobilität. Verlagerungswirkungen, Erhöhung des Fahrzeugbesetzungsgrades sowie Reduktion Organisationsaufwand für Reisende im ÖV bis 2030. Bericht zuhanden des Bundesamts für Verkehr (BAV), Luzern/ Zürich. Haefeli, U.; Arnold, T. (2021): Umweltwirkungen vernetzter (multimodaler) Mobilität. Vertiefung der Studie „Potenzialanalyse multimodale Mobilität. Verlagerungswirkungen“ vom Oktober 2020. Bericht zuhanden des Bundesamts für Verkehr (BAV), Luzern. 2 Nobis, C. (2014): Multimodale Vielfalt. Quantitative Analyse multimodalen Verkehrshandelns. Berlin: Humboldt-Universität; Groth, S. (2019): Nach dem Auto Multimodalität? Materielle und mentale Multioptionalität als individuelle Voraussetzungen für multimodales Verhalten. Frankfurt: Johann-Wolfgang-Goethe-Universität. 3 Bundesamt für Statistik/ Bundesamt für Raumentwicklung. Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2015, Neuenburg/ Bern. 4 Olsson, L. E.; Maier, R.; Friman, M. (2019): Why Do They Ride with Others? Meta-Analysis of Factors Influencing Travelers to Carpool. In: Sustainability 11 (8): 2414; Arnold, Tobias; Bachmann, Friedel; Haefeli, Ueli (2017): Sharing Economy: Blosser Hype oder echtes Versprechen? in: Strasse und Verkehr 6/ 2017, 27-33. 5 Zu Mobility as a Service vgl.: Meurs, H.; Sharmeen, F.; Marchau, V.; van der Heijden, R. (2020): Organizing integrated services in mobility-as-a-service systems: Principles of alliance formation applied to a MaaS-pilot in the Netherlands. In: Transportation Research Part A 131: 178-195; Polydoropoulou, A.; Pagoni, I.; Tsirimpa, A.; Roumboutsos, A.; Kamargianni, M.; Tsouros, I. (2020): Prototype business models for Mobility-as-a-Service. In: Transportation Research Part A: Policy and Practice 131: 149-162. 6 Bundesamt für Strassen. Handbuch eNISTRA 2017. Bern. 7 Ausführlich dazu: Litman, Todd (2021): Generated Traffic and Induced Travel. Implications for Transport Planning, 22 April 2021 Victoria Transport Policy Institute, https: / / www. vtpi.org/ gentraf.pdf. 8 Der Energiebedarf, der durch Digitalisierung und Apps ansteigt, wurde nicht in die Berechnung einbezogen. Anders als beim deutschen dürfte dieser beim schweizerischen Strommix marginal sein. Ralph Straumann, Dr. sc. nat. Leiter Data Science, EBP Schweiz AG, Zürich (CH) ralph.straumann@ebp.ch Gregor Ochsenbein Leiter Programm zur Nutzung von Daten für ein effizientes Mobilitätssystem, Bundesamt für Verkehr BAV, Bern (CH) gregor.ochsenbein@bav.admin.ch Frank Bruns, Dipl.-Volkswirt Partner und Leiter Verkehrswirtschaft und -finanzierung, EBP Schweiz AG, Zürich (CH) frank.bruns@ebp.ch Tobias Arnold, Dr. rer. soc. Bereichsleiter Verkehr und Raum, Interface Politikstudien Forschung Beratung GmbH, Luzern (CH) arnold@interface-pol.ch Ueli Haefeli, Prof. Dr. Gesellschafter Interface Politikstudien Forschung Beratung GmbH, Luzern (CH) haefeli@interface-pol.ch Daten für ein effizientes Mobilitätssystem in der Schweiz Die Mobilitätsdateninfrastruktur im Mobilitätssystem Daten spielen in der Mobilität eine immer wichtigere Rolle: Ein möglichst reibungsloser Informationsfluss zwischen Infrastrukturbetreibern, Verkehrsunternehmen, privaten Anbietern von Mobilitätsdienstleistungen und den Verkehrsteilnehmenden ist zentral, um die vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen und Mobilitätsangebote besser zu nutzen. Die dazu nötigen Informationen sind bisher nicht ausreichend verfügbar und harmonisiert. Mit einer staatlichen Mobilitätsdateninfrastruktur (MODI) sollen Lieferung, Bereitstellung, Austausch, Verknüpfung, Bezug von Mobilitätsdaten verkehrsträgerübergreifend verbessert und vereinfacht werden. Die MODI soll die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Verfügung stellen, um den Informationsfluss zu allen Aspekten der Mobilität dauerhaft, sicher und frei von kommerziellen Interessen zu gewährleisten. Sie besteht in einer ersten Phase aus der NADIM (Nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität) für einen einfacheren standardisierten Austausch von Mobilitätsdaten und Verkehrsnetz CH als räumliche Grundlage und Referenzsystem im Sinne einer einheitlichen, digitalen Abbildung der Verkehrsinfrastrukturen der Schweiz. Gregor Ochsenbein Bundesamt für Verkehr, Bern (CH)
